Lieber Pierre,

ein hochaktuelles Thema, das du in deinem Brief ansprichst, ging es doch gerade wieder einmal durch die Medien und war die Basis für eine interessante Talkshow vor einigen Tagen. Da ist was dran, wenn wir uns die Statistik anschauen. Jedes fünfte Kind lebt bei nur einem Elternteil (Tendenz steigend) und in 9 von 10 Fällen bei der Mutter. Jede dritte Alleinerziehende muss mit einem Monatsnettobetrag von weniger als 1.100 Euro auskommen und ist auf staatliche Hilfe angewiesen. Trotz Vollzeitjob, dem diese Mütter nachgehen. Dieser Betrag ist inklusive Zuwendungen, Kindergeld und Unterhalt (sofern dieser überhaupt gezahlt wird). Alleinerziehende Väter (lediglich 1 von 10) haben dabei ein deutlich höheres Netto-Einkommen.

Wir reden hier von ca. 1,5 Millionen alleinerziehenden Frauen und dabei gehen mehr als 60% Mütter Vollzeit arbeiten (Vergleich: nur 58% der Frauen, die in Paarbeziehungen leben). Dabei nicht berücksichtigt ist die Tatsache, dass bei gleichem Job noch nicht überall eine finanzielle Lohn-Gleichstellung gegenüber den männlichen Beschäftigten erfolgt.

Fazit: Wer als Frau Kinder in die Welt gesetzt hat und sich in Trennung befindet bzw. alleinstehend ist, kann sich vieles, was für normale Menschen selbstverständlich ist, nicht leisten. Die Armutsgrenze ist statistisch gesehen erreicht und – trotz Hartz IV, Kindergeld, Sozialhilfe etc. – leben diese Kleinfamilien und Kinder am Rande der Armutsgrenze. DAS ist eine Tatsache und hier ist mehr denn je die Politik gefordert, Mütter-freundliche Modelle zu schaffen und auch die Arbeitgeber, die ausreichend Möglichkeiten für einen Wiedereinstieg sowie eine kompatible Lösung für das Mutter-Sein und Berufsausübung anbieten müssen. Fast die Hälfte aller Alleinerziehenden bezieht Leistungen aus Hartz IV, um irgendwie über die Runden zu kommen und das grenzt an eine politische und berufliche Fehlwirtschaft, die dringend überarbeitet werden muss.

Ich selbst bin ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, den Spagat zwischen Kindern und Berufswelt zu schaffen. Frauen, die eine längere berufliche Pause eingelegt haben, um sich ganz der Familie zu widmen, haben bei Trennungen  die Arschlochkarte gezogen, daran ändern auch die drei angerechneten Rentenjahre für die Erziehung nichts. Eine längere Zeit raus aus dem Job bedeutet, dass man kaum wieder entsprechend eingegliedert werden kann und auf Hilfsjobs bzw. viele kleinere Jobs angewiesen ist, die zum Teil auf 450.- Euro-Basis laufen und ebenfalls nichts zu den Sozialleistungen/ späterem Rentenbezug beitragen. Also wieder die Arschlochkarte, aber oft hat man gar keine andere Möglichkeit. Ich musste einen kompletten Neustart machen und das – bedingt durch meinen Auslandsaufenthalt – zweimal innerhalb weniger Jahre. Versuche das mal mit zwei – damals kleineren Kindern, lieber Pierre. Und auch jetzt, nachdem beide Söhne erwachsen sind, sieht es nicht besser aus. Ich arbeite in einem künstlerischen Bereich und widme mich verstärkt ethisch anspruchsvollen  Dingen. Der Markt ist jedoch ausgerichtet auf Profit, Konsum, Rationalisierung etc… meine Arbeit spielt nur insofern eine Rolle, dass ich die Kassen fülle und Dinge tue, die einen wirtschaftlichen Vorteil bringen. Aktuell arbeite ich auf ca. acht verschiedenen beruflichen Baustellen (inklusive unsere Firma) und jedes für sich ist eine andere Beschäftigung, die auch durchaus meiner Ausbildung entspricht. Trotzdem habe ich heute noch zu kämpfen und ich tue es bewusst alleine! Mit jedem Monat wird es schwieriger und mit jedem Jahr, in dem du älter wirst, wird es noch extremer. In unserer Arbeitswelt zählen Erfahrung und Alter tatsächlich recht wenig und spätestens ab 40 bist du für viele in Bewerbungsgesprächen zu alt und sie bevorzugen jüngere Leute.

Ist das alles ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, die alleinstehenden Müttern mehr unter die Arme greifen muss und auch des Arbeitsmarktes und der Chefs/ Manager, die gefordert sind, menschenbezogener an die Auswahl ihrer Beschäftigten zu gehen? Trotzdem ist das Jammern auf hohem Niveau, lieber Pierre, denn eines steht fest: In Deutschland leben wir sicher, frei und – obwohl es für einige Bevölkerungsgruppen sehr schwierig ist – gibt es immerhin staatliche Unterstützung und Hilfe. Im Vergleich: In vielen anderen Ländern verhungern Kinder und Familien. Das Nachgehen einer Arbeit ist unmöglich, es sind Kriegsgebiete, es gibt Seuchen und vieles mehr.

Nehmen wir es wie es ist, lieber Pierre. Viele junge Menschen entscheiden sich aus den Gründen wie oben beschrieben gegen Kinder, gegen eine Ehe, sie leben ohne Trauschein zusammen und bei den Paaren gehen beide einer Vollzeitbeschäftigung nach. Wir erleben in den letzten Jahren einen starken gesellschaftlichen Wandel, dessen Ursache die Soziologen klären müssten. Unser Familienmodell der heutigen Zeit setzt uns vor die Tür der ehemaligen Großfamilie, in der man einzelne Mitglieder unterstützte, einen gemeinsamen Halt hatte und in der das Überleben jedes Einzelnen garantiert war. Ob unser Freiheitswahn, die Emanzipation der Frau und die Strukturen der Kommerzialisierung jetzt besser sind, bezweifle ich sehr. Wir sehen ja, wohin es führt und Familienplanung zugunsten eines Wohlstandslebens aufzugeben, in dem Reisen, Klamotten, Fitnessstudio oder Luxusartikel mehr Wertigkeit haben als Familie, Nachwuchs und echte Liebe, ist fatal.

Wenn der Preis, wundervolle Kinder zu haben, auf die man stolz sein kann, so hoch ist, dass ich am Existenzminimum krebse, dann nehme ich das gerne in Kauf, denn ich habe etwas erschaffen, was wahre Liebe ist – und zwar von beiden Seiten. Scheiß auf ein tolles Outfit, ein großes Haus brauche ich nicht… vergiss es mit Kaufrausch, den kann ich mir nicht leisten. Aber was ich mir leisten kann ist, der Gesellschaft den Mittelfinger zu zeigen und mir darüber bewusst zu sein, dass ich mehr Sinnvolles für die Gesellschaft getan habe, als eine konsumorientierte Lady, die sich Gedanken darüber macht, welche Frisur gerade angesagt ist oder in einen Shopping-Rausch verfällt. Das alles ist mir zu oberflächlich, wie du weißt und ich hoffe für alle Frauen, die hier mitlesen und denen das Leben nicht den einfachsten Weg beschert hat, dass ich ein wenig Mut machen konnte. Mutter zu sein ist das wundervollste Geschenk, das uns das Leben geben kann, das dürfen wir niemals vergessen.

 

In diesem Sinne, eine herzliche Umarmung,

Petra

© Petra M. Jansen

http://jansen-marketing.de

Liebe Petra,

heute komme ich mit einem Thema, das mich beschäftigt und es geht um die heikle Frage, wie es den Familien besser gehen könnte. Der Druck ist sehr hart, wenn man Job und  Erziehung der Kinder unter ein Dach bringen muss, wie du weißt und noch schwieriger ist es, wenn man alleinerziehend ist. Meistens stehen die Frauen an der Front und wissen nicht so recht wie es weitergehen soll. Vor ein paar Tagen habe ich eine Reportage gesehen, in der Mütter, zwei bis drei Tätigkeiten täglich absolvieren mussten um über die Runden zu kommen. Das Beispiel der Hilde L. hat mich sehr bewegt: Eine halbe Stelle als Putzkraft in einem Großhandel, dann die Betreuung einer alten Dame, die an Alzheimer leidet und zuletzt Zeitungen austragen. Ihre Tochter ist zwangsläufig ein Schlüsselkind, kommt damit nicht zurecht und ihre Noten lassen zu wünschen übrig. Der Ex-Ehemann hat sich aus dem Staub gemacht und bezahlt keine Alimente. Kein Wunder, dass die Schulden diese Frau sehr belasten und dass sie gesundheitlich darunter leidet. Sie hat zu hohen Blutdruck und ist daher oft schwindelig. Was sagt die Politik dazu? Ob Horst Seehofer, Manuela Schwesig oder Karin Göring-Eckhardt der Grünen, alle sprechen wie der Weihnachtsmann. Klar, es soll sich verbessern, wir werden schon dafür sorgen.

Das gehört jetzt zum Timing. Warum? Gut erraten liebe Petra! In Deutschland fängt der Wahlkampf für den Bundestag an. Eine Zeit, in dem sich ganz speziell die Parteien um die Belange der Familie kümmern. Es soll ihnen besser gehen als bisher und das sowohl in Gestalt des Alltages als auch finanziell. Es soll flexibler zugehen, egal ob in der Firma oder zu Hause und das würde bedeuten, dass die Arbeitszeit reduziert werden sollte, um den Kindern mehr Zuwendung zu schenken oder um ihre gebrechlichen Großeltern besser pflegen zu können. Das klingt sehr human, aber woher soll das Geld für solche Vorhaben stammen? Darüber macht man sich zu Recht Gedanken. Ich habe immer ein fahles Gefühl, wenn sich die Parteien kurz vor einer Wahl als äußerst menschlich ausgeben, denn auf dem Papier sieht es gut aus, in der Realität weniger. Seien wir uns im Klaren, dass jede Verkürzung der Arbeitszeit mit weniger Einkommen eng gekoppelt ist und auch, wenn der Staat den Verdienstverlust teilweise abfedert, wird kaum alles gedeckt werden können. Die Pflegeversicherung sieht vor, das helfende Angehörige einen Teil ihres Aufwands zurückerstattet bekommen, aber das ist nur ein Bruchteil ihrer Ausgaben und wie wir wissen, können die meisten Familien nicht mit einem Gehalt überleben. Immer öfter müssen die Eltern zwei bis drei Jobs ausüben, um zurechtzukommen. Hier sollte sich zuerst etwas ändern und das hieße, bessere Löhne auszubezahlen, um die Familien zu stabilisieren. Wer ständig nach dem Geld rennt, hat keinen freien Kopf und das hat zweifellos Konsequenzen für die Kinder. Wäre es nicht angebrachter hier aus staatlicher Sicht zu investieren? Ich denke schon. Auch die ständige Angst seinen Job zu verlieren, sorgt für Spannungen. Jeder weiß, dass für eine gute Erziehung Gelassenheit notwendig ist. Wenn aus äußerlichen Gründen Spannungen angesagt sind, kann es schreckliche Konsequenzen für die Kinder haben. Klar, die Übernahme der Kita-Kosten zum Beispiel, wäre ein Schritt in die richtige Richtung, aber das ersetzt nicht ein sicheres Einkommen. Eine effektive Familienpolitik ist eng mit dem Job verbunden, hier müsste angesetzt werden und das sowohl für die Gehälter als auch für die interne Arbeitsverteilung. Mütter sollten die Möglichkeit haben, ihren Zeitplan selbst zu organisieren und das sollte gesetzlich vorgegeben werden.

Gerade in einer Zeit, in der das virtuelle Leben solch ein Gewicht hat, sollte alles getan werden, um die Menschen näher zu führen. Wollen wir nur noch Autisten haben? Ich finde schon, dass es die Rolle des Staates ist, dafür zu sorgen, dass die Bedingungen geschaffen werden sollten, um jedes Mitglied einer Familie nicht in die Isolation zu treiben. Wenn zu wenig Zeit für die Fürsorge übrig bleibt, darf man sich nicht wundern, dass viele junge Leute auf der Strecke bleiben. Ich würde gerne deine Meinung diesbezüglich hören.

Sei umarmt, liebe Petra. Ich hoffe, dass die Sonne auch in dein Herz strahlt.

Alles Liebe

Pierre

//pm

 

 

 

Lieber Pierre,

derzeit gibt es zwei Psychopathen in der Weltpolitik – Erdogan und Trump. Lassen wir Le Pen und Wilders in den Niederlanden mal außen vor im Moment. Die Niederlande haben ein klares Zeichen für ein vereintes, starkes Europa gesetzt und dem Rechtspopulismus die rote Karte gezeigt. Dafür ein großes Dankeschön an unsere Nachbarn. Die Weltpolitik stellt aktuell Donald Trump mit seiner absurden Politik auf den Kopf, was auf Kosten der Natur/ Umwelt, der Freiheit – die die USA bislang verkörpert haben – sowie der kleinen Bürger (Gesundheitssystem) geht und selbstverständlich auch mit seiner unmissverständlich radikalen, niederträchtigen Einstellung gegenüber Muslimen und Mexikanern. Dieser Mann ist zudem schlichtweg zu alt! Der zweite ist derzeit Erdogan, der sein Volk in eine Diktatur führt, in der er die alleinigen Machtbefugnisse hat mit den Folgen, dass er lange Jahre somit auch die Freiheit über die Todesstrafe, die Presse-Zensur und die Gerichtsbarkeit hat (mögen das seine Minister auch niemals zugeben und ihrerseits schönreden). Beides sind Diktatoren, die das natürlich weit von sich weisen und Erdogan beleidigt Europa mit genau dem, was ER selbst ist – ein Nazikopf. Aber wie könnten wir jemals Einsicht von Diktatoren erwarten? Die gab es noch nie.

Europa muss wieder an seine Stärke glauben und nur im Zusammenhalt der Staaten bilden wir einen Gegenpol zu den USA und Russland. Junge Menschen glauben an Europa und mehr als ¾ befürworten es, das sollte den Politikern ein klares Signal sein. Frau Merkel ist durchaus auf dem richtigen Kurs mit ihrer Europapolitik, auch wenn sie derzeit wegen zu sanfter Politik im Visier der Öffentlichkeit steht. Dennoch hat sie den Staatsbesuch bei Mr. Trump mit Bravour und sehr diplomatisch gemeistert und einen trotzigen, alten Mann für Jedermann bloß gestellt. Gutes Benehmen konnten wir von ihm ohnehin nicht erwarten, wenn ich seinen platten Wahlkampf sehe und mit welchem Straßen-Gossen-Jargon er seine Parolen verbreitete. Trump muss dringend aufgehalten werden, bevor er die ganze Welt ruiniert!

Kommen wir zu den Nordkoreanern, die mit Atomkrieg den USA drohen. Noch so ein Regime, das keinerlei Respekt vor dem Leben und der Welt zeigt. Lassen sich die USA auf diese Provokation ein? Trump ist alles zuzutrauen!

Die Welt ist unruhig und das ist erst der Anfang. Merkels Flüchtlingspolitik ist ebenfalls erst der Anfang und es werden noch Millionen von Klimaflüchtlingen auf uns zukommen. Wir selbst haben Eingriffe in Natur und Umwelt gemacht, sie ausgebeutet, geschürft, Küstenstreifen ruiniert und mit unserer Industrialisierung erheblich zur Klimaerwärmung beigetragen. Kommerz, Straffung, Rationalisierung, Gewinnzone etc., das sind alles Begriffe, die kontraproduktiv gegenüber ethischen, humanitären und ökologischen Ansprüchen sind. Aufgrund dieser Tatsache reagiert die Natur sehr logisch und das führt mehr und mehr zur Austrocknung bzw. sogar Untergang ganzer Regionen, die bald (oder bereits) unbewohnbar werden. Beispiel sind viele Regionen Afrikas, in denen Menschen nur noch leben können, wenn für Millionen Dollar Trinkwasser in Tankwagen dorthin transportiert wird. Es kommen also noch ganz andere Dinge auf uns zu, als es derzeit erscheint – das kann niemand bestreiten, der ernsthaft nachdenkt.

Rechtspopulismus, Machtherrschaft, Gier, territoriale Abgrenzung, Bodenschätze, Raubbau der Natur, eine absolute Überbevölkerung etc. sind die Gründe für das ganze Desaster.  Wir können diskutieren wie wir wollen, lieber Pierre, aber Frieden auf lange Zeit hat die Menschheit noch niemals gefunden. Früher hieß es nur anders, es gab Hitler und viele andere – heute sind es Trump, Erdogan oder…

Im Sinne der jungen Menschen, die voller Enthusiasmus ihren Weg gehen wollen und verdient haben, ein menschenwürdiges, sicheres Leben zu leben, müssen wir aktiv gegen alles vorgehen, was einem freien Leben, einem klugen Miteinander und einer sicheren Zukunft im Wege steht. Ein gutes Mittel wäre (im privaten Leben) eine klare Stellungnahme, kluges Denken jedes einzelnen, eine Abgrenzung gegen ethisch bedenkliche Taten und eine Aufforderung für Positivität, Mut, Frieden sowie ein sinnvoller Umgang mit unserem Lebensraum. Das klingt nach aufgesetztem Idealismus, ist es aber nicht, wenn wir nicht alles in Grund und Boden wirtschaften wollen. Mr. Trump sowie Erdogan sind mittendrin in dem fatalen Spiel, ihre Egozentrik und Machtgier auf Kosten des Volkes zu betreiben. Stoppt die EU-Gelder und nehmt es auf euch, dass er den Flüchtlingsdeal platzen lässt – er wird es ohnehin tun, sollte das Referendum zu seinen Gunsten ausfallen. Mit einem Disput darf mal halt keine „Geschäfte“ machen, Frau Merkel.

 

In diesem Sinne, eine herzliche Umarmung

nach Frankreich,

 

Petra

 © Petra M. Jansen

http://jansen-marketing.de

 

Liebe Petra,

ich würde gerne etwas über den Sinn der Philosophie sagen. Als Mensch, der sich ständig bei ihr bedient, weiß ich, dass sie gebraucht wird, um uns die Illusion zu vermitteln, dass wir in einer Evolution stecken. Das braucht auch der Politiker, um eine Berechtigung zu haben, sich als nützlich zu betrachten, auch wenn er nur eine lahme Ente ist. Der Drang, sich immer bewegen zu müssen, um zu beweisen, wie effektiv man ist und da wären wir im Kern der Misere. Durch den Aktivismus bilden sich viele Politiker ein, dass sie etwas bewirken können. Sie lügen sich damit an und fürchten, die wahren Fragen beantworten zu müssen. Auch wenn der Altbundeskanzler Helmut Schmidt die Visionäre verabscheute, sind sie heute Mangelware geworden. Es wird vor allem verwaltet, aber nicht über neue Perspektiven nachgedacht und das führt dazu, dass viele Entscheidungen fehlschlagen, weil sie keinen geistigen Hintergrund haben. Es gibt Fragen, die nicht beantwortet werden können, weil sie frei im Raum stehen. Für mich wäre es undenkbar ein Programm zu entwerfen, ohne eine philosophische Grundlage zu haben. Jede Maßnahme muss einen geistigen Sinn haben, auch die praktische. Das Beispiel der Gesundheitspolitik ist eng mit dem Sinn des Lebens verbunden, das kann man nicht auseinanderbringen und meine Ansprüche sind sehr hoch. Nicht jeder Politiker ist imstande, sich grundsätzliche Gedanken zu machen. Klar, es muss Ameisen geben, die die Arbeit machen – ich würde aber vorschlagen, dass in den Schulen – entgegen dem Trend, die Philosophie vom Unterricht zu verbannen – sie wieder erblühen sollte. Aber gerade hier erleben wir eine tiefgreifende Angst, denn eine aufgeklärte Jugend wird sich kaum alles gefallen lassen und gerade das könnte zu Reibereien führen. Was wir in den Wahlkämpfen oft erleben, ist das Unvermögen der Politiker eine umfassende Philosophie zu definieren und zu hinterfragen und doch führt kein Weg daran vorbei. Wenn wir die Zukunft ein wenig besser gestalten wollen, müssen z.B. die Prinzipien der Ethik hinterfragt werden. Eine ständige Diskussion ist erforderlich in einer Welt, die sich ständig bewegt. Ist das der Grund warum Emmanuel Macron seine Bewegung „En marche!“, genannt hat? Man sollte ihn fragen.

Ich würde gerne Menschen fragen, welchen Sinn für sie das Leben hat und was sie erwarten. Vielleicht gibt uns diese angespannte Zeit mehr Möglichkeiten, darüber nachzudenken. Das tue ich sehr oft, da ich mir vorgenommen habe, ab dem 8. November 2016 ein Jahr lang (der amerikanische Wahltag mit dem herrlichen Ergebnis, das wir kennen ) über die politischen Ereignisse – hauptsächlich in Deutschland und Frankreich – zu berichten. Ich schreibe über Dinge, die mich bewegen und versuche somit auch mit mir selbst ins Reine zu kommen. Das ist viel Arbeit, aber es ist mir ein Anliegen, meine Stimme zu erheben. Nicht, dass ich alles besser wüsste, vielmehr um mit der Lage zurechtzukommen und muss zugeben, dass es mir nicht immer leicht fällt. Ich fühle bei vielen Menschen in meiner Umgebung ein tiefes Unbehagen, dass sie durch viel Aktivismus überbrücken wollen und denke, dass das nicht unbedingt eine gute Methode ist. Ablenkung ist verständlich, aber es bringt nicht viel, den Kopf in den Sand zu stecken, wenn es bedrohlich wird, denn heute muss mehr denn je gehandelt werden und wie, das muss jeder für sich bestimmen. Meine erste Aufgabe ist es, mich mit den Ereignissen in Frankreich zu beschäftigen und da ich meine Artikel auch auf Französisch schreibe, habe ich zahlreiche Menschen, die meine Texte lesen, reagieren und kritisieren. Mein Ziel ist eindeutig, die Wahl von Marine Le Pen zu verhindern und das tue ich auch, wenn es um die AfD geht. Dafür bin ich gerne bereit, viel Kraft zu investieren, denn mir ist klar, wie greifbar nahe der Faschismus ist. Es geht darum, die Demokratie zu verteidigen, das Recht, frei zu äußern was man denkt und vor allem wieder Lebensfreunde aufleben zu lassen. Herr Erdoğan zeigt uns gerade 1:1 wie es nicht laufen darf.

Liebe Petra, ich wünsche dir einen schönen Tag aus Frankreich.

 

Alles Liebe,

Pierre

//pm

Lieber Pierre,

ich gebe die Anleitung zur Zivilcourage, denn genau das ist es, was wir alle im Alltag tun können. Sehen wir einen direkten, verbalen oder gar körperlichen Angriff z.B. im Bus auf eine Muslime, so machen wir genau das, was niemand erwartet: wir setzen uns zu der Dame, die offenbar gerade von einem Rechtsradikalen attackiert wird, legen den Arm um sie und beginnen ein intensives, freundliches Gespräch, bei dem wir den rassistischen Pöbel einfach ignorieren. Direkte Maßnahme zur Gegenwehr, die keinesfalls ohne Wirkung bleiben wird. Die Mehrheit der Mitfahrer wird diese Reaktion bemerken und dem Angreifer bleibt nur die Flucht, denn ihm wurde der Wind aus den Segeln genommen. Sollte es zu Handgreiflichkeiten kommen, stellen wir uns beherzt dazwischen und vergessen unsere Angst. Die Angst vor Rechtspopulismus sollte größer sein als die Angst, verletzt zu werden, denn in einer „weißen, reinen Gesellschaft“ haben wir alle nichts mehr zu lachen. Demokratie adé, Freiheit adios… die Diktatur des Dritten Reiches soll herrschen… um Gottes willen! Schlimmer geht es nicht mehr als die reine, deutsche Inzucht von braun-kackenden Irren, die sich freiwillig Reichsbrüder oder sonst wie nennen. Sieh mal diesen – auf den ersten Blick ein wenig verschrobenen, selbsternannten Neo-Druiden – Burgos von Buchonia an. Kopf der rechtsradikalen Terror-Gruppe Reichsbürger, der zur Zeit erfreulicherweise in U-Haft sitzt. Menschenverachtend, voller Hass und höchst gefährlich nutzte er alle Kanäle des Internets für seine Hassaufrufe. Er ist dem Verfassungsschutz selbstverständlich schon lange bekannt und die Razzia hat ihn vorerst einmal mundtot gemacht. Mir kam er mit einem (zunächst unscheinbar aussehenden Profil) bei google + entgegen, ich habe ihn schon vor Jahren sofort blockiert.

Lieber Pierre, wir haben eine gute Waffe derzeit. Seine Worte heute „Der neue US-Präsident ist hochgradig demokratiegefährdend“. Trump „spielt mit der Sicherheit der westlichen Welt“, sagt der designierte SPD-Chef und weiter: „Was die US-Regierung gerade beginnt, ist ein Kulturkampf.“ Ich spreche von Martin Schulz, dem bereits jetzt mehr als 50 % der Deutschen absolute Kompetenz, Durchsetzungskraft, Erfahrung zubilligen und der mit Sicherheit eine klare rote Karte gegen Rechts und für die Demokratie setzen wird. Ich setze auf ihn, er ist der richtige Mann was auch die Kritik an Donald Trump anbelangt. Der neue Präsident der Vereinigten Staaten ist das größte Desaster, was der Welt zuzumuten ist und die schlimmste Form eines amerikanischen Präsidenten, die es je gab. Wir hoffen, dass er diese Amtszeit nicht erreichen wird und schnellst möglich vom Parkett verschwindet, bevor er international noch mehr Unheil anrichtet. Seine täglichen Horror-Entscheidungen bringen Krieg und Missstimmung und damit macht er mit Sicherheit Amerika nicht „great again“. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und der Freiheit hat ausgedient unter seiner Fuchtel… der amerikanische Traum ist ausgeträumt.

So, mein lieber Freund, ich umarme Dich und bin guter Dinge, dass wir 2017 hier mit Herrn Schulz einen guten Weg gehen werden – auch einen guten gegen Trockenpflaume Petri & Co.

 

Herzlichst,

Petra

 

© Petra M. Jansen

 http://jansen-marketing.de

Liebe Petra,

Der Attentäter einer Moschee in Quebec hat aus Hass sechs Muslimen niedergestreckt. Der Mörder ist ein Bewunderer von der französischen Nationalfront und ihrer Chefin und das stimmt mich sehr nachdenklich. Marine Le Pen hätte niemals solch einen Anschlag bewilligt, im Gegenteil – aber die ausländerfeindlichen Parolen ihrer Anhänger sind Gift, wenn sie von verwirrten Gestalten als ein Dogma empfunden werden. Ich kannte einen Schuldirektor, der einen seiner Schüler tadelte, weil er jemanden verbal erniedrigt hatte. „Wörter können töten“, sagte er und hatte Recht – vor allem, wenn sie falsche Ohren erreichen. Ich appelliere deshalb immer wieder meine Kontrahenten ihre Wortwahl gut zu sortieren. Eine gute Meinung muss nicht mit Hasstiraden geschmückt werden. Wenn die Argumentation stimmt, reicht es, diese Thesen ruhig auszusprechen und das gilt auch für Meinungen, die ich keineswegs trage. Ich schaffe es –  ohne wüste Beschimpfungen –  meinen Standpunkt klarzustellen und alleine darum sollte es gehen. Der Fall von Québec zeigt, welchen Schaden die Gehirnwäsche anrichten kann. Wenn auf Facebook sogenannte Freunde, Barak Obama als Affe titulieren, der keinen Verstand haben kann, weil er ein Stinktier ist, braucht man sich nicht zu wundern, dass Gewalt angewandt wird. Übrigens kamen diese Bemerkungen von Bewunderern von Donald Trump und  Marine Le Pen. Ich erwarte von ihr, dass sie persönlich gegen solche Diffamierungen Stellung nimmt. Würde sie das nicht tun, könnte man annehmen, dass sie solch ein Verhalten befürwortet. Vielleicht hat sie es bereits aufgegeben, ihre Ultras zu mäßigen? Das würde in diesem Fall bedeuten, dass ihr die Fäden aus der Hand rutschen.

Da wir Schreiberlinge sind, muss uns bewusst sein, was wir mit unseren Publikationen ausrichten können. Einfach seine Meinung ganz brutto in die Arena zu werfen, ist schädlich. Ich will nicht behaupten, dass alles sterilisiert werden muss, aber es kann nicht schaden einige Grobheiten, die man in einem ersten Wisch loswerden möchte, zu filtrieren. Ich habe mir überlegt, ob ich den widerlichen Eintrag zu Obama kommentieren sollte und war schon fast daran es zu tun, aber Facebook hat vorgesorgt und diese Fäkalien entfernt. Mancher wird es als Zensur betrachten. Objektiv gesehen ist es eine, aber wenn es sich um eine unfaire rassistische Attacke handelt, würde ich diesen Schritt befürworten. Ich gehe davon aus, dass manche Grenzen gesetzt werden müssen, hauptsächlich wenn es sich um das Privatleben handelt oder wenn, wie in diesem Fall, eine Gruppe von Menschen – hier im Klartext die Schwarzen – als minderwertig betrachtet werden, aber wie soll der kleine Mann wissen, wie er sich verhalten soll, wenn einer der mächtigsten Männer des Planeten seine Klappe nicht in Griff hat? Haben wir es mit lauter kleine Trumps zu tun? Das könnte meinen.

Wir haben gesehen, wohin Hassschriften gegen die Juden, wie der Stürmer im Dritten Reich, geführt haben. Anständige junge Menschen, die sonst keine Fliege etwas angetan hätten, die oft gläubig waren und als gute Söhne betrachtet wurden, haben während des Feldzugs in Polen und in der Ukraine, Hunderte wenn nicht Tausende, aus ihrer Sicht, als Untermenschen eingestuften Wesen, gefoltert, getötet und das in der Uniform der Wehrmacht. Das ist der Beweis, wie effizient die NS-Propaganda-Presse war. Wenn negative Bilder und Aussagen jahrelang verbreitet werden, sind die Leser, die Hörer und die Zuschauer irgendwann konditioniert und wenn sie aus ihrer normalen Umwelt entrissen werden, wie es für die Soldaten 1939 der Fall war, werden die Hemmungen über Bord geworfen, wie es im polnischen Feldzug der Fall war. Das ist der Grund, warum ich für mehr Strenge plädiere und das schon bei jedem kleinsten Ansatz, vor allem wenn es um die Herabsetzungen von Menschen, von ganzen ethnischen Gruppen geht, sonst regnet es hier, liebe Petra. Ich habe schon fleißig meine Gymnastik hinter mich gebracht, aber leider keine Leibesübungen um den Frieden verteidigen zu können und auch, wenn ich physisch gerne auf die Barrikaden steigen würde, schaffe ich es nicht mehr so recht. So bleibt mir, den Geist auf Trab zu halten.

 

Im diesen Sinne,

ich umarme dich

 

Pierre

//pm

 

 

Lieber Pierre,

die Antwort der psychisch Verdrehten direkt aus einem aktuellen Internet-Fall, bei dem man sich entweder gleichgültig mit den Worten „mit so einem Quatsch beschäftige ich mich nicht“ oder aber nachdenklich widmen kann. Wie du mich kennst, lieber Pierre, beobachte ich Menschen sehr gut und lese immer wieder zwischen den Zeilen. Es sind die Signale, die sie unterbewusst aussenden und oftmals ist den Sendern ihr eigenes psychisches Dilemma nicht klar.

Ein ausgewanderter Tscheche lebt seit 17 Jahren der Arbeit wegen in den Staaten – zuerst legal eingewandert, jetzt illegal. Im Internet tauchte er sehr dezent auf, hatte recht wenige Kontakte in seiner Liste und kam über die Musik auf meine Seiten. Erst passierte nichts, nach einigen Wochen kam eine private Nachricht „Hallo, ich traute mich zuerst nicht, aber dein Musikgeschmack ist klasse.“ Nichts Schlimmes bis dahin also und keinerlei Grund, unhöflich zu sein, richtig? Wir Spürnasen schauen aber immer, welche Informationen wir über andere Menschen im Netz bekommen können, da war nichts Auffälliges. Ok, ein Facebook-Profil, ein MySpace-Profil und ansonsten nur Musik. Genau dort hätte ich ansetzen sollen – jetzt bin ich schlauer. Hätte ich auf die Auswahl der Titel und der jeweiligen Lyrics geachtet, wäre mir sehr schnell aufgefallen, dass es sich um einen depressiven, innerlich schwer verletzten Mann mit einer tiefen Trauer handelt. Es ging also weiter: Die nächsten Nachrichten waren sehr direkt, er sprach sofort von Liebe, von heiraten und er wolle mein Mann sein. Na, wer kauft denn die Katze im Sack? Er lud ein, wolle viel arbeiten für das Ticket und mit mir ein Rock-Festival besuchen, eine Einladung im Restaurant mit Blumen, ganz romantisch… also die gesamte Bandbreite der dämlichsten Verführung, die ich kenne. Wer reist in Gottes Namen ans andere Ende der Welt, um einen fremden Mann zu besuchen? Kommen wir zur Psyche: Es kamen Einladungen zu Video-Chats und eine davon nahm ich mal an, ich hatte das bis dato noch nie gemacht. Überraschenderweise war er tatsächlich real, eigentlich recht attraktiv und wirkte aufgeschlossen und lustig. Hatte so jemand es nötig, Damen im Internet kennenzulernen? Er sprach von tiefer Verletzung, weil ihn seine Freundin verlassen hatte und auf meine Frage, wieso er so wenige Kontakte und ausnahmslos Frauen hatte, war seine Antwort, er wolle seiner Ex-Freundin eins auswischen, weil er wüsste, dass sie ihn beobachtet. Kindergarten pur. Nun ging es weiter mit „du hast einen besseren Mann verdient als mich“, „ich bin ein Nichts und arm“, „ich gehe, lass dich in Ruhe“, „ich belästige dich nicht mehr“, „du fehlst mir“, „ich liebe nur dich“ – immer im Wechsel mit starken selbstzerstörerischen Zweifeln, dass er eine Null sei. Warum, lieber Pierre, sollte ich mich für eine Null interessieren? Es war die Mitleidsschiene, die Freundesschiene, die Tränendrüse, das Versprechen, die Hoffnung und vieles mehr in kurzer Zeit und einer ständigen Schwankung unterworfen. In den Titeln seiner Songs lag die Geschichte, er wollte zerstören. Nach und nach jede Lady, die irgendwie in Frage kam, zerstören, beleidigen, traurig machen, locken und sofort abblitzen lassen. Ob es eine Borderline-Störung ist, kann ich nicht beurteilen, aber das ist definitiv psychisch krank. Nach einem Tag meiner Abwesenheit im Netz wurde ich erschlagen von Trauer, Liebesschwüren, Fotos, Zuneigung/ Abwendung und ich will es als eine durchlebte, nachgelebte, eigene Geschichte beschreiben, die zur psychischen Verarbeitung offenbar den Prozess „Gleiches mit Gleichem vergelten“ braucht. Für jeden normalen Menschen sind diese Zuckerbrot und Peitsche-Allüren indiskutabel und man distanziert sich sofort. Hier ist klar, dass ein Mann derart verletzt ist, dass er nicht in der Lage ist, zu differenzieren oder zu verzeihen und anderen Menschen gleiches vergiftetes Unheil bringen möchte – und das eben virtuell (wahrscheinlich ebenso real). In den Songs war die Rede von „Mein Tod“, „Blutende Seele,“ „Phoenix und Auferstehung“, „Hass“, „Black Soul“, „Schmerz“ und genau in der Reihenfolge wie auch die Nachrichten ankamen. Jeder Song, der bei ihm auftauchte, passte zu der Nachricht, die bei mir ankam. Möge diese Seele eines Tages in sich Ruhe finden. Lieber Pierre, damit wollte ich dir sagen, dass es tagtäglich solche Situationen gibt, in denen Menschen sich selbst betrügen, ausweichen und Ersatzhandlungen, die durchaus selbstzerstörerisch als auch fremdzerstörerisch sein können, passieren. Dieser Mann will andere Menschen ebenso unglücklich machen, wie er selbst ist und setzt das auch tatsächlich um, jedenfalls versucht er es. Sollte sich vielleicht wirklich eine Dame in ihn verlieben, wird sie die ganze Bandbreite der starken Verletzungen spüren, gedemütigt werden und am Ende traurig sein. Damit hat er seine kranke Psyche ins Gleichgewicht gebracht – vorübergehend. Er ist ein Mann der Dunkelheit, der Depression und der inneren Verzweiflung. Etwas, was mir nichts anhaben kann, aber bedauerlicherweise eventuell anderen.

 

Es grüßt das Licht,

eine herzliche Umarmung

 

Petra

 

© Petra M. Jansen

 http://jansen-marketing.de

Liebe Petra,

du weißt, wie schwer ich es mir mit dem positiven Denken mache. Ich scheue mich, in meinen Schriften den Eindruck zu vermitteln, dass man mit schönen Worten, das Leben besser gestalten könne. Zugegeben – sie spielen eine Rolle, aber man sollte sich ihrer Wertigkeit bewusst sein. Sie haben nur eine Bedeutung, wenn ich sie zu meiner empfundenen Wirklichkeit konfrontiere, denn nur dann kann sich zeigen, ob sie Bestand haben oder nicht. Das zu tun, wenn man von bösen Gedanken angegriffen wird, kann einer Vergewaltigung gleichgestellt werden und dennoch sollte man den Humor bewahren. Das tue ich mit einer guten Dosis Ironie, wie es die folgende Kurzgeschichte darlegt:

Der Herr Jodler

Alpiner-Kitsch ist Bestandteil der alpinen Welt und wenn es gewaltig „alpelt“ geht es nicht ohne den Jodler und das Alphorn, denn ohne sie gäbe es keine Alpen. Stellt ihr euch Seeleute-Gesänge in diesem Ambiente vor? Da müsste schon die Titanic auf der Alm versunken sein. „Du Nonno, ich will Jodler werden!“ War das besser als Busfahrer, Feuerwehrmann oder Zahnarzt? Eine tiefgreifende Frage. „Ich werde mich bei der Agentur für Arbeit erkundigen.“ Der Beamte, der sich sonst langweilte und immer wieder auf seine Uhr schaute, um nach Arbeitsschluss seine Uschi auf der Lustwiese zu ficken, hob die Wimper mit höchstem Interesse. „In der Tat, Herr Nonno, dieser Markt ist in Berlin noch unerforscht und ich denke, dass es gute Voraussetzungen gäbe, neue Arbeitsplätze zu kreieren – allerdings müsste ein Berg her.“ Ein Jodler ohne Berg war in seinen Augen ein Unding, deshalb wäre es dringend notwendig, ein Massiv auf das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof zu errichten. Piz Berlin! „Somit Herr Staatsdiener, würden Sie den Verdienstorden 1. Klasse verliehen bekommen.“ „Der Haken dabei ist, dass es Senner mit ihren Schafen geben müsste, denn ohne sie kann nicht gejodelt werden.“ Keineswegs empfand er das als eine Behinderung, nur eines störte ihn: Die Wölfe, die sich bereits um Berlin angesiedelt hatten, hatten Appetit auf Jodler. „Kein Problem, Rotkäppchen wird sich freuen. Sie hat es satt, sich für einen sauren Sekt flach legen zu lassen. Lieber gefressen werden, als Bauchkrämpfe zu erleiden.“

Ob du glaubst oder nicht, solche Geschichten helfen mir über die Runde und wenn ich sie schreibe – mehr als 200 habe ich vorigen Herbst verfasst – denke ich nicht mehr an die ganze Scheiße, die uns umgibt. So gesehen ist das Schreiben meine Stütze in dem grauen Alltag, dem wir ausgesetzt sind und außerdem passiert ein Wunder. Als Schmerzpatient hat sich meinen Alltag schwer verschlechtert. Wenn ich am Laptop sitze, verschwinden meine Plagen wie durch ein Wunder und ist der Beweis, wie subtil das Gehirn funktioniert, birgt aber auch die Gefahr, dass man davon süchtig wird. Wenn ich zwischen 4 und 5 durch quälende Krämpfe aufwache, arbeite ich lieber, als Schafe zu zählen und schreibe ich lieber viel Blödsinn, um mich bei Laune zu halten. So gesehen ist meine Kreativität auch unter einem therapeutischen Standpunkt zu sehen und das auch wenn der Twitter-Virtuose Donald Trump mir das Leben madig macht! Ich glaube, liebe Petra, dass das das Einzige ist, was mir über die Runde hilft.

 

In diesem Sinne.

Ich umarme dich,

 

 Pierre

 //pm