Januar 1982: der Berliner Appell „Frieden schaffen ohne Waffen“, verfasst von Robert Havemann und Rainer Eppelmann. Den Verfassern des Appells geht es um eine dauerhafte Grundlage einer Friedensordnung und nicht um einen Frieden als Abwesenheit von Krieg. Sie treten für eine Politik ein, die nicht lediglich die Vertagung des Krieges im Blick hat, sondern substantielle Entspannung anstrebt. Etwa 80 Personen, überwiegend aus der Berliner Friedensbewegung, gehören zu den Erstunterzeichnern (Robert-Havemann-Gesellschaft/ RH 343, Seite 1 von 2).
Es kann in Europa nur noch einen Krieg geben, den Atomkrieg. Die in Ost und West angehäuften Waffen werden uns nicht schützen, sondern vernichten. Wir werden alle längst gestorben sein, wenn die Soldaten in den Panzern und Raketenbasen und die Generäle und Politiker in den Schutzbunkern, auf deren Schutz wir vertrauten, noch
leben und fortfahren zu vernichten, was noch übrig geblieben ist.
Vierzig Jahre später: Deutsche Friedensbewegte demonstrierten für die Menschen in der Ukraine – aber ohne Menschen aus der Ukraine. Jetzt schon zum zweiten Mal wollten die Demonstrationsveranstalter eine ukrainische Gruppe nicht dabeihaben, weil sie für einen anderen Blick auf den Krieg steht – einen realistischeren. Denn es sind ihre Verwandten oder Freunde, die gerade auf der Flucht sind, oder die für die Souveränität und die Freiheit der Ukraine um ihr Leben kämpfen. Dass sie genau das tun, wofür sie weltweit bewundert werden, und dass sie sich nicht kampflos ergeben, macht sie manchen Anhängern eines moralistischen Pazifismus bereits verdächtig. Hier treffen zwei Weltsichten aufeinander: die der Ukrainer/-innen, welche vor der knallharten Kriegsrealität geflohen sind, ja, auch Verwandte dort zurückgelassen haben, die ausharren und weiter kämpfen. Die andere: die einer Utopie, geboren vor spätestens vierzig Jahren. Wieviel Arroganz und Unkenntnis steckt dahinter? Viel! Beide Weltsichten haben das gleiche Ziel: Frieden. Gut so! Aber wie weit taugt eine Utopie, wenn sie Menschen, die das Kriegsschicksal live erlebt haben, traumatisiert sind, einfach aus ihrer Sphäre ausschließt?! Eine Utopie, die sich nicht gern durch reale Erfahrungen „stören“ lässt, taugt wahrhaftig nicht viel. Utopien umweht meist der Wind der Exotik. Aber es gibt sie doch, weil man etwas bewegen möchte – meist zum Guten hin. Und das ist doch nicht schlecht. Und mal Hand aufs Herz: die Intention der Utopie ist doch, dass sie Realität werden möge. Sonst ist die Absicht derer bereits absurd. Eine Utopie kann sich dann verwirklichen, wenn sie sich mit der Realität konfrontiert. Die Idee der Utopie muss sich mit realen Aspekten füllen. In einem solchen Prozess kann sie schleichend zur Wirklichkeit werden und vielleicht etwas verbessern. Frieden schaffen ohne Waffen ist wahrhaft kein schlechtes Ziel. Wir dürfen dieser Idee bei deren Umsetzung aber keine Steine in den Weg werfen, sonst wird das nichts.Wieder ist in der modernen zivilisierten Welt die Herausforderung beim Krieg in der Ukraine: Das Recht des Stärkeren darf sich nicht durchsetzen!