Liebe Petra,

wie du es dir vorstellen kannst, sehe ich mit großer Furcht was sich in Frankreich ereignet. Wir stehen leider vor einem Bürgerkrieg, wenn nicht rasch eine Lösung gefunden wird. Hier ein paar Gedanken zu der dortigen Lage:

Die Krawallmacher sind die Sieger.

Man muss die Lage so beurteilen, wie sie ist. Der Schwarze-Block hat in Frankreich gesiegt. Die Gewalt hat sich für die Gilets Jaunes gelohnt, da Emmanuel Macron kapitulieren musste. Diese Erkenntnis ist sehr schwer für mich zu akzeptieren, denn das würde bedeuten, dass der Verfall der Demokratie überall im Gange ist. Wenn der Mob siegt, werden die Neonazis wieder auftauchen und wir sind auf dem guten Weg zur Diktatur. Waren es nicht die SA in der Weimarer Republik, die Hitler den Weg zur Macht ebneten? Es könnte sich so auch in Frankreich abspielen, wenn der Élysée-Palast sich weiter einschüchtern lässt. Die Lage kann nur korrigiert werden, wenn die Regierung zu unkonventionellen Methoden greift. Es wäre vielleicht die beste Karte, die volle Demokratie zu wagen und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Basis an den notwendigen Maßnahmen, die getroffen werden müssen, aktiv teilnimmt. Das würde konkret bedeuten, dass der Präsident den Räten Vorschläge macht, die im ganzen Land tagen und die von denen modifiziert werden könnten. Es können aber auch Initiativen von unten gemacht werden, die als Vorlage für neue Gesetze dienen könnten. Ich beziehe mich auf das schweizerische Modell, das bis heute sich bewährt hat. Niemand könnte dann sagen, dass er nicht an Entscheidungen beteiligt ist – jeder Franzose hätte das Recht, in den Räten aktiv zu sein.

Schadenfreude wäre nicht angebracht.

Was in Frankreich passiert, könnte sich auch schnell in Deutschland entwickeln. Wenn durch die verrückte Politik von Donald Trump – was die Zollgebühren anbelangt – die Wirtschaft einen Knick bekommt, wäre es aus mit der Ruhe und man kann sich sehr leicht vorstellen, dass es auch hier eine Bewegung, wie die Gilets Jaunes geben könnte. Die politische Lage ist derart labil, dass es keine Garantie für die Stabilität gibt. Alles geht heute so schnell, dass man kaum ahnen kann, was passieren könnte. Als Beispiel kann man 1913 nehmen. Niemand hätte den 1. Weltkrieg voraussehen können. Den Leuten ging es relativ gut und auf einmal änderte sich alles. Millionen Tote waren die schreckliche Rechnung, deshalb warne ich davor, die Situation in Europa auf die leichte Schulter zu nehmen. Wir dachten bis vor kurzem, dass Emmanuel Macron ein Fels in der Brandung sei, aber es hat sich erwiesen, dass dies nicht der Fall ist. Sollte er scheitern, wäre in der EU alles möglich. In Deutschland droht – bis zum Ende der Ära Merkel – alles den Bach runter zu gehen und schon die ersten Schwächen in der Industrie lassen sich blicken. Bei Bayer ist die Rede von zahlreichen Entlassungen. So wird es auch bei der Autoindustrie sein, wenn sie sich auf E-Autos umstellt. Man spricht heute von einem Verlust von 100.000 Stellen und wenn man die Werkstätten dazu rechnet, wird die Zahl noch viel größer sein. Die Jahre der fetten Kühe scheinen endgültig vorüber zu sein.

Was können wir selbst leisten?

Es wäre unverantwortlich, sich von der Gewalt leiten zu lassen. Jeder sollte daran denken, welche Vorteile er bis heute hatte, mit dem, was die Demokratie uns gebracht hat. Es kann nicht möglich sein, alles wegzuschmeißen und den Populisten Vertrauen zu schenken, weil sie ganz einfach große Sprüche von sich geben. Wer glaubt, dass es ihm besser gehen würde, irrt sich gewaltig. Es ist höchste Zeit sich zu besinnen und sich der Realität zu fügen. Ich halte gar nicht von Protestwählern, die einfach die Diktatur bejahen, um der Demokratie eins auszuwischen. Wir wissen allzu gut, was daraus entstanden ist. Es ist dringend nötig, dass  wieder überall der Dialog stattfindet, mit dem Bewusstsein, dass die Politik darauf angewiesen ist. Den Kopf in den Sand zu stecken nützt wahrhaftig nichts. Es ist sehr schwer. für mehr Vernunft zu plädieren, wenn man Wut im Bauch hat und doch wäre es die einzige Lösung, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Es wäre deshalb wichtig, dass die Leute miteinander sprechen, zuhören und auch andere Meinungen akzeptieren. Ich weiß, das ist sehr idealistisch, aber gibt es andere Lösungen als sich gegenseitig zu beraten? Es wäre einen Versuch wert. Das Beispiel Frankreich stimmt mich zurzeit sehr skeptisch, weil die Maschinerie der Gewalt sehr schwer anzuhalten ist. Die nächsten Wochen werden uns vielleicht eine bessere Antwort geben, das ist zu hoffen.

Ehrlichkeit macht sich nicht bezahlt.

Die Europawahl könnte der Anlass sein, uns neu zu definieren und es wäre zu primitiv, alles was schlecht läuft, darauf zu beziehen. Brüssel ist nur ein Teil des Problems. Es geht vielmehr darum, dass die Parteien seit Jahrzehnten alles getan haben, um die wahren Schwierigkeiten zu benennen. Hiobsbotschaften, sind kein Wählermagnet. Es wurde immer wieder verschleiert, schöngeredet und die Bescherung haben wir heute. Emmanuel Macron war zu ehrlich für einen normalen Politiker. Er hat immer gesagt, wo der Schuh drückt und dass das Volk schwere Jahre mitmachen würde, um die Lage wieder teilweise ins Lot zu bekommen. Das bedeutet tiefe Einschnitte im Familienbudget. Das ist die Realität, wenn man überschuldet ist und dadurch die Staatskassen leer sind, es gibt leider nichts mehr zu verschenken. Aber wie haben es die anderen Präsidenten gemacht? Sie haben auf Pump gelebt und heute muss die bittere Rechnung bezahlt werden. Die dicke Zinszurückzahlung verhindert wahre Reformen in den Griff zu bekommen, so die Realität. Eine sehr bittere Erkenntnis, die heute hundert Tausende von Menschen in die Straßen führen. Sie können laut schreien, Monumente verschmieren, Feuer anlegen, aber deswegen wird sich die Lage keineswegs verbessern. Das ist die Erkenntnis, die wir aus der Revolte der Gilets Jaunes heute ziehen können. Wahrhaftig eine Sackgasse!

Es regnet in München… auch in meinem Herz.

 

Alles Liebe

Pierre

 

//pm

Lieber Pierre,

Glaube und Irrglaube, Wahrheit und Durchsetzung der Wahrheiten. Weiß der Bürger und Wähler eigentlich überhaupt noch, worum es tatsächlich geht? Oder wer nun mit wem oder ohne wen wohin geht? Und weiß der Wähler eigentlich, was er wirklich wählt und ob er überhaupt noch eine Rolle spielt? Ist es nicht die Verunsicherung der Aussagen, der ständige Wechsel zwischen Tatsachen und Tatsachen-Verschleierung? Unausgesprochene Worte, die die Angstmacherei durch die Medien der letzten Jahre begleiten? Um was geht es denn eigentlich? Also, dass es wie immer um Macht (Ohnmacht) und strategisch gezielt eingesetzte Vorteile der Einzelnen geht, dürfte klar sein. Aber ist auch klar, was im allgemeinen Fokus steht und wohin die Wurzeln wuchern? Ist es nicht so, dass der rechtsradikale Ausdruck schwerpunktmäßig im Osten der Republik auftaucht und auch der sächsische Ministerpräsident Kretschmer falsch behauptet, es habe gar keinen Mob gegeben? Und nun der Horst, der Herr Seehofer, der sich da so einbringt und seine eindeutige Linie verfolgt? Tja, und der Verfassungsschutzpräsident Herr Maaßen mischt sich nun auch unter die Gruppe der Zweifler, dass es überhaupt irgendwie alles so gar nicht richtig sei mit dem Video auf Chemnitz´ Straßen und.. naja, so schlimm ist es doch gar nicht gewesen? Hach, wir wären doch ein Schelm, würden wir da nicht irgendwelche Verbindungen wittern. Martin Schulz war nun einer derjenigen, der einen groben Klotz auf einen groben Keil setzen will und einmal klar aussprach, was Sache ist. Dennoch erkennen viele nicht, dass der Virus bereits um sich greift und schon seinen kranken Samen gesät hat. Die AFD will unser System von innen aushöhlen, so scheint es und dahinter steckt das System, die Bürger und Wähler an den Aussagen der anderen zweifeln zu lassen. Kernaussagen werden verdreht und elementare Ereignisse schlichtweg verleugnet. So werden die Menschen mehr und mehr verunsichert, die Ängste steigen und die Wähler wissen gar nicht mehr, was los ist. Das Vertrauen in Maaßen und den Verfassungsschutz ist ebenso platt gewalzt wie der Glaube an eine ordentliche Politik, oder nicht? Erfreulich in diesem Zusammenhang ist das neueste Politbarometer, in dem die ADF und die CSU deutlich an Stimmen verloren haben und Herr Seehofer ganz nach hinten gerutscht ist. Na hoffen wir, dass die Wähler diese Infiltrierung sehen und auch den eindeutigen Angriff auf unsere Demokratie bemerken. Das alles, was geschieht, ist ein direkter Angriff auf die demokratische Ordnung! Was nun dringend notwendig ist, wäre nicht nur eine sofortige Entlassung des Herrn Maaßen sondern eine Rundum-Erneuerung des Verfassungsschutzes. SPD und FDP fordern eine sofortige Entlassung Maaßens, Horst Seehofer allerdings spricht ihm sein Vertrauen aus. Warum er sich hinter Maaßen stellt? Nun, die Antwort kennen sie bestimmt, so schwer ist das ja nicht. Und denken sie immer daran, dass jeglicher Angriff einer Partei auf unser demokratisches Wertesystem auch ein direkter Angriff auf ihre persönliche Freiheit ist.

Lieber Pierre, Politik war irgendwie schon immer ein schmutziges Geschäft, nicht wahr?

 

Petra

© Petra M. Jansen

 

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Liebe Petra,

vor und nach Chemnitz, das ist leider das Thema, was ich dir heute vermitteln will. Ich weiß, die Medien sind damit zugekleistert, aber als Kommentator will ich auch meinen Senf dazugeben. Hier die Kostprobe:

Der Mitläufer Seehofer

Nein, ich wollte es nicht glauben, dass der Christdemokrat Horst Seehofer auf einer Wahlveranstaltung in Töging in Oberbayern Anfang August gesagt hat: «Bin froh über jeden Ausländer, der straffällig wird!»  Und das von einem deutschen Innenminister. Er wollte damit sagen, dass er somit gute Argumente hätte, sie hinaus zu schmeißen. Ich wundere mich, dass ein Politiker wie er, der von christlichen Gedanken geprägt sein sollte, so argumentieren kann und ich halte ihn deswegen für mitschuldig, was die Übergriffe von Chemnitz angeht. Das ist ganz einfach widerlich. Nach solch einer Aussage gäbe es für die Kanzlerin nur eine Alternative – den Rausschmiss Seehofers! Solche Äußerungen machen die Neonazis stark, sie können sich an einen „Christdemokraten“ anlehnen. Ich habe mehr Scheu vor Leuten wie der Innenminister, als vor den Neofaschisten. Bei denen weiß man wenigstens, wo man dran ist, aber wenn demokratische Mandatsträger zu Kollaborateuren werden, kann ich nur meine Abscheu zum Ausdruck bringen. Und das Ganze, weil die CSU auf 35,8% abgerutscht ist. Wenn er denkt, somit abtrünnige Wählerstimmen, die zur AfD abgewandert sind, wieder zu gewinnen, irrt er sich. Welchen Grund hätten sie, sich zu besinnen? Keinen. Mit Opportunisten haben sie nichts am Hut und auch ich nicht!

Gewalt anstatt Aufklärung

Egal aus welchem Land ein Mörder stammt, Mord ist Mord. Das sage ich, um klarzustellen, dass ein Demokrat wie ich, nur argumentieren kann, wenn er keine Ausnahmen macht. Ob ein Hamburger oder jemand aus Kabul – es gibt für mich nicht zwei Auslegungen des Gesetzes und es ist auch nicht meine politische Absicht, die Dinge schön zu reden. Natürlich gibt es Probleme mit der Migration, die EU-weit geregelt werden müssen, aber es kommt auf das „Wie“ an. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass nicht jeder Leidende empfangen werden kann und es gibt Bedarf zu reden. Umso mehr, weil viele Bürger Angst haben und wie man weiß, führt sie zum Hass. Anstatt überall Feuer anzulegen, sollte sich die Politik bemühen, Ruhe walten zu lassen, so schwierig es auch erscheinen mag. Aber alleine wird sie es nicht schaffen, da es ein psychologisches Problem ist. Der Verstand alleine in kein Wundermittel, wenn der Bauch etwas anderes diktiert. Hier geht es um den Selbsterhalt-Instinkt und er schließt jeder Art von Mediation aus. Es führt zwangsläufig zur Gewalt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das Alte Testament bringt auf den Punkt, was heute geschieht und von Aufklärung kann keine Rede sein.

Die ausländerfeindliche Seuche

Mein Berliner-Syndrom! Wie ich es auf Facebook bereits erwähnt habe, hat mich ein Ereignis regelrecht krank gemacht. Ich habe an einer Ortsvereinssitzung der SPD in Tempelhof teilgenommen und aus diesem Kreis haben sich einige Genossen die ausländerfeindliche Dialektik der AfD zu Eigen gemacht. Eine Mehrheit der Versammlung hat laut und stark dagegen protestiert, aber Konsequenzen wird es für sie nicht haben, denn sie werden nicht ausgeschlossen werden. Ich komme wieder darauf zu sprechen, weil ich mir nach dem Vorfall von Köthen dicke Sorgen mache und bin mir leider sicher, dass sozialdemokratische Kreise, die Linke, die Gewerkschaften immer mehr vom Virus der Ausgrenzung erfasst werden. Völkische Töne werden immer mehr die Diskussionen beherrschen, die zu unmenschlichen Maßnahmen führen werden. Das Phänomen Seehofer wird sich nicht alleine auf die CSU beschränken. Egal welche Organisationen, sie werden immer als Ziel haben, Menschen an sich zu ziehen, denn heute ist mit der Sprache der Ausgrenzung Kapital zu schlagen. Da merkt man, dass die Politik eine Hure ist, die sich den Freiern anpasst. Ich habe seit einigen Wochen schlimme Bauschmerzen und bin sicher, dass sie auch deswegen verursacht werden. Die Hoffnung, dass meine Ideale noch eine Heimat haben werden, zerbröckelt immer mehr. Bald wird es wohl nur einen Trümmerhaufen geben.

Wohin auswandern? Überall mehr Rechtspopulisten

Wie so oft in der Geschichte, schlägt das Pendel in ganz Europa wieder nach rechts, mit Ausnahme Frankreichs, Spaniens und Griechenlands. Mit der Globalisierung ist es nicht mehr möglich, die Krisen regional einzugrenzen – sie überlappen von einem Land zum anderen. Liegt es an der Fatalität der Menschheit, dass wir ständig ein Wechselbad von Aufklärung und Obskurantismus erleben müssen? Das wird wohl in unserem Charakter liegen, dass das, was wir mühsam aufgebaut haben und den Forstschritt, den wir erzielt haben, immer wieder kaputt zu schlagen. Das geschieht sehr wahrscheinlich aus Langweile. Mit dem blöden Spruch, wohin man auswandern sollte, kommt man heute nicht mehr weit, weil die Ereignisse sich überlappen. Für mich gilt es nicht, die Flucht zu ergreifen, weil ich das feige fände als vielmehr darum, Widerstand zu leisten. Es geht  vor allem darum, meine direkte Umgebung zu verbessern und meinen Beitrag dazu zu leisten, aber das ist sehr schwierig, weil mein Beitrag nur dialektisch sein kann, denn ich bin kein Psychotherapeut, der die Gabe habe, die Aggressionen zu mindern. Das läuft nicht unbedingt allein mit dem Verstand, sehr viel mehr mit Wärme. Die Frage ist: Bin ich in der Lage sie zu spenden?

Ich hoffe, dass es Dir dennoch gut geht?

Ich umarme Dich,

 

Pierre

//pm

Dass Gerhard Schröder und Wladimir Putin seit Jahren Freunde sind, ist hinreichend bekannt. Im Zuge der „Neuwahl“ Putins und der immer noch gegen Russland laufenden Wirtschaftssanktionen werden mittlerweile andere Stimmen laut. Schröder sei der „weltweit wichtigste Lobbyist für Putin“. So nennt der ukrainische Außenminister Klimkin den deutschen Altkanzler. Dieser soll nach Ansicht Klimkins auch auf die Sanktionsliste.

Neben russischen Unternehmen und Regierungsmitgliedern könnte bald auch der Name des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder auf der Liste der Sanktionen gegen Russland stehen. Das hat der ukrainische Außenminister nun angeregt. „Es ist wichtig, dass es Sanktionen (…) auch gegen diejenigen (gibt), die im Ausland Putins Projekte vorantreiben“ (BILD). Schröder sei für Putin weltweit der wichtigste Lobbyist. Es solle deshalb geprüft werden, wie die EU hier handeln könne.

Auch in der US-Zeitung WALL STREET JOURNAL war Schröder vor wenigen Tagen als „der wichtigste Oligarch Putins“ bezeichnet worden. Der SPD-Politiker war nach Ende seiner Kanzlerschaft 2005 zu dem Unternehmen „Nord Stream“ gewechselt, das eine Gasfernleitung von Russland durch die Ostsee direkt nach Deutschland plant. „Nord Stream“ gehört mehrheitlich dem russischen Energiekonzern „Gazprom“. Schröder sei ein „luxuriöses, bezahltes, prahlerisches Instrument Putins“, doch in Deutschland rege man sich kaum darüber auf, ärgert sich der Autor.

Das Pipeline-Projekt wird von Kiew heftig kritisiert, weil es Russland ermöglichen soll, Gas direkt nach Westeuropa zu exportieren, ohne dass die Ukraine und Polen als Transitländer darauf Zugriff haben. 2017 wurde Schröder zum Chef des Aufsichtsrats des russischen Energiekonzerns Rosneft gewählt.

Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir kritisierte, Schröder sei zum „Propagandisten von Putin mutiert“. Ein Ex-Kanzler habe auf der Gehaltsliste „eines autoritären Herrschers wie Putin nichts verloren“. Putin wolle Europa „spalten und schwächen“, lasse „Wahlen manipulieren“ und halte „Teile der Ukraine völkerrechtswidrig besetzt“.

Der russische Gaskonzern Gazprom liefert der Ukraine seit Monatsanfang kein Gas mehr. Das Land wollte für März erstmals seit zwei Jahren wieder Gas aus Russland zum Eigenverbrauch kaufen, doch der russische Staatskonzern Gazprom verweigerte die Lieferung und überwies eine ukrainische Vorauszahlung zurück. Es fehlten die nötigen Zusatzverträge, argumentierte Gazprom.

Gazprom kündigte zudem an, alle Verträge mit dem ukrainischen Versorger Naftogaz zu kündigen, und zwar vor dem Internationalen Schiedsgericht in Stockholm.

Die Führung in Kiew schloss vorläufig Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Die Unternehmen rief Energieminister Nassalik auf, Gas zu sparen und die Produktion notfalls herunterzufahren.

Die EU-Kommission bot an zu vermitteln, wenn beide Seiten dies wollten. Dies blieb fruchtlos.

Ende Februar hatte ein internationales Schiedsgericht in Stockholm Gazprom zur Zahlung von umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro an den ukrainischen Konzern Naftogaz verpflichtet. Russland habe weniger Gas durch das Nachbarland geleitet als vereinbart. Der Ukraine gab das Gericht auf, 2018 mindestens fünf Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas zu kaufen.

Russland hielt sich mithin weder an seine Lieferverpflichtungen gegenüber der Ukraine, noch folgt es dem Spruch des Schiedsgerichtes. Zwei weitere Verstöße des Landes, was seine internationalen Verpflichtungen angeht.

Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass die russische Regierung entgegen internationalem Recht und Verpflichtungen die eigenen Interessen aggressiv zu Lasten anderer durchsetzt. Es werden Fakten geschaffen, die wie im Falle der Krim und der Ost-Ukraine, ausgesessen werden sollen.

Russland führt Krieg mit seinen Nachbarn. Nicht auf dem Schlachtfeld, aber in moderner Form. Über „Nord-Stream“ soll Deutschland jetzt auch alternativlos abhängig gemacht werden von russischem Gas. Was uns in Zukunft blühen kann – in puncto Zuverlässigkeit Russlands – zeigt der geschilderte Fall der Ukraine. Die deutsche Politik, vor allem die Regierung Schröder, hat es versäumt, Alternativen zu russischen Energielieferungen zu schaffen.

Dem nicht genug, unterstützt ein Altkanzler in einem russischen Unternehmen die Pläne der russischen Regierung.

Die Freundschaft der beiden Männer hin und her – der Bruderkuss kann teuer werden!

Liebe Petra,

hier zwei Gedanken über Europa, die ich mir den letzten Tagen gemacht habe:

Frau Merkel in allen Ehren, aber Europa lässt sich nicht auf einer Sparflamme aufbauen. Wenn Deutschland die ganze Zeit den Zahlmeister spielt, kann nur eine kleine Maus entstehen. Es wäre sehr wichtig, ein wenig Mut zu zeige, denn es geht um die Zukunft unsere Kinder und Enkel.  Es muss alles unternommen werden, um den Beweis zu erbringen, dass wir alle am gleichen Strang ziehen. Ich finde die Initiative von Emmanuel Macron sehr berechtigt. Er kleckert nicht, was für solch eine große Sache angebracht ist. Es wird immer mit dem Argument gespielt, dass Deutschland ein großzügiger Geldgeber der EU sei, aber es wird unter den Tisch gekehrt, dass das Land durch seine Exporte sehr davon profitiert – am Ende wird mehr eingenommen als ausgegeben. Es wäre so wichtig, dass Angela Merkel endlich die Weltdimension dieses Projektes richtig erkennt. Die Bedeutung unseres Kontinents ist noch durch die Isolations-Absichten von Donald Trump gestiegen. Es geht um eine neue Position Europas und dieses Gebäude verlangt Weitsicht, nicht aber Kleinkrämerei. Einmal wieder zeigt sich, dass es sich die deutsche Politik schwer macht in neuen Dimensionen zu denken. Um die Bedenkenträger zu beruhigen, könnte das Argument gelten, dass – wenn sich die Exporte Richtung Amerika verlangsamen werden- Ersatz gefunden werden muss und hier wird sich zeigen, wie wesentlich der Binnenmarkt ist. Wer Geschäfte machen will, muss den Mumm haben zu investieren. Ich habe den festen Eindruck, dass das in Berlin nicht erwünscht wird. Pragmatisch gesehen, ist jede finanzielle Hilfe gut angelegt. Was hat ein Exportland davon, wenn die potentiellen Käufer nicht die Moneten haben, um Waren zu kaufen? Anstatt Forderungen zu erheben, die Nationen zur Pleite zwingen, wie es in Griechenland der Fall ist, sollten Modelle aufgebaut werden, die die einheimische Wirtschaft wieder auf Trab bringen. Es ist die einzige Möglichkeit, einen Teil der Schulden zu tilgen, aber ich glaube, dass Frau Merkel das noch nicht kapiert hat. Wenn sie wie eine Sparbüchse agiert, wird sie für Unruhe sorgen, die letztendlich den Populismus fördert. Es kann nicht sein, dass eine ganze Generation junger Leute dem Diktat einer übertriebenen Sparpolitik zum Opfer fällt. Es ist ganz klar, dass jeder Euro, der investiert wird, nicht rausgeschmissen werden darf, daher sollten gut funktionierende Kontrollorgane eingerichtet werden, die als erstes Ziel haben würden, für Rentabilität zu sorgen. Am Ende wird es keine Verlierer geben, wenn die EU brummt!

So merkwürdig es auch erscheinen mag, glaube ich, dass es eine richtige Option ist, auf Europa zu setzen. Wenn man beobachtet, wie instabil sich die Politik in einigen Länder entwickelt, wäre es vielleicht gut, dass wir endlich Strukturen bekommen, die uns einen Halt geben. Die Pläne von Emmanuel Macron gehen eindeutig in diese Richtung. Er weiß aber genau, dass er damit einige Ressentiments entfacht. Das große Problem besteht darin, dass die EU bei dem Volk noch nicht angekommen ist. Aus meiner Sicht ist der Mangel an sozialer Nachsicht für den Einzelnen daran schuld. Wenn der Präsident bemängelt, dass für die Jugend nicht genug getan wird, kann ich nur zustimmen. Es kann nicht sein, dass in manchen Ländern am südlichen Rand des Kontinents eine so hohe Arbeitslosigkeit (was die Jüngeren angeht) vorhanden ist, dass man von einer verlorenen Generation spricht. Da darf man sich nicht wundern, wenn irrsinnige Populisten, wie die der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien, ans Ruder kommen. Es wird den traditionellen Parteien – hauptsächlich der Linken – vorgeworfen, ihr Ziel verpasst zu haben, eine ausgewogenere und gerechtere soziale Gesellschaft aufgebaut zu haben. Eines aber steht bereits fest: diese tiefgreifenden, strukturellen Probleme können nicht alleine national geregelt werden. Sie sind einerseits von der Konjunktur, andererseits von einer gerechteren Verteilung der Ressourcen abhängig. Hier könnte der vorgesehene Etat der Eurozone die Diskrepanzen innerhalb der EU abfedern. Klar, es würde zuerst die reicheren Ländern etwas kosten, aber dann – sobald die Lage sich in den Gegenden, die benachteiligt sind – erholt hat, vermehrt wieder exportiert werden. Die Krise bekam die Autoindustrie zu spüren als in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal viel weniger Fahrzeuge aus Geldmangel verkauft werden konnten. Um den populistischen Thesen Paroli zu bieten, müsste dies dem Volk erklärt werden. Es wäre durchaus möglich, zu beweisen, dass jeder investierte Euro eine Rendite bedeuten kann. Dieses Beispiel zeigt, dass es in unserem Interesse liegt, wenn es den EU-Ländern insgesamt gut geht und das kann nur mit vereinten Kräften entstehen. Deshalb begrüße ich die Initiative von Emmanuel Macron, der Eurozone die Mittel zu geben, konjunkturell etwas zu bewirken, ohne jedes Mal Rückendeckung der Mitgliederstaaten einholen zu müssen.

Auch wenn alles ziemlich bedrohlich aussieht, sollte man weiter hoffen.

Alles Liebe,

Pierre

//pm

Die WELT fragt: „War das Zeus, der vom Himmel gestiegen ist? Oder der Wiedergänger André Malraux’, des französischen Schriftstellers und Kulturministers, der anlässlich der Einweihung der Beleuchtung der Akropolis 1959 die Ehre hatte, eine große Rede zu halten?“.

Sicher ist eines: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat es nicht mit den kleinen Gesten.

Bei seinem Besuch in Athen hat er zu einer Neugründung Europas aufgerufen. Dazu müsse die EU „demokratischer und souveräner“ werden, sagte Macron bei einer Rede vor der Akropolis.

Andernfalls werde der Staatenverbund auseinanderbrechen, warnte er. Der Prozess dazu müsse bald eingeleitet werden: Sechs Monate lang sollten die europäischen Völker über die Zukunft Europas beraten und reden.

Danach müsse offen politisch entschieden werden. Der Neugründungsprozess solle nach Macrons Ansicht in Athen, der Wiege der Demokratie, beginnen. Das klingt zunächst gut, mutig – und hat einen historischen Anknüpfungspunkt. Es ist Macron gelungen, sich bei seiner Rede vor der Akropolis wirksam in Szene zu setzen.

Nicht hinter verschlossenen Türen! Der Prozess dazu müsse bald eingeleitet werden: Sechs Monate lang sollten die europäischen Völker über die Zukunft Europas beraten und reden, sagte er. Danach müsse offen politisch entschieden werden, „nicht hinter verschlossenen Türen“. Der Neugründungsprozess sollte in Athen, der Wiege der Demokratie, beginnen, fügte er hinzu.

An die Jugend Europas gewandt sagte er: „Die Eule von Athen schaut leicht nach hinten. Tun Sie es nicht – schauen Sie nach vorne.“

Bürokraten und Technokraten hätten den Sinn Europas verdreht. Jungen Griechen wurde vor wenigen Jahren versprochen, die Sparmaßnahmen würden bald ihr Leben verbessern. „Was erleben sie heute? Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit“, sagte Macron. Ein solches Europa wolle niemand haben.

Der Nationalökonom und Finanzwissenschaftler Hans Werner Sinn hingegen erklärte Anfang letzten Monats, Macron lege es auf ein Europa der zwei Geschwindigkeiten an. Dies teile den Kontinent quer durch Mitteleuropa und mache Deutschland zum „Anhängsel und Zahlmeister einer neuen lateinischen Münzunion“, so Sinn.

So wolle Emmanuel Macron seinem Land Entbehrungen ersparen, wobei er den Schulterschluss mit Deutschland suche, so der Ökonom weiter. Das sei offenbar einfacher, als die darniederliegende Industrie aus eigener Anstrengung wieder fit zu machen.

Macron wolle außerdem für die Zukunft ein eigenes Parlament für die Euro-Zone mit eigenem Budget und mit einer eigenen Steuerhoheit – und der Möglichkeit, in gemeinsamer Verantwortung Schulden zu machen. Hinzu komme eine gemeinsame Einlagenversicherung für die Banken und eine Europäische Arbeitslosenversicherung, um damit „einen direkten Geldfluss vom Norden in den Süden zu organisieren“.

Nach Meinung des Kanzlerkandidaten Martin Schulz hat Macron „gute und sehr konkrete Vorschläge“ für die Reform der Europäischen Union unterbreitet, die „zum Teil auf Überlegungen aus dem EU-Parlament“ beruhten.

Für Macrons Idee eines eigenen Budgets für die Eurozone sei Schulz bereits als Präsident des Europäischen Parlaments eingetreten, hob der SPD-Politiker hervor. Damals habe Kanzlerin Merkel das „brüsk abgelehnt“. Nach der Wahl Macrons sei es „schön, dass bei ihr jetzt zumindest eine Bereitschaft zum Nachdenken festzustellen ist“.

Macron wollte diese Rede allen Sicherheitsbedenken zum Trotz auf dem Hügel der Pnyx halten, dort wo die Griechen den Staat und die Demokratie erfunden haben. Er wollte sie mit Beginn der Dämmerung halten, wenn die Hügel rings um Athen in ein rosafarbenes Licht getaucht sind, wenn die Zikaden noch zirpen, während jener blauen Stunde also, da alles möglich scheint, sogar die Neuerfindung einer so alten und inzwischen vielfach verratenen Idee wie Europa.

Viel Symbolik und Mystik, modern ausgedrückt: Show! Was bleibt sind Fragen: Wie will man das praktisch umsetzen? Wer soll das bezahlen? Wir als Zahlmeister? Drückt Macron sich nicht vor Reformen in Frankreich? Wenn diese beantwortet sind, reformieren wir „die alte Dame“ Europa!

„Wunschkonzert Europa“ … Darf man nationale Interessen gegen Pflichten innerhalb der europäischen Gemeinsamkeit durchsetzen und im Gegenzug Hilfen aus europäischen Fonds in Anspruch nehmen? Hat man nicht einen Teil staatlicher Souveränität an die Gemeinschaft abgegeben?! Eine Aufbereitung der altbekannten „Rosinentheorie“!

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ungarn und die Slowakei zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet. Die Regierungen in Budapest und Bratislava hatten Klage beim EuGH eingereicht mit der Begründung, dass der von der EU beschlossene Umverteilungsmechanismus im Widerspruch zur Gipfel-Erklärung der europäischen Staats- und Regierungschefs vom Juni 2015 stehe. Das wiesen die Richter nun zurück. Eine entsprechende von der EU beschlossene verbindliche Aufnahmequote sei rechtens. „Der Mechanismus unterstützt Griechenland und Italien dabei, mit den Auswirkungen der Flüchtlingskrise umzugehen“, hieß es in der Urteilsbegründung.

Die EU-Innenminister hatten im September 2015 beschlossen, zur Entlastung Italiens und Griechenlands bis zu 120.000 Flüchtlinge in anderen EU-Ländern anhand eines festen Verteilungsschlüssels unterzubringen. Die Entscheidung war gegen den Willen der beiden Länder sowie Rumäniens und Tschechiens gefallen.

Nach Ansicht dieser Länder untergräbt die Verpflichtung ihre staatliche Souveränität und gefährdet in Zeiten von Anschlägen die Sicherheit der Bürger. Dementsprechend nahmen Ungarn und die Slowakei auch so gut wie keine Flüchtlinge auf.

Den Beschwerden aus den Ländern waren nur geringe Chancen eingeräumt worden, nachdem der Generalanwalt am EuGH zuletzt eine Umverteilung innerhalb der EU empfohlen hatte. Er bezeichnete den Verteilungsmechanismus in seinem Schlussantrag vor dem EuGH in Luxemburg als „wirksam und verhältnismäßig“ und betonte den Beitrag, den die Umverteilung zur Bewältigung der Krise leiste.

Der rechts-konservative Ministerpräsident Ungarns, Viktor Orbán, war wegen seiner Haltung in der Flüchtlingsfrage bereits mehrmals mit anderen EU-Staaten sowie der EU-Kommission aneinandergeraten. Zuletzt präsentierte Orbán der Brüsseler Behörde eine Rechnung über 400 Millionen Euro für den ungarischen Grenzzaun, der Flüchtlinge abhalten sollte. Die EU solle die Hälfte der Kosten für den Bau und den bisherigen Betrieb der Sperranlagen an Ungarns Südgrenze übernehmen. Die EU-Kommission lehnte ab.

Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte vor dem Urteil gesagt, dass er von Ungarn und der Slowakei erwarte, dass sie das EuGH-Urteil zur Verteilung von Flüchtlingen akzeptieren. Sollte der EU-Beschluss von 2015 über die Verteilung von Geflüchteten auf alle EU-Mitgliedstaaten rechtmäßig sein, dann hoffe er, dass die Verteilung auch stattfände, so der frühere Präsident des Europaparlamentes. Er sehe nicht, dass etwa Deutschland als größter Nettozahler den EU-Haushalt fülle, während die Staaten, die Geld aus dem Haushalt erhielten, entgegneten, „Flüchtlinge könnt Ihr für Euch behalten!“.

Eine Krisen-Sonderregelung im Vertrag von Lissabon erlaubte der EU gegen den Widerstand von vier Staaten, wenigstens ein Minimalangebot durchzusetzen. Das höchste europäische Gericht unterstrich in seinem Urteil jetzt aber, dass es sich um eine absolute Ausnahme vom Prinzip gehandelt habe, gerechtfertigt nur durch die damals herrschende Flüchtlingskrise.

Wie bitte soll sich Europa weiterentwickeln, wenn sich einzelne, nationalkonservativ eingestellte Regierungen offen über europäisches Recht hinwegsetzen wollen, wenn sie Rechtsstaatlichkeit mit ihrer Gewaltenteilung und Pressefreiheit infrage stellen?

Sanktionen sind kaum möglich, weil auch die einstimmig in der EU beschlossen werden müssen.

Die Flüchtlingspolitik ist in diesem latenten Meinungsstreit über die Zukunft des europäischen Einigungswerks nur ein Aspekt unter vielen. Das eigentliche Problem ist die unterschiedliche Ausrichtung:

Hier, im Westen, der Wunsch nach stärkerer Integration, dort, im neuen „Ostblock“, das Interesse an wirtschaftlicher Förderung ohne intensive politische Verschmelzung.

Mit dem Prinzip der Einstimmigkeit kommt die EU nicht vom Fleck.

Deshalb verteidigen paradoxerweise jene es am heftigsten, die Einmütigkeit am wenigsten wollen.

Heute gehen die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU über die Bedingungen des Austritts weiter. Schon in den vergangenen Wochen hat die britische Regierung Positionspapiere vorgelegt zu Themen wie Zöllen oder der Rolle des Europäischen Gerichtshofs. Ein gemeinsames Merkmal all dieser Vorschläge ist, dass Großbritannien hofft, auch nach dem Brexit 2019 möglichst viele Vorteile der Mitgliedschaft zu behalten.

Das Königreich will die Pflichten, die sich aus der Mitgliedschaft ergeben, wegzaubern und nur von den Segnungen profitieren. Von solch bahnbrechenden Neuerungen wird Michel Barnier, Brüssels Chefunterhändler, nichts halten. Wichtiger noch: Er will über die künftigen Beziehungen gar nicht erst sprechen, bevor es keine Fortschritte gibt in der Debatte um die Höhe der Scheidungszahlung und den Schutz der Rechte von EU-Bürgern im Königreich.

Dabei wird die Zeit knapp: In einem guten Jahr müssen die Abkommen fertig verhandelt sein, damit die Parlamente bis zum Austritt Ende März 2019 zustimmen können. Dass es eng wird, haben sich die Briten selbst zuzuschreiben. Mit der Fehlentscheidung, Neuwahlen anzusetzen, hat Premierministerin Theresa May ein Vierteljahr verschenkt. Zudem hat sie es versäumt, Wähler und Parlamentarier auf die Zumutungen vorzubereiten, die der Brexit mit sich bringen wird. Das macht eine schnelle Einigung mit Barnier jetzt schwierig. Nützlicher als nebulöse Positionspapiere wäre eine klare Ansage Mays gewesen, dass der Austritt, wie alles im Leben, einen Preis haben wird und die Regierung diesen zu zahlen bereit ist.

Das mit dem Preis ist zum Teil durchaus wörtlich zu verstehen. Die EU fordert für eingegangene Verpflichtungen aus der Vergangenheit und Pensionslasten der Brüsseler Beamten eine happige Ausgleichszahlung; die Rede ist von 60 bis 100 Milliarden Euro. London ist zu einer Überweisung bereit, aber nicht in dieser Höhe. Mays Spielraum ist begrenzt. Ist sie zu nachgiebig, werden die EU-Feinde in ihrer konservativen Fraktion rebellieren. Das ist gefährlich, schließlich ist Mays Mehrheit im Parlament relativ knapp.

Ein Beispiel aus Skandinavien könnte den Briten als Prototyp dienen: Norwegen!

Selbst wenn die dortigen landwirtschaftlichen Betriebe klein sind und die Vegetationsphase kurz: Norwegen hat eine lange landwirtschaftliche Tradition. Deren Produktivität könnte mit dem Ertrag anderer EU-Staaten nicht mithalten.

Das ganze Land soll genutzt werden, die Ressourcen den Menschen vor Ort zugutekommen. Das war sicher einer der Gründe für das „Nein!“ bei der EU-Abstimmung 1994, auch weil es mit der EU-Fischereipolitik nicht passte. Den Landwirten, zum Beispiel, gibt der Staat Geld, damit sich auch Anbau in Bergen, an Fjorden und auf kleinen Flächen lohnt.

Die Landwirtschaft und die Fischerei – Norwegen ist eine der größten Fischereinationen der Welt – werden durch das Wirtschaftsabkommen geschützt. Unter anderem ausländische Molkereiprodukte werden mit Schutzzöllen belegt – der Verbraucher soll nach einheimischem Käse greifen.

Aber das Abkommen kostet. Die Norweger zahlen pro Jahr rund 391 Millionen Euro, unter anderem um an EU-Programmen teilzunehmen, wie etwa bei Forschung und Innovation. Ein anderer Teil des Geldes geht an die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz im Schengenraum. Doch die Norweger können es sich leisten – dem Öl sei Dank, und für die Wirtschaft scheint dieser Deal geradezu notwendig: Schließlich exportiert Norwegen etwa 80 Prozent seiner Waren in EU-Länder, und beim Import kommen mehr als die Hälfte aller Waren aus der EU. Neben ihrem finanziellen Beitrag beinhaltet das Abkommen auch, dass sich die Norweger in vielerlei Hinsicht dem EU-Recht beugen: Pro Tag übernimmt das Land durchschnittlich etwa fünf EU-Gesetze – ohne großes Mitspracherecht. Großbritannien würde das niemals akzeptieren.

Die Briten wollen kein ähnliches Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum wie Norwegen. Das Parlament und die Regierung verlieren an Einfluss, nämlich an die Bürokraten in Brüssel. Unter anderem ein Grund für den Brexit …

Dann wäre da noch die Zuwanderung – heißes Thema in der Abstimmung um den Brexit – sowohl mit Blick auf EU-Ausländer als auch auf Flüchtlinge. Am Binnenmarkt teilzunehmen bedeutet auch, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt. Das heißt, EU-Bürger/-innen haben Zugang zum norwegischen Arbeitsmarkt.

Als Mitglied des Schengenraums hat Norwegen 2015 pro Kopf mehr Flüchtlinge aufgenommen als die Briten. Man braucht eine sehr gute Zusammenarbeit bei den Grenzkontrollen, und das geht am besten auf EU-Ebene.

Es wird Großbritannien nicht im Alleingang gelingen, Einwanderung wirkungsvoll zu kontrollieren.