Liebe Petra,

wie du siehst, habe ich andere Gedanken als nur die große Politik. Es geht immer wieder um Menschen und die Gefühle, die nicht immer klar sichtbar sind. Wie du sehen wirst, befürchte ich, dass die Dogmatiker immer mehr das Sagen haben werden und uns total einengen wollen.

Ich bin verärgert

Dass das klar gestellt ist, ich bin gegen jeden sexuellen Angriff – egal, von wem er kommt. Es kann nicht sein, dass sich ein Mann berechtigt fühlt, mit einer Frau alles zu tun, was ihm durch den Kopf geht und es war gut, dass die MeToo-Bewegung solch ein Verhalten anprangert. Aber das darf nicht zur Hexenjagd werden, wie es sich bei Plácido Domingo erweist. Er hat nicht verneint, dass er gerne flirtet und dass er seine damalige Position nutzte, um einen besseren Zugang zu den Frauen zu haben. Das ist zwar kritikwürdig, aber das geschah in den 90ziger Jahren und seitdem wurden keine ähnlichen Vorfälle bekannt. Hätten seine Kolleginnen damals geklagt, wäre es glaubwürdiger gewesen. Ich kannte den Opernbetrieb ganz gut. In den 60ziger Jahren war es üblich, dass jeder Theaterdirektor einen Diwan in seinem Büro hatte, um sich zu entspannen, angeblich. Jede Dame seines Geschmackes, die ein Engagement haben wollte, musste den Umweg über die Liege machen, um den Vertrag unterschreiben zu können. Szenen wie bei Georges Feydeau waren Alltag. Diese Hurerei finde ich widerlich, aber viele Sängerinnen, Tänzerinnen oder Schauspielerinnen betrachteten diese Schäfer-Stunden als üblich. Natürlich muss das entschieden bekämpft werden, aber nicht Zweijahrzehnte später, wie es bei Domingo der Fall ist. Diese Gangart ist ein tolles Instrument, um Menschen kaputt zu machen und gerade das ärgert mich unheimlich. In meiner Umgebung wurden somit Existenzen kaputt gewalzt. In dem Fall, an den ich denke, war es reine Verleumdung, alles erwies sich als falsch. Ich befürchte, dass solche Praktiken immer gängiger werden und das menschliche Zusammenleben, zu einer Qual werden könnte. Manchmal wäre ein wenig mehr Offenheit wünschenswert.

Ständig in Gefahr sein

Wenn ich die Me-Too-Bewegung  ernst nehme – und das tue ich – gibt es Berufe, die man nicht mehr ausüben dürfte. Schauspieler-Sein scheint mir sehr gefährlich zu sein. Sollte man in einer Szene seine Partnerin zu stark an sich drücken, kann das durchaus als Anmache betrachtet werden und as Gleiche gilt beim Film-Kuss. In diesem Fall gibt es nur zwei Lösungen: Entweder man verbietet per Gesetz, dass solche Szenen, sei es im Theater oder im Kino, gespielt werden dürfen oder die Schauspielerei wird staatlich verboten. Es wäre toll, dass Shakespeare vor Gericht ziehen müsste, um als mieser Anreger von Pornoszenen, wie bei Romeo und Julia, lebenslang den Knast beziehen müsste. Natürlich wäre ich auch ein Anreger einer neuen Bücherverbrennung. Liebe Freunde, was ich hier schreibe ist Satire, also bitte keine Zensur! Was ich hier ausdrücke ist ein Zeichen meines Zorns, was die Dogmen von MeToo angeht. Spaß beiseite, wer kann als Schauspieler noch sicher sein, dass man sein Spiel nicht für ein böses Grapschen hält? Und wer es böse meint, kann dazu beitragen, dass ein Kollege arbeitslos wird, indem Märchen erzählt werden, einfach um ihn los zu werden. Die Anhänger dieser Bewegung, sollten sich die Frage stellen, ob das Gefühlsleben sich so gestalten lässt? Das würde bedeuten, dass jeder, der eine Liebeserklärung macht, angeklagt werden kann und dasselbe gilt für den Geschlechtsverkehr. Jede Frau kann nachträglich behaupten, dass sie vergewaltigt worden ist, wenn sie einfach ein Mannsbild loswerden will. Auch solche Fälle habe ich gekannt, die zur Vernichtung des unschuldigen Angeklagten geführt haben. Das Ganze fördert die Denunzierung und in solch einer Gesellschaft möchte ich nicht leben.

Und wo steckt die Liebe?

Ich sage es ganz ehrlich, die Dogmatiker töten die Liebe. Wenn jede Zuwendung als Angriff betrachtet wird, sollte man sich kastrieren lassen und wenn es um die Frauen geht, wäre eine Sterilisation auch angebracht. Ich habe mir die Hölle von Dante so vorgestellt. Lauter hübsche Jungfrauen mit zugenähtem Geschlecht. Nein, ich bin kein alter Bock, der seine sexuellen Gefühle hier schriftlich ausdrücken möchte, eher ein Mensch, der über die heutige Boshaftigkeit sehr traurig ist. Was passiert ist eine Generalisierung, die nur Unrecht mit sich bringt? Klar, ein Monster wie Harvey Weinstein soll die totale Härte der Justiz erfahren, aber er kann nicht als Maßstab für das Benehmen der ganzen Männerwelt betrachtet werden. Ich finde, dass der Absolutismus des Me Too ganz gut in unsere autoritäre Welt passt, bei der leichtfertig Menschen verfolgt werden, die man loswerden will. Ich weiß, dass ich sehr massiv reagiere aber das sollte gesagt werden. Der Mann ist nicht von Geburt an nur ein Schwein! Ich befürchte, dass es unseren Töchtern eingeimpft wird. Ich hatte eine Reportage über die Vernichtung eines Vaters in einem Scheidungsfall gedreht. Die Mutter behauptete, dass er ihre Tochter als Baby missbraucht hätte. Seine Gattin wollte damit Kapital schlagen und ihn fertig machen. Der ständigen Erpressung, der er ausgesetzt war, machte ihn zum Invaliden. Natürlich muss jeder Missbrauch verfolgt werden, aber es muss auch gesagt werden, wie man die Wahrheit manipulieren kann. Ich würde begrüßen, wenn die Me-Too-Anhängerinnen auch über solche Missständen berichten würden.

Liebe kann nicht nur platonisch sein

Die schiere Wahrheit hat uns eingeholt. Die Vorstellung, dass die ideale Liebe nur platonisch sein kann, ist einfach an den Fakten zerbrochen. Ich möchte hier über die Missbrauchsfälle schreiben, die dabei sind, die Kirche zu vernichten. Egal ob Kind oder Erwachsene, innere Gefühle sind eng mit dem Körperlichen verbunden. Das wurde uns angeboren und ist keineswegs trennbar, was die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne, die 1669 in Paris veröffentlicht wurden, bestätigen. Eine sinnliche Korrespondenz, die uns anregen sollte umzudenken. Was will ich damit sagen? Der Sex ist untrennbar von der Seele zu betrachten. Hier sollte man sich erzieherische Gedanken machen und nicht ständig Trennungslinien ziehen. Es geht um eine Symbiose, die für mich das Leben bedeutet. Ich denke, dass viel Brutalität durch die Wortlosigkeit entsteht und dass die Menschen derart gehemmt sind, dass sie sich nicht, wie König David  im hohen Lied, offen darstellen. Sehr oft sind die Vergewaltiger total gehemmte Menschen, die sich nur durch Gewalt ausdrücken können, die jedes intimen Worts vermeiden, aus Angst sich zu blamieren. Um konstruktiv gegen den Missbrauch zu kämpfen, fände ich gut, dass Me-Too sich mit der Erziehung befasst, neue Wege der Aufklärung anregen sollte. Nur mit der Keule zu hantieren – so berechtigt sie auch in vielen Vorgängen ist – wird auf lange Zeit nichts nützen. Die Kinder müssen endlich angesprochen werden, um vor der Liebe kein Tabu entstehen zu lassen als etwas Verbotenes. Das wäre ein höchst wichtiger Beitrag zu mehr Eintracht.

 

 Das Gedicht

 

Liebe als Dogma zu bezeichnen,

führt zum Tod der Gefühle, letztendlich

zur Gewalt. Das „Ich“ derart auf Grund

der Sexualität zu symbolisieren ist

Willkür, Sex-Faschismus, der nur an Hand

de Virilität eingestuft wird, nicht auf Grund

der Sensibilität, die eines Paares zum

Paradies führen sollte. Barsche Handlungen,

die mit Recht von Me-Too angeprangert

werden, die die Liebe in den Dreck ziehen,

die sie als anrüchig erscheinen lassen und

doch ist sie ein Geschenk Gottes!

 

Alleine der Geistesaustausch reicht nicht aus.

Er muss innerlich empfunden werden und

durch eine absolute Nähe gestärkt werden.

Die Haut streicheln, sie in sich durch die Hand

zu verinnerlichen. Der sanfte und erotischer

Geschmack des Kusses auf sich wirken zu

lassen, ihn als Zeichen des Unendlichen

empfangen zu können. Und das Eindringen

als Apotheose, die die Liebe als unsterblich

erscheinen lassen sollte. Spielt sich das so ab?

Nein, weil sie immer mit dem Makel des Totes

konfrontiert wird, was zur Gewalt führt.

 

Und jetzt steht er da, wie ein begossener Pudel.

Da er keine passende Worte fand, um seinen Trieb

auszudrücken, wurde er handgreiflich. Da

er nicht lieben kann, glaubt er den Macho spielen zu

müssen. Ein Mann, der in der Wüste steht, der unfähig

ist eine Zuwendung zu erfahren, der zum Grapscher

wird, was ihn völlig banal macht. Merkt er nicht,

dass er seine Würde somit weggeworfen hat,

dass er nur schwanzgesteuert ist? Und das er

somit verdorrt, ohne sich darüber bewusst zu

sein. Vielleicht der wahre Grund, dass er sich

in seiner Zelle erhängt hat.

 

Alles Liebe Petra.

Trotz Me-Too umarme ich dich!

 

Pierre

//pm

 

Lieber Pierre,

in Zeiten der Unsicherheit, der sozialen Diskrepanz, der Sorge um Wohnraum, gesicherte Renten, der tiefen politischen bzw. sozialen Krise, greifen rechtspopulistische Parteien wie die AfD an. Unzufriedenheit, Sorge, Existenzängste bieten den Nährboden für ihr gefährliches Schaffen. NOCH halten sie einigermaßen Ruhe, aber wir dürfen uns nicht weismachen lassen, dass die AfD sich dies zu Nutze macht und auch nur annähernd etwas mit sozialer Gerechtigkeit und Toleranz zu tun hat. Im Gegenteil: Sie sind höchst marktradikal und dulden in ihren Reihen Faschisten, Antisemiten und Rassisten. Was wir brauchen ist außerparlamentarischer Druck, eine Neujustierung der Demokratie, frischen Wind in der Politik statt rassistische Hetze. Doch um tatsächlich die wahren Machenschaften der erstarkenden Rechten/ des rechten Flügels zu erkennen, bedarf es Bildung und ein Auseinandersetzen mit der aktuellen Politik. Ich wage zu bezweifeln, dass die Fließbandarbeiterin mit beschränktem geistigem Horizont dazu in der Lage ist. Vielmehr hört man aus diesen Klatschreihen die neuesten reißerischen Boulevardpresse-Zitate, die allesamt auf der Welle der Angstmache und Verunsicherung reiten. Vielleicht wissen die nicht einmal was Björn Höcke so von sich gegeben hat bezüglich des Holocaust Mahnmals oder sonstiger verbaler  Entgleisungen. So lange aber unsere Politiker solchen Bullshit – wie die Damen in den Ämtern in Brüssel oder im Bundesverteidigungsministerium – verzapfen und Frau Merkel ihre sich häufenden Zitteranfälle in aller Öffentlichkeit nicht im Griff hat, dürfen wir ernsthaft an der Qualität unserer Politik zweifeln und öffnen somit die Türen für AfD & Co. Hass hat in der Geschichte gezeigt, wie zerstörerisch er sein kann und dass unglaublich viele Menschen schwer leiden und sterben mussten. Darüber müssen wir uns im Klaren sein und deutlich mit dem Finger nach Berlin zeigen, wo die Basis gelegt wird. Lieber Pierre, wir haben unter Merkel einiges verschlafen in den vergangenen Jahren – Beispiel Ausbau des Schienennetzes, bezahlbare Wohnungen, Rentensicherung, schneller, flächendeckender Internetzugang für alle, anständige Autobahnen, korrekter Lohn bei steigenden Kosten, Pflege etc. Wie soll der Bürger bei den angedachten, zusätzlichen Kosten das alles bezahlen, wenn jetzt bereits viele – trotz eines Vollzeitjobs – nicht in der Lage sind, eine Familie zu ernähren? DAS zumindest haben die in Berlin nun endlich auch kapiert, aber anstatt Lösungen zu bringen, die Hand und Fuß haben, diskutieren sie sich zu Tode, wirken extrem unglaubwürdig in der Besetzung ihrer Ämter und wer mag ihr Geschwätz noch weiter hören? Ich hoffe, dass die zukünftige Generation den Mund aufmacht, auf die Straße geht für ihre Ziele und neue politische Strukturen entstehen lässt. Es ist eine schleppende Veränderung, es hakt an allen Ecken und Enden – das jedenfalls steht außer Frage. Eigentlich ein echtes Armutszeugnis für ein Land wie Deutschland, wie ich finde. Fazit: Wir werden nur Herr über die angespannte Lage, wenn unsere Politiker wieder anfangen, konstruktiv, menschennah und sinnvoll zu regieren. Aber wie es so ist bei uns… Frau Merkel macht lieber einen braven Knicks vor den Automobilgiganten, anstatt eine ökologisch sinnvolle Geschwindigkeitsbegrenzung auf maximal 130 km/ h umzusetzen. Ach, Deutschland…das Land der bescheuerten Autobahnraser, die ihre Wut an deiner Heckscheibe ausleben – weil ihnen nichts Besseres übrig bleibt!? Übrigens, Gas geben können alle….nur beim Bremsen an der richtigen Stelle hakt´s manchmal – siehe Politik.

 

In diesem Sinne,

herzliche Grüße aus Frankfurt

 

Petra

© Petra M. Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

Liebe Petra,

dieses Thema beschäftigt mich sehr. Ich würde gerne etwas Heiteres schreiben, aber schaffe es zurzeit nicht.

Immer Radikaler!

Hier ist die Rede von der AfD, die sich in einer Zerreißprobe befindet. Der rechte Flügel der Partei wird immer radikaler. Immer mehr Elemente, die von der NPD – auch von Neonazi-Gruppierungen stammen – sind dabei, die Einheit der AfD zu zersprengen. Wir erleben eine große Destabilisierung der internen Strukturen, die in den Landesverbänden zu Spaltungen führen. Darüber kann sich niemand freuen, weil es bedeutet, dass die Gewalt immer mehr Anhänger findet. Das hat zu einem politischen Mord, wie dem von Walter Lübcke geführt. Es ist schlimm zu sehen, dass die AfD extremistischen Elementen noch immer eine Heimat bietet, auch wenn sie solche Aggressionen verurteilt. Das heißt, dass der Vorstand keine Autorität hat und sich daher überrumpeln lässt. Wenn Anarchie herrscht, gibt es keine Grenzen und noch etwas kommt zum Vorschein: Viele Bürger, die von Haus aus frustriert sind, haben sich für die Provokation entschieden. Nach mir die Sintflut! Wären sie bereit, die Reichskriegsflagge wieder aus dem Keller herauszuholen und Parolen, die dem Stürmer ähneln, zu verkünden? Und mit einer brutalen Art, das „Sieg Heil“ wieder aufleben lassen? Dies mit Pogromen verbunden, um zu beweisen, wer das Sagen hat? Das entsteht, wenn eine Partei wie die AfD, die Zügel aus der Hand lässt. Es wäre in der Tat gut, dass diese Formation, die ich nicht in meinem Herz trage, diese Elemente in die Wüste schickt. Das sind Sie Deutschland schuldig, nicht wahr Herr Gauland?

Der Zweck der Radikalisierung

Im Zentrum – egal ob Mitte-rechts oder Mitte-links – gibt es eine Menge Leute, die schwankend sind, die sich beeinflussen lassen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie ins Rutschen kommen. Das ist heute vor allem der Fall in Frankreich, wo die Republikanische Partei, die ehemalige Gaullisten, im Freifall sind, wie übrigens auch die Sozialisten im linken Spektrum. Einige von ihnen liebäugeln mit Marine Le Pen und sind bereit, mit ihr gemeinsame Sache zu machen. Wie die Ratten verlassen sie das sinkende Schiff, in dem sie Charles de Gaulle verraten. Sie machen gemeinsame Sache mit manchen Radikalen, die den General auf dem Kicker hatten und versucht haben ihn zu eliminieren. Das ist nicht der Fall von einer Mehrheit dieser Partei, aber wie bei der AfD, werden die Mäßigeren in den Zog der Gewalt von Neonazis – auch sie gibt es in Frankreich – gezogen. Der Grund ist der Gleiche wie bei der Weimarer Republik. Das Zentrum glaubt immer noch, dass sie die Totalitären in ihre Tasche stecken können. Dass das Gegenteilige passieren kann, kommt ihnen nicht im Sinn. Die Bourgeois lassen sich von ihrer „glorreichen Vergangenheit“ blenden und sehen nicht ein, dass sie zu den Verlierer gehören. Eine Fehleinschätzung, die zum 2. Weltkrieg geführt hat. Egal ob in Frankreich oder in Deutschland, die schiere Brutalität zieht mehr Leute an, als man denken könnte.

Die Pflege des Feindbilds

Vielleicht ist das der Irrtum der Demokraten – zu denen ich gehöre – das Gute im Menschen hervorzuheben und zu denken, dass die Eintracht und die Brüderlichkeit uns angeboren sind. Das entspricht keinesfalls der Realität. Der Mensch ist wie ein Raubtier, dass, um überleben zu können, jeden zerreißt, der sich in sein Revier wagt. In unserem Fall in Europa sind das die Ausländer und diejenigen, die sich an unseren Reichtum wagen, unsere Frauen vergewaltigen. Das wäre der Urinstinkt, den wir durch unsere Erziehung versuchen zu widerlegen. Ich nenne das Rassismus, Willkür, Grausamkeit. Ein widerliches Benehmen, das ich schärfstens verurteile. Aber um diese Neigungen zu bekämpfen, kann ich mir keine Illusionen machen, wie rachsüchtig der Mensch ist. Wenn er freie Zügel hat – wie unter Hitler – ist es kein Wunder, dass Schöngeister zu Bestien werden. Toleranz ist ein ständiger Kampf mit sich selbst, das sollen wir uns einpauken. Vielleicht macht uns das Wunschdenken einer besseren Gesellschaft irgendwie blind. Um die Nazis zu bekämpfen, können wir keine Samthandschuhe nehmen und wir müssen bereit sein zurückschlagen. Die andere Backe zu reichen, ist eine Symbolik, die sie nicht kapieren können. Und kommt mir nicht mit der These, dass jeder Mensch auch gut sein kann. Nein, das sind sie nicht – das sollten wir uns endlich einprägen.

Für die Einen bedeutet Gewalt, Freiheit

Um zu kapieren, wie die Extremisten ticken, muss ich auf den Begriff Freiheit zurückkommen. Viele verwechseln ihn mit Macht, was ich für einen Irrtum halte. Wer das Sagen hat, ist nicht unbedingt frei. Sehr viel mehr derjenigen, die sich um sie scheren, sie ablehnen, auch wenn man unter einer Brücke landet. Aber was ich hier referiere stimmt nicht für die Halbstarken, die die Ansicht vertreten, dass alleine der Terror sie von ihrer Minderwertigkeit befreien kann. Indem sie diejenigen verfolgen, die sie in Frage stellen, haben sie den Eindruck, ihrem Willen freien Lauf zu geben. Das haben sowohl die Nazi als auch die Kommunisten angewandt, um ihre Truppen zu motivieren. Verlierer wurden zu Helden gemacht und je brutaler sie waren, desto angesehener wurden sie. Was jetzt passiert ist leider eine Wiederholung. Nicht der Geist und der Verstand zählen, nur die Fäuste. Das scheint in den neuen Bundesländern zu funktionieren. Das Volk lässt sich von den schlimmsten Gestalten einfangen, weil sie sich vor ihnen fürchten. Das ist wie in einem Western, bei dem die Schurken eine ganze Stadt nötigen. Das Gleiche galt für die „Befreier“ des IS oder heute noch für die Taliban. Nicht anders funktionieren die Neonazis oder die Neofaschisten. Die Faszination des Stärkeren – auch wenn sie eine Fata Morgana ist – hat immer die Schwächeren angezogen, deswegen gilt es, solche Strömungen im Keim zu ersticken. Aber mit den Politikern, die uns zur Verfügung stehen, ist eine harte Methode verpönt, weil sie den Kodex einer falsch interpretierten Toleranz verletzt. Wenn es um den Tod von Unschuldigen geht, pfeife ich auf gute Manieren!

 

Das Gedicht

 

Er war wohl erzogen, entstand aus

einer wohlhabenden Familie, aus der

viele Akademiker stammen. Er wurde

Doktor der Philosophie, spielte Klavier,

vor allem Bach, der ihn beflügelte. Er

trat in eine studentische Verbindung ein,

wurde ein glühender Nationalist und

wenn er besoffen war, zerbrach er

die Schaufenster der Juden, nötigte

sie, indem er sie zwang, mit ihrer Zahnbürsten

den Gehsteig zu reinigen. Und wer sich

widersetzte, wurde bespuckt.

 

Er war wohl gebildet, las Immanuel Kant,

konnte die Hintergründe seiner Philosophie

erklären. Er vertrat die Meinung, dass nur durch

Züchtigung, das deutsche Volk der Rasse

der Übermenschen angehören könnte.

Er wurde Offizier der Waffen-SS, wurde nach

Warschau verfrachtet, um dort Ordnung herrschen

zu lassen. Er nahm an Säuberungen teil,

erschoss diejenigen, die er die Ratten nannte.

Sagte ihnen vor dem Gnadenschuss, dass es

für sie eine Ehre sei, sich von einem Akademiker

töten zu lassen. So war es…

 

Er war wohl menschlich, als er vor dem Gericht

stand, weil er in seine Hose machte. Schuldig

war er nicht, der gebildete Akademiker, aber die

Schurken des Regimes. Er flehte den Richter an,

Milde zu zeigen. Unter Doktoren sollte der Geist

siegen, nicht die Rache. Auch behauptete er, einen

Juden gerettet zu haben, Widerständler fliehen

gelassen zu haben. Aber nichts nützte, der Galgen

erwartete ihn, den feinfühligen Intellektuellen, der

Kant gut kannte und Bach liebte. Die deutsche

Kultur an einem Strick baumeln zu lassen,

welch eine Verschwendung, oder?

 

Alles Liebe, Petra.

Ich umarme dich!

 

Pierre

//pm

Lieber Pierre,

sicherlich sind die Begriffe „Klimaschutz“ und „Überbevölkerung“ bei jedem weltweit angekommen. Doch ab welcher Zahl genau ist der/ die Eine ein „Zuviel“? Und ist es tatsächlich so, dass es mit einer Stagnation bzw. Verminderung der menschlichen Spezies besser würde? Liegt es nicht eher daran, wie die prozentuale Verteilung ist oder daran, dass reiche Industrienationen verschwenderisch die Ressourcen ausbeuten und sich die Leute in den Entwicklungsländern wie die Kaninchen vermehren? Würde eine gesunde Balance gefunden werden, kämen wir auf diesem Planeten wahrscheinlich alle recht gut zurecht. Überbevölkerung ist oft eine einfache Ausrede dafür, nicht handeln und etwas verändern zu müssen. Von den bequemen, verschwenderischen und luxuriösen Bedürfnissen reicher Länder abzurücken und sich einschränken zu müssen. Wir vergessen zudem über eine ungleiche Verteilung der Ressourcen und der Inanspruchnahme (besser: Aneignung derer von den reichen Nationen), nachzudenken. Vor allem sie müssten lernen, dass sie von ihrem hohen Ross runterkommen müssen und absolut nicht das Recht haben, armen Menschen Land, Boden und Bodenschätze wegzunehmen. Hier muss dringend etwas passieren, denn die Reichen sind schuld, wenn die Armen verhungern und gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Böden, die nicht ökologisch angemessen bewirtschaftet werden, trocknen noch mehr aus und werden oftmals einseitig ausgelaugt. Wir speisen viele arme Länder mit faden Finanzspritzen oder schlechten Handelskonditionen ab, versprechen eine bessere Zukunft und Arbeitsplätze, aber in Wirklichkeit ruinieren wir ihr Leben und die Zukunft ihrer Völker. Seien wir ehrlich, lieber Pierre… wir leben in Saus und Braus und genau dann, wenn einer von uns etwas abgeben oder reduzieren muss, ist das Geschrei groß. Selbstverständlich kommen diese armen Menschen dorthin (in die reichen Länder dieser Erde), wo sie eine Perspektive sehen – und das ist u. a. Europa tatsächlich. Mich wundert es nicht, ich kann das absolut verstehen, denn ich würde auch versuchen, meinen Arsch zu retten, wenn man mein Heimatland so plattgewalzt hat.

Fakt ist, dass unser westlicher Lebensstil nicht nachhaltig ist. Wohlstandsverzicht und eine Umverteilung des Eigentums, gepaart mit Geburtenkontrolle in den Entwicklungsländern, wären einige sinnvolle Ansatzpunkte. Von der Politik müssen saubere Technologien eingefordert werden und auch eine notwendige Geschwindigkeitsbeschränkung von max. 130 km/ h auf Deutschlands Autobahnen (wozu muss man eigentlich mit 200 Sachen über die Autobahn rasen?). Generell müssen wir alle unser Konsumverhalten prüfen und unser gesamtes Denken bedingungslos ökologisch ausrichten. Fairer Handel statt Ausbeutung und Preiskampf der Discounter, bewusstes Umgehen mit eigentlich allem, was unser Leben ausmacht. Das sind selbstverständlich einige Lösungsansätze aus einem dringend aufzuarbeitenden Maßnahmenkatalog, aber  – wie so oft – unterschätzen wir die menschliche Dekadenz, Bequemlichkeit und den Egoismus des Individuums. Wenn´s um Reduktion und Einschränkung geht, fühlt sich keiner angesprochen und das ist das Dilemma.

Schaffen wir es also nicht, diese Veränderungen herbeizuführen, wird das passieren, was prognostiziert wird und bereits sichtbar ist: die Natur holt aus und wenn sie das tut, dann sind wir machtlos. Darüber sollten wir uns im Klaren sein und es nicht ausreizen. Für mich ist es das Gesetz der Evolution – der Mensch kommt nicht ohne seinen Planeten aus, die Erde aber wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach von den Zecken befreien und nur das übrig lassen, was sich bewährt, sinnvoll ist und überlebenswert. WIR sind es offenbar nicht, wie es scheint. Wir sind dumme, schwache Konsum-Zombies, die ihre ethischen Prinzipien abschalten, unsere fetten Hintern mit Schnitzeln füttern oder unsere Klamotten bequem online via Paketdienst nach Hause schicken lassen. Egozentrik und Dummheit waren schon immer eine gefährliche Mixtur.

 

In diesem Sinne,

etwas ratlos

 

Petra

© Petra M.  Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

 

Liebe Petra,

es rumort in mir. Hier was mich quält:

Ist Eugenik bei den Bienen angebracht?

Ich habe gerade einen Artikel gelesen, in dem eine Aussage des amerikanischen Bienenforscher Thomas Seeley weitergegeben wurde, in der er behauptet, dass sich – im Staat New York 90.000 wild lebende Bienenkolonien – durchaus gegen die Angriffe der Milben wehren und als gesund betrachtet werden können. Für ihn ist das der Beweis, dass sie in der Lage sind, sich selbst zu retten. Sie hätten das 50 Millionen Jahre gepackt, warum sollten sie jetzt sterben? Ihr inneres Ökosystem wäre total anpassungsfähig, auch gegen die Pestizide oder andere Chemikalien. Daran habe ich meine Zweifel, wenngleich sich in Tschernobyl die Natur mit der Radioaktivität arrangiert hat. Wenn man Thomas Seeley glaubt, müssten wir hinnehmen, dass enorm viele Bienen zuerst sterben werden, bevor ein Neubeginn überhaupt in Gang gesetzt werden könne. Somit wäre die Grundversorgung der Milben beeinträchtigt und auch sie würden sterben. Nur die stärksten Bienen würden überleben. Normalerweise passen die Schädlinge sehr auf, dass sie die Stöcke nicht vernichten. Das war der Fall als die Milben nur in Asien vorhanden waren. Sie konnten in einem normalen Verhältnis mit ihren Gastgebern leben und schadeten sich gegenseitig nicht. Als sie nach Amerika und Europa auswanderten, war die enorme Quantität an Imkereien der Anlass, dass sie ihr Gleichgewicht verloren und alles auf ihrem Wanderzug vernichteten. Sie mussten keine Rücksicht auf die Stöcke nehmen, da sie sich wie in einem Selbstbedienungsladen befanden. Das erinnert mich sehr wohl an die Menschen. Wird uns das Gleiche passieren, wenn wir uns immer weiter vermehren?

Was Thomas Seeley schreibt, versetzt mich in Angst und Bange!

Was der Bienenforscher im Rahmen seines Gebietes feststellt, wäre eine schiere Katastrophe, wenn es um die Menschen geht. Eigentlich würden die Thesen der Eugeniker sich bestätigen, was für mich eine schreckliche Vision wäre. Das würde bedeuten, dass es ein enormes Menschensterben geben müsste, um unseren Planet und seine Lebenswesen zu retten und das wäre nur mit Kriegen, Vernichtungslagern oder dem Auslassen von jeglicher medizinischer Versorgung, mit dem Ziel die Lebensdauer zu verkürzen, zu erreichen. Die Kindersterblichkeit müsste sich drastisch erhöhen. Diese Vorstellung ist mir völlig zuwider. Das wäre für mich die Erkenntnis, dass der Fortschritt, wie wir ihn betrachten, völlig daneben liegt. Thomas Seeley hat sicherlich total recht mit seinen Behauptungen, aber das würde bedeuten, dass Milliarden von Menschen frühzeitig sterben sollten, um Platz „den Zeugungs-Tüchtigen“, diejenige die wertvolle Spermas besitzen, Platz zu lassen, die anderen sollen gefälligst krepieren. Das mag ein Gesetz der Natur zu sein, aber es widerspricht jeder religiösen Ethik. Das würde bedeuten, dass es gut wäre, dass ein Teil der Menschheit verhungert oder im Mittelmeer ertrinkt. Hitler und seine Jüngern lassen grüßen. Es schaudert mich, wenn ich daran denke.

Ist die Passivität, was die Klimaerwärmung angeht, Selbstmord?

Es mag sein, dass der Mensch durchaus fühlt, dass er sich teilweise selbst vernichten muss, um das Leben auf diesem Planet zu erhalten. Nur so ist heute das Verhalten einer großen Mehrheit unter uns zu verstehen. Wir sind dabei, an unserem Ast, auf dem wir sitzen, heftig zu sägen und wissen sehr genau was uns blüht, aber haben nicht die Kraft uns gegen diesen fatalen Trend quer zu stellen. In diesem Fall wäre Donald Trump der Vorbote des gewaltsamen Todes, der uns droht. Er führt das aus, was ich die negative Evolution der Menschheit nenne. Wie Hitler hat er die Vorstellung, dass er alleine sein Volk vor dem totalen Niedergang retten kann u nd das tut er instinktiv, indem er den ganzen Fluch beschleunigt. Da wären wieder bei den Bienen, die sehr wohl spüren, dass Milliarden unter ihnen sich opfern müssen, um ihre Art zu retten. Ich denke, dass der Klimawandel die Funktion des Killers einnehmen und für eine neue Ordnung sorgen wird. Es droht uns eine neue biblische Sintflut, machen wir uns nichts vor, Vater Noah wird ganz schön viel zu tun haben, um ein Paar Prachtexemplare zu retten. Es würde mir nicht gefallen, dass er den Namen Donald Trump trägt. Was sich abspielen wird, kann nur in eine dicke Katastrophe führen und wir werden sie nicht aus eigener Kraft vermeiden können. Er tut mir leid solch eine Botschaft Greta weiterz leiten, aber es gibt Dinge, die in göttlicher Hand liegen, wie die Vernichtung von Feldern durch die Heuschrecken. Wir sind, ob wir es wollen oder nicht, in einem Fluch-Modus.

Der Andere muss blechen, nicht ich.

Es geht um das Überleben, dabei soll immer der Andere das Opfer sein. Niemand ist bereit, selbst das Handtuch zu werfen, was normal ist. Anstatt eine Situation gemeinsam zu meistern, werden Anschuldigungen ausgesprochen, die völlig überflüssig sind. Dieses Phänomen erleben wir zurzeit und das bringt die ganze Menschheit in größte Gefahr. Warum kommt es dazu? Weil es keine Antwort gibt, was die Demographie angeht. Wenn die Weltbevölkerung sich weiter so rasch entwickelt, gibt es keine andere Lösung als den größten Genozid, der die Welt erlebt hat, zu provozieren, um die Bevölkerung zu halbieren. Das ist nicht akzeptabel, weil es Mord ist. Die Europäer haben gesehen, wohin es führen kann. Der totale Horror. Es gibt einen guten Grund, verzweifelt zu sein. Können wir einfach hinnehmen, dass Millionen Menschen von Naturkatastrophen in den Tod gerissen werden? Nein, weil es nicht unserer Ethik entspricht. Hilfe ist ein Gebot Gottes. Wäre es also möglich, die Menschen dazu zu bewegen weniger Kinder auf die Welt zu  setzen? Das Beispiel China hat gezeigt, dass eine Geburtsbremse nicht funktioniert. Obendrein macht die Kirche alles, um eine vernünftige Familienplanung zu verhindern! Wenn man sie zu den gegenwärtigen Problemen anspricht, hat sie keine Antwort. Von einer Fügung Gottes zu sprechen ist heute nicht hinnehmbar. Zieht sie es vor, dass Kriege angezettelt werden und dass Millionen Menschen elend sterben? Ganz schön feige solch eine Haltung.

 

Das Gedicht

Nein, ich habe es mir schwer gemacht

heute diese Texte zu schreiben, weil ich

den Eindruck habe, dass die Welt sich am

Abgrund befindet und dass wir

Menschen, keine Lösungen anzubieten

haben. Ich liebe zu sehr das Leben,

um meine Gefühle zu verbergen. Es

geht mir darum mit mir ehrlich zu sein

und das zum Ausdruck zu bringen, was

sich tief in mir abspielt. Eine Mischung

von irrationaler Hoffnung und Verzweiflung!

Und doch soll es weiter gehen… oder?

 

Nein, ich fand mich verpflichtet offen

zu schreiben, was ich auf der Seele

habe. Ich verurteile jede Art von

Manipulation, was die Natur angeht.

Haben wir sie so krank gemacht, dass

sie sich rächen wird? Uns letztendlich

zum Teufel zu schicken? Bei mir wäre es

egal, aber ich denke an all diese Kinder,

die unsere Schuld tragen werden, ohne

etwas angestellt zu haben. Es ist sinnlos

Gott anzuflehen, wenn wir für unseren

Sünden nicht gerade stehen!

 

Rette sich wer kann, diese Schreie höre ich

endlos und sie verursachen bei mir

Ekel, weil sie sich nur auf uns richten.

Keine Nachsicht für den Mist, den wir

verursacht haben. „Gott ist mit uns!“ Ist er

das wirklich? Solange wir alles platt walzen,

können wir nicht erwarten, dass ein Spross,

die Erde durchbricht. Nicht wie in Tschernobyl,

wo junge Bäume den Beton zerbrochen haben.

Soll es so weit kommen, um zu erreichen, dass

endlich Hoffnung in uns aufkommt? Sollen

wir verseucht werden, um uns endlich zu besinnen?

 

Trotz allem liebe ich das Leben, Petra.

 

Ich wünsche Dir alles Gute!

Umarmung!

 

Pierre

Lieber Pierre,

es gibt Bands, die schrecken vor den heißen Eisen der politischen Auseinandersetzung nicht zurück und nennen das „Ding“ – wenn auch sehr ironisch – beim Namen und RAMMSTEIN gehört zweifellos dazu. Wer die Lyrik nicht versteht, sollte vielleicht noch einmal genau reinhören und darüber intensiv nachdenken. Diese Band feiert die Kunst der Ironie wie keine andere. Sie sind viel zu begabt, schlau, gebildet und echte Vollblut-Musiker, um in diese Schiene abgeschoben zu werden. Höchst provokant und ein gesellschaftspolitisches Kulturgut – so würde ich sie nennen. Eine der größten und erfolgreichsten deutschen Bands hat den Ticketverkauf für die angekündigte Tour zum Erliegen gebracht – Ironie als künstlerische Darbietung hochkarätiger Leute. Fein.

Nun zur Europawahl, lieber Pierre und ich hoffe, dass dieses Jahr sehr viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Es geht um dieses herrliche, wundervolle und großartige Europa. Nie wieder möchte ich stundenlang mit Pass und Ausweis an Grenzen stehen und von meinem Städtetrips nach Italien, Spanien oder den Niederlanden mit prall gefüllten Wechselgeld-Beuteln aus Lira, Gulden oder Peseten (oder wie das sonst noch alles hieß damals) zurückkehren, die niemand umtauschen will. Immer diese Rechnerei… wie war das noch? Wie war der Kurs? Geteilt durch zwei, mal vier, nimm einfach etwas mehr als das Doppelte? Nein, nichts für mich. Ich bin der Liebhaber des bequemen Reisens und weiß nun sehr genau, was die Dinge kosten – ohne umständlich im Kopf überschlagen zu müssen.

Zeigen wir endlich den Rechtspopulisten die rote Karte und glauben wir an unsere kollektive Stärke! Ja, Europa ist stark und das soll es auch bleiben. Für junge Menschen gibt es keine Alternative, sie fühlen sich als Europäer und pflegen dennoch parallel ihre eigene Identität als Italiener, Spanier, Deutscher usw. Universitäten in ganz Europa (auf der ganzen Welt) tauschen sich aus, das Studieren in England war z.B. nie ein Problem. Wohin es mit dem Willen der Rechtspopulisten geht, sehen wir an Großbritannien und dem Brexit, der beileibe nicht nachahmenswert ist. Bloß nicht! Das haben die Alten entschieden und sie tun ihrem Land und der Zukunft ihres Landes damit absolut keinen Gefallen.

Lieber Pierre, ich glaube an Europa und ich glaube, dass mehr und mehr Menschen das falsche, diskriminierende „Spiel“ der AFD oder anderer rechtspopulistischer Parteien längst durchschaut haben und – schauen wir auf die aktuellen Prognosen – sinkt ihr Anteil kontinuierlich. Ich bin gespannt auf den kommenden Sonntag, dann darf Deutschland wählen. ICH bin Europa. DU bist Europa. WIR sind Europa. Europa sichert uns den Frieden – das sollte niemals vergessen werden (siehe 60 Gründe für die EU)!

 

In diesem Sinne,

herzliche Grüße aus Frankfurt

Petra

 

© Petra M. Jansen

 http://literatourpoetictext.blogspot.com/

Liebe Petra,

hier einige Gedanken über die schöne Zeit, die wir zurzeit erleben.

Wenn die Satire zur Realität wird

Ich habe einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung über die neue Platte von Rammstein gelesen, was mich nachdenklich stimmte. Ich betrachte diese große Band mit ihrem germanischen Gehabe als eine Satire gegen das martialische Getue des Faschismus. Eine Art, die Neonazis lächerlich zu machen. Ich habe keine Bedenken, dass sie auf diese Art irgendwie den blöden Nationalismus, der nichts mit Heimatliebe zu tun hat, verarschen wollen. Das klappte gut, als die Braunen noch marginal waren. Das sind sie leider nicht mehr, was dem Ganzen Unbehagen hervorbringt. Rammstein wird von seiner Gestik, von seiner Dialektik – die ironisch sein sollte – eingeholt. Was ich als Satire empfand, wird zur bitteren Realität, die dargestellt wird, von Leuten, wie der rechtsextremistische AfD Mann, Björn Höcke. Da kommen, trotz meiner Bewunderung für die künstlerischen Leistungen der Band, Bedenken auf. Ich habe die Befürchtung, was als Schmiere gegen die Nazi-Bonzen verstanden werden sollte, als wahre Münze betrachtet wird und muss zugeben, dass ich mir heute damit schwer tue. Wie ihr wisst, bin ich ein Anhänger der Anarchie in der Kunst und halte Provokationen für notwendig, aber was heute passiert, macht mich unsicher – umso mehr, dass Komiker ohne Zucken von der Parodie zur Staatsmacht übergehen, ihre Kunst in die Realität verwandeln, wie es in der Ukraine der Fall ist und nicht zu vergessen, dass die Cinque Stelle-Bewegung 2009 vom Kabarettisten Beppe Grillo in Italien ins Leben gerufen worden ist. Jetzt ist sie zur Wasserträgerin der Neofaschisten in Rom geworden.

Die Gestik als Fliegenfalle

Sowohl die Faschisten als auch die Nazis haben sich inszeniert. Das tun sie nun wieder und leider mit Erfolg. Jeder sollte wissen, wohin dieses martialische Getue führt, aber viele lassen sich leimen, wie die Fliegen, die an einer klebrigen Folie, die an der Decke hängt, eingefangen wurden und eine schreckliche Agonie erleben. Das Vorzeichen, wohin der Rechtsextremismus führt… zum Tod. Ich habe Mühe zu verstehen, warum diese Komödie der strammen Macht  wieder Anhänger findet. Leute, die meinen, dass die Freiheit ein Hindernis sei. Wer nicht in der Lage ist Selbstverantwortung zu tragen (es handelt sich um immer mehr Menschen), lässt sich von diesem Gehabe einholen, mit der Vorstellung, wer lauter brüllt, könnte seine Problemen lösen. Das erleben wir zurzeit bei dem Europawahlkampf bei dem die Populisten sich durch ihre Gestik als Karikatur darstellen. Sie folgen dem Beispiel eines Mussolini oder eines Hitler, bei denen der Inhalt ihrer Reden weniger eine Rolle spielt und vielmehr ihre Art, sich darzustellen. Alles war auf die Emotionen gemünzt, was Rammstein gut in den Clip „Radio“ darstellt, in dem es zur Vergötterung des Volksempfängers geht, das Sprachrohr des Führers. Die Demokraten machen es sich schwer, Empfindungen durch die Analyse zu demontieren, weil der Verstand dabei keine Rolle spielt, nur der Bauch! Was da passiert macht mich ratlos. Was nun am 26. Mai?

Das Hakenkreuz als Provokation

Wenn jüdische Gräber mit Hakenkreuzen verschandelt werden kommt bei mir Wut auf. Was mich am meisten quält, ist, dass die Toten sich gegen diesen Missbrauch nicht wehren können. Vor ein paar Tagen hat das deutsche Innenministerium neue Zahlen veröffentlicht, die bewiesen, dass der gewaltsame Rechtsextremismus zunimmt und dass er immer mehr Juden attackiert. Es ist schon seltsam, dass diese Plage wieder als Bedrohung vorrückt und dies selbst, wenn die  Zahl der mosaischen Bürger relativ bescheidend ist. Das Hakenkreuz kann somit als Waffe betrachtet werden, die „die Feinde des deutschen Volkes“ vernichtet. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieser Spuk sich wiederholt. Der Grund wäre gegeben, die jungen Leute zu motivieren und alles zu tun, um sich dem Faschismus quer zu stellen. Bitte nun nicht das Argument, dass es sich bei den Vernichtern um Protestwähler handelt. Sie drücken ihren Frust so aus, dass sie andere diskriminieren und sie für ihren Kretinismus verantwortlich machen. Dass sich hinter den Provokateuren oft ältere Herren verschanzen, die sie anzetteln, ist kein Geheimnis mehr. Und dazu kommt, dass Nazi zu sein, sexy ist. Wenn ich die Bemerkungen von Anhängern von Frau Le Pen bei Facebook lese, weiß ich, was ich davon zu halten habe. Das sind Menschen, die den Eindruck vermitteln, dass sie sich aufopfern wollen, dass sie die Opfer der staatlichen Macht sind. Die Rolle des Martyriums bringt dieser Parteien zusätzlich Stimmern ein, deshalb werden die Neos wie rohe Eier behandelt. Die Willkür wird immer mehr hofiert, so mein Eindruck.

Die Faszination des Verbotenen

Wer sich als Neonazi outet, gehört zu den Verdammten. Das ist für viele junge Leute faszinierend, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. Der Gang in die Illegalität hat für sie etwas Anziehendes. Sie haben somit den Eindruck, gegen die Obrigkeit aktiv zu sein, sie unter Druck zu setzen. Es entsteht eine Gruppendynamik, die nur durch Gewalt aufrecht gehalten werden kann. Dieses Phänomen wird seine Spuren bei der Europawahl hinterlassen. Die etablierten Parteien haben viel Mühe gegen solch einen Trend zu kämpfen, weil sie von den Neos als spießig betrachtet werden, als total verkalkt. Erzeugen sie nicht durch ihren Konformismus Langweile? Sind sie in ihrer Argumentation starr geworden? Sie sind ein Symbol einer Zeit, die gewaltsam beseitigt werden soll, so die „Volksgenossen“. Da sie diesen Klischees selbst entsprechen, wollen sie nicht wahr haben, dass das was für sie zählt, das wunderbare Gefühl „Angst zu verbreiten“ ist, wie es der Fall der Pestkranken war, die durch die Gassen einer mittelalterlichen Stadt wanderten. Das gibt ihnen endlich das Gefühl geachtet zu werden. Der Rechtsextremismus ist ein Reservoir von gescheiterten Existenzen oder die, denen droht, es zu werden. Solche Gefühle finden ihren Anklang beim Nazi-Rock. Die Texte der Songs haben nur als Ziel die Anders-Denkenden nieder zu machen, Menschen anderen Ursprung zu demontieren, sie geistig zu vergasen. Und Leute, dass macht so viel Spaß! Feiglinge!

Das Gedicht

 

Ich versuche meine Stimme gegen die Neos

zu erheben, aber niemand will mir zuhören,

weil sie mich langweilig finden. Ich bin halt

ein Demokrat und das ist nicht mehr in! Ich

verweigere mich, einen Führer zu verehren,

was sie als Verrat zur Heimat betrachten. „Halte

die Klappe!“ „Nein, das werde ich nicht tun!“

Bevor ich mich äußern wollte, bekam ich eine

Faust in die Schnauze. Da ich schmächtig bin,

wagte ich nicht Paroli zu bieten. Ich wurde

unter den Augen der Polizei verprügelt, die

mit der Ausrede kam, dass sie nichts gesehen hätten.

 

Meine Peiniger wurden in den Stadtrat mit

großer Mehrheit gewählt. Jetzt trugen sie dunkle

Anzüge und halfen den alten Damen über die

Straße. Sie gaben zu verstehen, dass sie die

Ehre des europäischen Christentums wieder

herstellen wollten und bekam Unterstützung

der Klerikalen, die sie bei ihrem Fremdenhass

und ihrem Antisemitismus den Rücken freihielten.

„Du darfst sie nicht nur als Böse betrachten. Jeder

Mensch hat auch seine guten Eigenschaften!“

Parolen eines Demokraten, der sich halt angepasst

hatte und ihnen den Arsch leckte.

 

Und jetzt ist der Spuck vorbei. Was verbleibt

sind nur die Ruinen. Viele Überlebende

kamen aus den Schutzkellern hinaus und

behaupteten, dass sie Gegner des Regimes

gewesen seien, dass sie einem Juden das

Leben gerettet hätten. Nein, niemand wollte

für den Adolf sein Kopf hin halten. 74 Jahren

später fängt diese Qual wieder an. Leiden die

Leute an Gedächtnis-Schwund, fragte ich mich?

Gehören sie zu den Selbstmördern, die ihr

Leben dem toten Führer schenken wollen?

Die mit ihrer Banalität des Bösen langweilen?

 

Petra, ich umarme dich. Alles Liebe

 

Pierre

//pm

Lieber Pierre,

Innenstädte, Fußgängerzonen, Parkanlage, Shopping-Erlebnismeilen und ein Ort des geselligen Zusammenlebens, genau das sollte das Ergebnis städtebaulicher Planungen und Umsetzungen sein. Es gibt natürlich noch schöne Altstädte und auch gemütliche „Resting-Places“, aber es ist wahr, dass in vielen kleineren Städten und Randgebieten ein Geschäftesterben unübersehbar ist. Ich denke hier gerade an den schönen Kurort Bad Orb in meiner Region, wo viele kleinere Geschäfte ihren Kampf um´ s nackte Überleben nicht überstehen und immer mehr Gewerbe-Immobilien leer stehen bzw. um ihre Wiedervermietung werben. Im Laufe der Jahre habe ich zahlreiche hübsche Läden verschwinden sehen und das liegt mit Sicherheit nicht daran, dass es dort keine Cafés oder hübsche Sitzgelegenheiten gäbe. Dafür sind die sogenannten Modulsysteme – in denen wie immer Penny, Rewe, KIK, Logo Getränkemarkt, Netto oder solche uniformierten Shops zu einer „Einkaufsmeile“ mit knallhartem Rabattkampf zusammengepfercht auf einem Platz angesiedelt sind – zu finden. Für alte Menschen eine Katastrophe, da sie oft nicht mehr mobil sind und auf Einkäufe in ihrer direkten Umgebung angewiesen sind. Sollte dort noch ein kleiner Markt durchhalten, dann sind die Preise allerdings dermaßen unverschämt, dass es einem schlecht wird. Den Rentnern bleibt oft nichts anderes übrig, als eben dort die Waren des täglichen Bedarfs einzukaufen und sie mit dem Rollator nach Hause zu schleppen. Schade, aber sehr real.

Der Mensch ist ein soziales Wesen und möchte ein Einkaufserlebnis haben, sich vielleicht eine gute Tasse Kaffee gönnen, ein wenig in der Sonne sitzen und mit allen Sinnen genießen. Schauen wir rüber zu unseren Nachbarn in die Niederlande, so brechen wir regelmäßig in Entzücken aus, wenn wir durch die gemütlichen Städtchen laufen, mal hier mal da in einen Tante Emma-Laden schnuppern und an jeder Ecke die Lounge-Möbel mit hübschen Accessoires zum Verweilen einladen. So, genau SO sollte es sein, damit wir gerne einkaufen gehen und dies nicht als notwendiges Übel am Wochenende empfinden, um den Kühlschrank für die Arbeitswoche aufzufüllen. Noch schlimmer allerdings erscheint mir die anonyme Art des Einkaufens in Skandinavien zu sein. Dort geht man nicht mehr in die Shops, man bestellt online (via Handy oder Apps), der Food Truck liefert die bestellten Waren direkt vor die Häuser und bezahlt wird selbstverständlich mittels Handy. Was sich zuerst fortschrittlich anmutet ist für mich eine reine Reduktion auf Konsum ohne persönlichen Kontakt und schließt die Gelegenheit, eventuell mit netten Menschen während des Einkaufs ins Gespräch zu kommen, aus. Nicht mein Ding, lieber Pierre.

In den Städten wird das Geld verdient, dort sind die Arbeitsplätze und – zumindest in Frankfurt – haben viele Leute angefangen umzudenken. Sie nutzen mehr und mehr Fahrräder, öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß. Die zahlreichen Studenten leben es vor, dass es auch anders gehen kann. Ebenso sind deutlich mehr Straßen als früher für den Durchfahrtsverkehr gesperrt. Es ist also nicht überall so, dass Autos direkt an deinem Hintern vorbeifahren, aber es braucht noch Zeit, dass wir uns wieder auf die Gemütlichkeit der Innenstädte (und ebenso der Randgebiete, der Kleinstädte, der Kurorte) besinnen. Langsam aber sicher wachen sie auf und das Bewusstsein verändert sich dahingehend, dass wir wieder Wohlfühlräume schaffen und architektonisch der Erlebnischarakter neu entdeckt wird.

Damit dem Geschäftesterben in einigen ausgelagerten Städtchen in den Randgebieten Einhalt geboten wird und auch sie überleben können, muss den Menschen auch klar gemacht werden, dass sie mit ihren Online-Bestellungen großen Schaden anrichten. Klar ist es bequem sich vom Sofa aus alles ins Haus liefern zu lassen und natürlich muss man dann keinen Parkplatz suchen oder Benzin verfahren, aber was auf der einen Seite bequem ist, trägt auf der anderen Seite zum Sterben vieler Einzelhändler bei. Verantwortungsbewusste Menschen denken mal darüber nach, wie viele Paketdienste unsere Straßen verstopfen und wie viel Kartonage und Verpackungsmaterialien unsere Mülltonnen füllen und ich weiß aus Erfahrung, dass es viele faule Leute gibt, die nahezu alles online ordern und sich keine Gedanken darüber machen. Ihnen scheint es egal, Hauptsache billig und bloß nicht aus dem Haus gehen, wenn nicht unbedingt nötig.

Lieber Pierre, ich liebe die Haptik, den Geruch, die Sinne und ich liebe es, mir die Dinge, die ich kaufen möchte, real zu sehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Kleidung ist, Lebensmittel oder irgendwelcher Schnick Schnack – ich will es einfach sehen und in der Hand halten. Erinnerst du dich an die Wochenmärkte oder an die kleinen Läden, in denen wir als Kinder Süßigkeiten in kleinen, spitzen Papiertüten bekommen haben? In denen auf der Theke bunte Bonbongläser standen und daneben die Lutscher? In denen wir mal einen roten Apfel geschenkt bekommen haben und das Obst, der Salat, die Nüsse einzeln abgewogen und in Papier eingewickelt wurden? Ach ja…. Nostalgie kommt in mir hoch. In dir auch, nicht wahr?

 

Eine herzliche Umarmung,

 

Petra

© Petra M. Jansen

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