Liebe Petra,

hier zwei Gedanken über Europa, die ich mir den letzten Tagen gemacht habe:

Frau Merkel in allen Ehren, aber Europa lässt sich nicht auf einer Sparflamme aufbauen. Wenn Deutschland die ganze Zeit den Zahlmeister spielt, kann nur eine kleine Maus entstehen. Es wäre sehr wichtig, ein wenig Mut zu zeige, denn es geht um die Zukunft unsere Kinder und Enkel.  Es muss alles unternommen werden, um den Beweis zu erbringen, dass wir alle am gleichen Strang ziehen. Ich finde die Initiative von Emmanuel Macron sehr berechtigt. Er kleckert nicht, was für solch eine große Sache angebracht ist. Es wird immer mit dem Argument gespielt, dass Deutschland ein großzügiger Geldgeber der EU sei, aber es wird unter den Tisch gekehrt, dass das Land durch seine Exporte sehr davon profitiert – am Ende wird mehr eingenommen als ausgegeben. Es wäre so wichtig, dass Angela Merkel endlich die Weltdimension dieses Projektes richtig erkennt. Die Bedeutung unseres Kontinents ist noch durch die Isolations-Absichten von Donald Trump gestiegen. Es geht um eine neue Position Europas und dieses Gebäude verlangt Weitsicht, nicht aber Kleinkrämerei. Einmal wieder zeigt sich, dass es sich die deutsche Politik schwer macht in neuen Dimensionen zu denken. Um die Bedenkenträger zu beruhigen, könnte das Argument gelten, dass – wenn sich die Exporte Richtung Amerika verlangsamen werden- Ersatz gefunden werden muss und hier wird sich zeigen, wie wesentlich der Binnenmarkt ist. Wer Geschäfte machen will, muss den Mumm haben zu investieren. Ich habe den festen Eindruck, dass das in Berlin nicht erwünscht wird. Pragmatisch gesehen, ist jede finanzielle Hilfe gut angelegt. Was hat ein Exportland davon, wenn die potentiellen Käufer nicht die Moneten haben, um Waren zu kaufen? Anstatt Forderungen zu erheben, die Nationen zur Pleite zwingen, wie es in Griechenland der Fall ist, sollten Modelle aufgebaut werden, die die einheimische Wirtschaft wieder auf Trab bringen. Es ist die einzige Möglichkeit, einen Teil der Schulden zu tilgen, aber ich glaube, dass Frau Merkel das noch nicht kapiert hat. Wenn sie wie eine Sparbüchse agiert, wird sie für Unruhe sorgen, die letztendlich den Populismus fördert. Es kann nicht sein, dass eine ganze Generation junger Leute dem Diktat einer übertriebenen Sparpolitik zum Opfer fällt. Es ist ganz klar, dass jeder Euro, der investiert wird, nicht rausgeschmissen werden darf, daher sollten gut funktionierende Kontrollorgane eingerichtet werden, die als erstes Ziel haben würden, für Rentabilität zu sorgen. Am Ende wird es keine Verlierer geben, wenn die EU brummt!

So merkwürdig es auch erscheinen mag, glaube ich, dass es eine richtige Option ist, auf Europa zu setzen. Wenn man beobachtet, wie instabil sich die Politik in einigen Länder entwickelt, wäre es vielleicht gut, dass wir endlich Strukturen bekommen, die uns einen Halt geben. Die Pläne von Emmanuel Macron gehen eindeutig in diese Richtung. Er weiß aber genau, dass er damit einige Ressentiments entfacht. Das große Problem besteht darin, dass die EU bei dem Volk noch nicht angekommen ist. Aus meiner Sicht ist der Mangel an sozialer Nachsicht für den Einzelnen daran schuld. Wenn der Präsident bemängelt, dass für die Jugend nicht genug getan wird, kann ich nur zustimmen. Es kann nicht sein, dass in manchen Ländern am südlichen Rand des Kontinents eine so hohe Arbeitslosigkeit (was die Jüngeren angeht) vorhanden ist, dass man von einer verlorenen Generation spricht. Da darf man sich nicht wundern, wenn irrsinnige Populisten, wie die der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien, ans Ruder kommen. Es wird den traditionellen Parteien – hauptsächlich der Linken – vorgeworfen, ihr Ziel verpasst zu haben, eine ausgewogenere und gerechtere soziale Gesellschaft aufgebaut zu haben. Eines aber steht bereits fest: diese tiefgreifenden, strukturellen Probleme können nicht alleine national geregelt werden. Sie sind einerseits von der Konjunktur, andererseits von einer gerechteren Verteilung der Ressourcen abhängig. Hier könnte der vorgesehene Etat der Eurozone die Diskrepanzen innerhalb der EU abfedern. Klar, es würde zuerst die reicheren Ländern etwas kosten, aber dann – sobald die Lage sich in den Gegenden, die benachteiligt sind – erholt hat, vermehrt wieder exportiert werden. Die Krise bekam die Autoindustrie zu spüren als in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal viel weniger Fahrzeuge aus Geldmangel verkauft werden konnten. Um den populistischen Thesen Paroli zu bieten, müsste dies dem Volk erklärt werden. Es wäre durchaus möglich, zu beweisen, dass jeder investierte Euro eine Rendite bedeuten kann. Dieses Beispiel zeigt, dass es in unserem Interesse liegt, wenn es den EU-Ländern insgesamt gut geht und das kann nur mit vereinten Kräften entstehen. Deshalb begrüße ich die Initiative von Emmanuel Macron, der Eurozone die Mittel zu geben, konjunkturell etwas zu bewirken, ohne jedes Mal Rückendeckung der Mitgliederstaaten einholen zu müssen.

Auch wenn alles ziemlich bedrohlich aussieht, sollte man weiter hoffen.

Alles Liebe,

Pierre

//pm

Deutschland hat gewählt! Eine „historische Wahl“, so steht es in den Gazetten zu lesen. So sehr sich kleinere Parteien wie die Grünen und die FDP über massive Ergebnisse freuen durften, war es gestern, nach Mitteilung des vorläufigen Endergebnisses, für viele keine Tag der Freude. Frau Merkel wird wohl eine vierte Amtsperiode weiterregieren als Kanzlerin. Die Ergebnisse bei CDU/CSU und SPD sind erschreckend, was die Stimmenverluste der beiden großen Volksparteien angeht, die rechtsradikale AfD ist ins Parlament eingezogen mit einem über zweistelligen Ergebnis. Es wird schwierig für Frau Merkel.

Die CDU/CSU ist trotz massiver Verluste dennoch als stärkste Kraft aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Nach dem vorläufigen Ergebnis des Bundeswahlleiters kam sie am Sonntag auf 33,0 Prozent und verlor damit 8,5 Punkte im Vergleich zu 2013. Die SPD fuhr mit 20,5 Prozent (minus 5,2 Punkte) ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein.

Die AfD wurde mit 12,6 Prozent drittstärkste Kraft. Der FDP gelang mit 10,7 Prozent der Rückkehr in den Bundestag, aus dem sie 2013 geflogen war. Die Linke holte 9,2 Prozent, die Grünen erreichten 8,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug 76,2 Prozent (2013: 71,5).

Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag in der neuen Wahlperiode so groß wie nie zuvor. Die Sitzverteilung sieht nach Angaben des Bundeswahlleiters so aus: CDU/CSU: 246 Mandate, SPD: 153, AfD: 94, FDP: 80, Linke: 69, Grüne: 67.

Wer wählt eine rechtsgerichtete Partei wie die Alternative für Deutschland? Wer sind ihre Wähler, was treibt sie um? Sind Gewerkschaftsmitglieder anfälliger für das Gedankengut der Rechtspopulisten? Diesen Fragen ging eine Studie nach, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung Anfang August in Berlin vorgestellt hat, und sie bestätigte vieles, was man über die AfD bereits weiß. Einige der Befunde aber zeigen bemerkenswert klar, wie widersprüchlich das Phänomen AfD ist und wie stark subjektive Faktoren, also Stimmungen und Ängste, die Affinität zu der Partei beeinflussen. Für die Studie befragte das Institut policy matters zwischen Mitte Januar und Anfang Februar diesen Jahres knapp 5.000 Personen über Internet.

Die Autoren der Studie konstatieren, dass eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die derzeitige wirtschaftliche Lage und auch die eigene positiv beurteilt. Ein tiefgreifender Wertewandel habe aber dazu geführt, dass mehr Menschen anfällig werden für rechtspopulistische Parolen. Zwar wollen heute weitaus mehr Menschen Verantwortung für sich selbst übernehmen als noch vor zehn Jahren, viele glauben aber, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderfällt. Die Menschen fühlen sich auf sich zurückgeworfen.

Die Angst vor Globalisierung und Digitalisierung wächst bei vielen, das führt zu Verunsicherung und Sorgen um die Zukunft. Besonders stark sind diese Ängste bei AfD-Wählern ausgeprägt, sie fürchten sich vor Kriminalität, Überfremdung, dem Verlust des Arbeitsplatzes und mangelnder Absicherung im Alter. Den Institutionen in Deutschland trauen sie weit weniger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Nur eine Minderheit glaubt, dass Deutschland ein wirklich demokratischer Staat ist.

Das wichtigste Motiv, AfD zu wählen, ist die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation, und zwar unabhängig davon, ob die eigene soziale Lage tatsächlich schlecht ist. Entscheidend ist die subjektive, die gefühlte Lebenslage. Die AfD-Wählerschaft setzt sich aus zwei Gruppen zusammen. Eine Mehrheit ist männlich und gehört zur unteren Mittelschicht, ihr Nettoeinkommen liegt mit durchschnittlich 1.664,– Euro kaum unter dem allgemeinen Durchschnitt. Dazu kommen überdurchschnittlich Gebildete, die entsprechend gut verdienen. Es trifft also auch nicht zu, dass vor allem Arbeitslose sich zur AfD hingezogen fühlen.

Mit am wichtigsten für Wahlentscheidung war wohl, wie sicher das Arbeitsverhältnis ist und ob nach Tarifvertrag bezahlt wird. Beschäftigte in großen Betrieben mit Tarifbindung und starker Mitbestimmung sind demzufolge weniger anfällig für die AfD als solche in kleinen. DGB-Chef Rainer Hoffmann forderte seinerzeit die Politik auf, für mehr Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen, etwa durch stärkere Tarifbindung. „Die Politik muss die Ängste der Menschen ernst nehmen“.

Ja, das muss sie! Aber auch der Bürger/die Bürgerin ist gefragt. Wollen immer mehr Menschen Verantwortung für sich selbst übernehmen, dann heißt das auch, dass man sich von der Versorgungsmentalität verabschieden muss – „Mütterchen Fürsorge“ und „Vater Staat“. Wir haben Wohlstand und einen Sozialstaat, und das ist gut so!

Besinnen wir uns zurück auf John F. Kennedy. Er hat einmal gesagt: „And so, my fellow Americans: Ask not what your country can do for you – ask what you can do for your country!“.

Der Wille der Menschen ist da, machen wir etwas daraus!

Wir brauchen keine AfD.

 

 

Nationalstolz, Patriotismus, Vaterlandsliebe – kann man das heute noch nachvollziehen? In einem bestimmten Land geboren zu sein, ist keine besondere Leistung. Keiner hat sich vorher ausgesucht, wo er oder sie geboren wird und darauf stolz zu sein, bringt nichts. Sich über sein Heimatland zu identifizieren, fällt vielen mittlerweile schwer. Wer eine Nation mehr als einen Charakter braucht, um sich eine eigene Identität aufzubauen, ist zu bemitleiden.
Ist es statt dem Stolz doch eher die Angst davor, sich mit sich selbst beschäftigen zu müssen, die einen dazu bringt, sich mit unveränderbaren Begebenheiten zu identifizieren? Ist Identität nicht eine der wenigen Dinge im Leben, die man wirklich selbst beeinflussen und bilden kann? Die eigene Identität ist das, was jeden Menschen zu einem Individuum macht. Sie ist das, was unsere Welt zu einer vielfältigeren macht. Würden wir alle uns nur über unseren Geburtsort, unser biologisches Geschlecht und unsere groben äußerlichen Merkmale identifizieren, wäre die Welt für uns Menschen ein furchtbar langweiliger Ort.

Eine Partei in Deutschland wirbt gerne mit dem Patriotismus. Auf der Website der Alternative für Deutschland NRW findet man einen Artikel, der Patriotismus in Gefühlspatriotismus und Verfassungspatriotismus unterteilt. Der Gefühlspatriotismus wird hierbei mit Heimweh verglichen. Die „Heimatliebe“ mit dem kindlichen Gefühl des Heimwehs gleichzusetzen, ist anmaßend. Deshalb muss man nicht gleich Patriot sein.

Bleiben wir beim Thema Kultur. Die AfD scheint eine große Zuneigung dem einfältigen Begriff „Leitkultur“ gegenüber zu hegen, wenn von deutscher Kultur die Rede ist. Auf der gegenüberliegenden Seite steht, laut der AfD, die Multi-Kultur, – oder der „Multikulturalismus“, wie sie ihn nennen – den die Partei entschieden ablehnt. Laut dem aktuellen Programm der AfD gefährde diese Multi-Kultur angeblich unseren Staat: „Multi-Kultur ist Nicht-Kultur“. Diese Multi-Kultur könne „sogar den Zerfall eines Staates bewirken.“, heißt es auf der Website. Niedlich! Dass „Multi-“ im Grunde nur „ein Vielfaches“ meint, scheint ebenfalls in das große Gebiet der Wissenslücken der AfD zu fallen. Multi-Kultur heißt also nicht die Verdrängung einer einzelnen Kultur, sondern der Zuwachs an Kulturen oder einfach das Wachstum einer einzelnen Kultur zu mehreren Kulturen. Hierbei geht nichts verloren, man gewinnt immer dazu. Eine Win-Win-Situation!

AfD Programm und deutsche Sprache: Man kann sich einen Eindruck davon verschaffen, wie umfangreich die deutsche Sprachgeschichte ist, indem man Wikipedia aufruft. Hier erkennt man, dass der Artikel bis in die Gegenwart reicht und sich auch mit den Entwicklungen der letzten Jahre beschäftigt. Nach der Lektüre dessen ist es noch unverständlicher, wie die AfD in ihrem Programm zu folgender Schlussfolgerung kommt: „Als zentrales Element deutscher Identität will die AfD die deutsche Sprache als Staatssprache im Grundgesetz festschreiben. ‚Politisch korrekte‘ Sprachvorgaben lehnen wir entschieden ab, weil sie einer natürlichen Sprachentwicklung entgegenstehen und die Meinungsfreiheit einengen“. Wie unmöglich es ist, eine Sprache festzuschreiben, zeigen uns die ständigen Neuauflagen des Dudens mit entsprechenden Neuerungen.

Fraglich bleibt, was die AfD mit einer „natürlichen Sprachentwicklung“ meint und wieso politisch korrekte Begriffe nicht darunter fallen. Eine Sprache passt sich in ihrer Entwicklung dem Fortschritt der Menschen und der Gesellschaft an. Themen, die neu diskutiert oder das erste Mal thematisiert werden, müssen immer zuerst ihre eigene Sprache oder neue sprachliche Umgangsformen finden, damit sie diskutiert werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist jede neu aufkommende Wissenschaft, die immer zuerst eine neue Sprache (er)finden muss, damit man sich innerhalb der Wissenschaft überhaupt austauschen kann.

In unserer heutigen Zeit wird viel über Diskriminierung gesprochen und immer offener darüber diskutiert, sodass eine größere Aufmerksamkeit für Lebensformen geschaffen wird, die zuvor von einigen Menschen abgelehnt oder nicht beachtet wurden. Genau über diese Aufmerksamkeit und die neue Art, wie wir nun darüber diskutieren, offenbart sich fast allen Menschen die Notwendigkeit der Weiterentwicklung unserer Sprache. Der AfD nicht! Auf diese Art und Weise kommt es zu neuen, politisch korrekten Begriffen. Diese symbolisieren eine Toleranz allen Menschen gegenüber und gehen entschieden gegen Diskriminierung vor. Die AfD lehnt dies entschieden ab.

Patriotismus kann nicht nach vorne sehen, solange er sich weigert zu akzeptieren, dass Dinge, wie Kultur, Sprache, Menschen und die Umwelt sich in einem ständigen Wandel befinden. Sobald der Patriotismus dies akzeptiert hat, schafft er sich vielleicht selbst ab.

Derzeit hat Patriotismus keinen Inhalt, eine Worthülse, hinter der sich Menschen verstecken, die sich weigern, über den Tellerrand hinwegzusehen.

US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag seine mit Spannung erwartete erste Rede bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen gehalten.

Trump tut in seiner Rede in New York genau das, was er immer tut: Er provoziert, er droht, er rempelt. Bei aller Gewöhnung an Trumps pöbelhaftes Auftreten – seine Drohung, Nordkorea zu zerstören, beschwört ein solch entsetzliches Szenario herauf, dass man es kaum weiterdenken mag.

Denn was wäre wohl die Folge eines gewaltsamen Eingreifens der USA in Nordkorea samt Eskalation auf der koreanischen Halbinsel? Viele Tote, eine ökonomische Schockwelle globalen Ausmaßes und nachhaltig gestörte Beziehungen zwischen den USA, China und Russland. Fast könnte man bei dieser Horrorvorstellung übersehen, dass auch die Staatengemeinschaft eine Denuklearisierung Nordkoreas will.

Nur wie? Hier liegt die tiefere Bedeutung von Trumps Rede. Sie ist geprägt von Misstrauen in die Problemlösungsfähigkeit der internationalen Sicherheits- und Verhandlungsarchitektur. In Trumps Welt ist die Politik an ihrem Nullpunkt angelangt.

Solche Hassreden gehörten ins Mittelalter und nicht ins 21. Jahrhundert, twitterte der iranische Außenminister Mohamed Dschawad Sarif. Trump setze in der UN-Rede auf weitere Eskalation. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dagegen lobte Trumps Rede. Er habe in seinen mehr als 30 Jahren Erfahrung mit den Vereinten Nationen noch nie eine kühnere oder mutigere Rede gehört.

China rief zur Zurückhaltung auf. Die Lage auf der koreanischen Halbinsel sei kompliziert und heikel. Die betroffenen Parteien sollten Zurückhaltung üben und richtige Schritte unternehmen, um zu helfen, die Spannungen abzubauen, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Peking als Reaktion auf die Rede von Trump vor den Vereinten Nationen.

Trumps Bestrebungen zu möglichen Neuverhandlungen über das Pariser Klimaabkommen schob Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Riegel vor. Das Abkommen sei nicht neu verhandelbar, so Macron im UN-Plenum. Man könne das Abkommen anreichern, mit neuen Beiträgen, werde aber nicht zurückweichen. Die Tür für die USA werde immer offen stehen.

Trumps „America first“ gilt weiterhin. Im UN-Plenarsaal wiederholte Trump sein Vorhaben, die Außenpolitik an amerikanischen Interessen ausrichten zu wollen. O-Ton: „Als Präsident der Vereinigten Staaten werde ich Amerika immer an die erste Stelle setzen!“. Genauso sollten es auch andere Staats- und Regierungschefs tun. Den UN warf er mangelnde Effizienz vor. Die USA leisten den mit Abstand größten finanziellen Beitrag zum regulären UN-Etat sowie zu den weltweiten Friedensmissionen.

Die Welt befindet sich nach Ansicht Trumps an einem Scheideweg. Man treffe sich in einer Zeit immenser Versprechungen, aber auch riesiger Gefahren. Trump nannte als Risiken den internationalen Terror, kriminelle Netzwerke und autoritäre Regime, die über Massenvernichtungswaffen verfügten. „Wir können die Welt zu neuen Höhen führen, oder sie in ein Tal fallen lassen, in dem sie nicht repariert werden kann“ (diepresse.com).

Klimaabkommen und „America-First-Doktrin“ sind gewohntes Geplänkel gegenüber der knallharten Drohung, Nordkorea total vernichten zu wollen. Wenn alles Gute nur aus entschlossenem Handeln in wohlverstandenem Eigeninteresse kommt, dann ist das egoistische Berechnung. Dieses kalte Kalkül der Macht verbindet den US-Präsidenten ausgerechnet mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-Un, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping, den Mullahs in Teheran und anderen Herrschern. Dass Trump sich in diesem Sinne an ihre Seite stellt, ist die eigentliche Botschaft des Tages.

Trump heizte mit seinen martialischen Worten Spekulationen um einen baldigen Krieg an. Er vergriff sich völlig in der Ausdrucksweise, als er Nordkorea mit der totalen Zerstörung drohte, falls es die USA angreife. Es hätte die Klarstellung gereicht, dass Nordkoreas Regime einen solchen Angriff nicht überleben werde.

Was ist von Trumps Doktrin zu halten? Sein Hohelied der Souveränität blendet zentrale Schwächen aus: Es gibt viele Beispiele dafür, in denen Nationalstaaten freiwillig, zum eigenen Vorteil, Teile ihrer Souveränität abtreten, um ihre Interessen im kollektiven Verbund besser verfolgen zu können. Auch ist „Souveränität“ stets ein bequemes Argument für Diktaturen, um Kritik an der Unterdrückung ihrer Bürger als ungebührliche Einmischung in innere Angelegenheiten abzuschmettern. Trump erwähnte den Einsatz für die Menschenrechte mit keinem Wort. Damit droht er gerade westliche Werte zu verraten.

Die Welt sieht sich schweren Konflikten gegenüber.

 

 

Der Gedanke existiert schon länger, das Wahlalter von 18 Jahren auf das vollendete 14. Lebensjahr abzusenken. Die Gründe sind vielfältig, einer davon soll sein, dass die Jugendlichen in der heutigen Zeit früher sozialisiert werden als noch vor dreißig Jahren. Macht das Sinn?

Das Engagement junger Menschen in politischen Organisationen geht seit Jahrzehnten zurück. Ein Grund ist: Wir wollen uns nicht mehr langfristig binden, schon gar nicht an eine Organisation mit wöchentlichem Stammtisch voller Grundsatzdiskussionen. Vielleicht ist sogar die Demokratie an sich in der Krise. Laut einer Studie von YouGov sind nur noch 52 Prozent der jungen Europäer von der Demokratie als bester Staatsform voll überzeugt. Wer hat gegen die junge Demokratiemüdigkeit heute noch eine Chance?

Eventuell: Kleiner Fünf, Pulse of Europe und Demo. Alle diese Bewegungen entstanden letztes Jahr als Reaktion auf die Wahlerfolge der Rechtspopulisten von der Trump-Wahl bis zum Brexit-Referendum. Demo ist unter ihnen vielleicht die spontanste, simpelste, naivste. Und die vollmundigste. „Lasst uns Demokratie machen. Lasst uns demonstrieren gehen. Lasst uns die Dämonen demontieren“, schrieb eine junge Demo-Gründerin in ihrem Facebook-Eintrag nach Trump. Und sofort berichteten alle Zeitungen, Plattformen, Jugendmagazine über sie.

Kinder und Jugendliche würden bei der Bundestagswahl der CDU/CSU die meisten Stimmen geben, aber auch die AfD in den Bundestag wählen. Das zeigen die vorläufigen Ergebnisse einer nicht repräsentativen, bundesweiten Jugendwahl am 15. September für unter 18-Jährige. Den Organisatoren der U18-Wahl zufolge bekam die CDU/CSU etwa 28 Prozent der Stimmen. Die SPD folgte mit knapp 20 Prozent auf dem zweiten Platz. Die Grünen bekamen von den Nachwuchswählern unter 18 Jahren rund 17 Prozent der Stimmen, die Linke etwa acht Prozent. Die AfD landete bei knapp sieben Prozent der Stimmen. Auch die FDP wäre mit knapp sechs Prozent im Bundestag vertreten.

Bei der U18-Bundestagswahl konnten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in 1.662 Wahllokalen ihre Stimme abgeben. Insgesamt nahmen mehr als 215.000 Kinder und Jugendliche an der Abstimmung teil. Das teilte der Deutsche Bundesjugendring als Koordinierungsstelle für die Wahl mit. Die Stimmen aus etwa 300 Wahllokalen waren am Wochenende zwar noch nicht ausgezählt, das endgültige Stimmungsbild werde sich laut den Organisatoren dadurch aber nicht mehr wesentlich ändern.

In den vorläufigen Ergebnissen zeichnen sich deutliche regionale Unterschiede ab. So bekam die AfD bei der U18-Wahl in Sachsen und Thüringen demnach jeweils gut 15 Prozent der Stimmen. In Hamburg oder Schleswig-Holstein blieb sie hingegen knapp unterhalb der Fünfprozentmarke.

Die U18-Wahl wird getragen vom Deutschen Kinderhilfswerk, dem Deutschen Bundesjugendring, den Jugendverbänden und Landesjugendringen sowie vom Berliner U18-Netzwerk. Im Rahmen der Jugendwahl haben sich Kinder und Jugendliche mit den Programmen der Parteien beschäftigt, mit Kandidaten in den Wahlkreisen debattiert oder mit anderen Kindern und Jugendlichen über Politik gesprochen.

An der Wahl dürfen sich Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren beteiligen, eine Altersgrenze nach unten gibt es nicht. Wahlberechtigt sind auch Kinder ohne deutschen Pass. Auch bei der Jugendwahl 2013 hatte die CDU/CSU deutlich vor der SPD gelegen, die Grünen belegten damals ebenfalls den dritten Platz.

„Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“, so der Soziologe Max Weber 1919 in Politik als Beruf, und wird fast täglich damit zitiert. Immer wenn etwas nicht vorangeht, heißt es: Das ist eben Politik! Das nervt, wird bald langweilig. „Bringt ja eh nichts!“ ist das, was man häufig hört. Deshalb haben Jugendliche „Besseres“ zu tun. Und das ist gefährlich!

Die wichtige Lehre aus Demo, Kleiner Fünf, Pulse of Europe: Politik geht eben doch, wenn man jung ist. Gleiches gilt für uns Ältere.

Viele der Jugendlichen haben in der Schule allgemein Politik durchgenommen, sie wissen, was Demokratie bedeutet; und auch Diktatur. Das allein sollte schon zu dem Gang an die Urne motivieren.

Wir Älteren sollten auch aus unserer Wohlstandsblase herauskommen und uns bewusst sein, dass Freiheit und Wohlstand auch Verantwortung bedeutet. Und die trägt man mit beim „Kreuzchenmachen“ im Wahllokal.

In und um Nordkorea rumort es … Die Mittelstreckenrakete, die der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Un neulich über die japanische Insel Hokkaido in den Pazifik schießen ließ, transportierte eine klare Botschaft: Nordkoreas Raketen – mutmaßlich eine Hwasong 12 – könnten die US-Pazifikinsel Guam erreichen, wenn Pyongyang es denn wollte. Mit anderen Worten: Kim verfolgt das Ziel, die USA abzuschrecken, ohne Präsident Donald Trumps rote Linie zu übertreten.

Der jüngst Raketenstart wurde von allen Nachbarn Nordkoreas scharf verurteilt, auch von China. Südkoreas Außenministerin Kang Kyung-Wha sprach mit ihren Kollegen in Washington und Tokio über mögliche Gegenmaßnahmen. Der UN-Sicherheitsrat forderte von Pjöngjang, sein „empörendes Verhalten“ sofort einzustellen.

Die Bedrohungslage hat sich indes kaum geändert. Nordkorea hat bisher nicht gezeigt, dass es den kontrollierten Wiedereintritt einer Rakete in die Atmosphäre bewältigen kann. Auch bezweifeln die meisten Experten, dass das Land in der Lage ist, einen Atomsprengkopf so zu verkleinern, dass er auf eine Hwasong 12 montiert werden kann.

Zudem ist unwahrscheinlich, dass Pjöngjang seine Raketen selbst entwickelt. Die Hwasong-12 tauchte quasi aus dem Nichts auf und wurde ohne Tests aus Gefechtsstellungen abgeschossen. Das legt den Verdacht nahe, dass die Rakete und andere Marschflugkörper heimlich eingekauft und höchstens in Nordkorea zusammengebaut wurde.

Das Regime in Pjöngjang weiß, dass es einen Krieg nicht überleben würde – womöglich nicht einmal die ersten paar Stunden. Kims eigenen Aussagen zufolge will Nordkorea die USA mit seinem Atomwaffenprogramm von jedem Versuch des Regime-Sturzes abschrecken.

Kang Sang-Jung, Politologe in Japan, ist überzeugt, dass das jämmerliche Ende des irakischen Diktators Saddam Hussein für die Kims ein traumatisches Erlebnis gewesen sei. Wohl nicht zufällig hieß es in nach dem Raketenstart in nordkoreanischen Medien: „Wir sind nicht Libyen, wir sind nicht der Irak“, die ganze Welt könne sehen, dass Atomwaffen ein wichtiger Pfeiler der Verteidigung Nordkoreas seien. Auch Trump plant wohl keinen Militärschlag, sonst würde er die Evakuierung der fast 200.000 US-Bürger zumindest vorbereiten, die in Südkorea leben. Und doch steigt mit jeder Provokation ein bisschen die Gefahr eines Krieges, den keiner will.

Worauf Kim letzten Endes baut, ist die Tatsache, dass die Amerikaner noch nie eine Nation angegriffen haben, die im Besitz von Atomwaffen ist. Kim läuft die Zeit davon. Innenpolitisch steht es nicht zum Besten. Das wissen wir spätestens seit Anfang des Jahres (n-tv.de). Was wäre, wenn zu dem außenpolitischen Schlamassel noch ein Volksaufstand hinzukäme? Erfahrungsgemäß geht ein in Armut und Unterdrückung gehaltenes Volk auf lang oder kurz auf die Barrikaden. Das lehrt uns die Geschichte. Die nordkoreanische Regierung verfügt offensichtlich über keine tauglichen Marschflugkörper. Man wird weiter testen und läuft damit augenscheinlich die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung. Testet Kim hingegen nicht weiter – was unwahrscheinlich ist – wird sein Volk die Chance des Umsturzes gekommen sehen, nimmt man den außenpolitischen Druck auf Nordkorea mit dazu.

Während der letzte Raketenabschuss wohl keine Eskalation darstellt, hat Pjöngjang die Lautstärke seiner Verbalattacken am Vorabend des Abschusses noch einmal hochgedreht. So verkündete ein Sprecher des Koreanischen Asien-Pazifik Friedens-Komitees: „Lasst uns das amerikanische Festland in Asche und Dunkelheit verwandeln“. Man weiß: Solche Töne lässt jemand wie Trump nicht gerne unbeantwortet.

Experten fürchten, dass Nordostasien in einen Krieg hineinschlittern könnte, wenn es nicht gelingen sollte, Nord- und Südkorea, die USA und China an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Eines aber stimmt vorsichtig optimistisch: Trump lässt sich, anders als die Neokonservativen um George W. Bush, nicht von der Ideologie leiten, dass Demokratie exportiert und Nationen einfach so gegründet werden können.

An der Sicherheitskonferenz in Montreux soll es zu einem informellen Austausch zwischen einem ehemaligen Top-US-Diplomaten und einem hochrangigen Vertreter des nordkoreanischen Außenministeriums gekommen sein.

Die Konferenz fand vom 11. bis 13. September Montreux statt. Unter den 25 Teilnehmern waren Experten von Denkfabriken und Universitäten aus China, Südkorea, Nordkorea, der EU, Japan und der Mongolei.

Der Nordkorea-Konflikt lässt sich nur diplomatisch lösen. Vielleicht wurde hier der erste Schritt gemacht. Geht er schief, hat niemand „sein Gesicht verloren“. Einen Versuch war es wert.

Die Bundestagswahl rückt näher, das Volk wird zu den Urnen gerufen. Wir haben die Macht, sind aufgefordert zu entscheiden, wer uns die nächsten vier Jahre im Parlament vertreten wird. Im Internet geistert immer wieder der Begriff „Basisdemokratie“ herum. Was ist das eigentlich?

Basisdemokratie ist begrifflich eine Form der direkten Demokratie. Sie kommt in den meisten basisdemokratischen Konzepten im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie ohne Repräsentanten aus, da alle relevanten Entscheidungen von den Betroffenen selbst durch „unmittelbare Beteiligung“ getroffen werden, entweder durch Abstimmung oder direkte Aktion (Wikipedia).

Ohne Frage ist das Internet das beherrschende Medium unserer vernetzten Welt. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Demokratie und Staatlichkeit? Viele preisen das Internet als basisdemokratisches Medium. Jedermann kann Informationen ebenso schnell, wie unkompliziert, beschaffen und überprüfen. Über Facebook und Co. können User Meinungen kundtun, Gleichgesinnte finden, Kampagnen und Demonstrationen organisieren. Das Internet hat fraglos Einfluss auf die gesellschaftliche Meinungsbildung und den demokratischen Prozess. Das ist per se nicht schlecht.

Das Medium Internet greift auch in unsere verfassungsmäßige Demokratie ein. Die Digitalisierung dieser, unserer Demokratie braucht freiheitliche und rechtsstaatliche Regeln. Der Gesetzgeber muss dabei die Interessen von Einzelnen und ihre Rechte schützen und in einen Ausgleich bringen mit den Interessen der Allgemeinheit. Das gelingt beim Telemediengesetz und im Urheber-Wissensgesellschaftsgesetz deutlich schlechter als im Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Für eine kohärente Regelung des digitalen Rechtsstaats braucht es mehr: vor allem das Verständnis, dass die Wertentscheidungen unseres Rechts auch in der digitalen Rechtssphäre ihre Geltung behalten. Die vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers ist es, diese Grundwerte auch dort zur Entfaltung zu bringen.

Wenn in eineinhalb Wochen abgestimmt wird, dann geht es nicht nur um die Frage, wer nächste Bundeskanzlerin oder -kanzler wird. Die Demokratie an sich steht auf dem Spiel. Die Bürgerinnen und Bürger bestimmen die Politik der kommenden vier Jahre, sie legitimieren das staatliche Gefüge des Landes. Schon der Verdacht, jemand könne Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen, muss ausgeschlossen werden. Wahlen in Deutschland ließen sich nicht hacken, versicherte der Bundeswahlleiter noch im Januar. Man habe die Bundestagswahl technisch so abgesichert, „dass sie gegen alle Manipulationsversuche geschützt ist“. Was ist aber, wenn das deutsche Wahlsystem doch Fehler hat?

Selten zuvor standen westliche Demokratien so unter Druck wie derzeit – nicht nur von innen. Auch die Bundesregierung fürchtet Manipulationsversuche. Immerhin ist der russische Geheimdienst bereits in den Bundestag eingebrochen, steht unter Verdacht, die Wahlen in den Vereinigten Staaten nicht unwesentlich beeinflusst zu haben. Man sei darauf eingestellt, dass Gruppen aus anderen Ländern wie Russland versuchen könnten, sich einzumischen, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der Vorstellung des letzten Verfassungsschutzberichts.

Eine manipulierte Wahl – für die Demokratie ein Desaster! Wie kann es sein, dass ein basisdemokratisches Medium wie das Internet zum Beispiel über die Verbreitung von Fake News das Institut unserer verfassungsmäßigen Demokratie gefährdet?! Die Bundestagswahl ist im föderalen Deutschland dezentral organisiert. Die Ergebnisse werden vom Wahlbezirk zum Wahlkreis, dann an den Landeswahlleiter und von dort schließlich an den Bundeswahlleiter übermittelt. Die Verantwortung liegt bei Ländern und Kommunen. Sie haben Wahlsoftware angeschafft, mit der sie die Ergebnisse verwalten. Aber kein Programm ist so verbreitet wie PC-Wahl.

Mit Google finden sich Teile der Wahlsoftware, die nie hätten öffentlich werden sollen. Das Programm PC-Wahl, das es mittlerweile seit 30 Jahren gibt, wird nicht an Privatpersonen verkauft, sondern nur an Kommunen. Die restriktive Vergabe soll das Programm vor Angriffen schützen.

Ein Politiker in Rheinland-Pfalz klagte 2009 dagegen. Er wollte den Quellcode von PC-Wahl sehen, um verstehen zu können, wie das Programm Ergebnisse berechnet. Jeder Wähler, jede Wählerin sollte nachvollziehen können, wie Mehrheitsverhältnisse zustandekommen. Doch trotz Transparenzgebot hat nie eine offizielle Stelle den Quellcode von PC-Wahl gesehen, geschweige denn zertifiziert. Das Verwaltungsgericht Neustadt entschied, der Landeswahlleiter habe das ordnungsgemäße Funktionieren der Software geprüft, was genüge. Tatsächlich haben Wahlleiter bislang nur überprüft, ob die Software die Stimmen korrekt addiert. Niemand interessierte, ob das Programm an sich angreifbar ist.

Die digitale Welt ist neben die reale getreten. Wir bewegen uns in einem Universum, das wir zwar geschaffen haben, aber nicht in Gänze verstehen. Man muss sich heute ernstlich fragen, ob die Mehrheitsverhältnisse noch der Anzahl der Kreuze auf den Stimmzetteln entsprechen.

 

 

Deutschland ist nach einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Unterhauses des polnischen Parlaments immer noch verpflichtet, Kriegsreparationen an Polen für die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zu leisten. Die Rede ist von mindestens 840 Milliarden Euro. Es sei rechtens, dass die Republik Polen einen Anspruch auf Entschädigungen von der Bundesrepublik Deutschland erhebe, heißt es in dem 40-seitigen Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments. Die einseitige Erklärung der polnischen Regierung vom 23. August 1953 über den Verzicht auf weitere Kriegsreparationen habe nur für die DDR gegolten.

Zudem habe der damalige Beschluss des Ministerrates gegen die polnische Verfassung verstoßen, weil nicht der Ministerrat, sondern der Staatsrat für die Ratifizierung und Kündigung von völkerrechtlichen Verträgen zuständig gewesen sei. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjährten laut dem Völkerrecht nicht. Das Gleiche gelte für Entschädigungen für solche Verbrechen.

Polens Regierungschefin Beata Szydlo hatte Polens Anspruch auf Kriegsreparationen bekräftigt. Bevor Warschau offiziell eine Entschädigung fordere, solle zunächst das Sejm-Gutachten abgewartet werden, sagte sie.

Nach dem Krieg seien die von Deutschland verursachten materiellen Schäden am polnischen Staats- und Privateigentum auf 48,8 Milliarden Dollar geschätzt worden. Mehr als sechs Millionen polnische Staatsbürger seien umgekommen. Weitere rund zehn Millionen seien Opfer von deutschen Verbrechen und Terror geworden. Gemessen an der Bevölkerungszahl und dem Gesamtvermögen hat Polen im Zweiten Weltkrieg dem Gutachten zufolge die meisten Toten und die höchsten materiellen Verluste von allen europäischen Staaten zu beklagen.

Der Zeitpunkt des Vorstoßes ist bewusst gewählt, gedachte Polen doch neulich des Warschauer Aufstands von 1944, dessen Beginn sich am ersten August zum 73. Mal jährte.

Die Siegermächte entschieden sich nach dem Zweiten Weltkrieg für einen pragmatischen Umgang mit den Kriegsschäden. So sammelten sie Reparationsforderungen zahlreicher Länder, klagten diese aber nicht vollständig ein. Sie bezweckten damit, eine ähnliche Entwicklung wie nach dem Ersten Weltkrieg zu verhindern, als fast grenzenlose Entschädigungsansprüche der Sieger Deutschland erniedrigten und in den Ruin trieben. Dies trug maßgeblich zum Aufstieg Hitlers bei.

Die wichtigsten Dokumente, die nach Kriegsende Entschädigungen regelten, waren das Potsdamer Abkommen von 1945 und das Londoner Schuldenabkommen von 1953. Ersteres hielt fest, dass die Sowjetunion ihre Reparationsansprüche durch „Entnahmen aus der von der UdSSR besetzten Zone in Deutschland und durch angemessene deutsche Auslandsguthaben“ befriedigen und daraus auch Polen entschädigen solle.

Die Sowjets demontierten einen großen Teil der Industriebetriebe und der Schieneninfrastruktur in Ostdeutschland. Außerdem schlugen die Siegermächte die deutschen Ostgebiete Polen zu, das allerdings sein eigenes östliches Staatsgebiet an die Sowjetunion abtreten musste. Vor diesem Hintergrund gelang es dem deutschen Unterhändler, die Forderungen der Gläubigerländer 1953 im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens auf 14 Milliarden Mark herunterzuhandeln. Die Sowjetunion beendete im gleichen Jahr den Abtransport der Infrastruktur der DDR. Die polnische – allerdings durch die Sowjets eingesetzte – Regierung verzichtete auf weitere Reparationsforderungen.

Geregelt waren die Entschädigungsforderungen damit nicht. Vielmehr wurde die Frage der Reparationen vertagt bis zum Abschluss eines definitiven Friedensvertrags. In der Folgezeit gab es eine Reihe von Regelungen an seiner statt. So erkannte Deutschland 1970 im Rahmen des Warschauer Vertrags die neue Ostgrenze zu Polen an. Am Rande der Verhandlungen über den deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 beschlossen die beiden Länder zudem zusätzliche Zahlungen Deutschlands an seinen Nachbarn und ehemalige Zwangsarbeiter über 2,5 Milliarden Mark.

Das entscheidende Abkommen war allerdings der „Zwei-plus-Vier-Vertrag“, der im März 1991 in Kraft trat. Dieser wurde explizit anstatt eines Friedensvertrags abgeschlossen und regelte ausstehende Reparationsansprüche. Da nur die Großmächte sowie die Vertreter der beiden Deutschland am Tisch saßen, argumentieren polnische, wie auch griechische, Politiker mehrfach, sie hätten keine Stimme gehabt. Dies ist allerdings nicht ganz korrekt, konnte Polen doch seine Forderungen bei den Vorbereitungen zu den Verhandlungen durchaus einbringen.

Es ist aber zu bedenken, dass Polen in dieser Zeit als unabhängiger Staat erst begrenzt handlungsfähig war, befand es sich doch mitten im Prozess der Loslösung von der Sowjetunion. Aus der sowjetischen Besetzung speist sich das weitere Argument der nationalkonservativen Politiker, heute wieder Reparationen zu fordern: Polen habe unter sowjetischem Einfluss keine andere Wahl gehabt habe, als den Schuldenverzicht 1953 zu akzeptieren.