Nachweislich ändern sich unser Kommunikationsverhalten und auch der Anspruch an unseren sprachlichen Ausdruck. Schneller, präziser, einfacher. So könnte man die Entwicklung – auch in vielen neuen Büchern – beschreiben. Aphorismen, Verschachtelungen, sprachlich hochwertiger Ausdruck rücken mehr in den Hintergrund und es gibt jede Menge Romane, bei denen sich der Leser nicht mehr größer anstrengen muss – vorgekaute Kost könnte ich schon sagen. Kapitel für Kapitel schnell zu lesen, überlegen ist nicht mehr nötig. Handys und die neue Sprache des Internets vereinfachen unsere verbale Kommunikation und reduzieren sie auf das Minimum. Smiles ersetzen einen Satz, bei dem wir adjektivischen Formulierungen aus dem Weg gehen. Kurz und knapp. Fertig. Ich behaupte, es hat viel mit den Handys und deren Anwendungen zu tun. Kultur muss wachsen und sich auseinandersetzen mit vielen verschiedenen Aspekten. Was immer wir in diesem modernen Alter von Handys und Communities betreiben, es ist kontraproduktiv zum Thema Kultur, Wissen und Sprachentwicklung.
Erschwerend kommt hinzu, dass wir unsere freie Zeit heute nicht mehr sinnvoll nutzen und der kleinen Momente des Nachdenkens beraubt werden. Wo früher Zeit für ein „In-sich-Gehen“ und Zeit zum Fühlen, Denken, Reflektieren war, tippt man heute schnell etwas ins Handy oder surft während der Wartezeiten sinnlos im Internet oder tauscht „mal schnell mittendrin“ whatsapp-Kurznachrichten oder sonstigen Blödsinn aus. Wir brauchen aber genau diese kleinen Ruhemomente um Kraft zu schöpfen für Neues. Wir brauchen ruhige Momente, um kreativ zu sein und wir brauchen einsame Augenblicke, um schöpferisch tätig zu sein. Wer das verneint, ist ein geistiger Dilettant!
Um ein anspruchsvolles Buch zu lesen, braucht man Zeit. Genau diese Zeit rennt uns täglich weg, weil wir „nebenher“ mit Handys oder Internet beschäftigt sind. Haben Sie mal zusammen gerechnet, wieviel Zeit täglich tatsächlich so „nebenher“ vergeudet wird mit Facebook, whatsapp, Instagram & Co.? Und glauben Sie wirklich, es interessiert jemanden, auf welche Party Sie gehen oder welcher Gruppe Sie beitreten? Ehrlich: es interessiert niemanden! Auch interessiert es niemanden, wo Sie einen gesoffen haben, wie es in Ihrer Küche aussieht oder wer ihr neuer Lover ist. Aber Sie haben kostbare Lebenszeit damit verbracht, sich erneut öffentlich lächerlich zu machen und das Schlimme daran ist: Sie glauben tatsächlich, dass Ihr Leben glücklicher und erfüllter sei. In Wahrheit leben Sie völlig an sich und dem Leben vorbei, die Stunden, Wochen, Monate, die sie mit winzigen Buchstaben-Tippen verbracht haben, sind weg – vorbei und unwiderruflich mit unnützem Scheißdreck vergeudet.
Welche Auswirkungen das auf unsere Kultur und die Auseinandersetzung mit Themen – bei denen man nicht mal schnell googelt – hat, zeigt sich heute schon. Unsere Nachrichten sind oberflächlicher geworden (keiner hat Zeit, ordentlich zu recherchieren), die Medien unterstützen diese Gesamtentwicklung zudem. Gelesen wird knapp und bündig online, Bücher erscheinen im praktischen e-Pub-Format (keine Haptik, kein Duft), mehr als 1-1,5 Minuten Verweildauer pro Internetseite sind nicht drin und der Koitus ist auch heute nach maximal 15 Minuten erledigt.
Liebe braucht Zeit, Lust braucht Zeit, Kultur braucht Zeit, der Mensch braucht Zeit, gute Kommunikation braucht Zeit, Kunst braucht Zeit. Aber was veranlasst Sie dann allen Ernstes, Ihr höchstes Gut täglich viel zu lange mit dummen Short Messages via IPhone, Laptop oder Tablet zu opfern? Das sollte uns zu denken geben. Kulturentwicklung adé…

 

© Petra M. Jansen

http://jansen-markting.de

Liebe Petra,

zuerst einen herzlichen Dank für deine liebe Gedanken, was meine Gesundheit angeht. Ich habe in den letzten Tagen gelernt, dass ich voraussichtlich nicht unsterblich bin, was ich nicht super finde. Auch, dass der Mensch nicht einfach zur Autowerkstatt gehen kann,um sich neue Leuchten verpassen zu lassen! Das hat mich zwangsläufig zum Grübeln veranlasst. In einer Gesellschaft, bei der jeder „mechanische Mangel“ als dekadent betrachtet wird, ist das Mythos der ewigen Jugend zu einem Muss geworden. Immer älter, immer fröhlicher scheint die Devise zu sein und wer das nicht schafft, wird als ein Montagsmodell betrachtet, so ist das wohl. Ein Wesen, dass es nicht verdient, in den Modezeitschriften erwähnt zu werden, aber dabei vergessen wir zu oft, dass der menschliche Körper nicht dafür entworfen worden ist, für alle Ewigkeit funktionieren zu können. Wie soll ich dir erklären, was für mich zu einer bitteren Wirklichkeit geworden ist? Die des programmierten Verfalles!

Quatsch! Du verfällst, Pierre, in Selbstmitleid und solltest Petra lieber einige „Smilies“ mailen. Cheese! Um mich rum gibt es Menschen, die Anlass hätten viel verzweifelter zu sein und was tun sie? Sie kämpfen, anstatt wie ich, zu jammern! Gibt die Krankheit nicht jedem Einzelnen die Möglichkeit, einen Blick in sich zu werfen und über Sinn und Unsinn des Lebens nachzudenken? Es ist die einmalige Gelegenheit, eine Art Bilanz zu ziehen, nicht unbedingt als Testament gedacht, eher als einen neuen Anfang hier und jenseits. Ich bin dabei mir einzureden, dass unser Dasein hier auf Erden nur eine Etappe ist. Wenigstens rede ich mir das ein, um nicht in die Depression zu verfallen. Deshalb sollte sie mit Würde vollbracht werden, auch wenn es überall in dem ausgelaugten Körper zwickt und zieht. So lange die Birne noch intakt ist, ist es möglich mit Esprit darüber wegzuschauen. Das bedeutet aber nicht die Realität zu ignorieren, liebe Petra! Was uns bevorsteht ist mit der Existenz eines Apfels zu vergleichen. Zuerst die Blüten, die Lebenskraft, dann die Entstehung der Frucht der Liebe, die wie Adam und Eva gezeigt haben, verführerisch sein kann. Wenn er nicht vorher verzehrt wurde, bekommt er in der Abenddämmerung Falten. Da nützt kein Lifting mehr und letztendlich, platsch! Er fällt verfault auf den Boden. Aber das war es nicht! Daraus können Sprossen entstehen und für ein neues Leben sorgen. Sind wir überhaupt mit unseren bescheuerten Gedanken dazu fähig?

Was habe ich den letzten Tagen noch dazu gelernt? Mich über jede Minute zu freuen, in der ich bewusst meine Umgebung erfassen kann. Auch das Bewusstsein, dass meine Augen mir bei weitem nicht nur die Realität vermitteln können. Es geht um mehr, um Gefühle, die sich nicht unbedingt erklären lassen, wie die der Liebe oder der Freundschaft. Ein Zusammenwirken aller Kräfte, die in uns versammelt sind, um uns Hoffnung zu vermitteln, auch wenn uns bewusst sein sollte, dass der Sense-Mann uns nicht vergessen wird. Es geht um die seelische Qualität, die uns im Alter äußerst wertvoll sein sollte und um die Weisheit. Aber nein! Je älter, desto geiler ist die übliche Regel. Mit Geist lässt sich kein Steifer haben und ist deshalb in vielen Kreisen verpönt. Halleluja!

 

In diesem Sinne, liebe Petra!
Pierre

 

//pm

Lieber Pierre,

mit welchem Selbstverständnis wir doch durch das Leben gehen!? Ist es nicht so, dass wir jeden Tag dankbar dafür sein dürfen, wenn uns nichts Schlimmes widerfährt? Nur eine kleine Verstauchung des Knöchels lässt uns humpeln, nur eine Handgelenksverletzung sorgt dafür, dass wir einhändig werden. Warum ich heute zum Thema Gesundheit komme? Stimmt damit etwas nicht, gerät der tägliche gewohnte Ablauf eines Menschen aus den Fugen und man bekommt ein völlig neues Zeitverständnis sowie die aufgezwungene Maßnahme, kürzer treten zu müssen. Wenn der Körper Signale setzt, ist es an der Zeit, das zu akzeptieren und ihm eine Weile Ruhe zu verordnen, so wie du es gerade tun musst, lieber Pierre. Keine Zeitung lesen, keine Zeile mehr tippen – alles liegt brach und bis das wieder möglich sein wird, sind die Nachrichten in den Blättern überholt. Es ist eine Kleinigkeit, die dich nieder rafft und jetzt bist du angewiesen auf den Blick in die Ferne und Weite. Ich finde das gar nicht so schlecht, wenngleich ich niemandem etwas Schlechtes wünsche. Augenklappe auf, Augen schonen, lesen geht nicht im Moment und heute sehe ich die Vorteile. Man ist plötzlich gezwungen, den Blick auf seine Umgebung zu machen, die Augen öffnen sich im wahrsten Sinne des Wortes. Schauen wir denn normalerweise über zwei Wochen einfach nur in die Ferne und lassen unsere Gedanken schweifen? Nein, wir sind abgelenkt und entweder mit lesen (auch virtuell) oder tippen beschäftigt. Für einen Schriftsteller bedeutet diese Aus-Zeit eine Qual, nicht wahr? Doch es öffnet den Blick und du wirst sehen, du wirst jetzt andere Dinge sehen als zuvor. Lieber Pierre, du siehst jetzt etwas, vor dem du deine Augen vielleicht verschlossen hattest – die Schönheit der Natur, das hübsche Gesicht deiner Frau (endlich einmal wieder so bewusst), die Sonne (weil du nicht nur hinter dem PC gequetscht Texte tippst), den Regen (du hast Zeit, lange Spaziergänge zu machen), die Welt. Jetzt hast du eine „verordnete“ Freizeit und dein Körper, dein Geist und deine Produktivität werden es dankbar annehmen und umsetzen. So ist es immer mit den Krankheiten oder einer Zeit, in der der Mensch auf Eis gelegt ist und ich finde daran durchaus viel Positives.
Dein Tagesablauf hat sich vorübergehend völlig verändert, du magst dich damit vielleicht nicht abfinden wollen, aber es ist ein Signal, dass er streikt. Es ist eine Bereicherung und eine neue Perspektive, lieber Pierre, denn wir alle sind viel zu vehement mit den täglichen Aktivitäten beschäftigt und damit, unbedingt funktionieren zu müssen. Ich höre immer wieder „nein, das geht nicht. Ich kann nicht ohne Auto sein“ oder „ich muss jeden Tag wissen, was in der Zeitung steht“ und wie du siehst, es geht alles. Es geht sogar viel besser als unsere innere Bequemlichkeit uns suggeriert und es geht immer – mit der richtigen Einstellung. Vielleicht bekommen wir auf diese Art und Weise eine Demut vor dem Leben. An einem Punkt, an dem nichts mehr selbstverständlich ist und wir den unbequemen Weg gehen oder den Verzicht üben müssen. Und vielleicht tun wir dann endlich mal Dinge, die wir vorher nie gemacht haben…

gute Genesung, lieber Pierre,
Petra

© Petra M. Jansen

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Mein lieber Pierre,
Kinder sind zweifelsfrei Zukunft, Leben, ein Zeichen von Liebe (im Idealfall) und Fortbestand, da gebe ich dir vollkommen Recht. Sie sind sicher nicht dafür da, um die Einsamkeit oder das Alter zu überwinden oder leichter zu ertragen und sie sind nicht Mittel zum Zweck. Vielleicht für unsere Politiker, die ihre marode Rentenwirtschaft danach kalkuliert und ausgelegt haben und vom Nachwuchs abhängig sind, aber nicht für mich. Kinder sind ein kostbares Geschenk! der Natur und wer sie freiwillig nicht haben will, mag seine Gründe dafür haben. Ich urteile nicht darüber in einer Zeit, in der man zwar sein verdientes Geld nicht mit ins Grab nehmen kann, wir aber eine unfassbare Überbevölkerung haben. Die Erde ist nicht mehr in der Lage diese Masse an Menschen zu ernähren und ihnen friedlichen Lebensraum zu bieten, was sollte also unsere Kinder zukünftig erwarten? Aus purem Egoismus Kinder zu zeugen, weil sie so süß sind oder weil man so gerne Mama oder Papa sein möchte und seine Gene vererben möchte, halte ich für unangemessen. Kinder sind eine große, lebenslange Verantwortung, die auch leider nicht alle Eltern übernehmen und gewährleisten können. Manche sind geistig, finanziell, altersmäßig oder aufgrund ihrer sozialen Struktur auch nicht in der Lage, eine Orientierungsperson zu sein oder Elternpflichten zu übernehmen und bekommen trotzdem Kinder. Diese landen dann in der Obhut von Pflegefamilien, werden vom Jugendamt begleitet, leben an der Grenze zur Kinderarmut, werden zu Kriminellen usw.
Ich selbst habe zwei wundervolle Söhne, wie du weißt, lieber Pierre und ich liebe sie von Herzen. Sie sind gut ausgebildet, prima erzogen, bildhübsch und heute schon wertvolle Menschen, aber was ist ihre Perspektive? Auswandern. Mein ältester Sohn sieht jetzt schon während seines Studiums, dass er Deutschland verlassen wird – wie so viele gut ausgebildete Studenten und junge Menschen in Deutschland. Es werden immer mehr und nun fragen wir uns warum? Keine Antwort. Die Antwort liegt in der Politik und in der Gesellschaft. Aber geht es ihnen woanders wirklich besser?
Sicher sind Kinder die Zukunft und zeigen das Leben, aber schauen wir auch auf die Kindesmisshandlungen und Übergriffe auf Minderjährige weltweit? Auf deren Situation in Kriegsgebieten, in denen 10jährige an die Waffe müssen und bereits in diesem Alter innerliche Greise werden? Schauen wir einmal nach Asien, wo die Kinderprostitution blüht? Sehen wir, dass Kinder immer noch verkauft werden und mit ihnen illegaler Menschenhandel betrieben wird? Schauen wir weg? Nein, das wollen wir alles gar nicht hören! Genau aus diesem Grund schreibe ich heute, dass ich meine Zweifel habe, ob es sinnvoll ist, Kinder in die Welt zu setzen und ob ich es heute noch tun würde – diese Frage habe ich mir schon gestellt – ich würde sie mit nein beantworten. Aber nicht aus egoistischen Gründen, weil ich mein Geld alleine ausgeben möchte sondern weil die Zeiten anders sind, weil sich die ganze Welt verändert hat und wir ihnen nicht mit gutem Gewissen Frieden, Gesundheit oder eine angemessene Lebensgrundlage mit guter Perspektive bieten können. Eines der der Gründe, warum wahrscheinlich so viele Modepüppchen zu Möpsen greifen…und es ist wie mit der Hundezucht: Wozu lauter Welpen züchten, wenn die Tierheime mit schlecht behandelten Hunden aus Händen von überforderten Haltern überquellen? Lieber Pierre, ich bin mir bewusst, dass meine Haltung auf Widerstand stoßen wird, aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir die Verantwortung tragen und eine solide Lebensgrundlage schaffen b e v o r wir Kinder in die Welt setzen.
Dazu ein Gedicht von mir:

 

Kindertraum(a)
Sie SCHREIEN,
weil ihnen keiner von uns zuhört.
Sie DROHEN,
weil alles von uns an sie eine Drohung ist.
Sie SCHWEIGEN,
weil ihre Worte von uns abgetötet wurden.
Sie SCHLAGEN,
weil sie spüren wollen, wo nichts mehr ist.
Wie fühlen sie in einer Welt,
in der wir sie nicht fühlen lassen?
Wie können sie vertrauen,
wenn wir uns über ihr Leben beschweren?
Fangen wir an.
Ihnen zu Vertrauen.
Den Kindern dieser Welt.

 

Herzliche Grüße,
Petra

© Petra M. Jansen

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Liebe Petra,

wie du weißt, halte ich sehr viel vom Generationsauftrag. Wenn man Kinder auf die Welt setzt, trägt man eine verdammte Verpflichtung und das bis ins hohe Alter. Wie komme ich darauf zu sprechen? Nach der Lektüre deines Briefes, habe ich manchmal Bedenken, ob es vernünftig ist, heute noch Nachwuchs zu erzeugen und doch plädiere ich für die Familie, warum? Weil alleine sie uns den Sinn des Lebens vermitteln kann. Singles in alle Ehren, aber was für ein Dasein ist es letztendlich? Es ist vor allem von einem narzisstischen Egoismus geprägt und auch vom Materialismus! Alleine verfügt man über mehr Kohle, aber eines muss jeder feststehen: Ins Jenseits wird man seinen Reichtum nicht retten können, auch wenn die Pharaos eine andere Meinung vertraten. Trotz aller Widrigkeiten, finde ich das Elternsein das größte Geschenk, in einer Zeit in der man allen Grund hätte, sich die Kugel zu geben. Kinder halten uns geistig und seelisch wach, sie fordern uns ständig und geben uns den Mut, nicht aufzugeben. Das kommt speziell zum Vorschein, wenn sich die altersbedingten Schwächen melden und mehr denn je muss man nach vorne schauen, auch wenn uns am Ende ein blöder Sarg erwartet.

Das mag reine Durchhaltetaktik sein, könntest du mir vorwerfen, liebe Petra. Kann sein, aber ohne sie würde ich mich aufgeben. Ich gebe zu, ohne das Recht zum Selbstmord in Frage zu stellen, dass ich dieses Mittel für mich nicht als angebracht fände. Ich habe einen zu hohen Respekt vor dem Leben und lehne es deswegen ab. Über dieses Thema bin ich dabei, ein Theaterstück zu produzieren und hier geht es vor allem um die Selbstmordattentäter, die sich in ihren wirren Gedanken vorstellen, dass sie sich somit für Gott und letztendlich für eine bessere Welt opfern. Abgesehen von den 77 Jungfrauen, sehe ich nicht den Sinn so zu ticken und mehr noch, ich finde es abscheulich! Wenn man dieses Thema tiefer verfolgt, kommt man zur Erkenntnis, dass solch ein Verhalten von Grund auf nicht alleine ideologisch gesteuert werden kann – es muss ein krankhafter Nährboden vorhanden sein. Vielleicht gibt es in jedem von uns die Sehnsucht nach einer totalen Vernichtung und wenn das Gleichgewicht ins Wanken kommt, ist der Weg gegeben, um sich in einen Mörder zu verwandeln. Wohin will ich kommen? Die Geschichte hat uns gezeigt, dass der Mensch immer wieder alles niederwalzt was er aufgebaut hat und vielleicht kann die Evolution nur so geschehen. Eine knallharte Erkenntnis, dass der Krieg eine logische Fatalität ist. Ich lehne das ab, aber kann dagegen nichts tun. Insofern hatte Günter Grass recht, zu behaupten, dass wir uns in einen dritten Weltkrieg manövrieren. Und da spielt auch der Instinkt der Fortpflanzung eine Rolle. Logisches Denken ersetzt bei weitem nicht unsere Gefühle, denn sie bestimmen unsere Existenz. Das ganze Gerede um die Vernunft ist vergebens. Wir wissen zwar, dass die Zukunft unserer Kinder gefährdet ist, aber ist das ein Grund, Leben zu schenken? Das Beispiel von Menschen, die sich in der Hölle befanden, wie in Auschwitz, hat sie nicht daran gehindert, eine Familie zu gründen. Sie hätten wissen sollen, wohin das führen könnte, aber haben sich für das Leben entschieden. Das widerspricht jeder Vorsichtsmaßnahme und doch haben sie es getan, warum? Weil die Hoffnung die einzige Möglichkeit ist, uns zu verwirklichen. Gebrochene Menschen haben wieder die Kraft gefunden sich aufzurichten und ohne Kinder wäre es fast nicht möglich gewesen. Sie nehmen uns so in Anspruch, dass wir nicht in der Lage sind, uns zu sehr um Sinn und Unsinn des Lebens Gedanken zu machen. Das Tagtägliche nimmt uns ein und verpflichtet uns, zu kämpfen. Gut so! Das nenne ich den Generationsauftrag und der Nachwuchs gibt uns die Kraft, nicht das Handtuch zu werfen. Jeder von uns würde es manchmal gerne tun, aber das geht nicht, wenn man eine Verantwortung trägt. Ohne die Kids ist Alteisen angesagt. Daran sollte jeder Pessimist denken.

In diesem Sinne.

Herzliche Umarmung
Pierre
//pm

Lieber Pierre,

ich nehme an, es war ein Albtraum und er hieß nicht „Jenseits von Afrika?!“ Wohl denen, die jetzt hinter ihrem Bildschirm sitzen und auf ihr Handy schauen, was wir beide heute publizieren. Ich bin sicher, der eine oder andere schätzt das afrikanische Flair, designed seine Wohnung im Afrika-Zebra-Holzschnitz-Look ohne nachzudenken, was auf diesem Kontinent passiert. Auf der anderen Seite von Sizilien – was geht uns das an? Eine Menge! Europa muss sich dringend für die Menschen- und Schutzrechte sowie eine Demokratisierung in Eritrea einsetzen. Asylbewerber, die abgeschoben werden, sind bedroht in ihrem Leben. Sie fliehen vor schlimmsten Verbrechen und Verfolgung, sie fliehen vor der Diktatur ihres Landes, sie fliehen vor Folter und schwersten Vergehen. Keine Mutter weiß, ob sie ihre Kinder jemals lebend wiedersieht, wenn sie von Schleppern auf die Boote gehievt werden. Folterkammer Sinai und die kriminellen Menschhändler wittern ihr Geschäft. Skrupellos, gewaltbereit, grausam empfangen sie die Flüchtlinge und sie können willkürlich tun, was sie wollen. Sollten sie jemals auf einem neutralen Boden angekommen sein, müssen die Jugendlichen und Kinder vor sexuellen Übergriffen geschützt werden und viele sind zu Waisen geworden.

Lieber Pierre, wir werden in den kommenden Jahren viele, viele Menschen aus Ländern, in denen sie politisch verfolgt werden, in denen Krieg und Armut herrscht oder der Hungertod, aufnehmen müssen. Wir und alle Länder dieser Erde, denen es besser geht und in denen ein menschenwürdiges Leben möglich ist.
Die Gier, die Ängste, der Neid, die Korruption, die Gewalt der Menschen wird das alles eskalieren lassen und wir entfernen uns immer mehr von einem Frieden auf Erden. Sagte Günter Grass nicht, wir stünden kurz vor einem dritten Weltkrieg? Hat er so unrecht damit? Ist es nicht so, dass alle Anzeichen darauf hinweisen? Ich mag keine Weltuntergangs-Vorstellungen, aber mir fällt leider auch nichts ein, um seine These zu entkräften.

Sagen wir es mal so: die Menschen, die das hier jetzt lesen, sie denken zwar, sie finden das wahrscheinlich auch scheußlich und verwerflich, aber danach gehen sie in ihre Küche und futtern ihr Abendessen, danach ein Glas Wein aus Südafrika und ab auf´ s Bisonfell zum Ficken. Dass sie sich selbst ficken dabei, dürfte ihnen teilweise heute nicht klar sein, in einigen Monaten und im Laufe der Zeit aber bestimmt. Wahrscheinlich wird das kommentiert irgendwo – aber es geht ihnen am Arsch vorbei. „Was interessiert uns Eritrea? Eritrea ist weit weg.“ Träumen sie weiter … und mögen sie nicht eines Tages von Albträumen geplagt werden.

 

In trotzdem guten Gedanken,
Petra

© Petra M. Jansen

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Liebe Petra,

meine schlaflosen Nächte bringen mich manchmal auf merkwürdige Gedanken. Um drei Uhr morgens hatte ich mich in einen jungen Mann aus Eritrea versetzt. Meine Familie lebte von dem mageren Ertrag einer kleinen Landwirtschaft und so lange das Klima nicht verrückt spielte, war die Hoffnung auf ein Minimum an Versorgung berechtigt, aber jetzt trocknet alles aus. Wir konnten uns nicht mehr ernähren, ganz abgesehen vom Wasser, das uns dringend fehlte. Was hätte ich anderes tun sollen als das Weite zu suchen? Zuerst der Gang zur Stadt, in der jeder von uns hoffte, wenigstens Krümel des Wohlstandes einfangen zu können. Illusion! Die Kinder mussten betteln gehen und sich prostituieren. Dazwischen einige Gestalten im Kolonialstil, die auf unseren Rücken ihre Geschäfte machten. Schwer bewacht von Söldnern hatten wir keine Gelegenheit, ihnen unser Leid vorzutragen, mit der Hoffnung vielleicht einen Job zu bekommen? Sehr schnell merkte ich, dass ich für sie nur Abschaum war und unter solchen Umständen konnte ich nicht in meiner Heimat bleiben. Oder hätte ich eine Karre nehmen sollen um dieses ganze Gesindel umzulegen? Das hätten sie schon verdient, aber ich verabscheue jede Art von Gewalt.

Eine Stunde später, nach einem längeren Besuch auf der Toilette, war ich als junger Eritreer in einem Flüchtlingslager in Libyen angelangt. Dort versuchte ich etwas zu verdienen, um mir einen großen Traum zu ermöglichen: die Reise in den Garten Eden, denn dort herrschte, wie ich hörte, Gerechtigkeit. Jeder könnte dezent leben und frei denken. Um aber dorthin zu kommen, musste ich mehr als 2000,00$ hinblättern, das ist der „Lohn“ der Schlepper! Ich wusste schon, dass viele Menschen ertrunken waren, denn die Schiffe waren alt, brüchig und völlig überfüllt. Dennoch entschloss ich mich, diesen Schritt zu wagen, was blieb mir anderes übrig? Die Barkasse kenterte. Ich gehöre zu den wenigen Überlebenden und konnte, nach einer langen Odyssee, Deutschland erreichen. Ich dachte, dass ich an meinem Ziel angekommen sei, von wegen.

Dann erfolgte die Gegenüberstellung mit einem Beamten. Er wollte beweisen, dass ich kein politischer Flüchtling sei. „Niemand hat sie gedrängt, das Land zu verlassen!“ „Sie irren sich, der Hunger!“ Aber der vollgefressene Mensch, der mir gegenüber saß, wollte nicht wahr haben, dass Afrika von erbarmungslosen Geschäftsleuten aus Amerika, Europa oder China geplündert wird und dass sie auch die Schuld tragen, wenn Millionen Menschen verhungern. „Ich bedauere sehr diese Umstände, aber ich kann sie nicht als politisch bewerten, deshalb sind Sie hier unerwünscht!“ Ich versuchte ihm klar zu machen, dass internationale Multis uns rücksichtslos auspressten und letztendlich nur unseren Tod wünschten und dass Europa auch eine Schuld an unserer Misere trüge. Ich versuchte ihm zu erklären, dass viele afrikanische Bauern gezwungen wurden einen genmanipulierten Samen zu verwenden, der nur einmal zu benutzen war und dies zu erhöhten Preisen. Das fand er zwar eine Frechheit, aber meine Argumente ließen ihn letztendlich kalt. Er war in seinen Gedanken beim Stammtisch versunken, wo seine Genossen ihm eintrichterten, dass „die Kaffer“ hier nichts verloren hätten. „Es würde noch fehlen, dass sie unsere Weiber schwängern.“

Mein Rücken tut mir zwar weh, liebe Petra, aber neben diesen Schicksalen mit denen wir alltäglich konfrontiert sind, ist das nur eine Lappalie. Irgendwie schäme ich mich, auch wenn ich genau weiß, dass wir nicht in der Lage sind das Leid der gesamten Menschheit zu lindern. Ich würde aber mir wünschen, dass Menschen, die nicht weiter als zu ihrer Nasenspitze blicken, sich in einen Flüchtling versetzen könnten. Uns sollte uns klar sein, dass wir ein riesiges Glück haben hier geboren zu sein und das in friedlichen Zeiten, was bei unseren Eltern nicht der Fall war.

 

In diesem Sinne,
herzliche Umarmung,

Pierre
//pm

Lieber Pierre,
du sprichst ein interessantes und aktuelles Thema an und dabei lasse ich einmal deine persönliche Darstellung außen vor und widme mich dem Thema Professionalität aus objektiver Sicht, denn es ist ein Thema, was in den Künsten und der Wirtschaft gleichermaßen von Wichtigkeit ist. Von einem Profi erwartet man – laut Definition – eine höhere Qualifikation als von einem Amateur. Das sowohl in beruflicher als auch sozialer Kompetenz, der Problemlösungskompetenz sowie der professionellen Distanz einer Person zu einer Sache oder einem Thema. Die Problematik liegt hier also auch bei der persönlichen Selbstüberschätzung und der mangelnden Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten. Jeder hält sich für das Beste, das Größte, das Schlaueste und ist sich seiner Sache im Hinblick auf seine Eignung absolut sicher. Es wäre auch ein Wunder, wenn es Menschen gelänge, Abstand zu ihrer eigenen Person zu nehmen und sich objektiv von außen zu betrachten. Das hat wieder einmal sehr viel mit Egozentrik zu tun und auch der Tatsache, dass niemand sein persönliches Versagen und den Dilettantismus wahrhaben möchte. Zudem kommen jede Menge Menschen mit semiprofessioneller Ausbildung und nur bedingt fundiertem Wissen auf den Arbeitsmarkt. Lieber Pierre, man braucht Mut und ein gesundes Selbstbewusstsein, um zu erkennen, dass teilweise noch ein langer Weg zu gehen ist, um wirklich professionell zu sein. Genau diesen erreicht man, wenn man sich distanziert von sich selbst betrachten und überprüfen kann.
Ein weiterer Aspekt ist das heutige Zeitmanagement und der Markt der Dumping-Preis-Politik. Darunter muss gezwungenermaßen die Qualität leiden. Ein falsches Zeitmanagement und ein gehetzter Alltag, in dem schnell, sofort und rasant Lösungen und Leistungen präsentiert werden müssen, kann keine Qualität hervorbringen, denn Qualität bedeutet Reife und dieser Reifeprozess braucht Zeit. Wir müssen dringend ent-schleunigen, wenn wir qualitativ hochwertig arbeiten und erschaffen möchten, aber wir geben uns selbst nicht einmal die Zeit, das in Ruhe zu tun! Auch das kann nicht funktionieren, denn Gehetze und Gerenne sind kontraproduktiv.
Der nächste Aspekt wäre die Ausbildung, die ebenfalls kostengünstig und möglichst schnell zu erledigen wäre, damit die jungen Leute postum in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Ein Studium der Geowissenschaften ist heute so gequetscht und zeitlich gestrafft, dass es den Studenten nicht möglich ist, sich vertieft mit einem Thema zu beschäftigen – was die Voraussetzung für eine Spezialisierung wäre, die letztendlich wieder zur Professionalität führt.
Die Preise sind der Grund, warum alles schnell und oberflächlich sein muss – es heißt: „Ruhen kostet Geld.“ Schade, denn gute Leistung kostet Geld, sie ist es Wert und das passt ebenfalls nicht in unser „Geiz ist geil“-System. Welcher Idiot diesen Slogan auch immer geschaffen hat, er dachte kurzfristig und auf schnellen Erfolg programmiert. Mein Slogan wäre „Geist ist geil“ – leider schwindet dieser mehr und mehr.
Nun komme ich zur Musik, lieber Pierre: hier ist es so, dass Songs via Internet, Dropbox o.ä. versendet werden, die Bands proben oft nicht mehr regelmäßig zusammen, die Musiker wohnen in völlig unterschiedlichen Regionen und sehen sich kaum. Geübt wird vor einem Auftritt, alles andere läuft über das Internet. Hier haben die modernen Dinge Einzug erhalten und auch hier leidet in meinen Augen das Handwerk, weil die persönliche Kommunikation und die Miteinander-Entwicklung zwischen den Menschen fehlen. Das Endprodukt mag zwar musikalisch ausgereift sein, technisch perfekt – aber es fehlt das Herz und die Seele der Musiker, die schnell via Dateien-Schubsen, ein Album fertigstellen müssen.
Heute kann jeder alles und das oft mit wenig fundiertem Wissen, aber die Profis will oder kann niemand bezahlen. Es geht ja auch so – mit einem Level an Mindestmaß – denn wir sind ohnehin so abgestumpft, dass wir das kaum noch bemerken. Die Masse macht´s – wer will denn da Professionalität?
Ich will es, lieber Pierre, doch da sind wir wieder beim Zeitmanagement, bei dem wir nicht einmal genug Zeit haben, eine Idee ausreifen zu lassen oder uns die Zeit nehmen, darüber strategisch oder künstlerisch, objektiv nachzudenken.

Herzlichst,
Petra
© Petra M. Jansen

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