Die Rechtspopulisten haben sich festgesetzt in Nordeuropa. Die Wahl in Schweden hat gezeigt, wie ratlos andere Parteien dem gegenüberstehen. Es ging nicht mehr darum, wer gewinnt, Sozialdemokraten oder Moderate, sondern wer weniger an die rechten „schwedischen Demokraten“ verliert.

Das hat die Kandidaten gelähmt, sie zu wenig Neues wagen lassen. Stattdessen haben sie Themen durchgekaut, die die Schwedendemokraten vorgaben, und ihnen das beste Ergebnis ihrer Geschichte beschert.

In Skandinavien haben sie schon fast alles probiert, um die Anti-Einwanderungs-Parteien ins politische System einzuordnen: Als Regierungspartei in Oslo, als Stütze des Premiers in Kopenhagen, als Geächtete in Stockholm. Nichts scheint ihren Erfolg zu brechen. Sie haben sich etabliert.

In Stockholm haben die anderen Parteien lange vermieden, über dieselben Themen zu sprechen wie die Schwedendemokraten. Nun haben sie im Wahlkampf das genaue Gegenteil versucht.

Dabei konnten sie in den Nachbarländern sehen, was passiert, wenn man dieselben Argumente wie die Rechtspopulisten benutzt: Man bestätigt sie, nimmt ihnen aber keine Stimmen ab. Sozialdemokraten und Moderate haben darüber ihre eigenen Wähler vergessen, die Alternativen statt einfacher Antworten wollten. So wird man zu Verlierern.

Der Totalabsturz der Sozialdemokraten ist ausgeblieben, der Aufstieg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten mit knapp 18 Prozent nicht ganz so hoch ausgefallen wie befürchtet. Alles wie immer? Mitnichten!

Aus einem Grund ist diese Wahl eine Zäsur. Die traditionell starken Sozialdemokraten haben ihr schlechtestes Ergebnis seit mehr als 100 Jahren (tagesschau.de) eingefahren und gerade ihre einstigen Hochburgen im Norden Schwedens verloren.

Mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten will niemand etwas zu tun haben – ein Fünftel der Wählerstimmen ist damit kalt gestellt. Sowohl die konservativen Moderaten wie auch die Sozialdemokraten haben vor der Wahl jede Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten abgelehnt.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder vergisst die Allianz ihre gute Vorsätze und setzt sich doch mit der Partei von Jimmie Ákesson an einen Tisch. Das scheint angesichts der Vorbehalte gegenüber der Partei, die ihre Wurzeln neo-nazistischen Milieu hat und ihren Abgeordneten mitunter auch rassistische Parolen durchgehen lässt, schwer vorstellbar – jedenfalls jetzt.

Die andere Möglichkeit wäre das Ende der Blöcke und die Bildung einer Koalitionsregierung aus Parteien, die dann zusammen die Mehrheit haben. Die Sozialdemokraten selbst brachten diese Möglichkeit am Wahlabend auf. „Die Parteivorsitzenden müssen mit dem brechen, was sie vor der Wahl gesagt haben“, so Anders Ygeman, Fraktionschef der Sozialdemokraten.

Wer Schweden künftig regieren kann, scheint völlig unklar. Eine Regierungsbildung wird sich schwierig gestalten, denn keiner der traditionellen Blöcke will eine Koalition mit der für ihre rechtsextremistischen Wurzeln und strenge Einwanderungspolitik kritisierten Partei eingehen.

Die Blockpolitik hatte in Schweden seit dem Zweiten Weltkrieg stets zu einer schnellen Regierungsbildung verholfen. Entweder lag der linke Block – angeführt von den Sozialdemokraten – oder der bürgerliche Block mit den Moderaten an der Spitze vorne. Die schwedische Verfassung hat eine Besonderheit, die Minderheitsregierungen möglich macht. Denn gewählt ist die Regierung, die keine Mehrheit gegen sich hat. So ist also zur Bildung einer Regierung keine absolute Mehrheit notwendig.

Wenn die Schwedendemokraten mitmischen bei der künftigen Regierung: Was kommt dann? Ein schwedischer Kolumnist hat Ákesson wegen dieser unverfrorenen Widersprüchlichkeit einmal „Schwedens Fettarme-Milch-Version von Donald Trump“ (sueddeutsche.de) genannt. Ákesson erweckt den Anschein, als ließe sich alles miteinander vereinen: Fremdenfeindlichkeit mit der Freundschaft zum syrischen Pizzabäcker, Steuersenkungen mit höheren Sozialleistungen, den EU-Austritt mit einer florierenden Exportwirtschaft, Vielfalt mit Einfalt.

Wer die Schwedendemokraten wählt, bekommt daher das Gefühl, sich nicht entscheiden zu müssen.

Am Freitag ist passiert, worauf Barack Obamas Fans lange gewartet haben: Der ehemalige Präsident hat die Samthandschuhe ausgezogen und hat seinen Nachfolger Donald Trump erstmals seit seinem Abtritt heftig und namentlich angegriffen.

Man wundert sich immer wieder, wie extrem beliebt Ex-Präsident Barack Obama immer noch ist. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Selbst die, die seine Politik inhaltlich nicht befürworteten, sprechen ihm einige Sympathiepunkte zu. Der Gedanke, dass der erste schwarze Präsident in der US-Geschichte von jemand wie Donald Trump abgelöst wurde, stößt bei vielen auf Unbehagen.

Die Wahl gewann Trump gegen die Demokratin Hillary Clinton. Die meisten Demokraten hätten sich wohl gewünscht, dass Obama weitermachen könnte. Aber nach der US-amerikanischen Verfassung darf ein Präsident seit 1951 nach zwei Amtszeiten, also insgesamt acht Jahren, nicht noch einmal in das vermeintlich höchste Amt der Welt gewählt werden. Damit soll ein potenzielles Machtmonopol verhindert werden.

Der 22. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika verbietet eine dritte Amtszeit.

Bedingungslos? Nein, es scheint für dieses Gesetz eine Hintertür zu geben. Brian Kalt, Professor für Rechtswissenschaften an der „Michigan State University“, sagt, es könnte in Krisensituationen — also bei Terroranschläge oder Kriegsausbruch — dazu kommen, dass ein Präsident eine dritte Amtszeit bekommt.

Der 22. Zusatzartikel der Verfassung leidet an einer schwammigen Formulierung. Obama darf nicht drei Mal zum Präsidenten gewählt werden — und wer nicht für das Amt des Präsidenten wählbar ist, darf laut zwölftem Zusatzartikel auch nicht in das Amt des Vizepräsidenten gewählt werden. Aber auch in einer Demokratie gibt es Möglichkeiten, ungewählt in ein Amt zu gelangen. So ist zum Beispiel die derzeitige Premierministerin des Vereinigten Königreichs, Theresa May, nach dem Rücktritt von David Cameron zu ihrer Position gekommen, ohne dass die Briten darüber abstimmten.

Zurück in die USA: Obwohl die Gesetzeslage um den 22. Zusatzartikel seit Jahrzehnten umstritten ist (man erinnere sich, auch nach Präsident Bill Clinton diskutierten amerikanische Juristen, ob er nicht als Vizepräsident gewählt werden könne), spielt die Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine Rolle. Wie der ehemalige US-Außenminister Dean Acheson schon zu Zeiten von Präsident Eisenhower sagte: „Ein Präsident, der nach zwei Amtszeiten als Vizepräsident kandidiert, ist unwahrscheinlicher, als dass es verfassungswidrig sei“.

Aber auch einer geringen Wahrscheinlichkeit darf die Relevanz nicht abgesprochen werden. Es geht immerhin um die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Wer in die Hauptstadt kommt, wird verstehen, wie wichtig den US-Amerikanern ihre Verfassung ist.

Der 22. Zusatzartikel der US-Verfassung lautet (Wikipedia):

Absatz 1

Niemand darf mehr als zweimal zum Präsidenten gewählt werden. Niemand, der länger als zwei Jahre der Amtszeit, für die eine andere Person zum Präsidenten gewählt worden war, das Amt des Präsidenten innehatte oder dessen Geschäfte wahrnahm, darf mehr als einmal in das Amt des Präsidenten gewählt werden. Dieser Artikel findet keine Anwendung auf jemanden, der das Amt des Präsidenten zu dem Zeitpunkt innehatte, zu dem dieser Zusatzartikel durch den Kongress vorgeschlagen wurde. Er hindert auch nicht die Person, die das Amt des Präsidenten in der Periode innehat oder wahrnimmt, in der dieser Artikel in Kraft tritt, daran, für den Rest dieser Amtsperiode das Amt des Präsidenten fortzuführen.

Absatz 2

Dieser Artikel tritt in Kraft, wenn er innerhalb von sieben Jahren nach Abgabe durch den Kongress an die Bundesstaaten von drei Vierteln der einzelnen Bundesstaaten als Zusatz zur Verfassung ratifiziert wird.

Ex-Präsident Obama war für zwei Amtsperioden vom Volk gewählt worden und hat diese auch durchgezogen. Er kann und darf zeitlebens nicht mehr US-Präsident werden. Jedenfalls nicht durch eine Wahl. Ihren 22. Zusatzartikel der Verfassung werden die US-Amerikaner nicht ändern. Das ist am unwahrscheinlichsten von allem …

Up to date war gestern, heute werden die Karten neu gemischt.

High Speed oder du bist Schrott und Datenmüll.

Neu ausgetauscht geht´s besser.

Und kaum damit hantiert, wirst du von rechts überholt.

Doch alles kommt mal wieder, wie die Zeit dir zeigt.

War damals schon in Mode und ist jetzt wieder in.

Altes Eisen ist Gold wert,

da kommen ganze Fuhrparks, um es einzusammeln.

Hörst du den Schrott auf dem Schrottplatz schreien?

Sagt er dir nicht Geheimnisse, die er sonst keinem mehr verrät?

Zeigt er nicht die Zukunft, in der sich alles wiederholt?

Rostige Wesen sind keine Schatten der Vergangenheit,

sie sind Zeugen des Jetzt,

Boten des Kommenden,

indem sich alles wiederholt.

 

Hab keine Angst, ein wenig verstaubt zu sein,

lass deinen Rost ruhig auf deinem Haupt.

Du bist der Mut des Heute.

Trage stolz die Krone der Patina,

wenn alles kommt

und geht.

Zeitzeugen im Staub,

die lachend der Sonne entgegenblicken

und dir leise sagen:

alles,

alles was du tust,

wiederholt sich wie ein Mühlstein,

gemächlich, langsam und mit Erfolg.

Was wirklich wichtig ist,

war einst der Rost, im Staub ertrunken.

Und doch das Elixier

des Lebens.

 

© Petra M. Jansen

 

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Als sich Pegida-Gründer Lutz Bachmann und sein Vize Siegfried Däbritz am vergangenen Samstag in Chemnitz neben den AfD-Länderchefs aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg zeigten, war das so etwas wie eine Demonstration in der Demonstration. Schaut her: Hier kommt zusammen, was zusammengehört. Die fremdenfeindliche Straßenbewegung und ihr parlamentarischer Arm schreiten Seite an Seite. Ein Jahr, bevor in drei ostdeutschen Bundesländern ein neuer Landtag gewählt wird, soll der Schulterschluss möglichst öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt werden.

Deutschlands Heimatminister Horst Seehofer hat natürlich einen Auftrag: Seine Heimat vor schlechtem Ruf und „Bad Vibrations“ zu bewahren. Damit über das deutsche Wesen die ganze Welt genese. Denn nichts schadet der globalen Wirtschaft mehr, als ein fremdenfeindliches Klima in dem Land, das den Holocaust zu verantworten hat.

Da kommt Chemnitz denkbar ungelegen, und aus Seehofer-Perspektive ist vor allem die Rezeption völlig ungerecht; ist nicht er einer der Protagonisten, die das Asylrecht am liebsten abschaffen würden. Individuelle Prüfung (Bamf Bremen) wird kriminalisiert, Menschen, die sich in dieses Land integrieren wollen, werden gerne mal direkt von der Schule aus in das Flugzeug in Richtung ihrer Heimatländer gesetzt.

Für die Rechten läuft eigentlich alles wie am Schnürchen, die sogenannten „besorgten“ (rechten) Bürger treiben die Politik seit Jahren vor sich her. Besonders besorgt sind sie in Gegenden minimalem Flüchtlingsaufkommens; es wird gegreint, jeder hört zu, die Armen, so abgehängt. Merkwürdig nur, dass sich das Abgehängtsein nicht überall im Rechtsextremismus wieder findet. Und dass gerade in Orten wie beispielhaft Chemnitz oder Hoyerswerda die Lösung des individuellen Problems in Erniedrigung und/oder im Wunsch nach dem „Töten“ (Protestler in Chemnitz) von „Nicht-Deutschen“ bzw. Flüchtlingen gesehen wird (fr-online.de).

In Chemnitz sind auf schlimme Worte noch schlimmere Taten gefolgt. Das bekamen auch Journalisten in der Stadt mit 243.000 Einwohnern zu spüren. Selten zuvor wurden in Deutschland so viele Journalisten bei ihrer Arbeit bedroht, beleidigt und angegriffen wie im früheren Karl-Marx-Stadt.

In Europa und darüber hinaus wird mit Entsetzen und Fassungslosigkeit auf die ostdeutsche Provinzstadt geschaut. Die hässliche Seite der deutschen Wiedervereinigung wird sichtbar. Die Frage nach dem „Warum“ wird nicht nur in Berlin und anderswo in Deutschland gestellt, sondern auch in London, Paris, Wien, Zürich oder New York.

Eine Antwort kann nur gefunden werden, wenn Berichterstatter frei, ungehindert und ohne Angst vor Ort Fakten sammeln und bewerten können. Das ist aber im Fall Chemnitz nicht mehr möglich. Ein Team des MDR wurde beim Filmen einer Demonstration in einer Privatwohnung angegriffen.

Der jahrelangen Hetze gegen die angebliche „Lügenpresse“ folgten in Chemnitz viele Taten. Es ist nicht nur ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit, sondern auch auf die Wahrheit an sich. Je weniger recherchierte und nachprüfbare Informationen es gibt, desto besser funktioniert Propaganda. Deshalb wird die freie Berichterstattung von allen Extremisten von rechts bis links seit jeher als hinderlich wahrgenommen.

Viele Bürger erzählen an diesem Wochenende, es sei ihnen peinlich, wie ihre Stadt mittlerweile wirke. Einige Unternehmen aus Chemnitz haben sich zusammengetan, um Anzeigen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und der Samstagsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ zu schalten. „Chemnitz ist weder grau noch braun“, heißt es dort

Wie sich die Lage nun weiterentwickeln wird, ist kaum abzusehen. Pegida, AfD und das rechtspopulistische Bürgerbündnis „Pro Chemntiz“ haben bislang keine weiteren Proteste angekündigt.

Wie Thomas Jefferson, Gründervater der Vereinigten Staaten und dritter US-Präsident, schon sagte: „Wo Pressefreiheit herrscht und jedermann lesen kann, da ist Sicherheit“ (handelsblatt.com). Sein Wort gilt auch nach 200 Jahren mehr denn je – in Chemnitz und überall.

In der Nähe eines Städtchens

mit gleichem Namen wie der Fluss,

lebte Klara. Sie war ein Rind.

Dort draußen, auf der großen Wiese.

Sie war schwarz und weiß,

lebte glücklich, dort auf der Weide.

Dalmatiner nannten sie sie,

wohl, um sie zu necken.

Aber da war sie sich nicht immer sicher.

Sie war ein Rind und kein Hund,

Hunde waren jenseits der Umzäunung,

in Freiheit, sie mittendrin.

Immer öfter stand sie abseits,

die anderen gegenüber, schauten betroffen.

Sie wusste, sie redeten über sie,

was, war ihr nicht klar. Das tat weh!

Wenn sie auf die Herde zuging,

zogen die anderen plötzlich fort,

hatten zu tun. Wieder stand sie allein,

die anderen sammelten sich anderswo.

Der Tag war nicht fern, an dem

Egon der Bulle sie auf die Hörner nahm.

Es tat weh, die anderen lachten.

Hatten ihren Spaß. Sie: verletzt und allein.

Wieder tuschelten die anderen,

„Selbst schuld!“ hieß es, die Blicke stachen.

Klara suchte die Nähe nicht mehr,

lebte in ihrer eigenen Welt, in Träumen.

Der Traktor kam, mit Anhänger.

Der Bauer nahm sie mit,

wohin, wusste sie nicht. Die anderen glotzten.

Es war plötzlich merkwürdig still, Betroffenheit.

Ein Mitglied der Gemeinschaft

verschwand öfter, über die Jahre.

Keiner kam zurück, keiner stellte Fragen.

Das Leben war ruhig auf der Weide.

Da stehen sie in Gemeinschaft,

weiß, braun gefleckt wie Kaffee.

Sie grasen, schau´n in die Gegend.

Eine Herde Rindviecher!

Der Satz verfolgt den sächsischen Landesverband der CDU wie ein Fluch. Er fiel zum ersten Mal vor 18 Jahren, die zwölfjährige Amtszeit des ersten sächsischen Ministerpräsidenten seit der Wiedervereinigung neigte sich ihrem Ende entgegen, als Kurt Biedenkopf (CDU) ihn aussprach: „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus“.

Die Aufmärsche und Ausschreitungen rechten Mobs in der Stadt dieser Tage bewiesen das Gegenteil.

Der US-Journalismusforscher Jay Rosen war drei Monate in Deutschland, um die hiesigen Medien zu untersuchen. Im Deutschlandfunk sprach er über seine Eindrücke. Rosen ist aufgefallen, dass Journalisten noch immer Probleme im Umgang mit Rechtspopulisten haben. Er wird das Thema weiterhin aus den Staaten verfolgen: „Mich interessiert, wie es für die Medien in Deutschland weitergehen wird: Wird es den Medien hier gelingen, sich gegen den Populismus zu behaupten? Wird es vielleicht eine linke Bewegung geben, die sich ähnlich wie jetzt die rechte gegen die Medien richten wird?“

„Land unter“, zumindest in Chemnitz. „Eine Stadt außer Kontrolle“ (sueddeutsche.de) war zu lesen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bescheinigte seiner Polizei, in Chemnitz am Montag einen guten Job gemacht zu haben. Das haben die paar hundert Einsatzkräfte sicher auch, weil sie trotz krasser Unterbesetzung die Demonstration gerade noch so unter Kontrolle halten konnten. Dass dafür aber das Zeigen des Hitlergrußes vor Ort nicht geahndet werden konnte? Wer ohne Hemmungen vor Polizisten den Hitlergruß zeigt, scheint nicht wirklich mit Strafverfolgung zu rechnen. Dieser Mangel an Polizisten enthemmt nicht nur potenzielle Straftäter, sondern macht auch bei unbescholtenen Bürgern viel kaputt.

Abgesehen von den sicherheitspolitischen Problemen könnten die aktuellen Ereignisse in Chemnitz durchaus auch die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt negativ beeinflussen. Ginge diese Entwicklung weiter, bestünde die Gefahr, dass vor allem schwache Regionen in Ostdeutschland immer weiter abgehängt werden – wirtschaftlich, sozial und auch politisch.

Angesichts der Ereignisse in Chemnitz in den vergangenen Tagen befürchtet auch die Technische Universität Chemnitz Rückschläge für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Stadt und für den Wissenschaftsstandort. Chemnitz habe sich in den vergangenen Jahren in diversen Bereichen durch das großartige Engagement Vieler hervorragend entwickelt, so die Hochschulleitung der TU Chemnitz. Mehr als jeder vierte Student der Uni komme aus dem Ausland.

„Die Ereignisse in Chemnitz sind aus Sicht der deutschen Wirtschaft inakzeptabel. Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Selbstjustiz schaden nicht zuletzt auch dem Ansehen des Wirtschaftsstandortes Deutschland“, so DIHK-Präsident Eric Schweitzer gegenüber dem Handelsblatt. Man bedenke: Deutsche Unternehmen sind auf der ganzen Welt aktiv und deshalb auf offene Märkte, stabile Handelsbeziehungen angewiesen.

Nicht nur Sachsen, sondern ganz Deutschland, steht vor dem Problem des Fachkräftemangels und muss im Wettbewerb mit anderen Ländern um ausländische Arbeitskräfte mithalten können. Fachkräfte kommen aber nur, wenn ein Klima der Weltoffenheit herrscht. Gleiches gilt für Unternehmen. Wie viele Investoren verschreckt der braune Mob bei diesen Aufmärschen? Einige werden nicht kommen, andere werden überlegen, den Standort aufzugeben. Radikalismus ist kein guter Boden für Investitionen!

Fast überall im Osten gibt es Einwohnerschwund. Es wird inzwischen schwierig, ausreichend Fachkräfte für Betriebe in entlegenen Gebieten zu finden. Laut einem aktuellem Fachkräfte-Monitoring wünschen sich viele Unternehmen eine ehrlich gemeinte Willkommenskultur. Man könne den Flüchtlingen nicht sagen, dass man sie als Arbeitskräfte haben wolle, nicht aber als Menschen.

Wenn eine Minderheit im Stil von Selbstjustiz handelt, dann wird unsere staatliche Ordnung in ihren Grundfesten herausgefordert. Die wichtigste Aufgabe des Staates ist daher, die Durchsetzung des Rechtsstaates und seines staatlichen Gewaltmonopols. Im Interesse von Ordnung und Sicherheit muss dieses in aller Härte durchgesetzt werden. Eine Tat wie in Chemnitz darf nicht dazu führen, dass ein Mob versucht, den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen (handelsblatt.com).

Lieber Pierre,

ja, traurige Botschaften und ein beschämendes Ereignis auf Chemnitz´ Straßen. Aber wie in so vielen Dingen antworte ich dir mit einer neutralen Ansicht, ohne in Pauschalurteile zu verfallen, denn diese sind genauso tödlich wie die ausgeübte Lynchjustiz des rechten Mobs. Eine Tatsache ist, dass wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben und sich jeder gegen ein Unrecht zur Wehr setzen kann. Jeder kann nach unserer Verfassung also die Justiz verklagen, die Polizei verklagen, den Staat verklagen und jeder Täter wird und muss vor den Kadi gestellt werden.  Dass die Chemnitzer Polizeigewalt versagt hat, ist durch nichts zu entschuldigen und kann/ darf nicht schön geredet werden. Der Polizei in Chemnitz ist es tatsächlich nicht! gelungen, das staatliche Monopol zu verteidigen. Wenn nun der rechtsextremistische Mob das als Aufforderung zu Hetzjagd, Blutrache, rohe Gewalt oder gar als Ermunterung ansieht, werden hiermit sämtliche Dinge, die mit Würde, Recht, Anstand und Gesetz nieder gewalzt und wir befinden uns in der längst vergangenen Zeit der Abschlachtungen und Barbarei. Fakt ist, dass dies jedem Bürger bewusst sein muss und ein absolutes Ende unserer Demokratie bedeuten würde. Das Gewaltmonopol liegt in unserem System absolut und zweifellos beim Staat, nicht beim aufgewiegelten Pöbel und mit Sicherheit nicht bei den boshaften, hasserfüllten Massen von Chemnitz. Es geht hierbei um so viel mehr als die Medien wagen, zu berichten. Es geht um unsere demokratische Ordnung, es geht um unseren Rechtsstaat, es geht um das bisher beste System, um nutzloses Niedermetzeln zu verhindern. Grund hin, Grund her… was immer als Auslöser geschehen ist, es darf niemals eine Selbst- und Lynchjustiz der Massen erfolgen. Und nun ist es dringende Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass die aufkeimende Naziszene stärker beobachtet und äußerst hart bestraft wird und ebenso selbstverständlich alle Menschen, die sich in unserem Land aufhalten und sich wider den Grundrechten unseres Staates verhalten, unsere Demokratie mit Füssen treten oder sich nicht in unser System friedlich integrieren.

Die Menschen dieses Landes müssen nun ein eindeutiges und klares Zeichen gegen Selbstjustiz und Hetze (wie in Chemnitz) setzen und Hetzjagden auf Menschen sofort im Keim ersticken. Chemnitz hat ein Signal gesetzt, das ernst genommen werden muss.  Wenn nun hier gegen die Demonstranten und Rechtspopulisten keine harte Strafe erfolgt, könnte das der eine oder andere als Aufruf zum Aufstand auffassen und das darf niemals passieren.

Lieber Pierre, ich will in einem demokratischen, weltoffenen Land leben und nicht in einem widerauferstandenen zweiten Hitler-Staat, in dem brauen Einheitskacke das Sagen hat. Rote Karte für Nicht-Demokraten.

 

Lieben Gruß aus einem weltoffenen

Frankfurt,

 

Petra

© Petra M. Jansen

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Liebe Petra,

die Vorfälle in Chemnitz lassen mich nicht kalt. Im Februar 1990 habe ich in Karl-Marx-Stadt – so hieß sie damals – bei den Neonazis gedreht. Die Kahlkopf-Gemeinde war schon damals ziemlich groß. Die gleiche „Sieg Heil!“ und dreckige Sprüche vor allem über die Ausländer und die Linken. Seitdem scheinen die Polizei und die Justiz gepennt zu haben, wie es bei der NSU der Fall war. Hier vier Gedanken zur Gewalt und Sexualität:

Alles hängt von der Libido ab, oder?

Wenn die Menschen ihre Gefühle nicht ausdrücken können, weil sie gehemmt sind, werden sie aggressiv. In einer Zeit bei der der Wettbewerb ganz oben steht, haben viele Menschen nicht den Eindruck, dem Partner genügen zu können. Sie stellen sich vor, dass der Liebesakt eine Perfektion sein soll, dass er glatt gebügelt sein muss, wie in einer Modezeitschrift. Typen, die wie Modelle aussehen, perfekt, undurchsichtig. Dieser Maßstab macht die Menschen ganz einfach kaputt. Hinzu kommt, dass sie sich verpflichtet fühlen ihre Leidenschaft zu bremsen, um cool zu wirken. Alles ist mehr oder weniger künstlich und macht deswegen die Liebe zur Qual. Man wagt sich nicht mehr, das auszudrücken, was das Herz aussagt, weil die Angst herrscht, dass dies eine Belästigung für den anderen sein könnte. Kein Wunder, dass dies psychisches Gift ist und die Leute böse stimmt. Gerade in diesem Zusammenhang kommt Neid auf, der sich leicht in Rassismus umwandeln kann, wenn es um Ausländer geht. Das ist ein Spannungsfeld, das keineswegs geleugnet werden kann. Das macht das Ganze so explosiv, in Zeiten in denen Provokateure alles tun, um die Lage noch explosiver zu gestalten.

Wenn Gewalt im Zuge ist, ist auch Impotenz im Spiel!

Politische Gewalt kommt bei vielen Männern auf, weil sie sich irgendwie impotent fühlen und den Eindruck haben, dass sie bei den Frauen nicht gut ankommen. Ich habe dieses Phänomen bei einer meiner Filme in der ex-DDR beobachtet. Das geschah in Lauda, in der Nähe von Bitterfeld. Eine Gegend in dieser Zeit, die einen bitteren wirtschaftlichen Niedergang erlebte. „No future“, so der Eindruck, den ich damals haben konnte. Die Kids, in ihrem Frust, lungerten auf der Straße oder in sogenannten Jugendtreff. Sie und die Girls kamen nur sporadisch in Berührung. Im Gegensatz zu den Jungs, hatten sie die Hoffnung auf eine bessere Partie, als sich mit potentiellen Arbeitslosen abzugeben. In ihrer sexuellen Isolation suchten sie ihr Heil bei den Neonazis! Hatten sie damit die Hoffnung, durch ihr kriminelles Gehabe, ihren Mangel an Zukunft zu ergänzen? Tatsache ist, dass die Situation eskalierte und zu Morden führte. Aber auch da schaute die Polizei zur Seite, weil es oft um Ausländer ging, diejenigen die steifen Penisse hatten. Sie mussten weg! So primitiv war das Ganze.

Spielt bei den extrem Rechten der Schwanz eine große Rolle?

Irgendwie sind die Neofaschisten schwanzgesteuert. Immer wieder taucht das Argument auf, dass die „Neger“ und manche Migranten durch ihre lange und starken Penisse „unsere Frauen“ anziehen würden – ein Grund um sie abzustoßen. So primitiv ist der Rassismus. In den Ereignissen von diesem Sonntag, bei der ein Deutscher erstochen wurde, ging es wahrscheinlich auch über diese spannende Frage. Eine Auseinandersetzung zwischen schwachen und starken Schwänzen. Ich finde es schlimm, dass ein Toter zu vermelden war, aber ist das ein Grund einige Stunden später eine Hexenjagd auf Ausländer zu organisieren? Einmal wieder war die tolle sächsische Polizei überfordert. Das Ganze gibt mir den Anlass zu kotzen! Dabei will ich nicht Menschen unterstützen, die sich etwas vorzuwerfen haben, egal woher sie stammen. Wieder einmal ein Vorfall, der die guten Absichten des Sächsischen Ministerpräsidenten unterstreicht. Wenn er seinen maroden Laden nicht schnell wieder in Ordnung bringt, wird sich im Land unter Umständen ein Western abspielen. Wer die Knarre besitzt, wird das Wort haben!

Und die Frauen?

Es stört mich wirklich, dass seitens vieler Frauen, zu wenige Reaktionen auf primitive sexistische Äußerungen zu verzeichnen sind und das gilt sowohl für Deutschland als auch für Frankreich. Ich kann nicht leugnen, dass es Überfälle gibt, aber nach den Statistiken der Polizei, ist die Zahl bei den Ausländern wie bei den Einheimischen nahezu gleich. Natürlich sind bei sehr vielen Migranten die Sitten anders. In muslimischen Kreisen kann  es nur nach vollendeter Heirat Beischlaf geben. Wir haben es mit Männern zu tun, die auf einmal in eine Welt versetzt worden sind, in der die sexuelle Freiheit herrscht. Damit können viele nicht umgehen und glauben, dass die Frauen, die auf der Straße rauchen oder die mit Männern schmusen, Freiwild seien. Es wird noch länger dauern, bis viele merken werden, dass der gegenseitige Respekt eine große Rolle in Europa spielt und es muss noch eine Menge Aufklärung gewährleistet werden. Deshalb soll präventiv gearbeitet werden. Ich würde begrüßen, dass die Jugendverbände und die Sportklubs mehr in dieser Hinsicht machen würden, aber dafür sind sie schlecht ausgerüstet. Der Trainer einer Elf muss wissen, wie er die Jungs anspricht, vielleicht sollte der Klub Treffen mit Fußballerinnen organisieren? Das wäre ein Anfang, aber vielleicht auch eine Möglichkeit, zu einer Normalität zu kommen.

Es macht nachdenklich, was der Schwanz so verursacht.

 

Alles Liebe

 

Pierre

//pm