Liebe Petra,

Pierre und Mathias schicken sich neuerdings Briefe. Hier ein Vorgeschmack: Es stinkt mir! 

Lieber Mathias, 

es gibt eine Menge Dinge, die mir in den Sinn kommen, wenn man älter wird und ich habe das Gefühl, dass meine Wohnung mir fremd geworden ist und dass ich mit den Gegenständen, die sie füllen, zunehmend mehr ein distanzierteres Verhältnis haben werde. Ich denke, dass ich irgendwie schon auf den Weg bin, Abschied zu nehmen und nur noch versuche, das Dingende zu erledigen. Immer mehr können mir Sachen, die in der Vergangenheit so wichtig waren, den Buckel runterrutschen und manchmal habe ich Lust, alles um mich herum zu vernichten, meine Erinnerungen in den Müll zu schmeißen. Weit entfernt die Greis der Fernsehwerbungen, die immer blöde lächeln, weil sie so happy sind und die so tun, als ob sie sich in ganzer Ewigkeit nicht vom Fleck rühren werden. Als ob das Leben nicht von Geburt an ein Schlusspunkt ist. Nein, mir ist sehr bewusst, dass ich irgendwann abkratzen werde. Ich hänge zwar am Leben, aber verdammt noch einmal, man muss auch loslassen können! 

Diese Art von Gefühlen ist neu für mich, weil ich vielleicht eine große Müdigkeit verspüre und weil es mir bewusst geworden ist, dass ich nicht unsterblich geworden bin. Indem ich das hier schreibe, habe ich das Gefühl, dass ich mich ständig neu erfinde. Eine Disziplin, die mir das Überleben ermöglicht. Weil ich die Lust empfinde, die Erinnerungen auf den Mond zu schießen. Jetzt weiß ich mehr denn je, dass es vielleicht besser ist, ein Mensch ohne Eigenschaften zu sein. Lieber Musil, sie haben so Recht gehabt, ihn zu erfinden. Die ständige Suche nach Gedanken, die letztendlich in den Müll landen werden, macht mich mürbe. Besser niemand zu sein, als sich ständig unter die Lupe nehmen zu müssen. Du Wurm, hast du eine Seele? Oder hast du sie an den Satan verscherbelt? Gib zu, er hat dich über den Tisch gezogen! Tatsache ist, dass ich ständig blöder werde, mich immer wieder selbst vergesse und das macht mich wütend, weil ich nicht als Depp die Würmer besuchen will. Er hat einen wohlverdienten Ruhestand verdient? Ich pfeife darauf.

Jetzt stellt sich die Frage, wie ich mit meinem Greisen-Dasein fertig werde? Wenn man mir sagen würde “hau so schnell wie möglich ab“, würde ich Nein sagen. Leute, das Leben ist so schön beschissen, dass man es mit Leidenschaft leben muss und as habe ich mir bis zum letzten Atemzug versprochen, auch wenn das eine bescheuerte Absicht ist. Man muss schon total verrückt sein, sich das zu wünschen, da niemand dem Mann mit der Sense aus dem Weg gehen kann. Wäre es nicht besser in ein Heavy-Metal-Konzert in Berlin zu gehen? Eine Veranstaltung, bei der man mit Garantie taub hinauskommt? Ich liebe Metal, weil er kreischend ist und die blöde Sentimentalität kleistert, auch wenn Metaller sehr weiche Gemüter sind. Leute, ich spucke auf eure Gräber, weil sie die Gedenkstätten der Banalität sind. Erwartet nicht, dass ich mit einer Gießkanne im Friedhof meine Zeit verplempern werde. Ich liebe viel zu sehr die Existenz, um das Leben derart zu schildern. Hart, herb, manchmal bitter – aber so schön.

Und jetzt setze ich mich unter die Weide am See, wie sich das auf einer Trauerkarte gehört und schaue in die Unendlichkeit. Kitschig, glattgebügelt. Ihr könnt mich alle mal gern haben!

 

Antwort von Mathias an Pierre 

Du denkst, dass ich wie ein modriges Stück faules Fleisch im Sarg landen will! Lieber vom Feuer erfasst werden, lieber Pierre. Du siehst, auch ich bin fähig, makabres Zeug zu verzapfen. Wenn du denkst mein Freund, dass du mich in die Niederungen deines Blues mitziehen kannst, irrst du dich. Ich habe Lust, trotz Corona zu feiern, die Zunge in Richtung der Misanthropen zu ziehen. Das Einzige, was uns noch verbindet, scheint der Heavy Metal zu sein, sonst kann ich auf dein ganzes Geschwätz verzichten. Ich bin nicht von den Wehen eines unwiderruflichen Abschieds erfasst. Lasse mir noch Zeit, um abzukratzen. Und das auch, wenn mein Körper am Verfaulen ist. Nicht sehr appetitlich. Er säuft ständig wie eine alte Dampfmaschine. Keine Spur eines Apollos zu erfassen, aber macht nichts. Wenn ihr es wissen wollt, es ist mir völlig wurscht, so zu sein wie ich bin. Ich bin ein alter, stinkender Bock geworden, der die Brunftzeiten aus Mangel an Energie versäumt. Habt ihr es, Herr Jäger, mit Viagra versucht, um mehr Wild in eurem Revier zu erzeugen?

Du Pierre, ich kann sehr wohl verstehen, dass du die Nase gestrichen voll hast, aber erspare mir das! Wenn es mir wohl tut – wie eine Antiquität – meine Zeit zu verbringen, tue ich das und glaube mir, ich pfeife wie du auf die Eigenschaften der ewigen Jugend, aber ich will auf etwas anderes hinweisen. Anstatt Blumen würde ich Kürbisse auf die Gräber pflanzen, wie die Bauern es auf den Misthäufen tun. Du würdest feststellen, dass die glänzend gedeihen, weil wir auch zum Mist gehören, den wir ständig verbreiten. Ich würde endlich den Sterberitualen ein Ende setzen, weil es sowieso nur Heuchelei ist. Genügend gesponnen, die Sonne scheint, wir freuen uns, das Familienleben erleben zu können.

Lebe wohl, Pierre!

 

Antwort von Pierre an Mathias 

Ob der Tod uns einholt oder nicht, er könnte sich noch viel Zeit lassen, weil er uns – ob du willst oder nicht, Mathias – gewaltig auf den Geist geht. Ich kann auf die ewige Ruhe verzichten, weil es nicht meine Absicht ist, brav zu sein. Mist machen, macht halt mehr Spaß. Wenn es mir danach ist, den heutigen Tag zu verdammen, tue ich es, weil es für mich ein Zeichen der Unabhängigkeit ist. Ich möchte die Freiheit haben, mein Dasein zu verdammen, wenn es mir danach ist und das tue ich auch wenn es meine Leser stören könnte. Jetzt scheint aber die Sonne und ist ein Anlass, Freude zu empfinden.

Und wenn ich Kürbisse auf eure Gräber pflanze, tue ich es, weil ich tief überzeugt bin, dass es die beste Lösung ist, seine restliche Zeit auf Erde zu verbringen. Und der Tod? Er muss heute nicht im Mittelpunkt stehen. Er wird noch genügend Zeit haben, um uns zu quälen. Aber eines glaube ich nicht: Von ihm befreit zu werden. „Hör doch auf zu grinsen!“

 

Antwort von Mathias an Pierre 

Und jetzt reicht es für heute. Sieh zu, dass du auf andere Gedanken kommst, wie zum Beispiel die Blumenmädchen zu vernaschen. Und jetzt hau ab!

 

Liebe Petra, ich umarme dich!

 

Pierre

//pm

 

 

 

 

Nach Recherchen von Medien und der Naturschutzorganisation Greenpeace hat das Unternehmen absichtlich tausende Kubikmeter schwermetall- und säurebelastetes Abwasser aus einem Nickelwerk in einen Fluss geleitet. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen wegen der illegalen Entsorgung giftiger Flüssigabfälle eingeleitet. Nornickel erklärte (deutschlandfunk.de), das Abwasser sei wegen einer vollen Sickergrube falsch abgepumpt worden, es handele sich aber um zuvor geklärtes Wasser.

Die Gewässer in der Nähe des Nordpolarmeeres kämpfen aktuell mit den Folgen der Ölkatastrophe von Ende Mai, als 21.000 Tonnen Öl ausgeflossen waren. Dort war in einem Heizkraftwerk in der Nähe der Stadt Norilsk ein riesiger Tank offenbar durch den auftauenden Permafrostboden abgesackt und gebrochen. Das Kraftwerk gehört ebenfalls zu Nornickel, dem zweitgrößten Nickelproduzenten der Welt.

Umweltschützer gehen davon aus, dass die Natur Jahrzehnte zur Erholung brauchen wird. Sie vergleichen die Ausmaße des Vorfalls in Sibirien mit der Havarie des Öltankers Exxon Valdez im Jahr 1989. Damals waren vor Alaska 40.000 Tonnen Erdöl ins Meer geflossen.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits Anfang Juni den regionalen Notstand zu einem nationalen hochgestuft und den Gouverneur der Region sowie die Unternehmensführung vor laufender Kamera heftig kritisiert. Wieso wussten die Behörden erst zwei Tage später davon? Sollten wir aus den sozialen Medien von diesem Vorfall erfahren? Sind Sie noch ganz richtig im Kopf?, tönte Putin (ard.de, 10.06.2020).

Die Ursachen:

Der Bergbaukonzern Nornickel sieht die globale Erderwärmung als Hauptursache. Weil der Permafrostboden hinter dem Polarkreis zur Zeit schmelze, könnten die Stützpfeiler des riesigen Dieseltanks sich verschoben haben. Das wiederum könnte zum verhängnisvollen Leck und dem Auslauf des Öls in den Fluss geführt haben.

Russische Umweltschützer schließen jedoch banale Fahrlässigkeit nicht aus. Alexej Knischnikow, Chef der Abteilung Business Environmental Responsibility des WWF-Russland wirft Nornickel die zum Himmel schreiende Schlamperei und Verletzung der elementaren Grundlagen der Umweltsicherheit“ (dw.com) vor. Es gebe in Russland Umweltschutzforderungen für solche Behälter. Sie müssten zum Beispiel von einem Damm umgeben sein, der eine bestimmte Höhe haben und für Flüssigkeiten undurchlässig sein muss, damit in einem solchen Fall die Ölprodukte auf dem Industrie-Gelände bleiben könnten.

Der Konzern Nornickel ist mächtig. An ihm geht nichts vorbei. Sein Chef, der Oligarch Wladimir Potanin, versteht sich blendend mit Präsident Wladimir Putin.

Ohne den Segen des Konzerns geht in der Region nichts. Als die Umweltschützer ihre Bodenproben per Flugzeug nach Moskau bringen wollen, um sie dort von einem unabhängigen Labor untersuchen zu lassen, werden sie am Flughafen von Norilsk gestoppt: Nornickel habe die Ausfuhr der Proben aus der Stadt nicht gestattet (br.de).

Russland hält trotz aller Vorkommnisse an den Entwicklungsplänen in der Arktis fest. Eine hundertprozentige Aufklärung wird es ohnehin nicht geben, Damit das ganze Ausmaß der Katastrophe klar wird, damit sie auf die Agenda der Staatspolitik kommt, bräuchte es den Willen von oben. Der fehlt aber

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Brasilien präsentierte sich als Gastgeber der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Spiele 2016. Es zeigte sich auch zunehmend selbstbewusst.

Das Land beteiligte sich an internationalen UN-Missionen in Haiti, im Kongo und auf den Golanhöhen. Und es war diplomatisch federführend in der Gruppe der aufstrebenden Schwellenländer, den sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika).

Bolsonaro, Brasiliens Präsident, der die von dem Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 als kleine Grippe bezeichnete, hatte in der Regel keine Maske getragen und bei seinen öffentlichen Auftritten auch die Abstandsregeln ignoriert: Der rechtsradikale Politiker schüttelte regelmäßig Hände und umarmte seine Anhänger auch. Ein Gericht hat nunmehr die Maskenpflicht auch für Bolsonaro angeordnet (zeit.de).

Anfang letzten Jahres kam er ins Amt. Wie sieht die Bilanz nach 18 Monaten aus?

Während in Brasilien die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Patienten auf über eine Million gestiegen ist, versinkt das Land immer mehr im Chaos. 

Auf den Erfolg der Corona-Strategie seiner Regierung kann sich Bolsonaro nicht berufen. Brasilien ist mit mehr als 57.000 Toten (Stand: 28.06.2020) nach den USA das stärkste von der Pandemie betroffene Land (deutschlandfunk.de).

Brasilien war gerade mit Müh und Not wieder ein bisschen auf Wachstumsfahrt, hatte sich aus der Rezession rausgearbeitet. Jetzt kommt Corona und die Hoffnung von Jair Bolsonaro, dass er diese Pandemie oder die Effekte dieser Pandemie von Brasilien abhalten kann, indem er einfach gegen jedes Social Distancing ist, haben sich nicht erfüllt. Die Produktion ist auch eingebrochen, die Wirtschaftsleistung ist auch eingebrochen. Brasilien steckt in einer tiefen Rezession.

Man vergleicht Bolsonaro oft mit Donald Trump. Der Vergleich ist angebracht, weil in vielen Dingen Bolsonaro Donald Trump schlicht imitiert. Das gilt auch für die Corona-Politik und schließlich, was seine Popularität angeht. Seine Beliebtheit bröckelt. In den Umfragen schneidet er immer schlechter ab. Immer mehr Menschen wenden sich von ihm ab. Das miserable Krisenmanagement in Sachen Corona spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Dennoch gibt es einen harten Kern an treuen Anhängern.

Die Zahl der Todesopfer steigt in der Pandemie rasant. Vor rund zwei Wochen sind im Gedenken an die Verstorbenen und aus Protest gegen die Corona-Politik der Regierung am Strand der Copacabana in Rio de Janeiro 100 leere Gräber ausgehoben worden (tagesschau.de, 12.06.2020).

Für Bolsonaro sind diejenigen, die gegen ihn demonstrieren, Asoziale und Terroristen“ (berliner-kurier.de). Bei den jüngsten Demonstrationen fiel die hohe Präsenz der Militärpolizei auf, der Präsident hatte sogar mit einem Einsatz des Militärs in Brasília geliebäugelt.

Bolsonaro wird seine Macht auf jeden Fall stützen wollen. Zu unbeliebt, zu inkompetent, zu viel Polizei und Militär, kurzum: „Mit Bolsonaro droht ernsthaft eine Rückkehr zur Diktatur“, warnt Chico Malfitani, Mitgründer der Ultra-Gruppe „Gaviões da Fiel“. 

Die Regierung versucht jetzt in Brasilien, die Opferzahlen der Corona-Pandemie kleinzurechnen. Die Bundesstaaten und die Justiz halten dagegen. Ganz nebenbei deutet Bolsonaro an, Brasilien werde die WHO verlassen. Donald Trump lässt grüßen …

Die Frage ist, ob es Bolsonaro gelingt, den Anschein einer demokratischen Fassade zu wahren, während er hinter den Kulissen ein autokratisches Herrschaftssystem errichtet. Er war populär, Millionen Menschen ließen sich von seinem Charisma blenden ...

 

Es ist unsichtbar und klein.

Lauert irgendwo da draußen.

Tückisch, mindestens schlimm,

oft sogar tödlich …

Was haben wir getan!?

Es beschäftigt uns,

immerzu und überall.

Immer präsent, sitzt im Nacken.

Wir geben´s nicht zu.

Was sollen wir tun!?

Das große Monster,

seit Kindertagen jagt es uns.

Es ist nichts,

gegen das kleine Nichts.

Angst bewegt uns.

Manche versuchen es

mit Singen und Tanzen.

In Freude zu vergessen.

Das kleine Nichts tanzt mit,

sucht sich neue Opfer.

Wir sind längst besiegt,

haben viel Erkenntnis und

wissen im Grunde nichts.

Geben wir´s zu: Ab jetzt

leben wir mit dem Nichts.

Es sind die Kleinen,

die überleben, am Ende siegen.

Es beobachtet uns alle,

mit unseren Masken.

In der Ecke lauernd: Wann setzt Du sie ab?

Gefangen in zwei Welten,

es sieht uns, wir es nicht.

Gegen wen willst Du kämpfen?!

In Grenzen gewiesen,

verharren wir, halten Abstand.

Könige,

seit über tausend Jahren

tragen sie Kronen.

Es braucht sie nicht,

es heißt so …

Da gibt´s jetzt auf Twitter den Hashtag „#kiffersindkeinelooser“ und ich musste erst einmal laut lachen über all den Unfug, der da geschrieben steht. Leute, Kiffer s i n d Looser! Sie sind nichts weiter als Drogenkonsumenten, die glauben cool zu sein und sich für einen Moment aus der Realität weichspülen oder wegschießen wollen. Ich kann Kiffen absolut nicht für harmlos einstufen, denn oftmals ist das Kiffen die Einstiegsdroge in eine Welt der härteren Sachen. „Just for fun“, „einfach mal ausprobieren“, „ist doch nicht so schlimm“, „haben wir doch alle früher mal getan“, so die Ausrede derer, die noch nicht erkannt haben, dass Kiffen antriebslos, träge und perspektivenlos macht und bei längerem Gebrauch eine psychische Abhängigkeit nach sich zieht. Ziele werden nicht mehr verfolgt, klare Wege verschwimmen und das Ganze ist obendrein absolut uncool.

Früher drehte der Joint die Runde und jeder zog mal dran, oder an der Bong (Herpes Zoster, Hepatitis und heute Covid-19-Viren inklusive). Die Jugend hat anscheinend auch heute nichts Besseres zu tun als sich den Kopf zu benebeln mit Marihuana, aber die Zeiten der Hippie-Ära sind lange vorbei. Erinnern wir uns noch an die Kommunen, in denen Gruppensex im süßlichen Nebel der Marihuana-Schwaden Up to Date war?

Auf Twitter versuchen sich die User eine weiße Weste anzuziehen und rechtfertigen sich mit Top-Berufswerdegängen und zu was sie es im Leben gebracht haben  – trotz Kiffen. Mag sein, dass der eine oder andere die Kurve kriegt und es bei ab und an bleibt. Bei der Mehrheit der Kiffer jedoch wendet sich das Blatt recht schnell und ihre Toleranzentwicklung spricht Bände. Sie müssen nicht mehr nur mal am Wochenende im Freundeskreis einen Joint durchziehen, sondern er wurde zum (mehr-)täglichen Begleiter – sogar schon vor dem Frühstück. Wie das so ist bei Drogen – sie alle verlangen im Belohnungs-Gehirn nach positivem Feedback und einer Dosissteigerung.

Ich höre immer wieder „Die Holländer haben es legalisiert und auch keine Probleme“. Das stimmt so nicht, denn ich habe gute Freunde in Holland nach der realen Zahl gefragt und bekam immer wieder die gleiche Antwort: Holland hat exakt das gleiche Drogenproblem wie andere Länder und Städte auch. Da ist nicht von „überlegtem Konsum“ die Rede und nicht davon, dass jedermann Herr über seine Sucht ist.

Nun können die auf Twitter schreiben und posten was sie wollen – Kiffer ist Kiffer und Kiffer ist Looser! Und darauf stolz sein, dass man noch einigermaßen einen Job machen kann und auch sonst nicht kriminell geworden ist, ist Schönrederei. Wer keine Realitätsflucht sucht, wird auch nicht kiffen und auch nicht dafür anfällig sein. Mögen es die Freundeskreise sein, schlechte Perspektiven, die Lust auf einen Kick, mangelndes Selbstwertgefühl oder Probleme mit dem realen Leben – es steht immer eine tiefere, ernste Angelegenheit dahinter, ob jemand kifft oder die Finger davon lässt.

Für mich ist jeder Kiffer ganz klar eine Niete, ein Versager, ein echter Looser. Denn er hat nicht begriffen, dass diese Substanz antriebslos macht und bei Absetzen für ein sehr schlechtes Allgemeinbefinden sorgt. Meist psychisch. Meist bis zur tiefen Depression. Meist allerdings steigen viele Kiffer auf eine Steigerung um und es bleibt nicht dabei. Wer dann noch davon redet, dass er kein Looser ist, verdrängt die offensichtlichen Tatsachen und ist weit entfernt davon, ein drogenfreies Leben zu führen und auch Marihuana ist eine Droge. Und was für eine! Zu unterschätzt bei den Konsumenten, aber stets präsent bei späteren Drogentherapien. Aber wer gibt schon gerne zu, dass er süchtig ist und es alleine nicht schafft, von dem Dreck loszukommen? Das sieht nur der „Gewinner“, während der kiffende Looser sich noch einbildet, er sei erfolgreich und alles gar nicht so schlimm, was zweifellos ein großer Irrtum ist. Fazit: Kiffen ist nur etwas für Verlierer und echte Looser (und natürlich erwarte ich keine positiven Reaktionen von den umnebelten Kiffern, die kichernd oder abgedriftet in der Ecke hocken und weiter träumen).

 

© Petra M. Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

 

Ob Flüchtlingsfrage oder Corona-Krise: Politiker stecken im Dilemma. Zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus. Der Soziologe Max Weber gab ihnen mit der Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik ein hilfreiches Instrument in die Hand.

Mit seinem Wort von der „Entzauberung der Welt“ durch die neuzeitliche Rationalität eröffnete Max Weber einen neuen Blick auf die Moderne. Vor hundert Jahren, am 14. Juni 1920, starb der Vordenker der Soziologie in München an der Spanischen Grippe.

Weber hat ein gewaltiges Oevre hinterlassen, ein zersplittertes und fragmentarisiertes Werk von einschüchternder Monumentalität. Gar nicht so einfach, da den Überblick zu bewahren. Und gar nicht so einfach, in einigen wenigen Sätzen zu sagen, worum es im Kern des Weberschen Denkens überhaupt geht.

Eine Antwort auf seine Fragen fand Weber in der Religionssoziologie. Es sei der asketische Protestantismus der Calvinisten und anderer puritanischer Gruppierungen gewesen, der die Entstehung des modernen Kapitalismus begünstigt habe, so Webers berühmte, bis heute umstrittene These (deutschlandfunkkultur.de).

Weber gilt als einer Gründerväter der Soziologie und schrieb Bahnbrechendes in den Kultur-, Sozial- und Geschichtswissenschaften. Gerade seine religionssoziologische Schrift Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus machte Max Weber bekannt – und sie wird bis heute kontrovers diskutiert. Selbst sein monumentales Hauptwerk, Wirtschaft und Gesellschaft erschien erst posthum. Vor seiner Fertigstellung starb er am 14. Juni 1920 mit gerade 56 Jahren in München an der Spanischen Grippe, der ersten Pandemie der Moderne.

Die Lebensspanne des 1864 in Erfurt geborenen Weber umfasst damit die epochalen Umbrüche auf dem Weg in die Moderne. Die Industrielle Revolution und die Fortschritte in Naturwissenschaft und Technik verändern das Gesicht der Welt. Und die großen Ideologien von Liberalismus, Nationalismus, Sozialismus und Kommunismus treten in Konkurrenz zu religiösen Weltvorstellungen. 

Max Weber hat sein gewaltiges Werk für alle diejenigen geschrieben, die ihr Leben unter den Bedingungen der Modernität zu führen haben – also für uns. Wir, die wir in die kapitalistische, bürokratische, entzauberte Welt hineingeworfen worden sind, sind die eigentlichen Adressaten von Webers Schaffen.

Mit der Frage nach der Möglichkeit von Freiheit schließt Weber zum einen an Marx, zum anderen an Nietzsche an. Wie seine kongenialen Vorgänger teilte er die Überzeugung, dass der freien Lebensführung rein theoretisch nichts im Wege stehe – allein: Kapitalistische Großbetriebe, bürokratische Herrschaftsformen und Ideologien mit Alleinvertretungsanspruch setzten eine Prämie auf die Anpassungsfähigkeit“ (nzz.ch) aus.

Wer sich deren Maximen anpasse, werde mit Geld, Status oder einem guten Gewissen belohnt, was für gewöhnlich dazu führe, dass sich die große Mehrheit der Menschen weniger den eigenen als vielmehr den fremden Maximen unterwerfe.

Der Biograf Jürgen Kaube sieht in Weber den nach Luther und Goethe vermutlich meisterforschten deutschen Intellektuellen“ (br.de).

Nicht alles in Webers Biografie fügt sich bruchlos zusammen. Seine letzte große Lebensleistung: im Hochverratsprozess gegen die Akteure der Münchner Räterepublik bescheinigt der dezidierte Revolutionsgegner Weber dem Revolutionär Ernst Toller „absolute Lauterkeit“ (wikipedia.org) – was den Angeklagten wohl vor der Todesstrafe bewahrte.

Diese Bruchstellen in Leben und Denken machen die Beschäftigung mit dem großen Soziologen unseres Landes spannend.

Eines von Webers Erklärbildern war: Er vergleicht die moderne Gesellschaft mit einer Straßenbahn, deren Passagiere auch dann vorankämen, wenn sie nicht wüssten, welche physikalischen Gesetze sie in Bewegung hielten. Ähnlich verhalte es sich mit anderen Errungenschaften der Zivilisation: „Geld oder Gericht oder Militär oder Medizin“ …

Die historischen Verbindungen des Territoriums der heutigen Russischen Föderation mit der 1783 von Katharina II. eroberten Krim sind – im Gegensatz zu verbreiteten Stereotypen – nur gering. Von 1802 bis 1917 war die Krim Teil des Taurischen Gouvernements, welches die Krim mit der heutigen südlichen Festlandukraine verband. Der Geburtsname des international bekanntesten „russischen“ Sohnes der Krim, des berühmten Marinemalers Iwan Aiwasowskij (1817-1900), ist in Wirklichkeit Hovhannes Aiwasjan. Aiwasowskijs armenische Familie war aus dem ehemals ostpolnischen und heute westukrainischen Galizien auf die Krim gezogen (wikipedia.org).

Von 1954 bis 1991 war die Krim Teil der ukrainischen Sowjetrepublik. Daher fiel sie beim Zerfall der UdSSR an die unabhängige Ukraine, was der damalige russische Präsident Boris Jelzin im berühmten Belowesher Abkommen Ende 1991 offiziell anerkannte und das russische Parlament anschließend ratifizierte. 2003 erkannte auch der zweite Präsident Russlands Wladimir Putin in einem weiteren voll ratifizierten Vertrag über die ukrainisch-russische Grenze die Zugehörigkeit der Krim zur Ukraine an.

Die Insel kostete schon die ukrainische Regierung jedes Jahr eine ordentliche Stange Geld (ukrainischer Finanzminister Oleksandr Shlapak, Financial Times März 2014). „Ökonomisch betrachtet würde die Ukraine bei einer Abspaltung nicht schlecht wegkommen, die Krim war immer eine Region, die subventioniert wurde“. Wichtigster Wirtschaftssektor ist die Agrarindustrie und das bekannteste Insel-Produkt dürfte der Krimsekt sein. Aber dass die Vodka vernarrten Russen deshalb auf die Krim schielten, ist unwahrscheinlich (handelsblatt.com 14.03.2014).

Zwischenzeitlich spielte man in der russischen Hauptstadt offenbar sogar mit dem Gedanken, die Ukraine in zwei Hälften zu spalten – mit einem prorussischen Südosten, für den man eine längst vergessene Bezeichnung aus der Zarenzeit reaktivierte: Neurussland. Es hätte alles noch schlimmer, noch blutiger kommen können. Aber dann erwies sich der Westen als geeinter, die Ukraine als zäher denn erwartet. So ließ sich aus ihr am Ende nur ein kleines Stück Kohlerevier SPON 16.03.2019) herausbrechen, mit dem Moskau bis heute wenig anfangen kann.

So bewegte sich Wladimir Putin Schritt für Schritt von der russischen Innenpolitik weg und hinein in die Weltpolitik. Er wirkt auf die Russen längst nicht mehr wie ein Politiker, der sich um seine Bürger sorgt, er ist jetzt in welthistorischer Mission unterwegs. Er sucht nicht mehr die Anerkennung der Zeitgenossen, ob im Ausland oder daheim. Er denkt jetzt lieber an die Nachwelt.

Die allermeisten Russen sahen die historische Gerechtigkeit auf ihrer Seite. Dass ihr Staat dabei zugleich Völkerrecht gebrochen, gelogen und betrogen hatte, störte sie nicht. Sie waren es ja gewohnt, selbst vom Staat betrogen zu werden. Die „hybride Kriegsführung“ – der verkappte Einsatz von Gewalt, das Streuen falscher Gerüchte, die Arbeit mit Provokateuren – entspricht der hybriden russischen Innenpolitik, in der Demokratie nur imitiert wird. Nur, dass diesmal das feindliche Ausland hereingelegt wurde und die Russen selbst nicht Opfer, sondern Komplizen des Kreml waren. 

Die Begeisterung der russischen Öffentlichkeit für die Annexion hat sich deutlich abgekühlt. Dies zeigen auch die Zustimmungsraten für den Präsidenten, die seit Monaten sinken.

Die neue Etappe in der Entwicklung der russischen Gesellschaft hat noch keine Bezeichnung, aber Eigenschaften: Enttäuschung, Neubewertung, Frustration.

Der Kreml hat bisher nichts gefunden, was den Krim-Effekt ersetzen könnte. Ein Weg, um die Zustimmung in der Bevölkerung zu steigern, wäre ein harter Kampf gegen die Korruption

 

Es gibt Zeichen der Zeit (Mt. 16, 2–4), die offensichtlich sind und doch von Menschen, die Zeichen am Himmel erforschen, nicht wahrgenommen werden können. Sie kristallisieren sich in Ereignissen heraus, die eine nahende Epoche ankündigen und ihr Kontur geben, Ereignisse, die vielleicht unbemerkt vorübergehen und nichts oder fast nichts an der Realität ändern, zu der sie hinzutreten, die jedoch gerade deshalb ihren Wert haben als Zeichen, als historische Kennungen, semeia tōn kairōn“, die Zeichen der Zeit.

Kapitalismus als Religion ist der Titel eines der eindringlichsten postum edierten Fragmente von Walter Benjamin. Der Sozialismus ist so etwas wie eine Religion, wie mehrfach festgestellt wurde (unter anderem von Carl Schmitt: Der Sozialismus behauptet, einer neuen Religion zum Leben zu verhelfen, die für Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts dieselbe Bedeutung hatte wie das Christentum für Menschen vor zwei Jahrtausenden). Anders als bei Max Weber stellt nach Benjamin der Kapitalismus nicht nur eine Säkularisierung des protestantischen Glaubens dar, sondern ist selbst ein wesentlich religiöses Phänomen, das sich parasitär aus dem Christentum entwickelt (nzz.ch)

Laut Benjamin ist „im Kapitalismus eine Religion zu erblicken, d. h. der Kapitalismus dient essentiell der Befriedigung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen, auf die ehemals die sogenannten Religionen Antwort gaben“. (Benjamin VI, 100) (Wolfgang Palaver: Kapitalismus als Religion 2002).

Ein religiöser Kapitalismus gehört zu den Zeichen unserer Zeit. Am augenscheinlichsten zeigt sich die religiöse Dimension in der Werbung. Religiöse Symbole oder Anspielungen auf die Kirche gehören zum Alltag der Reklame. Nonnen erscheinen in Anzeigenmotiven und Werbefilmen. Parfüms können nicht auf himmlische Versprechungen verzichten, wie die Produktnamen „Heaven“ oder „Eternity“ erkennen lassen (cicero.de). Die religiös verbrämte Werbung ist aber nur ein Oberflächenphänomen, die Spitze eines Eisbergs. Die Welt der Waren und des Konsums ist in einem viel grundsätzlicheren Sinne zur „Reichsreligion“ unserer Zeit geworden.

Nach Benjamin gehört zum aktuell „verschuldenden Kapitalismus auch die Geisteskrankheit der Sorgen (Benjamin VI, 102). Damit charakterisiert er die durch den Kapitalismus hervorgerufene Knappheitsproblematik. Die Überwindung der Knappheit gilt als Grundlage der Ökonomie. Weil es knappe Güter gebe, brauche es wirtschaftliches Handeln, das allen Menschen die Befriedigung ihrer Bedürfnisse ermöglichen soll. Wäre die Knappheit gemäß diesem Verständnis ein zentrales Problem der Menschheit, müsste sie sich gerade in archaischen Kulturen aufgrund ihrer vergleichsweise geringeren Gütermenge viel deutlicher als in unseren modernen Gesellschaften zeigen (Wolfgang Palaver a.a.O. Rz.: 34)

Gerade weil er mit all seiner Kraft nicht zur Erlösung, sondern zur Schuld, nicht zur Hoffnung, sondern zur Verzweiflung strebt, zielt der Kapitalismus als Religion nicht auf die Veränderung der Welt, sondern auf ihre Zerstörung. Und seine Herrschaft in unserer Zeit ist so total, dass sogar die drei großen Propheten der Moderne (Nietzsche, Marx und Freud) sich, nach Benjamin, mit ihm verschwören, gewissermaßen mit der Religion der Verzweiflung solidarisch sind.

Creditum ist das Partizip Perfekt des lateinischen Verbs credere: das, woran wir glauben, worauf wir uns verlassen, sobald wir eine vertrauensvolle Beziehung zu jemandem aufbauen, indem wir ihn unter unseren Schutz nehmen oder ihm Geld leihen, indem wir uns auf seinen Schutz verlassen oder Geld von ihm borgen. 

Zukünftig bedarf es der Klärung des eigentlichen theologischen Gehalts des Kapitalismus, vergleichbar der Zerstörung des Goldenen Kalbs durch Mose oder der Festlegung eines Konzilsdogmas (nzz.ch) – auf jeden Fall einen entscheidenden Schritt zur Reinigung und Ausformung unseres neuen Glaubens.