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Die einstigen Notenbank-Chefs Alan Greenspan, Ben Bernanke und Janet Yellen sind dabei, Nobelpreisträger wie George Akerlof, Robert Solow, Robert Shiller und Eric Maskin, die ehemaligen US-Finanzminister Lawrence Summers und George Shultz. Selten in der Geschichte hat ein Umwelt-Aufruf von Ökonomen solche Wucht, so breite Unterstützung gefunden wie dieser: für die Einführung einer Klimasteuer. Um die 3.500 amerikanische Ökonomen haben sich inzwischen angeschlossen, und die Zahl wächst.

Es gibt Ideen, die müssen reifen – und irgendwann ist die Zeit reif dafür. Genau so ist das mit einem Preis auf Kohlenstoff. Wenn der Klimaschutz zum globalen Imperativ wird, dann müssen sich die Preise ändern: Klimaschädliches Handeln muss teurer werden, klimafreundliches im Verhältnis günstiger.

Immer wenn in Deutschland über eine Steuerreform diskutiert wird, ist ein interessantes Phänomen zu beobachten: Irgendjemand macht eine Beispielrechnung auf, wonach eine bestimmte Konstellation individueller Haushaltsmerkmale – eine Familie mit drei Kindern und zwei Autos – zu deutlichen Mehrbelastungen führt. Der Einzelfall wird medial ausgeschlachtet und die Reform ist tot.

Dieses Schicksal droht jetzt der Besteuerung von Kohlendioxid, mit der die Erderwärmung bekämpft werden soll. Das am letzten Freitag vorgestellte Gutachten (zeit.de) des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat gezeigt, dass der Versuch, ökologische und soziale Gerechtigkeit gegeneinander auszuspielen, vor allem eines ist: Ideologie.

Weil aber Reiche meist einen viel größeren ökologischen Fußabdruck hinterlassen – größere Häuser beheizen, größere Autos fahren, mehr fliegen -, trifft sie auch die Klimasteuer überproportional. Ärmere dagegen bekommen mehr zurück, als sie einzahlen. Die kanadische Regierung, die gerade eine ähnliche Steuer einführt, hat den Effekt einmal durchrechnen lassen. Danach werden 70 Prozent der Haushalte nicht zusätzlich belastet, viele dagegen zusätzlich entlastet. Alles auf Kosten derer, die das Klima über Gebühr in Anspruch nehmen. Eine dergestalt aufgezogener Kohlenstoff-Preis muss nicht einmal den Zorn der Wutbürger fürchten. Er belohnt die Genügsamen und belastet die Verschwenderischen.

Der Internationale Währungsfonds wirbt für die Idee, die Weltbank, der Industriestaaten-Club OECD. Unternehmen treten dafür ein, selbst Mineralölkonzerne (sueddeutsche.de 27.02.2019). In Deutschland setzen sich die Wirtschaftsweisen ebenso für CO2-Preise ein wie die Monopolkommission: Sie verlangen für Europa auch einen Preis jenseits des Emissionshandels, der Kraftwerke und Industriebetriebe zum Handel mit CO₂-Zertifikaten verpflichtet. Fehlt nur die Politik!

Das wird schwierig: Schon weil die Steuer je nach Vermögen unterschiedlich Druck ausübt. Wie bei Knöllchen. Ein paar Euro mehr – etwa fürs Fliegen – zu zahlen, wird Betuchtere nicht so treffen, dass sie aus Geldnot auf die Bahn umsteigen – oder vom Großraumschlitten auf ein Oma-Auto. Weniger Betuchte trifft die Steuer stärker, die verursachen aber alles in allem gar nicht so viel CO2.

Das lässt sich durch Ausgleichszahlungen womöglich teilweise auffangen – wenn der Finanzminister die Einnahmen aus der CO2-Steuer per Scheck an Leute mit kleineren Einkommen auszahlt. Nur würde auch das wieder das Tempo des CO2-Abbaus bremsen, wenn zumindest ein Teil des verschickten Gelds doch wieder fürs Autofahren oder Fliegen ausgegeben wird (SPON 10.05.2019).

Die Politik muss die Idee der Steuer und deren Umsetzung nun im Lande „verkaufen“. Nicht ganz einfach:

Was halten die Bürger von der Idee einer CO2-Steuer? Wenig. Im ARD-„Deutschlandtrend“ (noz.de) lehnten 62 Prozent der Befragten den Vorstoß ab, 34 Prozent sprachen sich für die Einführung einer solchen Steuer oder einer ähnlichen Abgabe aus. Zugleich erkennt aber eine große Mehrheit der Befragten großen oder sehr großen Handlungsbedarf beim Klimaschutz.

Die Schweden haben 1991 (morgenpost.de) eine CO2-Steuer eingeführt, gleichzeitig wurden aber andere Steuern gesenkt. Der Einstieg erfolgte auf niedrigem Niveau – bei umgerechnet 24 Euro pro Tonne CO2, inzwischen liegt die Steuer bei 114 Euro pro Tonne CO2. Eine behutsamen Einführung mit schrittweiser Anhebung: Das ist auch der Schulze-Plan.

Dass die Einnahmen aus der Klima-Steuer aber ohne Zweckbindung in den schwedischen Staatshaushalt fließen, wäre hierzulande undenkbar.

Liebe Petra,

dieses Thema beschäftigt mich sehr. Ich würde gerne etwas Heiteres schreiben, aber schaffe es zurzeit nicht.

Immer Radikaler!

Hier ist die Rede von der AfD, die sich in einer Zerreißprobe befindet. Der rechte Flügel der Partei wird immer radikaler. Immer mehr Elemente, die von der NPD – auch von Neonazi-Gruppierungen stammen – sind dabei, die Einheit der AfD zu zersprengen. Wir erleben eine große Destabilisierung der internen Strukturen, die in den Landesverbänden zu Spaltungen führen. Darüber kann sich niemand freuen, weil es bedeutet, dass die Gewalt immer mehr Anhänger findet. Das hat zu einem politischen Mord, wie dem von Walter Lübcke geführt. Es ist schlimm zu sehen, dass die AfD extremistischen Elementen noch immer eine Heimat bietet, auch wenn sie solche Aggressionen verurteilt. Das heißt, dass der Vorstand keine Autorität hat und sich daher überrumpeln lässt. Wenn Anarchie herrscht, gibt es keine Grenzen und noch etwas kommt zum Vorschein: Viele Bürger, die von Haus aus frustriert sind, haben sich für die Provokation entschieden. Nach mir die Sintflut! Wären sie bereit, die Reichskriegsflagge wieder aus dem Keller herauszuholen und Parolen, die dem Stürmer ähneln, zu verkünden? Und mit einer brutalen Art, das „Sieg Heil“ wieder aufleben lassen? Dies mit Pogromen verbunden, um zu beweisen, wer das Sagen hat? Das entsteht, wenn eine Partei wie die AfD, die Zügel aus der Hand lässt. Es wäre in der Tat gut, dass diese Formation, die ich nicht in meinem Herz trage, diese Elemente in die Wüste schickt. Das sind Sie Deutschland schuldig, nicht wahr Herr Gauland?

Der Zweck der Radikalisierung

Im Zentrum – egal ob Mitte-rechts oder Mitte-links – gibt es eine Menge Leute, die schwankend sind, die sich beeinflussen lassen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie ins Rutschen kommen. Das ist heute vor allem der Fall in Frankreich, wo die Republikanische Partei, die ehemalige Gaullisten, im Freifall sind, wie übrigens auch die Sozialisten im linken Spektrum. Einige von ihnen liebäugeln mit Marine Le Pen und sind bereit, mit ihr gemeinsame Sache zu machen. Wie die Ratten verlassen sie das sinkende Schiff, in dem sie Charles de Gaulle verraten. Sie machen gemeinsame Sache mit manchen Radikalen, die den General auf dem Kicker hatten und versucht haben ihn zu eliminieren. Das ist nicht der Fall von einer Mehrheit dieser Partei, aber wie bei der AfD, werden die Mäßigeren in den Zog der Gewalt von Neonazis – auch sie gibt es in Frankreich – gezogen. Der Grund ist der Gleiche wie bei der Weimarer Republik. Das Zentrum glaubt immer noch, dass sie die Totalitären in ihre Tasche stecken können. Dass das Gegenteilige passieren kann, kommt ihnen nicht im Sinn. Die Bourgeois lassen sich von ihrer „glorreichen Vergangenheit“ blenden und sehen nicht ein, dass sie zu den Verlierer gehören. Eine Fehleinschätzung, die zum 2. Weltkrieg geführt hat. Egal ob in Frankreich oder in Deutschland, die schiere Brutalität zieht mehr Leute an, als man denken könnte.

Die Pflege des Feindbilds

Vielleicht ist das der Irrtum der Demokraten – zu denen ich gehöre – das Gute im Menschen hervorzuheben und zu denken, dass die Eintracht und die Brüderlichkeit uns angeboren sind. Das entspricht keinesfalls der Realität. Der Mensch ist wie ein Raubtier, dass, um überleben zu können, jeden zerreißt, der sich in sein Revier wagt. In unserem Fall in Europa sind das die Ausländer und diejenigen, die sich an unseren Reichtum wagen, unsere Frauen vergewaltigen. Das wäre der Urinstinkt, den wir durch unsere Erziehung versuchen zu widerlegen. Ich nenne das Rassismus, Willkür, Grausamkeit. Ein widerliches Benehmen, das ich schärfstens verurteile. Aber um diese Neigungen zu bekämpfen, kann ich mir keine Illusionen machen, wie rachsüchtig der Mensch ist. Wenn er freie Zügel hat – wie unter Hitler – ist es kein Wunder, dass Schöngeister zu Bestien werden. Toleranz ist ein ständiger Kampf mit sich selbst, das sollen wir uns einpauken. Vielleicht macht uns das Wunschdenken einer besseren Gesellschaft irgendwie blind. Um die Nazis zu bekämpfen, können wir keine Samthandschuhe nehmen und wir müssen bereit sein zurückschlagen. Die andere Backe zu reichen, ist eine Symbolik, die sie nicht kapieren können. Und kommt mir nicht mit der These, dass jeder Mensch auch gut sein kann. Nein, das sind sie nicht – das sollten wir uns endlich einprägen.

Für die Einen bedeutet Gewalt, Freiheit

Um zu kapieren, wie die Extremisten ticken, muss ich auf den Begriff Freiheit zurückkommen. Viele verwechseln ihn mit Macht, was ich für einen Irrtum halte. Wer das Sagen hat, ist nicht unbedingt frei. Sehr viel mehr derjenigen, die sich um sie scheren, sie ablehnen, auch wenn man unter einer Brücke landet. Aber was ich hier referiere stimmt nicht für die Halbstarken, die die Ansicht vertreten, dass alleine der Terror sie von ihrer Minderwertigkeit befreien kann. Indem sie diejenigen verfolgen, die sie in Frage stellen, haben sie den Eindruck, ihrem Willen freien Lauf zu geben. Das haben sowohl die Nazi als auch die Kommunisten angewandt, um ihre Truppen zu motivieren. Verlierer wurden zu Helden gemacht und je brutaler sie waren, desto angesehener wurden sie. Was jetzt passiert ist leider eine Wiederholung. Nicht der Geist und der Verstand zählen, nur die Fäuste. Das scheint in den neuen Bundesländern zu funktionieren. Das Volk lässt sich von den schlimmsten Gestalten einfangen, weil sie sich vor ihnen fürchten. Das ist wie in einem Western, bei dem die Schurken eine ganze Stadt nötigen. Das Gleiche galt für die „Befreier“ des IS oder heute noch für die Taliban. Nicht anders funktionieren die Neonazis oder die Neofaschisten. Die Faszination des Stärkeren – auch wenn sie eine Fata Morgana ist – hat immer die Schwächeren angezogen, deswegen gilt es, solche Strömungen im Keim zu ersticken. Aber mit den Politikern, die uns zur Verfügung stehen, ist eine harte Methode verpönt, weil sie den Kodex einer falsch interpretierten Toleranz verletzt. Wenn es um den Tod von Unschuldigen geht, pfeife ich auf gute Manieren!

 

Das Gedicht

 

Er war wohl erzogen, entstand aus

einer wohlhabenden Familie, aus der

viele Akademiker stammen. Er wurde

Doktor der Philosophie, spielte Klavier,

vor allem Bach, der ihn beflügelte. Er

trat in eine studentische Verbindung ein,

wurde ein glühender Nationalist und

wenn er besoffen war, zerbrach er

die Schaufenster der Juden, nötigte

sie, indem er sie zwang, mit ihrer Zahnbürsten

den Gehsteig zu reinigen. Und wer sich

widersetzte, wurde bespuckt.

 

Er war wohl gebildet, las Immanuel Kant,

konnte die Hintergründe seiner Philosophie

erklären. Er vertrat die Meinung, dass nur durch

Züchtigung, das deutsche Volk der Rasse

der Übermenschen angehören könnte.

Er wurde Offizier der Waffen-SS, wurde nach

Warschau verfrachtet, um dort Ordnung herrschen

zu lassen. Er nahm an Säuberungen teil,

erschoss diejenigen, die er die Ratten nannte.

Sagte ihnen vor dem Gnadenschuss, dass es

für sie eine Ehre sei, sich von einem Akademiker

töten zu lassen. So war es…

 

Er war wohl menschlich, als er vor dem Gericht

stand, weil er in seine Hose machte. Schuldig

war er nicht, der gebildete Akademiker, aber die

Schurken des Regimes. Er flehte den Richter an,

Milde zu zeigen. Unter Doktoren sollte der Geist

siegen, nicht die Rache. Auch behauptete er, einen

Juden gerettet zu haben, Widerständler fliehen

gelassen zu haben. Aber nichts nützte, der Galgen

erwartete ihn, den feinfühligen Intellektuellen, der

Kant gut kannte und Bach liebte. Die deutsche

Kultur an einem Strick baumeln zu lassen,

welch eine Verschwendung, oder?

 

Alles Liebe, Petra.

Ich umarme dich!

 

Pierre

//pm

Der Weltraum sei ein „neuer Bereich der Konfrontation“, sagte Macron (web.de). Er habe eine Änderung der Militärdoktrin genehmigt, die „uns in die Lage versetzten wird, uns im Weltraum und aus dem Weltraum zu verteidigen“. Dabei gehe es auch um einen besseren Schutz französischer Satelliten. Die Luftwaffe werde bald zur Luft- und Weltraumwaffe, sagte der Präsident und kündigte entsprechende Investitionen an.

US-Präsident Donald Trump hatte im Dezember die Bildung des „United States Space Command“ angeordnet. Auch Staaten wie Russland, China und Indien bauen ihre Fähigkeiten für Weltraumkriege aus.

Nach den USA, Russland und weiteren Staaten steigt jetzt auch Frankreich in das Wettrüsten im Weltraum ein.

Die Nato hatte im Juni erstmals eine Weltraum-Strategie beschlossen (t-online.de). Damit will sich das Militärbündnis darauf einstellen, dass Kriege künftig auch im Weltraum entschieden werden könnten – zum Beispiel durch Angriffe auf strategisch wichtige Satelliten oder einen Einsatz von Waffen im All.

Der Aufbau einer gemeinsamen europäischen Verteidigung in Verbindung mit der Nato habe für Frankreich Priorität und sei der rote Faden der Feierlichkeiten an diesem 14. Juli, erklärte Macron. Die Fähigkeit zum gemeinsamen Handeln zu stärken, sei eine Herausforderung, welche die Europäische Interventionsinitiative angehen möchte. „Noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Europa so notwendig“, so der französische Staatschef (tagesspiegel.de).

Auch 500 Soldaten der Deutsch-Französischen Brigade marschieren in diesem Jahr bei der Parade in der französischen Hauptstadt mit.

Dem rein europäischen militärischen Bündnis haben sich bisher zehn Staaten angeschlossen. Den Vorschlag für die Interventionsinitiative hatte Macron gemacht. Er will mit dem Bündnis auch sicherstellen, dass die Atommacht Großbritannien nach dem geplanten EU-Austritt Teil einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft bleibt.

Ein Grund für die verstärkte Beschäftigung mit dem Thema Weltraum ist, dass die Nato immer mehr von Technik im All abhängig ist. Über Satelliten läuft die Kommunikation bei Militäreinsätzen, sie werden zur Aufklärung und Spionage sowie für Navigationssysteme genutzt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Angriff auf Satelliten der Nato-Staaten ihre Verteidigungsfähigkeit einschränken könnte.

Acht Milliarden Dollar sollen in den nächsten fünf Jahren in den Aufbau der Nato-Weltraum-Truppe investiert werden. Es sei nicht genug, amerikanische Präsenz im Weltraum zu haben, man brauche amerikanische Dominanz. Der Weltraum sei einst friedlich und unbeansprucht gewesen, nun sei er voll und gegnerisch (sueddeutsche.de 10.08.2018). Die neue Truppe soll von einem Vier-Sterne-General geleitet werden und unter anderem die Fähigkeit haben, gegnerische Weltraum-Aktivitäten zu behindern und zu zerstören.

An der traditionellen Militärparade auf den Champs-Elysées nahmen mehr als 4.000 Soldaten teil – unter ihnen auch Angehörige der deutsch-französischen Brigade. Frankreichs Staatspräsident Macron hatte im Vorfeld erklärt, er wolle ein Zeichen für das Europa der Verteidigung setzen.

Ein wichtiger Grund für die stärkere Beschäftigung mit dem Thema Weltraum ist, dass die Nato immer mehr von Technik im All abhängig ist. Über Satelliten läuft die Kommunikation bei Militäreinsätzen, sie werden zur Aufklärung und zur Spionage und als Navigationssysteme genutzt. Das bedeutet natürlich auch, dass ein feindlicher Angriff – beispielsweise aus Russland oder China – auf Satelliten der Nato-Länder ihre Verteidigungsfähigkeit einschränken könnte. Hinzu kommt aber auch, dass feindliche Angriffe auf Satelliten im Fall eines Krieges genutzt werden können, um Teile des öffentlichen Lebens lahmzulegen. Neben dem Nato-Staat USA haben zuletzt vor allem Länder wie Russland, China und Indien ihre Fähigkeiten für Weltraumkriege ausgebaut.

Das „Säbelrasseln“ hat uns wieder. Nach US-Präsident Trump am 4. Juli in den USA hat nun auch Präsident Macron den französischen Feiertag genutzt, um militärische Stärke zu zeigen.

Niemals darf unterschätzt werden, was im Unterbewussten geschieht und selbstverständlich vordergründig von den Betroffenen nicht wahrgenommen wird. Wie denn auch? Sie leiden an einer bipolaren Persönlichkeitsstörung und wer gibt das schon gerne zu? Vielleicht begann das alles in der Kindheit mit Essstörungen, Magersucht oder anderen Auffälligkeiten und vielleicht vererbte es das eine oder andere Elternteil weiter oder es liegt einfach in der Familie. Es gibt so unendlich viele verschiedene psychische Störungen und allzu schnell wird dem Gegenüber salopp eine egomanische Psychose oder so etwas angedichtet oder man wundert sich täglich über das absurde Verhalten eines Nächsten. Wo aber tatsächlich der genaue Unterschied zwischen Grenzüberschreitung, überzogenem, modernen Egoismus und respektlosem Nicht-Einhalten von einer gesunden Distanz und einer echten psychischen Störung liegt (hier: Manische Störung oder -Depression), ist nicht immer einfach. Bei längerem Hinsehen erkennen wir typische Alarmsignale, wie z. B.

–  übersteigerte Aktivität (stets finden sie was Neues, an was sie rumbasteln      müssen)

–  auffällige Unruhe, ständiger Aktivismus (der/ die muss immer irgendwas     wurschteln)

–   gesteigerte Leistungsfähigkeit und Kreativität (sieht aber nur so aus)   

–  ins Maßlose gesteigerte Selbstbewusstsein (hat alles im Griff, erscheint dominant)

–  Realitätsverlust (der Wahrheit wird nicht auf den Grund gegangen, Gerüchte und Vermutungen sind wichtiger)

– deutlich vermindertes Schlafbedürfnis

– Distanzlosigkeit im Umgang mit anderen Menschen (sie vereinnahmen andere Reviere)

– Enthemmung (sie plappern über alles Eklige bis Widerliche oder ihre Intimsphäre)

– verminderte Rücksicht (breiten sich überall aus, als seien sie alleine)

– verminderte Gefahrenwahrnehmung (oder Überängstlichkeit, wagen sich nicht mehr aus dem Haus)

– mangelnde Sensibilität für die Bedürfnisse und Gefühle der Mitmenschen (merken nicht, wenn sie penetrant vor deiner Nase herum agieren)

– manchmal Vernachlässigung von Nahrungsaufnahme und Körperhygiene (oder Fressattacken und extreme Pingeligkeit. Schrubben sogar die Bodenfugen).

Fakt ist, dass alle manisch Erkrankten unter einer Distanzlosigkeit leiden. Sie fangen mehrere Dinge an, finden kein Ende in ihrem Schaffen (ihnen fällt garantiert immer etwas Neues ein), verfallen oft sogar in einen exzessiven Kaufrausch, der ihre finanziellen Verhältnisse übersteigt. Dabei sammelt sich der ganze Kram überall in jeder Ecke, was zu einer Ausbreitung und Übergriff auf andere „Reviere“ führt. Gedanken machen sich die Manischen allerdings nicht, für sie ist das normal, sie sind sich keiner Schuld bewusst und geben eher den Anderen als sich selbst die Schuld. Dann sind sie mitunter schwer beleidigt und fühlen sich in ihrer Persönlichkeit gekränkt (mangelndes Selbstwertgefühl).

Der Umgang mit manischen Personen ist schwer. Oft bleibt einem nur der Rückzug, die klare Abgrenzung, denn jegliche Form eines konstruktiven Gesprächs wird scheitern. Zwar plagen sie insgeheim das schlechte Gewissen und Schuldgefühle, aber es löst nicht ihre vorhandene, bipolare Störung. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Forscher herausgefunden haben, dass offenbar die Gene verantwortlich sind und so ist es nicht verwunderlich, dass sich psychische Störungen innerhalb einer Familie häufen (z. B. Vater/ Sohn, Mutter/ Tochter). Das Schlimme an dieser Erkrankung ist, dass die Betroffenen sich selbst durchaus gesund fühlen und keinen Grund sehen, ihr Verhalten ändern zu müssen. Ihre Mitmenschen und das Umfeld allerdings haben keine andere Wahl, als kopfschüttelnd mit echtem Mitgefühl das Weite zu suchen. Übrig bleiben dann nur ganz wenige und das Ganze führt in jedem Fall in die soziale Isolation der manisch Kranken. Tja – wie so oft – die Psyche…

 

© Petra M. Jansen

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Neue Regierung, neue Forderungen! Der alte Zankapfel zwischen Griechenland und Deutschland: die Reparationsforderungen.

Ein Bundestagsgutachten zu den griechischen Forderungen nach Reparationen für Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg kommt zu dem Schluss, dass die Haltung der deutschen Regierung, alle Zahlungen abzulehnen, zwar „völkerrechtlich vertretbar, aber keineswegs zwingend“ sei. Das im Auftrag der Linken erstellte Gutachten empfiehlt Berlin den Gang zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag, um Rechtsklarheit zu schaffen. Zu diesem Schritt müsste sich die Regierung aber freiwillig bereit erklären, weil der Streitfall mehr als 70 Jahre zurückliegt. Athen hatte Berlin Anfang Juni offiziell mit einer diplomatischen Note zu Verhandlungen aufgefordert. Eine griechische Kommission hat die Summe der von Deutschland verursachten Kriegsschäden auf 290 Milliarden Euro geschätzt. Offen ist, wie sich die neue konservative Regierung hier verhalten wird. Premier Kyriakos Mitsotakis will im August zu einem ersten offiziellen Besuch nach Berlin reisen.

Es ist nun nicht so, dass Deutschland gegenüber Griechenland nichts geleistet hätte. Da ist zum einen das Pariser Abkommen von 1946, in dem die westlichen Alliierten sich auf Grundzüge der Reparationen geeinigt hatten. Aus diesem Topf erhielt Griechenland deutsche industrielle Güter im Wert von 25 Millionen Dollar (heute gut 300 Millionen Dollar). Dazu kam ein bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und Griechenland aus dem Jahr 1960, in dem sich Berlin zur Zahlung von 115 Millionen D-Mark (zum heutigen Wert rund 260 Millionen Euro) an Griechen verpflichtete, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geworden waren.

Doch das war aus griechischer Sicht keine umfassende Lösung. Griechenland gehörte auch zu den Vertragsstaaten des Londoner Abkommens über deutsche Auslandsschulden von 1953. Darin hieß es, dass man die Frage der Reparationszahlungen so lange zurückstelle, bis es einen Friedensvertrag gebe. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es zunächst nur eine bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Wegen der Teilung Europas kam es dann zu keinem eigentlichen Friedensvertrag. Dies änderte sich mit dem Zwei-plus-vier-Abkommen über die deutsche Wiedervereinigung 1990. Dieses war einerseits von der BRD und der DDR, anderseits von den USA, der Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien unterschrieben worden. Es regelte anstelle eines Friedensvertrags alle Fragen der Vergangenheit bezüglich Deutschland. Und dazu zählt die deutsche Regierung auch diejenige der Reparationen.

Griechenland war zwar nicht am Zwei-plus-vier-Vertrag beteiligt, doch unterzeichnete es mit anderen Staaten 1990 die Charta von Paris für ein neues Europa. Darin heißt es im Kapitel zur deutschen Einheit: „Wir nehmen mit großer Genugtuung Kenntnis von dem Zwei-plus-vier-Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“. Aus diesem Passus leitet Berlin ab, dass Griechenland stillschweigend auf weitere Reparationen verzichtet habe.

Pikant ist eine Aussage des früheren Bundeskanzlers Ludwig Erhard aus dem Jahr 1965. Damals soll er der griechischen Regierung in Aussicht gestellt haben, eine „Zwangsanleihe“ zurückzuzahlen (nzz.ch), sobald die deutsche Wiedervereinigung unter Dach und Fach sei. Die „Zwangsanleihe“ hatte das Deutsche Reich Griechenland 1942 auferlegt, um die Besatzungskosten zu finanzieren. Bei Kriegsende betrug die Restschuld 476 Millionen Reichsmark, was laut einer Berechnung aus dem Jahr 2012 rund 8,25 Milliarden Dollar entsprechen würde.

Wie bereits erwähnt: Der Wissenschaftliche Dienst empfiehlt: „Rechtsklarheit ließe sich dadurch erreichen, dass der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag über eine entsprechende Klage entscheidet – zu einem solchen Verfahren könnte es aber nur dann kommen, wenn sich die Bundesregierung der IGH-Gerichtsbarkeit ad hoc freiwillig unterwerfen würde, weil der Sachverhalt vor der im Jahre 2008 getätigten generellen Unterwerfungserklärung Deutschlands liegt, die ausdrücklich erst ab dem Datum der Erklärung Wirkung entfaltet“.

Versuche Hinterbliebener griechischer Kriegsopfer, vor den Gerichten individuelle Entschädigungen zu erstreiten, hatten bisher keinen Erfolg. Zehntausende Klagen griechischer Geschädigter vor deutschen Gerichten wurden in den 1990er Jahren abgewiesen (handelsblatt.com 18.04.2019).

Wie wird sich die neue griechische Regierung positionieren?!

Die Radikalisierung ist ausgeblieben, auch wenn es in Athen immer wieder zu Großdemonstrationen gekommen ist. Woran es liegt, dass sich die Griechen in all dem Schlamassel ihre Zivilität bewahrt haben, ist schwer zu sagen. Vielleicht haben sie in ihrer wechselvollen Geschichte einfach erfahren, dass sich die Versprechen der Populisten am Ende als genau das erweisen: Versprechen, die am Ende doch nicht eingelöst werden.

Es ist in den vergangenen Jahren in Deutschland oft davon die Rede gewesen, was die Griechen wirtschaftspolitisch angeblich von Deutschland lernen können. In Sachen Demokratie können wir womöglich von ihnen etwas lernen.

Die Frage drängt sich auf, als die Politik die Ursache der Krise war. Sie gründet auf dem System des Klientelismus, das sich nach der Obristendiktatur 1974 etablierte. Die Parteien regulieren den Zugang zu Stellen und Aufträgen und fordern dafür Loyalität und Gehorsam. Diese Herrschaftsform ist im Kern vormodern, sie ist aber flexibel und lässt sich anpassen, wo unabhängige Institutionen schwach sind. Zwingend ist dagegen der Unterhalt eines großen öffentlichen Sektors, nicht zur Herstellung öffentlicher Güter, sondern als Versorgungsreservoir für die Wähler.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras muss gehen – die Wähler in dem krisengeschüttelten Land haben sich bei der Parlamentswahl klar für die konservative Partei Nea Dimokratia entschieden. Die Partei von Kyriakos Mitsotakis erzielte am Sonntag laut griechischem Innenministerium 39,8 Prozent (2015: 28,0 Prozent). Im 300-köpfigen Parlament bedeutet das die absolute Mehrheit von mindestens 154 Sitzen, weil der Wahlsieger zur Vereinfachung der Regierungsbildung 50 Sitze zusätzlich erhält. Die linke Partei Syriza von Alexis Tsipras kam auf 31,5 Prozent (2015: 35,5 Prozent) (welt.de).

Kyriakos’ Vater Konstantinos war Anfang der neunziger Jahre Ministerpräsident, seine Schwester Dora Bakogianni Außenministerin und zuvor Bürgermeisterin von Athen. Dieses Amt hat seit Juni nun auch Doras Sohn Kostas, Kyriakos’ Neffe, inne. Angesichts des zwiespältigen Rufs, den die mächtigen Familienclans im Land genießen, ist laut Mitsotakis ein berühmter Nachname für eine Politikerkarriere Fluch und Segen zugleich (nzz.ch). Die politischen Wurzeln der Familie aus Kreta reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Ein Großonkel regierte das Land Anfang des 20. Jahrhunderts. Mitsotakis‘ Vater war auch schon Premier. Dem alten politischen Establishment wird die Hauptverantwortung für die Staatsschuldenkrise und ihre Verwerfungen zugeschrieben.

Das Erbe, das Mitsotakis´ linker Vorgänger hinterlässt, erlaubt keine Schonfrist. Griechenland konnte unter Tsipras zwar aus dem Schatten des europäischen Rettungsschirms treten, aber die Kreditgeber haben immer noch ein Auge auf Athen, sie kommen regelmäßig zu Kontrollgängen. Von ihrem Urteil hängt ab, ob Athen zum Beispiel mit den Gewinnen der Europäischen Zentralbank aus griechischen Staatspapieren rechnen kann. Mitsotakis will das Parlament über die Sommerpause hinweg arbeiten lassen. Das ist auch nötig, weil keineswegs gewiss ist, dass Griechenland 2019 den von der EU verlangten Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaften wird. Die Steuereinnahmen blieben zuletzt hinter den Erwartungen zurück, das Wachstum ist zu gering. Tsipras hat vor der Wahl eine „soziale Dividende“ verteilt, Geld für Rentner vor allem, und die Mehrwertsteuer gesenkt.

Gemessen werden wird Mitsotakis wohl daran, ob er seine wirtschaftlichen Wahlversprechen erfüllen kann: das Wachstum anzustoßen, damit neue Jobs entstehen, das verfügbare Einkommen der Bevölkerung zu erhöhen und jungen Griechen auch im eigenen Land wieder eine Perspektive zu bieten. Die hierfür notwendigen Steuersenkungen sollen über Effizienzsteigerungen im Staatsapparat und später durch das hoffentlich anziehende Wachstum finanziert werden.

Die Wirtschaftspolitik der Regierung in Athen wird weiter von Brüssel aus überwacht werden. Schließlich haben die Griechen Kredite in Milliardenhöhe erhalten, deren Rückzahlung noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Die Europäer haben ein Interesse daran, dass sie dieses Geld zurückbekommen. Das ist auch legitim. Es darf aber nicht dazu führen, dass das Land noch einmal mit überzogenen Sparanforderungen konfrontiert wird.

Sonst ist vielleicht irgendwann auch die Geduld der Griechen zu Ende.

Schaut man einmal etwas hintergründiger in die Betriebs-Hierarchien und  -Strukturen, finden viele Beschäftigte das vor, was es eigentlich gar nicht geben sollte. Kollektiver Unternehmenskultur und der Arbeit von Betriebsräten zum Trotz rotzen sie sich hinter verschlossenen Bürotüren aus über die Kumpels und Kollegen, das es einem übel wird. Eigentlich ist das kein unbekanntes Thema, dass sich viele Arbeitnehmer in Betrieben nicht wohlfühlen und psychische Erkrankungen, depressive Arbeitswochen oder die innere Kündigung  Begleiterscheinungen sind. Wer kennt diese Situation nicht? Zickenkrieg, die Eine gegen die Andere, mit der sie eben gerade gestern gegen die Vorherige hergezogen hat. Direkte Augenkontakte werden vermieden, es erfolgt oft nur ein kurzer Blick –  der notwendigen Höflichkeit halber. Vorgesetzte, die ihre Trümpfe ausspielen und Machtausübung mehr als gerne demonstrieren. Sie sagen mindestens fünfmal pro Jahr, wo der Hammer hängt, w e r eigentlich ranghöherer  ist und drücken dir eins unter die Weste, denn DU hast garantiert nichts zu sagen. Sicherlich, Regeln muss es geben, aber dann besser ein Regelwerk mit fairen Mitteln und nicht ein offensichtliches Ausnutzen und Unterbuttern, um selbst im gleißenden Lichterglanz zu erscheinen. Vorne wird gelächelt, hinten an deinem Stuhl gesägt. Brutale Wirtschaft heutzutage, bei der jeder beliebig austauschbar ist und sobald jemand kommt, den man leichter zurechtkneten kann, der die Klappe hält und sich artig wie ein Dackel dem ganzen falschen Schmodder unterordnet, wird gefeuert und die Verträge neu sortiert.

Tragisch, wenn das Betriebsklima dermaßen gelitten hat, dass sich eine Cliquenwirtschaft bildet und alle innerhalb dieses Konstrukts so derbe über andere vom Leder ziehen, ohne sich überhaupt für ein konstruktives Miteinander einsetzen zu wollen. Nein, das wäre ja auch gar nicht so spannend und würde auch gar nicht das elendige, zerstörerische Ego der Intriganten befriedigen. Die wollen es nämlich so! Stets auf Kosten der Schwächeren, der Untergeordneten, die in ihren Augen frech, unfähig, arrogant oder unhöflich sind. Nur kein Lob und keine aufmunternden Worte zu „Niedrigrängigen“, dazu bedürfte es nämlich tatsächlich innere, menschliche Stärke und den festen Willen, etwas Positives bewegen zu wollen. Es gilt also die altbekannte Hackordnung und wenn man das heimtückisch hintenrum tun kann, warum nicht?

In einigen Betrieben sind auffällig viele Mitarbeiter über eine lange Zeit krankgeschrieben und die Zahl der Krankheitstage ist hoch. Beschäftigte spüren sehr schnell in welchen Firmen es loyal und fair zugeht und mit ein wenig Menschenkenntnis ist es nicht allzu schwer herauszufinden, ob in diesem Betrieb „Corporate Communication“ tatsächlich gelebt wird oder das eine nur nach außen getragene Farce ist. Die Gehaltszahlungen alleine machen noch keinen glücklichen Mitarbeiter. Erst an dem Platz, an dem sich Beschäftigte akzeptiert und motiviert fühlen, ein echtes „Wir-Gefühl“ kontinuierlich gelebt oder angestrebt wird, ist es ein Arbeitsplatz zum Wohlfühlen.

Überall dort wo die reine Wirtschaftlichkeit/ die Profitabilität im Vordergrund stehen und übergeordnete Beteiligungsgesellschaften die Hand aufhalten, sind die starren Hierarchien dieser „Gebilde“ oftmals ein Nährboden für Mobbing, schlechte Mitarbeiterführung und ein krankes Betriebsklima. In kleineren, innerhabergeführten Betrieben sind die Kommunikationswege kürzer und es ist gerade hier extrem wichtig, dass alle Beschäftigten an einem Strang ziehen und sich gegenseitig unterstützen. So liegt der Schluss nahe, dass sich Mitarbeiter im Großindustrie-/ Wirtschafts-Segment nicht mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und mehr an einem sicheren Arbeitsplatz mit gutem Lohnausgleich als an ethischem, kollegialem, sozialem Arrangement interessiert sind. Ist die Industrie rücksichtslos, so sind es auch die Leute, denen man die Macht in die Hand gibt. Eine kluges Management bedeutet auch immer Augen und Ohren offen zu halten und vielleicht sogar einmal die Putzkolonne zu befragen, den Gärtner, die Außenstehenden, die oftmals einen recht klaren und abgelösteren Blick auf die Missstände, Stimmungen und den Vorgängen hinter den Kulissen haben. Irgendwie sollte sich das alles aber längst herumgesprochen haben und deshalb ist es umso verwunderlicher, dass hochbezahlte Manager für die Basis blind geworden sind. Dabei kostet der Ausfall durch Krankheit jedes Jahr Milliarden – dem betrieblichen Gesundheitsmanagement zum Trotz.

 

© Petra M. Jansen

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Der italienische Wirtschaftswissenschaftler Mario Draghi war der Erste im Amt, der in seiner achtjährigen Amtszeit nicht ein einziges Mal den Leitzins erhöht hat. Stattdessen hat er das Geld immer billiger und lockerer vergeben. Der scheidende EZB-Präsident hinterlässt seiner designierten Nachfolgerin Christine Lagarde daher ein schweres Erbe. Der Zustand der EZB im Jahr 2019 gleicht einem zum Zerreißen gespannten Seil. Der Leitzins in der Euro-Zone liegt seit Jahren bei null Prozent. Der Strafzins auf Guthaben der Banken in Höhe von 0,4 Prozent raubt den Instituten einen Teil der Profite. Durch Anleihekäufe pumpte die EZB 2,7 Billionen Euro ins Finanzsystem.

Künftig werden die beiden mächtigsten Notenbanken der Welt von Juristen geführt: die US-Notenbank (Fed) seit Februar 2018 von Jerome Powell und die EZB ab November voraussichtlich von Christine Lagarde. Beide wurden exzellenten Ökonomen vorgezogen und verdanken ihre Ernennung vor allem politischen Erwägungen.

Draghi ist der Kopf hinter der obigen geldpolitischen Revolution, solche Maßnahmen hat es in der noch sehr jungen Geschichte der Notenbank noch nie gegeben. Europas Wirtschaft, die Immobilienmärkte und Börsen profitierten von der Geldschwemme. Dennoch scheint kaum jemand so richtig zufrieden zu sein mit dem Status quo. Den einen ist Draghis Geldpolitik viel zu locker, den anderen geht sie immer noch nicht weit genug. Staaten mit hohen Schulden wie Italien brauchen billiges Geld, bei anderen wie Deutschland ist der Nutzen geringer.

Dass sie große internationale Organisationen führen kann, hat Lagarde seit 2011 beim IWF mit seinen 189 Mitgliedsstaaten gezeigt. Sie hat dem Fonds zu neuem Ansehen verholfen, nachdem ihr Vorgänger Dominique Strauss-Kahn wegen einer peinlichen Sexaffäre gehen musste. Sie hat auch dafür gesorgt, dass der Fonds bei seinen Hilfsprogrammen zur Stabilisierung von in Zahlungs- und Finanzschwierigkeiten steckenden Staaten mit weniger harten Auflagen agierte.

Experten gehen davon aus, dass sie die lockere Geldpolitik unter EZB-Präsident Mario Draghi zunächst fortsetzen wird (businessinsider.de). Diese wurde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unter Lagardes Führung stets positiv kommentiert. Die Aufgaben für die erste gelernte Juristin an der Spitze der EZB in der achtjährigen Präsidentschaft sind enorm. Die Französin erbt eine Wirtschaft in schwacher Verfassung und eine Inflationsrate, die seit Jahren hartnäckig unter der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent verharrt. Und mit Leitzinsen auf historisch niedrigem Niveau sowie billionenschweren Anleihenkäufen ist das geldpolitische Arsenal der Euro-Notenbank bereits sehr weit ausgereizt.

Die Gefahr, dass die EZB unter Lagarde zu stark in politische Fahrwasser geraten könne, sehen die meisten Experten nicht. NordLB-Chefvolkswirt Christian Lips geht davon aus (a.a.O.), dass sie die Unabhängigkeit der Notenbank verteidigen wird. Ihre Durchsetzungsfähigkeit habe sie mehrfach unter Beweis gestellt.

Die wirtschaftliche Ausgangslage der Eurozone als Ganzes ist heute besser als bei Draghis Amtsantritt 2012. Die Arbeitslosenrate ist von über 12 Prozent auf unter 8 Prozent gefallen und liegt nun nahe beim Tiefstand aus 2008. Seit 2013 wächst die Wirtschaftsleistung ohne Unterbrechung. Aber die politische Stimmung hinkt der wirtschaftlichen Lage hinterher. Europa ist politisch zerrissen (H. P. Grüner in private-banking-magazin.de). Das gilt einerseits länderübergreifend, mit einem Konflikt über den finanzpolitischen Kurs, und andererseits national, mit mehreren fragilen Koalitionsregierungen ohne kohärentes Konzept.

Die Nominierung der Französin als EZB-Chefin sorgt in den hoch verschuldeten Euro-Ländern für Aufatmen. Mit der neuen Notenbankerin könnte sich die Zentralbank noch stärker an der Finanzierung der Staatshaushalte beteiligen.

Noch ist nichts beschlossen. Bisher ist Christine Lagarde nur nominiert für den Posten der Präsidentin der Europäischen Zentralbank. Doch die Reaktionen an den Finanzmärkten sind bereits eindeutig. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Personalie sanken die Renditen für italienische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit um rund einen Zehntelprozentpunkt, für spanische war der Abschlag ähnlich, und auch die Zinsen, die Griechenland bezahlen muss, gaben weiter nach (welt.de).

Wir danken „Super Mario“ für – bei aller Kritik – doch stabile und gute Arbeit.

Europa geht es dem Grunde nach gut.

Und das ist das, was zählt!

Jetzt werden die Karten, eventuell unter Lagarde, neu gemischt.