Als sich Pegida-Gründer Lutz Bachmann und sein Vize Siegfried Däbritz am vergangenen Samstag in Chemnitz neben den AfD-Länderchefs aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg zeigten, war das so etwas wie eine Demonstration in der Demonstration. Schaut her: Hier kommt zusammen, was zusammengehört. Die fremdenfeindliche Straßenbewegung und ihr parlamentarischer Arm schreiten Seite an Seite. Ein Jahr, bevor in drei ostdeutschen Bundesländern ein neuer Landtag gewählt wird, soll der Schulterschluss möglichst öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt werden.

Deutschlands Heimatminister Horst Seehofer hat natürlich einen Auftrag: Seine Heimat vor schlechtem Ruf und „Bad Vibrations“ zu bewahren. Damit über das deutsche Wesen die ganze Welt genese. Denn nichts schadet der globalen Wirtschaft mehr, als ein fremdenfeindliches Klima in dem Land, das den Holocaust zu verantworten hat.

Da kommt Chemnitz denkbar ungelegen, und aus Seehofer-Perspektive ist vor allem die Rezeption völlig ungerecht; ist nicht er einer der Protagonisten, die das Asylrecht am liebsten abschaffen würden. Individuelle Prüfung (Bamf Bremen) wird kriminalisiert, Menschen, die sich in dieses Land integrieren wollen, werden gerne mal direkt von der Schule aus in das Flugzeug in Richtung ihrer Heimatländer gesetzt.

Für die Rechten läuft eigentlich alles wie am Schnürchen, die sogenannten „besorgten“ (rechten) Bürger treiben die Politik seit Jahren vor sich her. Besonders besorgt sind sie in Gegenden minimalem Flüchtlingsaufkommens; es wird gegreint, jeder hört zu, die Armen, so abgehängt. Merkwürdig nur, dass sich das Abgehängtsein nicht überall im Rechtsextremismus wieder findet. Und dass gerade in Orten wie beispielhaft Chemnitz oder Hoyerswerda die Lösung des individuellen Problems in Erniedrigung und/oder im Wunsch nach dem „Töten“ (Protestler in Chemnitz) von „Nicht-Deutschen“ bzw. Flüchtlingen gesehen wird (fr-online.de).

In Chemnitz sind auf schlimme Worte noch schlimmere Taten gefolgt. Das bekamen auch Journalisten in der Stadt mit 243.000 Einwohnern zu spüren. Selten zuvor wurden in Deutschland so viele Journalisten bei ihrer Arbeit bedroht, beleidigt und angegriffen wie im früheren Karl-Marx-Stadt.

In Europa und darüber hinaus wird mit Entsetzen und Fassungslosigkeit auf die ostdeutsche Provinzstadt geschaut. Die hässliche Seite der deutschen Wiedervereinigung wird sichtbar. Die Frage nach dem „Warum“ wird nicht nur in Berlin und anderswo in Deutschland gestellt, sondern auch in London, Paris, Wien, Zürich oder New York.

Eine Antwort kann nur gefunden werden, wenn Berichterstatter frei, ungehindert und ohne Angst vor Ort Fakten sammeln und bewerten können. Das ist aber im Fall Chemnitz nicht mehr möglich. Ein Team des MDR wurde beim Filmen einer Demonstration in einer Privatwohnung angegriffen.

Der jahrelangen Hetze gegen die angebliche „Lügenpresse“ folgten in Chemnitz viele Taten. Es ist nicht nur ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit, sondern auch auf die Wahrheit an sich. Je weniger recherchierte und nachprüfbare Informationen es gibt, desto besser funktioniert Propaganda. Deshalb wird die freie Berichterstattung von allen Extremisten von rechts bis links seit jeher als hinderlich wahrgenommen.

Viele Bürger erzählen an diesem Wochenende, es sei ihnen peinlich, wie ihre Stadt mittlerweile wirke. Einige Unternehmen aus Chemnitz haben sich zusammengetan, um Anzeigen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und der Samstagsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ zu schalten. „Chemnitz ist weder grau noch braun“, heißt es dort

Wie sich die Lage nun weiterentwickeln wird, ist kaum abzusehen. Pegida, AfD und das rechtspopulistische Bürgerbündnis „Pro Chemntiz“ haben bislang keine weiteren Proteste angekündigt.

Wie Thomas Jefferson, Gründervater der Vereinigten Staaten und dritter US-Präsident, schon sagte: „Wo Pressefreiheit herrscht und jedermann lesen kann, da ist Sicherheit“ (handelsblatt.com). Sein Wort gilt auch nach 200 Jahren mehr denn je – in Chemnitz und überall.

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