Eigentlich hat Joe Biden mit seinem ungeplanten Satz am Ende seiner Rede in Warschau nur eine logische Konsequenz benannt: Wenn sich Wladimir Putin mit dem mörderischen, völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine endgültig als Kriegsverbrecher und Schlächter entlarvt hat, wie es der amerikanische Präsident schon vorher ohne Widerspruch verkündet hatte, dann kann man als demokratisch und freiheitlich gesinnter Beobachter des Ukrainekriegs Biden nur zustimmen: Um Gottes Willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben“ (tagesschau.de).
Was genau Biden mit diesem Satz sagen wollte und ob dieser Satz so geplant war, ist nicht sofort klar. Hat er es moralisch gemeint, dass Putin jedes Recht verloren habe, von der Welt noch als legitimer Staatschef anerkannt zu werden? Oder hat er tatsächlich dazu aufgerufen, den Mann an der Spitze einer Atommacht aus dem Amt zu entfernen? Ergebnis der Rede war ein Sturm der Empörung. Biden zerstöre die „Einheitsfront“ des Westens. Erinnern wir uns: haben wir in den Monaten vor dem illegalen Angriffskrieg nicht vierzig bis fünfzig mal mindestens die russische Aussage gelesen oder gehört: man habe kein Interesse, die Ukraine anzugreifen?! So oder so ähnlich!
Konsequenz: Die russische Seite hat mehrfach gelogen; und nicht nur Putin …
Was will man mit so jemandem? Was ist nach dem Krieg? Wollen wir mit diesem Staat und diesem Diktator wieder Geschäfte machen? Er bricht rund um die Uhr selbst unterzeichnete Verträge. Man denke zum Beispiel nur an die Energielieferverträge, zu zahlen in Euro oder US-Dollar. Putin will par ordre du mufti zukünftig Rubel. Aus seiner Sicht nachvollziehbar – Putin will den Rubel stützen und braucht nach den Sanktionen Geld in der Kriegskasse. Nur: Putins Entschluss ist juristisch für uns nicht die Bohne bindend. Olaf Scholz hat es formuliert, falls der russische „Präsident“ dabei bleibt: Vertragsbruch! In seiner kämpferischen Rede machte Biden klar, dass die Welt ein „langer Kampf“ (news.at) der Demokratien gegen die Autokratien erwarte. Es gehe um eine große Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer, die von brutaler Gewalt bestimmt wird. Man müsse dabei klar sehen: Diese Schlacht werde nicht in Tagen geschlagen werden oder in Monaten. Wir müssen uns für einen langen Kampf einstellen, so auch der inmitten des Zweiten Weltkriegs geborene US-Präsident.
Diese Passage der Rede, Putin könne nicht an der Macht bleiben, sorgte für eilige Reaktionen. Ein ranghoher Vertreter des Weißen Hauses, der ungenannt blieb, betonte, Biden habe nicht zum Sturz Putins aufgerufen. „Die Botschaft des Präsidenten war, dass es Putin nicht erlaubt sein darf, Macht über seine Nachbarn oder die Region auszuüben“ (dw.com). Aus dem Kreml hingegen kam der kühle Kommentar, nicht der US-Präsident bestimme über Russlands Staatsspitze, sondern das russische Volk. Soweit d ́accord!Aber in einer freien Wahl, nicht im Rahmen einer „Zarenkrönung“. Notfalls muss das russische Volk Putin stürzen …

Januar 1982: der Berliner Appell „Frieden schaffen ohne Waffen“, verfasst von Robert Havemann und Rainer Eppelmann. Den Verfassern des Appells geht es um eine dauerhafte Grundlage einer Friedensordnung und nicht um einen Frieden als Abwesenheit von Krieg. Sie treten für eine Politik ein, die nicht lediglich die Vertagung des Krieges im Blick hat, sondern substantielle Entspannung anstrebt. Etwa 80 Personen, überwiegend aus der Berliner Friedensbewegung, gehören zu den Erstunterzeichnern (Robert-Havemann-Gesellschaft/ RH 343, Seite 1 von 2).
Es kann in Europa nur noch einen Krieg geben, den Atomkrieg. Die in Ost und West angehäuften Waffen werden uns nicht schützen, sondern vernichten. Wir werden alle längst gestorben sein, wenn die Soldaten in den Panzern und Raketenbasen und die Generäle und Politiker in den Schutzbunkern, auf deren Schutz wir vertrauten, noch
leben und fortfahren zu vernichten, was noch übrig geblieben ist.
Vierzig Jahre später: Deutsche Friedensbewegte demonstrierten für die Menschen in der Ukraine – aber ohne Menschen aus der Ukraine. Jetzt schon zum zweiten Mal wollten die Demonstrationsveranstalter eine ukrainische Gruppe nicht dabeihaben, weil sie für einen anderen Blick auf den Krieg steht – einen realistischeren. Denn es sind ihre Verwandten oder Freunde, die gerade auf der Flucht sind, oder die für die Souveränität und die Freiheit der Ukraine um ihr Leben kämpfen. Dass sie genau das tun, wofür sie weltweit bewundert werden, und dass sie sich nicht kampflos ergeben, macht sie manchen Anhängern eines moralistischen Pazifismus bereits verdächtig. Hier treffen zwei Weltsichten aufeinander: die der Ukrainer/-innen, welche vor der knallharten Kriegsrealität geflohen sind, ja, auch Verwandte dort zurückgelassen haben, die ausharren und weiter kämpfen. Die andere: die einer Utopie, geboren vor spätestens vierzig Jahren. Wieviel Arroganz und Unkenntnis steckt dahinter? Viel! Beide Weltsichten haben das gleiche Ziel: Frieden. Gut so! Aber wie weit taugt eine Utopie, wenn sie Menschen, die das Kriegsschicksal live erlebt haben, traumatisiert sind, einfach aus ihrer Sphäre ausschließt?! Eine Utopie, die sich nicht gern durch reale Erfahrungen „stören“ lässt, taugt wahrhaftig nicht viel. Utopien umweht meist der Wind der Exotik. Aber es gibt sie doch, weil man etwas bewegen möchte – meist zum Guten hin. Und das ist doch nicht schlecht. Und mal Hand aufs Herz: die Intention der Utopie ist doch, dass sie Realität werden möge. Sonst ist die Absicht derer bereits absurd. Eine Utopie kann sich dann verwirklichen, wenn sie sich mit der Realität konfrontiert. Die Idee der Utopie muss sich mit realen Aspekten füllen. In einem solchen Prozess kann sie schleichend zur Wirklichkeit werden und vielleicht etwas verbessern. Frieden schaffen ohne Waffen ist wahrhaft kein schlechtes Ziel. Wir dürfen dieser Idee bei deren Umsetzung aber keine Steine in den Weg werfen, sonst wird das nichts.Wieder ist in der modernen zivilisierten Welt die Herausforderung beim Krieg in der Ukraine: Das Recht des Stärkeren darf sich nicht durchsetzen!

Es soll keine Abrechnung oder ein übler Nachruf werden, aber durchaus ein Aufruf zu besseren Arbeits- und Lohnbedingungen und ein bewusst öffentliches Anprangern der grundsätzlichen Schieflage einer boomenden Branche – oft zu Lasten der Beschäftigten. Seit der Recherche von „Wallraff“ (https://www.stern.de/kultur/-team-wallraff–in-der-sicherheitsbranche–was-auf-die-fresse–3175714.html wissen wir alle Bescheid über die üblen „Tätigkeiten“ einiger Securities. Doch er durchleuchtete dies von einer anderen Seite, als ich es heute tue.

Schaut man sich den Gesuche-Markt der Stellenanzeigen im Sicherheitsdienst auf den einschlägigen Job-Portalen an, stockt einem der Atem. So unglaublich viele, offene Stellen und stets markiert mit „dringend gesucht“, „zum sofortigen Eintritt“, „mehrere Mitarbeiter“. Kein Wunder, wenn man sich dazu die Studie der „Ver.di/ DGB Index Gute Arbeit“ PDF →https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/gute-arbeit/materialien-und-studien/++co++b85106cc-17ee-11e9-9652-525400423e78 anschaut. Selbst die von der Bundesagentur für Arbeit zugeschobenen Arbeitslosen geben nach kurzer Zeit auf und suchen das Weite. Die Beschäftigten stehen oft vor sehr verantwortungsvollen Aufgaben, werden nicht ausreichend und fortlaufend geschult, schleppen sich Tag und Nacht durch – zum Teil 12-Stunden-Schichten/ 6-Tage-Woche (denn das ist in dieser Branche zulässig!) , werden obendrein noch schlecht bezahlt und körperlich/ psychisch bis zum Limit verheizt. 240-270 Stunden monatlich und mehr sind keine Seltenheit (und auch notwendig, will man seinen Lebensunterhalt mit diesem Job bei der miserablen Bezahlung bestreiten).

Ich selbst habe diesen – für mich wahrhaftig vollkommen – artfremden Beruf vier Jahre lang ausgeübt, stets darauf bedacht, die zahlenden Kunden (die Sicherheitskräfte als externe Dienstleister einkaufen) mehr als zufriedenzustellen und oft wesentlich mehr zu leisten, als das, wofür man eigentlich bezahlt wird. Der Kunde kann nichts dafür, sein Sicherheitsbedürfnis ist groß und verständlich. Dafür darf er eine absolut korrekte Leistung erwarten, die – laut meiner Beobachtung – nicht immer gewährleistet ist. Ich sage nicht, dass es NUR schlecht ausgebildete Sicherheitsdienstmitarbeiter gibt, das stimmt so nicht – denken wir an Werttransporte, Flughafen-Sicherung, Reaktor- und Kernkraft-Überwachung, öffentliches Interesse und vieles mehr. Selbstverständlich sind das ausgebildete und geschulte Leute (hoffentlich), aber eben nicht die breite Struktur, die im Werkschutz/ Industrieschutz/ Objektschutz oder für Einlasskontrollen eingesetzt werden. Hier durfte ich von Klappstuhl-Rollator-Opa bis überhebliche Göre, Schussel oder aufgeplustertem Möchtegern alles erleben. Gescheiterte Existenzen, Ex-Alkoholiker, Ex-Junkies, Ex-Dealer, Hausfrau, Teenager, der sich verschuldet hat und nun die Zeche bezahlen muss… usw. Gerade die kleineren Sicherheitsdienstfirmen zahlen nur das absolute Minimum, stellen qualitativ minderwertige Arbeitskleidung oder nicht einmal die notwendige Ausrüstung, wie z.B. Warnwesten oder Taschenlampen zur Verfügung (was lt. DGUV vorgeschrieben ist).Selbst die erforderliche Grundausbildung der „Unterrichtung Sachkundeprüfung §34a“ muss von den Beschäftigten selbst bezahlt werden, ebenso erste Hilfe-Kurse oder gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten. Es gibt die Großen der Branche – da dürfte es vielleicht anders gelagert sein, aber dennoch sind die Arbeitsbedingungen auch dort extrem schlecht (deshalb auch aktuell wieder Streiks). Wenn Sie einen Blick auf die Bewertungen von Mitarbeitern auf den Bewertungsportalen lesen, werden Sie schnell erkennen, dass wir es hier mit einem gesundheitsschädlichen Ausbeuter-Segment zu tun haben. Solange es den MTV Manteltarifvertrag Sicherheitsdienst gibt und dieser gültig ist, ändert sich daran auch nur schleppend etwas. Zwar versuchen es die Vertreter der Ver.di und des BDSW kontinuierlich, aber recht zögerlich und da muss noch viel nachgearbeitet werden. Dringend! Aktuell liegt der Stundenlohn über dem Mindestlohn, aber die gültigen Abrechnungspraktiken ziehen das enorm runter. Beispiel: Arbeitet ein Security nur 8 Stunden bei einer 5-Tage-Woche kommt er im Monat auf etwa 1.800 Euro Brutto (je nach Bundesland). Wer kommt also damit aus? Das ist der Grund, warum viele über 240 Stunden monatlich arbeiten, alle Zuschläge für Nacht-/ Wochenend-/ Feiertags-Arbeit mitnehmen und sich gesundheitlich zugrunde richten. Ich selbst fing vor Jahren topfit und engagiert in diesem Beruf an, machte alle erforderlichen Ausbildungen, arbeitete für viele Einsatzorte/ Bereiche und beendete das vor Kurzem mit einem kaputten, schmerzenden Arm und Handgelenk, fünf verlorenen Zähnen und vollkommen überbelastet. Peinlich in jeder Hinsicht: Bei einem Diarrhö-Anfall habe ich mir vor dem Kunden in die Hosen gemacht, weil – trotz mehrfachem, eindringlichen Bitten – keine Ablösung und keine Toilette verfügbar war. Psychosomatische Begleiterscheinungen waren die Folge von 5 bis 6 Tage Einsatz à 12,5 Stunden (inkl. Fahrtzeiten). Während meiner Dienstzeit war es kaum möglich, einen Arzt aufzusuchen, mein Sozialleben zu pflegen, private Kontakte aufrechtzuerhalten oder mich meiner Literatur, dem Journalismus und dem Bücher-Schreiben zu widmen. Mir fehlte auch schlichtweg die Kraft für meine wichtigen ehrenamtlichen und sozialen Tätigkeiten. Ich konnte keine Workshops mehr organisieren und durchführen, keine Live-Konzerte besuchen, mich nicht um meine Angehörigen und Familie kümmern. Jetzt – nach dem Ausstieg – pflege ich meine Blessuren, kümmere mich um all das, was jahrelang nahezu unmöglich war und bin wieder aktiv journalistisch, textlich und ehrenamtlich tätig. Als besonders widrig empfinde ich die „selbstverständliche Bereitschaft“, die oftmals gefordert wird und selbst nachts bekommen Mitarbeiter Anrufe, dass sie am nächsten Morgen spontan um 6.00 Uhr (Samstags/ Sonntags) eine Vertretung zu übernehmen hätten (Dienstende abends vorher 19.30/ Anfahrtszeit ¾ Stunde. Der Abstand zwischen zwei Diensten muss jedoch mindestens 12 Stunden sein!). Um in seiner wohlverdienten Freizeit einigermaßen unbehelligt zu bleiben, bleibt nur die Option, alle Telefone auszuschalten und auf keinen Fall in die Emails zu schauen. Auch im Urlaub kommen Anrufe seitens der Arbeitgeber, dass man unverzüglich zurückkommen und einen Dienst übernehmen müsse, ebenso wurden kurzfristig Urlaubstage gestrichen und – teilweise sogar – der gesamte, bereits bis ins Detail geplante Umzugstag. Rette sich, wer kann! Dienstpläne werden willkürlich umgestellt, weil erneut das knappe Personal ausgefallen ist und das, obwohl ein Dienstplan Gültigkeit hat und nicht unter 4 Werktagen geändert werden darf (ohne Zustimmung des Arbeitnehmers). Es gibt noch viel mehr Schwachstellen: Wer keinen eigenen PKW hat, ist aufgeschmissen, denn wie sollte man zu den Kunden/ Objekten kommen? Das geschieht natürlich ohne anzurechnendes Kilometergeld und auf eigene Kosten, mit eigenem Materialverschleiß. Dabei sind Anfahrten zu den Kunden von mehr als 50 km keine Seltenheit. Steht die Inspektion, die Reifenabnutzung, der Benzinverbrauch und Sonstiges auf der Stundenabrechnung? Nein. Das müssen Sie vom jämmerlichen Grundlohn pro Monat abziehen (sicher 200 Euro pro Monat, je nach KFZ) oder im nächsten Jahr anteilig bei der Steuererklärung geltend machen (immerhin etwas).

Der nächste Punkt, mit dem auch ich öfters konfrontiert war, ist die Auseinandersetzung mit Resistenten und Unwilligen, sei es von Mitarbeitern innerhalb der Betriebe, die man schützen soll oder von außerhalb kommend. Man steht stets alleine da, hat in Notsituationen keinerlei Hilfe und erfährt durchaus Abwertung, Trotz oder gar direkte Aggression. Jedem, der in diesem Beruf arbeitet oder arbeiten will, dem muss klar sein, dass er stets zwischen den Fronten steht und ein wirklich dickes Fell braucht. Es hilft keiner, wenn es brenzlig wird und man gehört nirgends dazu. Stets die Sicherheitssituation im Blick, stets unter Anspannung für den Eventualfall, stets freundlich (wenn das immer so einfach wäre). Im Laufe der Jahre habe ich wahre Kotzbrocken kennengelernt und immer noch, scheinen sich Männer äußerst schwer damit zu tun, wenn Frauen ihnen etwas vorschreiben wollen. Gewöhnt euch dran, Machos! Ich war als Frau nie bestechlich, nie unaufmerksam, niemals unhöflich, bin aber sehr oft an meine persönlichen Grenzen gekommen – immer im Blick, dass ich Dienstleister bin (privat hätte ich dem einen oder anderen gerne mal einen Tritt in die … verpasst). Trotzdem bekam ich einen guten Blick hinter die Kulissen und an der einen oder anderen Stelle sah ich erfreut, wie sehr sich Mitarbeiter für die Sicherheit der Kunden eingesetzt haben, obwohl sie nie eine Wertschätzung seitens des eigenen Arbeitgebers erfahren haben. Auch das gibt es (Kunden sind eher bereit, der Motivator zu sein als der eigene Chef) und ich möchte diese „seltenen Kollegen“ auch einmal lobend erwähnen (den meisten aber war und ist es egal – sie sitzen nur ihre Stunden ab). Kein Lob gibt es für die unberechenbaren, aggressiven Kollegen, die jeden fertig machen und anscheinend im Türsteher-Rotlichtviertel-Milieu hängengeblieben sind.

Fazit: Lassen Sie die Finger von diesem Beruf. Auszubildende sind extrem knapp, weil auch sie mies bezahlt werden und unerträgliche Arbeitszeiten und -schichten haben. Der Nachwuchs wird auch nicht eher kommen bis die Konditionen verbessert werden. Für Hausfrauen, die nebenher vier oder fünf Stunden am Empfang arbeiten wollen, ist es in Ordnung, aber als Fulltime-Job, von dem man dauerhaft leben sollte, ein No-Go. Es sei denn, Sie wollen nach wenigen Jahren ein ausgemergeltes, physisches und psychisches Wrack sein. Nebenbei wurden und werden von nicht wenigen Firmen die besten Sicherheitsdienst-Mitarbeiter abgeworben und direkt eingestellt. Zumindest von denen, die den Wert eines Menschen erkannt haben und für diejenigen, denen ethische und menschliche Aspekte wichtiger sind als ein gedemütigter, unterbezahlter Externer, der beliebig hin und her geschoben werden kann und – wie ich sagte – nirgendwo hingehört. Nicht einmal mehr in sein eigenes, privates Leben, das er zugunsten eines Jobs als „Security“ aufgegeben hat.

© Petra M. Jansen

LiteraTour.Poetic.Text

Putins Aufmarsch kam nicht überraschend, im Gegenteil: Vor bald einem Jahr hatte er
ihn schon mal geprobt, an ähnlicher Stelle und in ähnlichem Ausmaß. Mehr noch,
man kann nicht mal sagen, dass Putin in den über 20 Jahren, die er das Land nun
führt, aus seinen Ansichten und Absichten jemals ein großes Geheimnis gemacht
hätte. Es ging ihm immer darum, die Schmach der chaotischen 1990er-Jahre in
Russland nach dem Kollaps der Sowjetunion wettzumachen, verlorene Macht wieder
herzustellen, die ehemaligen Sowjetstaaten fest an Russland zu binden und die
westliche Welt auf Abstand zu halten, allen voran die Truppen der Nato.
Bei allem Respekt: Jeder mag seine Weltsicht haben. Putin hat den Bogen jedoch
überspannt. Er hat die Welt seit Monaten mehrfach belogen, Verträge gebrochen,
Internationales Völkerrecht wird mit Füßen getreten.
Kurzum: Er ist um Tyrannen, Diktator und Verbrecher mutiert. Die Gräueltaten in der
Ukraine lassen keinen anderen Schluss mehr zu.
Diese Sehnsucht nach der alten Stärke und Ordnung, als zwei Großmächte die Welt
unter sich aufteilen konnten, zieht sich von seinen ersten Jahren als russischer
Präsident, seinem Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007, dem
Kaukasuskrieg in Georgien 2008, dem Tauziehen um ein neues Raketenabwehrsystem
in Polen über die Besetzung der Krim 2014 bis zu einem langen Essay aus dem
vergangenen Sommer, in dem Putin seine Sicht und Interpretation der russisch-
ukrainischen Beziehungen darlegte.
Früher war es anders … Ja, das stimmt! Die Ukraine mag im Laufe der Geschichte
auch zu Russland gehört haben. Das rechtfertigt aber nicht, einem heute souveränen
Staat und dessen Bevölkerung das Existenzrecht und die Kultur absprechen zu wollen
(vgl. Kriegserklärung). Nein, Geschichte geht weiter! Königsberg ist nicht mehr
deutsch, Südtirol gehört nicht mehr zu Österreich. Dementsprechend ist die Ukraine
heute in keinster Weise russisch.
Deswegen kann es nie ein Rechtfertigungsgrund sein, russische Bevölkerungsgruppen
in anderen Ländern gegen angeblichen Genozid schützen zu müssen: Putins ständige
billige Ausrede für illegale, ja verbrecherische Angriffskriege.
Putins arrogante Haltung kommt zustande, weil er kein Interesse daran hat, die
Situation durch seinen eigenen Willen zu verbessern. Dafür müsste er sich mit sich
selbst intensiv auseinandersetzen – und das ist für Putin offensichtlich eine emotional
belastende Angelegenheit. Das ist gefährlich!
Putin erzählt seine eigene Definition der Geschichte: Nicht er ist der Schlechte,
sondern die NATO ist nicht in der Lage, seine Genialität zu erkennen. Will heißen:
Man nimmt selbst die Plus-Haltung ein und stellt den anderen ins Minus. Das hat den
Vorteil: Man braucht sich nicht mit dem eigenen Anteil an gegenwärtigen und
vergangenen Problemen auseinandersetzen (Christoph Seidenfus, merkur.de,
25.02.2022).
Das Plus-Minus-Modell ist perfekt auf Putin zugeschnitten. Der Diktator hat es nie
verstanden, dass es langfristig für ihn und sein Volk besser wäre, Kooperationen einzugehen, somit auf selber Augenhöhe zu agieren. Putin geht es nicht um wirtschaftliche Aspekte oder um das Wohlwollen der russischen Bevölkerung. Er will Macht und Einfluss. Koste es, was es wolle …

Er war intelligent, belesen und theologisch gebildet, aber auch jähzornig und
argwöhnisch. Am 16. Januar 1547 nach dem Julianischen Kalender ließ sich der
16-jährige Großfürst von seinem väterlichen Mentor, dem Moskauer Metropoliten
Makárij, in der Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale des Moskauer Kreml zum ersten
„Zaren der ganzen Rus“ – des russischen Reiches – krönen.
Der Mann hieß Iwan der Schreckliche. Lange vorbei … Vielleicht auch nicht! Schaut
man heute gen Osten, kommt einem manches bekannt vor. Für Präsident Putin ist der
Zusammenbruch der Sowjetunion die größte denkbare Katastrophe für die russischen
Interessen gewesen. Er arbeitet heute an der Restitution des „russischen Reichs“ ….
Mit Putins Russland gibt es nichts zu verhandeln. Mit der Pistole an der Schläfe sollte
man sich nicht zum Verhandlungstisch führen lassen. Putin ließ 110.000 Soldaten (deutschlandfunk.de) an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren, was eine unverhohlene Drohung mit einer militärischen Invasion
war. Dann legte er dem amerikanischen Präsidenten mit ultimativer Geste einen
Vertragsentwurf vor, der eine Rückkehr zur internationalen Ordnung des Kalten
Krieges wäre: Rückzug von Truppen und Material der NATO aus 14 ost- und
mitteleuropäischen Ländern, eine Zusage, die NATO nicht weiter auszudehnen, also
keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine, Schweden oder Finnland.
Und, das ist die größte Chuzpe: Putin fordert den Abzug der wenigen amerikanischen
Atombomben, die es in Europa noch gibt, obwohl er selbst vertragswidrig neue
nuklearfähige Hyperschallraketen an der russischen Westgrenze stationiert hat.
In der Regel bezichtigt der russische Präsident seine Gegner genau der Dinge, die er
selber tut.
Die NATO hat angekündigt, dass ein Überfall auf die Ukraine „ernsthafte Konsequenzen“ haben werde. Wie diese im Einzelnen aussehen könnten, äußerte sich das Bündnis nicht. Als sicher gelten weitere Sanktionen, sehr wahrscheinlich würde es einen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift und
weitere Wirtschaftssanktionen geben. Über mögliche militärische Reaktion der NATO ist nichts bekannt, es wird jedoch mit weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine gerechnet.
Wirtschaftssanktionen – geschickt eingesetzt – können Russland treffen. Russland ist
kein Global Player mehr. International rangiert das Land mit der Wirtschaftskraft,
nach seinem Bruttoinlandsprodukt beurteilt, auf Rang 11 der Weltliste (wikipedia.org).
Dies ist eindeutig hinter den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China als den
beiden Erstplatzierten. Russland rangiert mit seiner Wirtschaftskraft knapp vor dem Bundesstaat New York
und eindeutig hinter Italien (wikipedia.org).
Mit der klaren Haltung, im Falle des Falles auch härteste Sanktionen zu ergreifen, muss jetzt sehr ernsthaft über eine tragfähige Sicherheitsarchitektur für Europa und
über Rüstungskontrollabkommen verhandelt werden. Statt Raketen und Reden heißt der heutige Doppelbeschluss“ (handelsblatt.com): Verhandlungen – und Sanktionen, sollten sie scheitern. Nach letzterem sieht es leider aus …

Der Winter ist noch nicht vorbei und trotz aktuell milder Temperaturen stehen für
viele Deutsche noch einige Wochen des Heizens an. Die Füllstände der deutschen
Gasspeicher sind dabei so niedrig wie noch nie – gleichzeitig geht der Gaspreis durch
die Decke.
Russland ist zwar nicht der einzige Gaslieferant, aber der größte. 2020 kamen laut
einem Bericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt gut zwei Drittel des nach
Deutschland importierten Gases aus Russland (t-online.de). Gut 20 Prozent entfielen
auf Norwegen, knapp 12 Prozent auf die Niederlande. In Deutschland selbst
gefördertes Gas machte 5 Prozent aus.
Der russische Staatskonzern Gazprom betreibt zudem über eine Tochtergesellschaft
zwei Gasspeicher in Deutschland. An den russischen Gasimporten hängt ein
beträchtlicher Teil der deutschen Versorgung. So teilte Gazprom mit, dass sie
Rekordmengen nach China exportierten. An den Märkten wurde das als klares Signal
verstanden, dass sich Russland von Europa als großem Abnehmer unabhängig
machen will. Der Gaspreis stieg daraufhin deutlich an.
Sollte der Konflikt um die Ostukraine eskalieren, könnte das den Gasfluss aus
Russland nach Deutschland bedrohen. Zum einen, da der Westen bereits Sanktionen
angedroht hat, was dann auch die stark ausgelastete Pipeline Nord Stream 1 beträfe;
zudem befürchten die Betreiber der Pipelines in der Ukraine, dass ihre Leitungen im
Kriegsfall gezielt angegriffen würden.
Bundeswirtschaftsminister Habeck hat jetzt erkannt, dass wir zu abhängig sind von
russischen Gaslieferungen und will die Versorgung diversifizieren. Bereits der
damalig US-Präsident hat vor allem die Deutschen angemahnt, man solle sich
unabhängiger von russischem Gas machen. Seinerzeit wollte niemand auf ihn hören …
Sollte noch eine Kältewelle kommen, kann es für die Deutschen im buchstäblichen
Sinne kalt und teuer werden.
Die Krise zwischen Russland und der Ukraine könnte ernste Konsequenzen haben,
wenn er in einen offenen Konflikt bzw. Krieg ausbricht. Nicht nur militärisch und
politisch. Auch für den europäischen Energiemarkt könnte es düster aussehen. Denn
wenn Russlands Präsident Wladimir Putin als Folge möglicher Sanktionen Europa
den Gashahn zudreht, stünden einige Länder in der Europäischen Union nicht gut da.
Das Erdgas ist für Putin ein gutes politischen Druckmittel. Denn Europa ist abhängig
von russischem Gas. „Das bedeutet, dass wir Russland ein Instrument an die Hand
gegeben haben, mit dem einige der am stärksten gefährdeten und verletzlichsten
Gruppen in Europa angegriffen werden können“ (Anders Overvad, Chefanalytiker des
dänischen Think Tanks Europa). Nicht zuletzt engagieren sich die USA für die Versorgungssicherheit der EU deshalb so stark, weil sie die Abhängigkeit Europas von russischen Energieimporten als
Hindernis bei den Verhandlungen mit den Europäern über abschreckende
Sanktionsdrohungen gegen Moskau ausgemacht haben (handelsblatt.com). Je
abhängiger einzelne EU-Staaten von russischen Erdgaslieferungen sind, desto geringer ist die Bereitschaft, entschlossen auf einen russischen Angriff auf die Ukraine zu reagieren.

Ein Angriffskrieg in Europa? Was einem Großteil des Kontinents als nicht mehr
möglich erschien, ist seit dem 23. Februar bittere Realität. Der russische Präsident
Wladimir Putin führt Krieg gegen die Ukraine. Gegen ein Land, in dem viele
Russinnen und Russen Verwandte und Bekannte haben. Gegen ein Land, das eine
große russischsprachige Bevölkerung hat.
1993 unterzeichnete die Ukraine ein Abkommen mit Russland, in dem sie auf ihre
Ansprüche auf die Sprengköpfe und die Schwarzmeerflotte verzichtete (die
geschwächte Flotte befand sich nach der Auflösung der Sowjetunion auf dem
ukrainischen Territorium der Krim) und im Gegenzug 2,5 Milliarden Dollar für den
Erlass von Gas- und Ölschulden und künftige Lieferungen für ihre Kernkraftreaktoren
erhielt. Der Beitritt des Landes zum Vertrag über die Nichtverbreitung von
Kernwaffen war jedoch ein Verhandlungsprozess, der drei Jahre dauerte und im
Budapester Memorandum gipfelte.
Wladimir Putin brach den Vertrag erstmals 2014 mit der Annexion der Krim und
verletzte damit die Souveränität der Ukraine. Putin behauptete, sein Handeln sei
gerechtfertigt, und bezeichnete die ukrainische Situation als eine Revolution. Dieses
Jahr behauptet er, dass russische Truppen die Ukraine „entnazifizieren“ müssten,
obwohl Wolodymyr Selenskyj jüdischer Herkunft ist und in einer Wahl mit 70 Prozent der Stimmen gewählt wurde.
Die Souveränität der Ukraine und ihre Grenzen sind international anerkannt – auch
von Russland. Das belegen verschiedene internationale Abkommen, die online
zugänglich sind. Experten für internationale Beziehungen und Völkerrecht bestätigen
zudem (afp.com), dass Staaten ihre Grenzen nicht registrieren lassen müssen.
Artikel 2 des Memorandums enthält die Verpflichtung seitens der USA, Frankreich,
Russland und Großbritannien auf Gewalt bzw. auf die Androhung von Gewalt zu
verzichten. Keine Waffen dürfen jemals gegen die Unterzeichnerstaaten eingesetzt
werden, außer zur Selbstverteidigung oder anderweitig in Übereinstimmung mit der
Charta der Vereinten Nationen. Im Artikel 3 wurde auch auf jeglichem ökonomischen
Zwang verzichtet (atomwaffena-z.info).
Die Grenzen der Ukraine wurden von Russland in mehreren internationalen
Vereinbarungen anerkannt – unter anderem im Budapester Memorandum von 1994.
Wirtschaftlich blieb die Ukraine auch nach ihrer staatlichen Unabhängigkeit abhängig
von Russland, doch politisch suchte Kiew immer stärker die Nähe zur Europäischen
Union und zur NATO. Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit der
Orangenen Revolution 2004, in deren Folge die Ukrainer den pro-westlichen
Kandidaten Viktor Juschtschenko zu ihrem Präsidenten wählten.
Es ist interessant zu sehen, wie viel über angebliche Zusagen der NATO an Russland
– es handelt sich um eine Rede des damaligen NATO-Generalsekretärs Manfred
Wörner vom 17. Mai 1990 – (behoerden-spiegel.de, 14.02.2022) geschrieben und
gesprochen wird, obwohl die NATO-Osterweiterung keinerlei direkten
Zusammenhang zur Ukraine besitzt. Und wie wenig das Budapester Memorandum in der Diskussion Gehör findet, obwohl es direkte Zusagen Russlands an die Ukraine beinhaltet.

Putin und der Westen … Was geht da ab?!
Russland beschwert sich, der Westen habe sich im Rahmen der NATO bis vor
Russlands Haustür breitgemacht. Der Westen wiederum sieht in den russischen
Truppenaufmärschen mit 120.000 Soldaten an der ostukrainischen Grenze eine
Bedrohung. Droht die Invasion der Ukraine oder ist das nur „Säbelrasseln“ Putins, um
die bisherigen illegalen territorialen Errungenschaften zu zementieren?
Die Sowjets hatten sich seinerzeit 1945 folgend bis nach Mitteleuropa breitgemacht.
Vor allem die älteren Generationen kennen ihn noch: den „Eisernen Vorhang“!
In der Schwächephase Russlands unter Boris Jelzin war der Trend umgekehrt. So ist
das politische Leben. Russland ist gegenüber der Ukraine mehrfach wortbrüchig geworden.
Schauen wir mal genauer hin:
Dass die Ukraine einst eine Atommacht war und ihre Nuklearwaffen gegen
Sicherheitsgarantien aufgegeben hatte, wussten im Westen bis 2014 nur
Sicherheitsexperten und manche Politiker. Seit der russischen Annexion der Krim
erinnert vor allem die Ukraine immer wieder an das sogenannte Budapester
Memorandum. Das Dokument wurde am 5. Dezember 1994 auf dem Gipfel der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unterzeichnet
(dw.com).
Darin begrüßten die USA, Großbritannien und Russland die Entscheidung der
Regierung in Kiew, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Sie sicherten unter
anderem zu, die Unabhängigkeit und die existierenden Grenzen der Ukraine zu
respektieren. Wie steht ́s damit, Herr Putin?! Die Atomwaffen hat man, die Krim illegal erworben;
jetzt gibt es in der Ostukraine „zufällig“ prorussische Separatisten, mit denen man
offiziell ja nichts u tun hat. Was aber, wenn man sich seitens der russischen Regierung
bemüßigt fühlt, den russischen Bevölkerungsanteilen im Donezbecken militärisch
„zur Hilfe zu eilen“?! Ja, 17. Juni 1953 in Ost-Berlin, die gleiche fadenscheinige
Begründung …
Wirtschaftlich: Das Donezbecken ist ein großes Steinkohle- und Industriegebiet
(wikipedia.org). Militärisch ist das Gebiet doppelt interessant: erstens wäre es eine
Landbrücke zur Krim, zweitens grenzt das Gebiet an das Schwarze Meer. Man hätte
das Küstengebiet von der russischen Grenze bis inklusive der Krim unter Kontrolle.
Die russische Annexion der Krim abzunicken ist gefährlich.
Was liegt als Nächstes an? Eventuell einige Begehrlichkeiten hinsichtlich des Baltikums als Anrainerstaaten zur Ostsee?!