Lieber Pierre,
Innenstädte, Fußgängerzonen, Parkanlage, Shopping-Erlebnismeilen und ein Ort des geselligen Zusammenlebens, genau das sollte das Ergebnis städtebaulicher Planungen und Umsetzungen sein. Es gibt natürlich noch schöne Altstädte und auch gemütliche „Resting-Places“, aber es ist wahr, dass in vielen kleineren Städten und Randgebieten ein Geschäftesterben unübersehbar ist. Ich denke hier gerade an den schönen Kurort Bad Orb in meiner Region, wo viele kleinere Geschäfte ihren Kampf um´ s nackte Überleben nicht überstehen und immer mehr Gewerbe-Immobilien leer stehen bzw. um ihre Wiedervermietung werben. Im Laufe der Jahre habe ich zahlreiche hübsche Läden verschwinden sehen und das liegt mit Sicherheit nicht daran, dass es dort keine Cafés oder hübsche Sitzgelegenheiten gäbe. Dafür sind die sogenannten Modulsysteme – in denen wie immer Penny, Rewe, KIK, Logo Getränkemarkt, Netto oder solche uniformierten Shops zu einer „Einkaufsmeile“ mit knallhartem Rabattkampf zusammengepfercht auf einem Platz angesiedelt sind – zu finden. Für alte Menschen eine Katastrophe, da sie oft nicht mehr mobil sind und auf Einkäufe in ihrer direkten Umgebung angewiesen sind. Sollte dort noch ein kleiner Markt durchhalten, dann sind die Preise allerdings dermaßen unverschämt, dass es einem schlecht wird. Den Rentnern bleibt oft nichts anderes übrig, als eben dort die Waren des täglichen Bedarfs einzukaufen und sie mit dem Rollator nach Hause zu schleppen. Schade, aber sehr real.
Der Mensch ist ein soziales Wesen und möchte ein Einkaufserlebnis haben, sich vielleicht eine gute Tasse Kaffee gönnen, ein wenig in der Sonne sitzen und mit allen Sinnen genießen. Schauen wir rüber zu unseren Nachbarn in die Niederlande, so brechen wir regelmäßig in Entzücken aus, wenn wir durch die gemütlichen Städtchen laufen, mal hier mal da in einen Tante Emma-Laden schnuppern und an jeder Ecke die Lounge-Möbel mit hübschen Accessoires zum Verweilen einladen. So, genau SO sollte es sein, damit wir gerne einkaufen gehen und dies nicht als notwendiges Übel am Wochenende empfinden, um den Kühlschrank für die Arbeitswoche aufzufüllen. Noch schlimmer allerdings erscheint mir die anonyme Art des Einkaufens in Skandinavien zu sein. Dort geht man nicht mehr in die Shops, man bestellt online (via Handy oder Apps), der Food Truck liefert die bestellten Waren direkt vor die Häuser und bezahlt wird selbstverständlich mittels Handy. Was sich zuerst fortschrittlich anmutet ist für mich eine reine Reduktion auf Konsum ohne persönlichen Kontakt und schließt die Gelegenheit, eventuell mit netten Menschen während des Einkaufs ins Gespräch zu kommen, aus. Nicht mein Ding, lieber Pierre.
In den Städten wird das Geld verdient, dort sind die Arbeitsplätze und – zumindest in Frankfurt – haben viele Leute angefangen umzudenken. Sie nutzen mehr und mehr Fahrräder, öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß. Die zahlreichen Studenten leben es vor, dass es auch anders gehen kann. Ebenso sind deutlich mehr Straßen als früher für den Durchfahrtsverkehr gesperrt. Es ist also nicht überall so, dass Autos direkt an deinem Hintern vorbeifahren, aber es braucht noch Zeit, dass wir uns wieder auf die Gemütlichkeit der Innenstädte (und ebenso der Randgebiete, der Kleinstädte, der Kurorte) besinnen. Langsam aber sicher wachen sie auf und das Bewusstsein verändert sich dahingehend, dass wir wieder Wohlfühlräume schaffen und architektonisch der Erlebnischarakter neu entdeckt wird.
Damit dem Geschäftesterben in einigen ausgelagerten Städtchen in den Randgebieten Einhalt geboten wird und auch sie überleben können, muss den Menschen auch klar gemacht werden, dass sie mit ihren Online-Bestellungen großen Schaden anrichten. Klar ist es bequem sich vom Sofa aus alles ins Haus liefern zu lassen und natürlich muss man dann keinen Parkplatz suchen oder Benzin verfahren, aber was auf der einen Seite bequem ist, trägt auf der anderen Seite zum Sterben vieler Einzelhändler bei. Verantwortungsbewusste Menschen denken mal darüber nach, wie viele Paketdienste unsere Straßen verstopfen und wie viel Kartonage und Verpackungsmaterialien unsere Mülltonnen füllen und ich weiß aus Erfahrung, dass es viele faule Leute gibt, die nahezu alles online ordern und sich keine Gedanken darüber machen. Ihnen scheint es egal, Hauptsache billig und bloß nicht aus dem Haus gehen, wenn nicht unbedingt nötig.
Lieber Pierre, ich liebe die Haptik, den Geruch, die Sinne und ich liebe es, mir die Dinge, die ich kaufen möchte, real zu sehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Kleidung ist, Lebensmittel oder irgendwelcher Schnick Schnack – ich will es einfach sehen und in der Hand halten. Erinnerst du dich an die Wochenmärkte oder an die kleinen Läden, in denen wir als Kinder Süßigkeiten in kleinen, spitzen Papiertüten bekommen haben? In denen auf der Theke bunte Bonbongläser standen und daneben die Lutscher? In denen wir mal einen roten Apfel geschenkt bekommen haben und das Obst, der Salat, die Nüsse einzeln abgewogen und in Papier eingewickelt wurden? Ach ja…. Nostalgie kommt in mir hoch. In dir auch, nicht wahr?
Eine herzliche Umarmung,
Petra
© Petra M. Jansen
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