Lieber Pierre,

ja, traurige Botschaften und ein beschämendes Ereignis auf Chemnitz´ Straßen. Aber wie in so vielen Dingen antworte ich dir mit einer neutralen Ansicht, ohne in Pauschalurteile zu verfallen, denn diese sind genauso tödlich wie die ausgeübte Lynchjustiz des rechten Mobs. Eine Tatsache ist, dass wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben und sich jeder gegen ein Unrecht zur Wehr setzen kann. Jeder kann nach unserer Verfassung also die Justiz verklagen, die Polizei verklagen, den Staat verklagen und jeder Täter wird und muss vor den Kadi gestellt werden.  Dass die Chemnitzer Polizeigewalt versagt hat, ist durch nichts zu entschuldigen und kann/ darf nicht schön geredet werden. Der Polizei in Chemnitz ist es tatsächlich nicht! gelungen, das staatliche Monopol zu verteidigen. Wenn nun der rechtsextremistische Mob das als Aufforderung zu Hetzjagd, Blutrache, rohe Gewalt oder gar als Ermunterung ansieht, werden hiermit sämtliche Dinge, die mit Würde, Recht, Anstand und Gesetz nieder gewalzt und wir befinden uns in der längst vergangenen Zeit der Abschlachtungen und Barbarei. Fakt ist, dass dies jedem Bürger bewusst sein muss und ein absolutes Ende unserer Demokratie bedeuten würde. Das Gewaltmonopol liegt in unserem System absolut und zweifellos beim Staat, nicht beim aufgewiegelten Pöbel und mit Sicherheit nicht bei den boshaften, hasserfüllten Massen von Chemnitz. Es geht hierbei um so viel mehr als die Medien wagen, zu berichten. Es geht um unsere demokratische Ordnung, es geht um unseren Rechtsstaat, es geht um das bisher beste System, um nutzloses Niedermetzeln zu verhindern. Grund hin, Grund her… was immer als Auslöser geschehen ist, es darf niemals eine Selbst- und Lynchjustiz der Massen erfolgen. Und nun ist es dringende Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass die aufkeimende Naziszene stärker beobachtet und äußerst hart bestraft wird und ebenso selbstverständlich alle Menschen, die sich in unserem Land aufhalten und sich wider den Grundrechten unseres Staates verhalten, unsere Demokratie mit Füssen treten oder sich nicht in unser System friedlich integrieren.

Die Menschen dieses Landes müssen nun ein eindeutiges und klares Zeichen gegen Selbstjustiz und Hetze (wie in Chemnitz) setzen und Hetzjagden auf Menschen sofort im Keim ersticken. Chemnitz hat ein Signal gesetzt, das ernst genommen werden muss.  Wenn nun hier gegen die Demonstranten und Rechtspopulisten keine harte Strafe erfolgt, könnte das der eine oder andere als Aufruf zum Aufstand auffassen und das darf niemals passieren.

Lieber Pierre, ich will in einem demokratischen, weltoffenen Land leben und nicht in einem widerauferstandenen zweiten Hitler-Staat, in dem brauen Einheitskacke das Sagen hat. Rote Karte für Nicht-Demokraten.

 

Lieben Gruß aus einem weltoffenen

Frankfurt,

 

Petra

© Petra M. Jansen

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Die dritte Staatsgewalt, die Justiz, bäumt sich in den Vereinigten Staaten gegen die Exekutive auf. In den Vereinigten Staaten, dem Symbolland für Demokratie und Toleranz, dessen Reichtum sich zurückführen lässt auf die Arbeitsleistung vieler Millionen Einwanderer, werden derzeit die Verfassungsrechte durch die Regierung mit Füßen getreten.

Technisch ist die Anordnung von POTUS Donald Trump zwar kein grundsätzlicher Bann aufgrund der Religionszugehörigkeit, doch das vorläufige Einreiseverbot für Bürger aus den sieben mehrheitlich muslimischen Staaten Irak, Iran, Libyen, Somalia, Syrien, Sudan und Jemen und die zunächst komplette Blockade für syrische Flüchtlinge wird nicht nur in diesen Ländern so empfunden.

Damit ist die grundlegende Motivation, aus der Trump angeblich handelt, bereits ad absurdum geführt: Die USA sollen durch diesen Schritt sicherer werden, der Präsident sieht sein Dekret als geeignetes Mittel, um das Land vor Terroristen zu schützen. Dabei werden islamistische Extremisten nicht nur in den betroffenen Ländern diesen Schritt genüsslich in ihre Propaganda einfließen lassen. Nach dem Motto: „Seht her, wir haben es ja immer gesagt, Amerika führt einen Krieg gegen den Islam!“. Trump macht die USA eher noch mehr zu einem Ziel, als dass er die Terrorgefahr eindämmen würde.

Ein amerikanisches Berufungsgericht hat nun den Eilantrag der US-Regierung abgelehnt, das Einreiseverbot für Muslime wieder in Kraft zu setzen. Die Entscheidung des Richters aus dem Bundesstaat Washington, die das Einreisedekret von Präsident Donald Trump ausgesetzt hatte, bleibt damit zunächst in Kraft. Eine Entscheidung in der Sache steht noch aus – zunächst ging es nur um eine sofortige Umsetzung des Einreisestopps.

Die Regierung hatte argumentiert, durch die vorläufige Blockade der Visa-Sperre sei Trumps Autorität in Frage gestellt. In der Begründung für die Berufung gegen das am Freitag erlassene Urteil eines Bundesrichters in Seattle argumentierte das Justizministerium, die Entscheidung von Richter James Robart gefährde die Öffentlichkeit und stelle die Urteilsfähigkeit des Präsidenten in Sachen nationale Sicherheit in Frage. Mit anderen Worten ist das nichts anderes als „Richterschelte“, die Regierung versucht hier, die Eigenständigkeit der Justiz zu umgehen.

In dem vom Berufungsgericht online gestellten Antrag heißt es zudem, Richter Robart habe für sein Urteil „so gut wie keine juristische Analyse“ angestellt und die Befugnisse seines Gerichts weit überschritten, indem er eine Entscheidung für die ganzen Vereinigten Staaten traf. Insgesamt stelle das Urteil die Gewaltenteilung zwischen dem Präsidenten und den Gerichten in Frage. Dem ist nicht so, wenn Bürger aus dem Bundesstaat Washington sich an das für Sie zuständige Gericht gewandt haben. Denn: die für die gesamten Vereinigten Staaten getroffene Dekret-Entscheidung des US-Präsidenten trifft die Bürger im Bundesstaat Washington unmittelbar. Also ist das dortige Gericht zunächst zuständig. Und was die „juristische Analyse“ angeht: Sei es bei Richter Robart, wie es sei. Die Regierung hat sich über die juristische Tragweite eines solchen Dekrets überhaupt keine Gedanken gemacht.

Trump selbst hatte mit zornigen Tweets auf die Entscheidung des Richters reagiert und ihn sogar direkt angegriffen. „Die Meinung dieses sogenannten Richters, die praktisch unserem Land die Durchsetzung von Gesetzen wegnimmt, ist irrwitzig und wird überstimmt werden!“, schrieb Trump auf Twitter. Dem verfassungstreuen Bürger läuft es eiskalt den Rücken hinunter ob solcher Äußerungen. Kennt man doch aus der Geschichte derlei Aufrufe zu: „Brüllt ihn nieder!“. Rechtsexperten nannten es einen ungeheuerlichen Vorgang, dass ein amtierender Präsident die Legitimität und Kompetenz eines Richters in Frage stellt.

Vize-Präsident Mike Pence verteidigte Trump in einem Interview. Auf die Frage, ob die Bezeichnung von Robart als „sogenannten Richter“ möglicherweise die verfassungsmäßige Gewaltenteilung in Frage stelle, sagte Pence, er glaube das nicht. Er denke, die Amerikaner seien daran gewöhnt, dass dieser Präsident seine Meinung deutlich ausspreche. Was das auch immer bedeuten mag … Es hat aber den leichten Beigeschmack von „Lasst ihn reden! Er ist halt so …“. Nicht gerade passend, die Äußerung, für jemanden, dessen Schreibtisch im Oval Office steht.

Das Außenministerium war nach dem Richterspruch aus Seattle gezwungen, die Annullierung von Visa für 60.000 bis 100.000 bereits von der Sperre betroffene Ausländer rückgängig zu machen. Das Heimatschutzministerium ordnete an, „alle Aktionen zur Umsetzung“ des Trump-Dekrets auszusetzen. Reisende werden wieder so überprüft wie vor Trumps Anweisung.

Generell wird erwartet, dass der Rechtsstreit am Ende vor dem höchsten Gericht – dem Supreme Court – landet. Und das Land sich damit erst in der Anfangsphase einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung befindet.

Was ist los in Polen?

Eine umstrittene Gesetzesänderung für den Weg zum Verfassungsgericht ist angestoßen worden. Das von den Politikern der regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) kontrollierte Unterhaus Sejm stimmte am Dienstagabend nach heftigen Debatten mehrheitlich für die Neuordnung des Gerichts. 235 Sejm-Abgeordnete stimmten für das Gesetz, dagegen waren 181.

Die Opposition hält das Gesetz für verfassungswidrig und für einen Versuch, das Gericht in seiner Arbeitsfähigkeit zu beschneiden und zu „zerstören“. Die Regierung dagegen behauptet, die Änderung verbessere die Organisation des Gerichts. Der frühere Minister Andrzej Halicki von der liberalen Bürgerplattform (PO) sagte: „Heute ist mit bloßem Auge zu erkennen, dass wir es mit einem schleichenden Staatsstreich zu tun haben.“

Die Partei kündigte noch am Abend an, Verfassungsklage zu erheben.

Das Gesetz sieht vor, dass künftig alle Entscheidungen des Verfassungsgerichts in Anwesenheit von wenigstens 13 der 15 Richter mit Zweidrittel-Mehrheit gefällt werden müssen. In Fällen, in denen unter den Richtern keine Zweidrittel-Mehrheit zustande kommt, soll es kein Urteil geben. Bisher entschied das Gericht mit einfacher Mehrheit der an einem Fall beteiligten Richter, die in der Regel in Fünfer-Gruppen arbeiteten; nur in gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen musste das gesamte Kollegium entscheiden.

Bisher wurden die meisten Entscheidungen mit fünf anwesenden Richtern getroffen, nur bei sehr wichtigen Fällen war die Anwesenheit von mindestens neun Richtern notwendig. Es genügte die einfache Mehrheit. Nach Ansicht von Politikern der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), die bis zur Parlamentswahl am 25. Oktober die Regierung stellte, und der neuen liberalen Partei Nowoczesna („Moderne“) soll das Gericht mit den neuen Regeln arbeitsunfähig gemacht werden: Wenn es künftig keine Arbeitsteilung unter den Verfassungsrichtern mehr geben dürfe, könne es bei der derzeitigen Zahl von Verfahren bis zu fünf Jahren dauern, bis ein Fall verhandelt werde. Von Rechtsweggarantie und rechtlichem Gehör kann in so einem Fall allein aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr die Rede sein.

Vorgesehen ist auch, dass das Verfassungsgericht die anhängigen Fälle in Zukunft chronologisch abarbeiten muss. Dies könnte zur Folge haben, dass über Beschwerden gegen neue, von der Regierung auf den Weg gebrachte Gesetze erst mit langer Verzögerung entschieden werden kann.

Schon zuvor hatte die PiS ein Gesetz durchs Parlament gebracht, nach dem die Ernennung von fünf Richtern durch den alten Sejm annulliert wurde. Die Vorgängerregierung, angeführt von der liberalen „Bürgerplattform“, hatte drei Richter, deren Stellen vakant waren, neu besetzt, aber auch zwei Richter, deren Position erst in diesem Monat frei werden. Damit hatte das frühere Parlament, so urteilte das höchste Gericht, seine Befugnisse überschritten. Staatspräsident Duda verweigerte die Vereidigung der rechtmäßig bestellten drei Richter und vereidigte stattdessen gleich fünf von der PiS ernannte – was Anfang Dezember wiederum vom Verfassungsgericht für teilweise ungültig erklärt wurde.

Während der fast elf Stunden langen Parlamentssitzung am Dienstagabend kam es zu teils heftigem Streit. Für Empörung sorgte die PiS-Vertreterin Pawlowicz, die einem Kollegen der liberalen Bürgerplattform vor laufenden Kameras sagte: „So schmeckt das Leben in der Opposition – miam, miam, miam.“ Am Ende kam nur ein Änderungsantrag der Opposition durch: Demnach darf das Tribunal seinen Sitz in der Hauptstadt Warschau behalten.

Europa ist eine Wertegemeinschaft. Recht, Freiheit und Demokratie sind tragende Säulen. Wer diese missachtet, hat in dieser Gemeinschaft nichts zu suchen. Im Rahmen der Flüchtlingswelle hat sich gerade bewiesen, dass einige der osteuropäischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zwar gerne jener angehören, solange dies wirtschaftliche und finanzielle Vorteile beinhaltet. Kommt die Übernahme von Pflichten zur Sprache, besinnt man sich schnell wieder auf die nationale Ebene. Polen hat mit den obigen Vorkommnissen jetzt einen gefährlichen Weg darüber hinaus beschritten: denjenigen in eine Diktatur. Es fängt schleichend an mit Beschneidung der Rechte von Minderheiten – zunächst im Parlament – und der Entmachtung der Gerichte.

Auch der Vorsitzende des EU-Rates, Jean Asselborn, sieht Polen auf einem gefährlichen Weg. Europa dürfe dabei nicht wegsehen, sonst sei die Wertegemeinschaft in Gefahr.

Ich denke, er hat recht …