Liebe Petra,

jetzt wird es dunkel und Zeit, nachdenklich zu werden. Ich denke, dass uns ein Blick in die Vergangenheit nicht schlecht bekommen würde. Hier, was ich mir dazu einfallen ließ.

Die Reichskristallnacht

Nach den Ereignissen von Chemnitz, bei denen Ausländer in Pogrom-ähnlichen Aufständen verfolgt und misshandelt worden sind oder die Attacke gegen ein jüdisches Restaurant in der Innenstadt, das mit Steinen beworfen wurde, kann ich nicht ignorieren, was in der Nacht vom 9. bis 10. November 1938 geschah. Mehr als 1400 Synagogen wurden in Brand gesetzt. 30.000 Juden wurden verhaftet und in Konzentrationslagern – wie Vieh – verfrachtet. Hunderte von ihnen wurden ermordet oder starben durch Misshandlungen, denen sie ausgesetzt wurden. Es sollte für alle unter uns ein Signal sein, egal in welchem Land, was geschehen könnte, wenn wir weiter mit dem Rechtsextremismus flirten. Sehr schnell kann solch eine Eskalation stattfinden und niemand dürfte dies ignorieren. Es wäre noch Zeit sich zu besinnen, aber die demokratischen Parteien stecken in der Krise in Europa. Das Drama des 9. November 1938 sollte Anlass genug sein, um sich zu besinnen, aber ich befürchte, dass der Hass im Moment größer ist als die Empathie. Wohin wird das uns führen? Ich hoffe nicht zu einem neuen Auschwitz!

Ideologie kann pervertieren

Die Reichskristallnacht zeigt wohin es führen kann: Zum Chaos, zur Grausamkeit. Das passt bei weitem nicht zum deutschen Volk, für das die Ordnung ein hohes Gebot ist. Sie hat das Verhalten der Menschen pervertiert, aus ihnen Bestien gemacht, was in normalen Zeiten als Charakterlosigkeit betrachtet würde. Was da geschah hatte nichts mit dem Credo der Anständigkeit, vom der die Leute viel halten, zu tun gehabt – im Gegenteil. Es zeigt wie schnell die Seele kippen kann, wenn Gift versprüht wird und gerade dies sollten wir wissen. Wenn in Frankreich in diesen Tagen antisemitische Pamphlete und Plakate Publik gemacht werden, wie zum Beispiel im Rahmen des Protestes gegen die Erhöhung des Dieselpreises durch neue Taxen. Man sieht wie schnell eine Verschwörungstheorie rassistische Züge annehmen kann und man sieht Macron mit einer krummen Nase, der wie eine Marionette von einem Arm gelenkt wird, der den Name Rothschild trägt. Eine Illustration, die in den antisemitischen Zeitungen „Je suis partout!“ oder „Der Stürmer“ im Dritten Reich hätte publiziert werden können. Toll…

Das Böse in sich bekämpfen

Dazu gehört sehr viel Mut. Man muss sich eingestehen nicht der Mensch zu sein, den man zur Schau tragen will und das bedeutet Abwehrkräfte nach außen zu bauen, um sich nicht beeinflussen zu lassen. Theoretisch klingt das gut, aber wie sieht es mit der Realität aus? Wenn man in einer vergifteten Atmosphäre lebt, kann niemand garantieren, dass man nicht von ihr verseucht wird. Wir sind alle abhängig von den Menschen, die um uns herum leben und sich abzusondern wäre nicht die gute Lösung, also wir müssen lernen gegen den Strom zu schwimmen. Der 9. November hat uns belehrt, dass nur sehr wenige Leute dazu fähig sind.  Es kam kein Widerstand gegen diese Willkür, im Gegenteil. Nicht alle Deutschen waren Antisemiten. Sie beobachten mit einer gewissen Passivität was da geschah und andere schauten ganz einfach irgendwo anders hin. Ich betrachte die Feigheit als das Böse. Aber kann ich selbst sicher sein, davon immun zu sein? Es ist zu einfach die Schuld auf andere zu schieben. Die Volksgenossen hätten nicht so handeln können, wenn Widerstand spürbar gewesen wäre. Das war ein schlimmes Signal, das nicht wahrgenommen wurde!

Die Demokratie hat sich feige gezeigt!

Es wundert mich nicht, dass die demokratischen Großmächte 1938 nicht für ein paar tote Juden einen Weltkrieg anzetteln wollten. Sie haben unendlich lange gebraucht die Vernichtungslager während des Krieges durch Bombardements lahm zu legen. Es wäre gut gewesen, wenn sie die Eisenbahnlinien still gelegt hätten, denn die Transporte von Juden wären somit eingeschränkt worden. Auschwitz zu attackieren wäre für mich dringend notwendig gewesen. Das war nicht geschehen, weil bei den Befreiungsmächten viele Antisemiten am Ruder waren. Es ist schon beschämend, solch ein Verhalten wahrnehmen zu müssen, es entbehrt jedes Ehrengefühl. Geht es nicht vor allem um die Menschen und um den Anstand? Auch das sollten wir heute beachten. Jede Art von Abgrenzung muss verhindert werden. Das gilt für jeden, auch für die Migranten. Was sich in Italien abspielt, erinnert mich schon an diesen 9. November 1938. Die Hasswelle hält sich noch in Grenzen, aber das könnte rasch umkippen. Ich erwarte von der EU, dass sie sich entschieden gegen solchen Machenschaften einsetzt und die neue Regierung in Rom dafür bestraft. Wenn Europa nicht dazu fähig, bedeutet das, dass wir immer mehr vom Neofaschismus bedroht sind. Schwäche zu zeigen, ist anzuerkennen, dass die Demokratie futsch ist.

Es brennt!

Zuerst die Bücher, dann die Synagogen.

Es brennt!

Zuerst die jüdischen Läden, dann die Menschen.

Es brennt!

Zuerst die Städte, dann die Dörfer.

Es brennt!

Zuerst die Seele, dann die Leiber.

Es brennt!

Zuerst die Empathie, dann der Anstand!

 

Es brennt!

Egal ob Kinder, Frauen, Männer!

Es brennt!

Egal ob Freunde oder Feinde.

Es brennt!

Egal ob Väter oder Mütter.

Es brennt!

Egal ob Maria oder Jesus.

Es brennt!

Egal ob Bibel oder Koran.

 

Und was tun wir?

Nichts!

 

In der Hoffnung, dass es dir gut geht,

umarme ich dich!

 

Pierre

Lieber Pierre,

Gaffer sind sensationslüsterne Gestalten, die sicher keine Freude an Leid und Schmerz haben, aber vielleicht hast du es auf den Punkt gebracht: Sie freuen sich, dass es s i e dieses Mal n i c h t erwischt hat. Zudem schleicht sich auch immer das Gefühl ein, dass es einem gut geht und dass man sich stets auf das Gegenwärtige beziehen sollte und nicht daran denken, was alles Schlimmes passieren k ö n n t e. Die Angst vor Unheil, Krankheit, Schmerz ist unser Begleiter, aber Angsthasen bestraft das Leben. Ist es nicht so, dass wir mit Hilfe einer positiven Lebenseinstellung tatsächlich Berge versetzen können? Mir jedenfalls gelingt es und meine verinnerlichte Einstellung „es-könnte-schlechter-sein“ hat mir schon oft den Arsch gerettet. Gaffer gehören an die Leitplanken gebunden und der Öffentlichkeit zur Schau gestellt, frei nach dem Motto „Hier ist ein Voyeur im täglichen Zirkus der maroden Gesellschaft, die oberflächlich Beifall klatschend dem Irrsinn des Lebens mehr Tribut zollt als den wirklich elementaren Dingen.“ Das zu dem Thema Gaffer und deren Behinderung von Helfern. Moderne Gladiatoren-Spiele, Brot und Spiele im gegenwärtigen Reich der Römer.

Dein zweites Thema ist ein Fass ohne Boden. Ich beobachte immer wieder Menschen, die rassistische Äußerungen, Diskreditierung, Ausgrenzung, Erniedrigung und menschenfeindliche Äußerungen von sich geben. Beispiel „Ich will mein Deutschland zurück!“ Das ist Schwachsinn frustrierter Leute, die oft nicht einmal in der Lage sind, fehlerfrei Deutsch zu schreiben. Krankhafte Abneigung gegen Andersartige, gegen Muslime, gegen Farbige, gegen alles, was nicht in ihre kleine, kranke Welt passt. Hilfe, lasst es nie so weit kommen, dass solche Hirnamputierten die Grenzen schließen und deutsche Inzucht betreiben, denn dann ist es vorbei mit Fortschritt, Kultur, Humanismus und Zukunft. Kommen wir wieder zu dem Osten unserer Republik, wo dieses Bild der Rechtspopulisten extrem verbreitet ist. Können wir die Mauer eigentlich nicht wieder schließen? Hust… manchmal bin ich so frech, denn es ist nicht hinnehmbar, dass hasserfüllte Leute diskriminierend und beleidigend sind. Absolut nicht und da gibt es für mich kein Pardon!

Wir alle haben die Möglichkeit, rechtsextreme Seiten, Portale und Postings zu melden. Dafür können wir einen Screenshot machen, ggf. den Nutzer erfassen (meistens haben sie Fantasie-Namen) und an die entsprechenden Stellen/ Behörden melden. Via IP-Adresse oder Handy-Ortung/-Rückkopplung werden diese Dinge in der Regel auch erfasst und entsprechende Maßnahmen veranlasst. Nicht immer reagieren die amerikanischen Netzwerke (wie google+, Facebook u.a.) sofort und können auch oft nicht detailliert den Inhalt verstehen. Es gibt u.a. die zentrale Meldestelle für rechtsextreme Inhalte im Internet vom Bündnis für Demokratie und Toleranz (http://www.buendnis-toleranz.de/themen/extremismus/167826/zentrale-meldestelle-fuer-rechtsextreme-inhalte-im-internet-www-hass-im-netz-info), die Internetbeschwerdestelle (https://www.internet-beschwerdestelle.de/de/index.html) u.a., bei denen man sein Anliegen melden kann und sollte. Wichtig ist ein Screenshot, der quasi als Beweis dient und ggf. Kopien der jeweiligen Postings. Das Internet dient heute als Propaganda-Zentrale für rechtspopulistische Hetze, egal gegen wen sich das richtet. Wir sollten als kluge, verantwortungsbewusste Menschen alles daran setzen, dass diesen hasserfüllten Leuten die Hände gebunden werden – im Sinne einer globalen, multikulturellen Welt und im Sinne einer lebenswerten Zukunft für unsere Kinder. Zeigen Sie alle Mut und nehmen sie das nicht schweigend hin. Distanzieren Sie sich klar von Rechtsradikalen und Menschen, die andere herabsetzen und entwürdigen. Menschenrechte sehen anders aus.

Lieber Pierre, wir beide haben einen direkten Pressezugang zu vielen Portalen und die Einsicht in viele Dinge, die anderen verborgen bleiben. Nutzen wir das und setzen wir ein Zeichen für Toleranz und gegen Hass. Hinter den richtig dicken Fischen, die sich eigentlich nie outen, ist selbstverständlich der Bundesverfassungsschutz u.a. Institutionen hinterher und aktiv am Arbeiten. Eine Aufgabe, die nicht ruhen darf und die auch bei mir stets im Visier meiner Aktivitäten steht. Möge die Welt bunt bleiben und die schwarzen Gehirne verrotten. Wir lieben Farbe, Sonne, Leben, Liebe und eine multikulturelle Welt voller Gegensätze, im Austausch mit den Kulturen und grenzübergreifend. Cheers to France!

 

Eine herzliche Umarmung,

Petra

 

© Petra M. Jansen

 

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Zuhause

Sicherheit riecht gewohnt. Türe zu und es ist deins. Einbruch zwecklos, hier ist nichts zu holen. Denkst du. Was kann passieren, wenn du nichts hast außer deinem Leib mit Seele? Es ist dein Ort der Ruhe, des Denkens, des Liebens, des Lebens. Komm rein. Schau dich um in meinem Heim, es fühlt sich glücklich an. Tränen, Trauer, Wut. Freude, Liebe, Lust. Hier ist alles drin vertreten. Das geheime Heim, das gemeine Heim. Es lässt dich glauben, dass die Welt in Ordnung ist. Zünde eine Kerze an – für den Frieden. Nichts wichtiger als das und nichts übler, als wenn Heimatlose kein Heim mehr haben. Heimat, was ist Heimat? Der Ort, an dem du geboren bist? Der Ort, an dem du Arbeit hast? Der Ort, an dem du Freunde findest? Ist es der Ort, der dich willkommen heißt? Zuhause. Einen Tee trinken, bei einem spannenden Film die Bettdeckenecke nass saugen, beim Norovirus stundenlang auf dem Klo verbringen, Geplauder am Telefon, gebratenes Fleisch am Wochenende auf dem Herd. Ist zu Hause dein Zuhause, wenn du ungeliebt bist? Stets die Angst im Nacken, morgen dein Bündel packen zu müssen, weil sie dir an den Kragen wollen? Was gibt Sicherheit für deine Seele, wo du die Tür hinter dir schließt, um aufzutanken? Kraft schöpfen. Frieden leben.

Hat der Menschenhass dich schon gestreift? Der Hass derer, die es nicht zulassen wollen, dass du genau die gleiche Sicherheit verdienst? Parolen, die dir entgegenschleudern „Du gehörst hier nicht hin! Hau ab, ganz weit weg von uns!“ Sagen die, die ein heimeliges Heim besitzen, wo der Ofen wärmt und das Licht abends brennt. Herrgott… dem glaubst du nicht. Dein Gott schützt dich nicht und gibt dir keine Sinnesänderung in die Hand. „Wir wollen unser Land zurück, wir werden sie jagen“, so unlängst Einer, der öffentlich geduldet in der Politik mitmischt. Was für ein Ungleichgewicht, was für eine Scham.

„Was ist da bloß los? Was haben wir denn falsch gemacht?!“ Sie sitzen in ihrer warmen Hütte und sehen nichts. Rein gar nichts. Du willst Frieden, du willst einfach leben, lachen, lieben und dir ist es versagt. Das Zelt, das schäbige Wort „Auffanglager“ sind dein Ort und dein Zuhause. Kannst du dir einen Hund erlauben? Nur einen kleinen Hund oder ein kleines Tröste-Tier? Nein, mein Freund. Du bist nicht aus unserem Land, für dich gibt es kein Zuhause. Du hast n u r die Arschlochkarte – während sie im Warmen sitzen und in die Küche gehen, um sich einen Snack zu holen. Dreh es rum, ich dreh es um! Du willst doch dein Zuhause. Einen Ort der Kraft. Einen Ort ohne Angst. Einen Ort der Liebe. Einen Ort des Friedens. In deinem kurzen Leben. Es steht dir zu, es ist dein Recht. Du sollst ein Heim als dein Zuhause leben. Einbruch zwecklos, wenn der Bruch der Menschenrechte dir bereits sicher ist? Sicher doch. Du hast nichts, bei dir ist nichts zu holen. Eine gedemütigte Seele kann man nicht verticken.

 

© Petra M. Jansen

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Wenn es in diesen Wochen um Donald Trump geht, ist oft die Rede von Hass, Irrationalität, Dummheit, Anmaßung, Angst. Diese Begriffe zeichnen das Stimmungsbild des liberalen Europas nach. Was hinter diesen Begriffen steht, ist die Angst, die dieses Europa derzeit nicht nur im Außenverhältnis zu den USA umtreibt. Sie betrifft die europäische Politik auch nach innen – man denke nur an den Zulauf für die postfaktischen Populisten am rechten Rand.

Den Kern dieser Befürchtung des liberalen Europa fasste ein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung zusammen: „Trump zerstört das Handwerk der Politik, er ignoriert das Argument und die Rationalität.“ Eines ist klar: Er zerstört das Handwerk der Politik – wie wir sie kennen. Dieser Satz fasst jedoch das Problem liberaler Demokratien mit Populisten und Nationalisten zusammen. Er macht einen tief sitzenden, über Jahrzehnte kultivierten, Irrglauben deutlich: den Glauben daran, Politik habe allein etwas mit Argumenten und Rationalität zu tun.

Dieser Glaube ist eine Erfindung der westlichen Welt, die derzeit bröckelt. Eine Welt, in der mehrere Generationen das große Glück hatten, in einem rational begründeten Frieden aufwachsen zu dürfen. Es ist eine heile Welt, allerdings keine realitätsnahe.

Politik heißt Kampf! Sie ist ein Kampf um Weltbilder und ein Kampf um deren Durchsetzung, für den man Macht benötigt. Die liberalen Demokratien haben diesen politischen Kampf in Parlamenten (ihre Arenen) eingehegt. Sie haben diesen Kampf, der an seinen Extrempunkten mit Worten aber auch mit Kriegen geführt werden kann, auf Wortgefechte beschränkt. Sie tragen ihn rational und mit Argumenten aus. Daher der jahrzehntelange Friede. Doch der Glaube, diese Austragung des politischen Kampfes sei „normal“, ist eine fatale soziale Konstruktion.

Das wird offensichtlich, wenn plötzlich jemand wie Trump, Höcke oder Le Pen nicht mehr allein nach diesen rational-argumentativen Regeln spielt und trotzdem politisch erfolgreich ist. Auf der Ebene, auf der sich diese Akteure politisch handeln, sind Hass, Irrationalität, Dummheit, Anmaßung, Angst keine Beleidigung, sondern Mittel zum Zweck, ein Mittel zur Macht. Eine Macht, die ihnen bei der Durchsetzung ihrer Weltsicht hilft – gegen die liberale Weltsicht, die selbst zu einem Kampfeinsatz im politischen Spiel degradiert wird.

Der Konsens des Westens, der sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts etabliert hat, dem „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama), ist eine Seifenblase, an die die Populisten dieser Welt ihre Nadeln setzen. Auch wenn die demokratischen Politiker, die Trump als Establishment beschimpft, die Höcke als Altparteien zugehörig bezeichnet, es nicht wahrhaben wollen. Dieser Konsens über einen Kampf mit Argumenten und Rationalität ist nicht natürlich. Die Rechten und Nationalisten machen keine Politik mit unfairen Mitteln. Sie machen Politik mit allen in ihren Augen notwendigen Mitteln. Die Frage der Legitimität stellt sich für sie nicht.

Dessen muss man sich bewusst sein, will man gegen den Populismus eine Chance haben. Wenn man den Frieden sichern, Nationalismen dämpfen und den Zusammenhalt zwischen den Nationen stärken will. Die den Frieden sichernde und die politischen Kämpfe eingehende Weltsicht der Demokratien lässt sich nur schützen, wenn man sich darüber klar wird, dass man ein Weltbild gegen ein anderes zu verteidigen hat. Dazu muss man das eigene Bild vom „politischen Handwerk“ einem Realitätstest unterziehen und den Kampf aufnehmen. Nur dann kann man den Feinden der Freiheit das Handwerk legen.

Die Frauenmärsche dieses einen Wochenendes, der Aufruf Madonnas zu einer „Revolution der Liebe“, aber auch staatliches Handeln, sind notwendig, um das Schlimmste zu verhindern. Das, für das Privileg des Aufwachsens in Frieden – auch für folgende Generationen!

Wahrscheinlich leben wir tatsächlich in einer Art postfaktischem Zeitalter, wie viele meinen. So ist es in Wahlzeiten nicht so wichtig, die Fernseh-Auftritte zu gewinnen, sondern in deren Nachbetrachtung als Sieger zu erscheinen. Wobei man durchaus einräumen muss: Bei manchen Themen tendiert der selbstgefällige Medien-Planet dazu, sich von der Erde zu entkoppeln und dann aus allen Wolken zu fallen, wenn die Leute das „Falsche“ tun.

Die digitale Welt ist noch jung – erst vor rund 13 Jahren wurde Facebook gegründet. Vielen gilt es als Hauptnachrichtenquelle. Wahrscheinlich wird es noch dauern, bis wir alle professioneller mit dieser unglaublich demokratischen Form der Kommunikation umgehen. Die Weite des Netzes hat paradoxerweise den Horizont bei vielen eher verengt.

Die Stellenanzeigen werden mehr: „Kritische(r) Bürger/-in (m/w) gesucht …“

Die Ausländerfeindlichkeit nimmt nach dem Brexit-Votum in Großbritannien drastisch zu.

Nationalstolz spielte im Kampf um den EU-Austritt eine große Rolle. Nach dem Votum werden etliche Briten rassistisch angegriffen oder beschimpft – oft sind Muslime die Zielscheibe. Nun herrschen Unsicherheit, Wut und die Suche nach der europäischen Identität.

Es sind die Tage nach dem Brexit-Votum. Eine indisch-stämmige Frau läuft durch Whitechapel, einen Stadtteil im Osten Londons. Als Kopftuchträgerin sticht die Britin in dem multikulturellen Bezirk keineswegs heraus.

Ein Mann läuft an ihr vorbei. „Verpiss dich aus meinem Land!“, ruft er ihr zu. Sie ist schockiert und weiß nicht, wie sie reagieren soll. Solch eine Beschimpfung, ausgerechnet hier, in Whitechapel, wo knapp 43 Prozent der Bewohner Muslime und etliche Nationalitäten vertreten sind.

Dann ist der Mann verschwunden – so beschreibt die Mittzwanzigerin den Vorfall. „Als ich darüber nachdachte, war ich unglaublich wütend.“

Die Polizei in Großbritannien verzeichnete allein in der zweiten Junihälfte 3.076 sogenannte Hassverbrechen, fremdenfeindliche Übergriffe, 42 Prozent mehr als im Jahr 2015.

Unter den Opfern waren etliche britische Muslime. Der Spruch „Hau ab nach Hause!“ kommt besonders oft vor, wie der britische Rat der Muslime beobachtet hat. In den Medien häufen sich Berichte über Demonstrationen vor Moscheen und Graffiti an deren Wänden.

Viele Engländer glauben offensichtlich, dass das Ergebnis des Brexit-Votums rassistische und feindliche Kommentare in gewisser Weise legitimiert. Ein gefährliches Pflaster!

Das Thema Zuwanderung war eines der wichtigsten Schlachtfelder, auf denen der Kampf um den EU-Austritt Großbritanniens ausgetragen wurde. Vor allem die Brexit-Befürworter nutzten provokative Aussagen, Plakate und Sprüche und setzten auf den Nationalstolz der Bevölkerung.

Das Brexit-Lager hat mit dem Zuwanderungsthema unter den Wählern Angst geschürt und somit Stimmen gesammelt“, sagt Pola Uddin, Muslimin und Mitglied des britischen Oberhauses.

Viele Muslime kämpften für Verbleib in der EU. Das nicht ohne Grund!

Der Mann, der die Frau auf der Straße in Whitechapel beschimpfte, hatte sich klar die Falsche ausgesucht. Die junge Aktivistin und Mitarbeiterin der Organisation Citizens UK wehrte sich. Sie ging zur Polizei, twitterte von ihrer Erfahrung, trat in den Medien auf, organisierte eine Kampagne gegen Hassverbrechen. Es ist wichtig, dass man sich empört, aus solchen Übergriffen einen Skandal macht. Die Öffentlichkeit muss wachgerüttelt werden!

An Beleidigungen und Witze wegen ihres Kopftuches, wegen ihrer Religion ist sie inzwischen gewöhnt. Aber dass jemand sagt, sie solle aus dem Land verschwinden – das ist schockierend!

Die Muslima hat wie viele andere für den Verbleib in der EU gestimmt. Einer Umfrage des ehemaligen konservativen Politikers Michael Ashcroft zufolge stimmten rund 70 Prozent der britischen Muslime gegen einen EU-Austritt.

Die meisten von uns kennen das Phänomen nur aus Geschichtsbüchern und den Nachrichten: Die Katastrophe, das Unglück, Morden, was auch immer – genannt: Krieg! Im Europa nach 1945 ist unsere Generation als auch die nach uns aufgewachsen in einer Phase und auch in einem Raum des Friedens. Unvorstellbar, dass sich dies einmal ändern könnte. Mit Spannung, teilweise Entsetzen haben wir den Erzählungen unserer Großeltern und jenen unserer Eltern, die damals selbst noch Kinder waren, zugehört. Wir haben die Kinderlieder wie „Maikäfer flieg …“ noch mit leichtem Schaudern und Gänsehaut im Bettchen abends gesungen. Eine Welt, die nicht die unsrige war. Weit entfernt, das passierte uns nicht, da würden die Eltern – oder auch die „Großen“ – schon darauf achten. Diese Haltung nimmt man mit ins Erwachsenenalter. Man geht hin wo man will, man sagt und macht, was man will. Solange man gegen kein Gesetz verstößt, stört dies niemanden.

Nicht erst die Anschläge in Paris haben es verdeutlicht, es ist eigentlich schon länger absehbar. Die fruchtbaren Morde in Paris haben es uns nur noch einmal in aller Härte vor Augen geführt: Wir sind im Krieg! Heute morgen hörte ich einen Kommentar im Radio, der mich sehr nachdenklich machte: Es sei ein Krieg, der wahrscheinlich (eine Prognose!) dreißig Jahre dauern würde. Vorbei mit dem Kokon der Sicherheit, aus mit der Sonne des Friedens. Paris hat es gezeigt: Wir haben in unserer modernen Epoche ein Gut, das zuvor nicht selbstverständlich war: die Freizeit. Sie gehört uns allein, man ist absolut privat bis hin zu intim, keiner spuckt einem da in die Suppe. Freizeit steht mit Freiheit in Einklang, die Zeit, die ich für mich selbst gestalten kann. In dieser Zeit suche ich mir Beschäftigungen, die ich mag, ja liebe. Ich mache das, was ich gerne tue. Es ist einfach schön! Und genau das haben die Verbrecher von Paris kaputtgemacht, so, wie es an vielen Orten in der Welt vorher auch schon passierte. Der 11. September 2001 war für die Vereinigten Staaten eine Zeitenwende. Genauso verhält es sich mit dem 13. November 2015, was Europa angeht. Mit den Opfern, die wir betrauern, wurde uns das Gefühl der Sicherheit gestohlen. Von jetzt bis in eine unbestimmte Zukunft. Die Idylle eines Straßencafés im Frühjahr des nächsten Jahres kann von jetzt auf nachher zur Hölle werden. Die Angst sitzt uns im Genick! Angst, das Gefühl der Bedrohung vor etwas, das man nicht greifen kann. Angst macht orientierungslos, zum Teil sogar wütend. Im bisher sicheren Europa wissen wir nicht, wie wir damit umgehen sollen. Und genau das wollen die Terroristen erreichen!

Aber das Gefühl der Angst lässt auch nach. Junge Menschen in Jerusalem und Tel Aviv sagten zum Beispiel vor einiger Zeit in einem Interview, dass sie nach wie vor in Straßencafés und Diskotheken gehen. Trotz der Gefahr eines Anschlages. Jene junge Menschen in Israel sind in dieser Art Krieg, in der wir uns jetzt befinden, aufgewachsen. Und das erinnert mich ein wenig an die Erzählung meiner Eltern: man kannte es als Kind nicht anders! Entscheidend ist aber, dass uns am letzten Freitag ein gehöriges Stück Lebensqualität gestohlen wurde. Sich des Risikos eines Anschlages bewusst in einer Menschenmenge zu bewegen ist nicht das Gleiche wie dies unbefangen zu tun, ohne Argwohn.

Die Art zu kämpfen hat sich verändert. Man schaut dem Feind nicht mehr außerhalb auf dem Schlachtfeld ins Auge. Man sieht ihn nicht mehr kommen. Er ist unter Umständen unter uns in unserer bisher friedlichen Straße. Er kommt auch nicht zwingend aus einem fremden Land. Die Anschläge der Rote Armee Fraktion (RAF) in den 1970er Jahren haben es bewiesen. Und er fragt sich auch nicht mehr, ob ich eine reelle Chance habe, mich zu verteidigen. Er tötet wahllos und heimtückisch. Er macht keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen und Kindern, zwischen Jungen oder Alten oder zwischen Streitkräften und Zivilbevölkerung. Die Verbrecher von Paris kannten die Begriffe der Feigheit und der Heimtücke nicht. Sie haben sich als Herren über Leben und Tod von unschuldigen Menschen aufgeschwungen. Wir werden diesen Krieg durchleben müssen, uns wappnen. Unsere bisherige militärische Taktik und Strategie sind überholt, unsere Regeln zu kämpfen nutzlos!

Wir stehen am Anfang einer neuen Epoche.

© Thomas Dietsch

Liebe Petra,

heute will ich die Sau herauslassen, aber nicht wie Jeder meinen könnte. Eines möchte ich im Voraus sagen: Ich mag sehr gerne Schweinefleisch und habe nichts gegen einen saftigen Braten, gespickt mit zahlreichen Knoblauchzehen, aber wenn ich lese, was sich in einer Stadt wie Chalon-sur-Saône abspielt, bekomme ich eine Sau-Wut. Die Stadträte dieser kleinen Stadt, durch ihre Weine weltbekannt, haben sich vorgenommen, in den Schulkantinen kein Essen mehr für die Kinder islamischen Glaubens anzubieten, wie es seit Jahrzehnten immer der Fall war. Wie jeder wissen sollte – im Koran, wie auch für die Juden in der Thora – ist der Konsum des Schweinefleisches untersagt. Darüber kann man streiten, aber dieses Verbot war aus Seuchengründen damals gerechtfertigt und dass es zum Dogma erhoben worden ist, kann stören, sollte aber respektiert werden. In dieser kleinen Provinzstadt wird somit die Meinungs- und Religionsfreiheit ins Absurdum getrieben, mehr noch: Sie wird verletzt, was gar nicht im Einklang mit der Verfassung ist, aber niemand geht auf die Barrikaden, weil es sich „nur um Araber handelt“ – für viele ein Störenfried, der unsere so tolle abendländische Zivilisation durchmischt und Frankreich sollte den Weißen gehören. Das behauptet Nadine Morano, eine europäische Abgeordnete der Republikanischen Partei von Nicolas Sarkozy. Deswegen wurde sie gerügt und wird wahrscheinlich bei den Regionalwahlen nicht als Spitzenkandidatin aufgestellt werden, aber eines ist nahezu sicher, sehr viele Franzosen denken wie sie.

Stelle dir vor, liebe Petra, wenn die Vegetarier und die Veganer keine Ess-Auswahl mehr hätten – und das ist in Chalon der Fall – würde das Volk in Deutschland auf die Barrikaden gehen und das mit Recht, weil es ganz einfach eine Provokation ist. Das Argument, dass in einem laizistischen Schulsystem – wie es in Frankreich der Fall ist – solche religiösen Dogmen nicht beachtet werden sollten, widerspricht die Grundregeln der Toleranz. Die Trennung von Kirche und Staat begrüße ich, das heißt aber noch lange nicht, Menschen wegen ihrer Wurzeln zu quälen, im Gegenteil. Es geht darum, religiöse Debatten vom Schulhof fernzuhalten, das Prinzip der Gleichheit, egal zu welcher Gemeinde man gehört, zu fördern und den Glaubenskrieg zwischen den Schülern möglicherweise fern zu halten. Eine humanistische Haltung, die total im Sinne der Aufklärung betrachtet werden kann.

Solche Schikanen wie in Chalon-sur-Saône, haben die Qualität der Hetztiraden des „Stürmers“ von Julius Steicher vor und während des Dritten Reiches. Ich würde ab sofort den Stadträten empfehlen, die Parkbänke nur für die Weiße frei zu halten und weiterhin den Zutritt für Hunde und für Araber – Juden gibt es zu wenige – zu untersagen. Die Schulen könnten dann folgen und um den Mob zu befriedigen, könnte man eine neue „Reichskristallnacht“ inszenieren – natürlich mit einer Menge Fackeln, um die Moscheen in Brand zu setzen. Dann könnten die KZ folgen und logischerweise auch die Endlösung, wie in Birkenau. So weit wird es hoffentlich nicht kommen, aber diese Grundstimmung erfüllt mich mit Sorge. Die Geschichte hat gezeigt, wie schnell der Mensch jede Zurückhaltung verliert, wenn sein Herz mit Hass gefüllt ist und niemand ist dagegen immun, egal ob Proletarier oder Intellektueller.
Die Stadträte von Chalon, sind in ihrer Mehrheit keine Nazis – nur Kleinbürger mit einem beschränkten Rundhorizont. Das war auch der Fall bei denen, die Adolf Hitler unterstützt haben. Leute, die keiner Fliege etwas antun könnten und die nach außen den Anstand hoch zelebrieren. Liebe Petra, ich ziehe waschechte Nazis vor, weil man dann wenigstens weiß, woran man ist. Die sogenannte „stille Mehrheit“ ist in ihrer Engstirnigkeit viel gefährlicher, weil sie Demagogen die Toren der Macht eröffnet, wie es 1933 für die NSDAP der Fall war. So etwas könnte uns in Europa blühen, wenn wir nicht verdammt aufpassen.

 

In diesem Sinne.
Ich umarme dich, liebe Petra.
Pierre

//pm

Razzismo

È nella nostra vita quotidiana, sulla strada, in edifici pubblici, anche in una festa privata. Giudichiamo qualcuno in base all´aspetto. In Germania si trova spesso il commento nei confronti delle persone con diverso colore della pelle, „Ma tu parli bene il tedesco!“. Per una persona giovane la cui nonni già sono venuti alla Germania e la cui famiglia viveva qui da allora, non è sorprendente. Eppure: è giudicato sulla base della sua apparenza e deve spiegare il „perché“ delle sue competenze. Il vicino di casa „con uno sfondo migratorio“ che ha un passaporto tedesco. Allora perché questa aggiunta? Uno/una tedesco/-a è qualcuno che possiede un passaporto tedesco. Il resto non conta. Ma questo è innocuo! Finora il 2015 non è stato una pagina gloriosa per la Germania riguardo al razzismo. Dimostrazione Pegida, un tentativo di attacco a un campo profughi, la fiaccolata di Dortmund. Solo per citarne alcuni. Il razzismo nasce dalla paura, la paura dell’ignoto. E ha soluzioni presunto „semplici“. Si distingue tra le apparenze. Decidono se una persona può fare qualcosa o no, se è buono o cattivo. Ma l’uomo non è facile. No, lui è di natura molto complessa. E così, la rabbia nasce dalla paura, l’odio dalla rabbia. E questo degenera in violenza. Devo dire che queste cose vanno stroncate sul nascere.

Rassismus

Er ist alltäglich, auf der Straße, in öffentlichen Gebäuden, ja sogar auf einer privaten Party. Wir beurteilen Menschen nach äußeren Merkmalen. In Deutschland fällt oft die Bemerkung gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe: „Du sprichst aber gut Deutsch!“. Bei einem jungen Menschen, dessen Großeltern bereits nach Deutschland kamen und dessen Familie seitdem hier lebt, nicht verwunderlich. Und dennoch: er wird beurteilt aufgrund von Äußerlichkeiten und muss das „Warum“ seiner Kompetenzen erklären. Der Nachbar „mit Migrationshintergrund“, der einen deutschen Pass hat. Warum also dieser Zusatz? Deutsche(r) ist, wer einen deutschen Pass besitzt. Der Rest spielt keine Rolle. Aber das ist noch harmlos! Das Jahr 2015 war bisher für Deutschland kein Ruhmesblatt in puncto Rassismus. Pegida-Demos, ein versuchter Angriff auf ein Flüchtlingslager, der Fackelzug in Dortmund. Nur um einige zu nennen. Rassismus ist aus Angst geboren, der Angst vor dem Fremden. Und er bietet vermeintlich „einfache“ Lösungen. Wir unterscheiden nach Äußerlichkeiten. Diese entscheiden, ob ein Mensch etwas kann oder nicht, ob er gut ist oder böse. Aber der Mensch ist nicht einfach. Nein, er ist ein sehr komplexes Wesen. Und so entsteht aus Angst Wut, aus Wut Hass. Und der artet aus in Gewalt. Ich muss dazu sagen: Wehret den Anfängen!