Die Rechtspopulisten haben sich festgesetzt in Nordeuropa. Die Wahl in Schweden hat gezeigt, wie ratlos andere Parteien dem gegenüberstehen. Es ging nicht mehr darum, wer gewinnt, Sozialdemokraten oder Moderate, sondern wer weniger an die rechten „schwedischen Demokraten“ verliert.
Das hat die Kandidaten gelähmt, sie zu wenig Neues wagen lassen. Stattdessen haben sie Themen durchgekaut, die die Schwedendemokraten vorgaben, und ihnen das beste Ergebnis ihrer Geschichte beschert.
In Skandinavien haben sie schon fast alles probiert, um die Anti-Einwanderungs-Parteien ins politische System einzuordnen: Als Regierungspartei in Oslo, als Stütze des Premiers in Kopenhagen, als Geächtete in Stockholm. Nichts scheint ihren Erfolg zu brechen. Sie haben sich etabliert.
In Stockholm haben die anderen Parteien lange vermieden, über dieselben Themen zu sprechen wie die Schwedendemokraten. Nun haben sie im Wahlkampf das genaue Gegenteil versucht.
Dabei konnten sie in den Nachbarländern sehen, was passiert, wenn man dieselben Argumente wie die Rechtspopulisten benutzt: Man bestätigt sie, nimmt ihnen aber keine Stimmen ab. Sozialdemokraten und Moderate haben darüber ihre eigenen Wähler vergessen, die Alternativen statt einfacher Antworten wollten. So wird man zu Verlierern.
Der Totalabsturz der Sozialdemokraten ist ausgeblieben, der Aufstieg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten mit knapp 18 Prozent nicht ganz so hoch ausgefallen wie befürchtet. Alles wie immer? Mitnichten!
Aus einem Grund ist diese Wahl eine Zäsur. Die traditionell starken Sozialdemokraten haben ihr schlechtestes Ergebnis seit mehr als 100 Jahren (tagesschau.de) eingefahren und gerade ihre einstigen Hochburgen im Norden Schwedens verloren.
Mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten will niemand etwas zu tun haben – ein Fünftel der Wählerstimmen ist damit kalt gestellt. Sowohl die konservativen Moderaten wie auch die Sozialdemokraten haben vor der Wahl jede Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten abgelehnt.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder vergisst die Allianz ihre gute Vorsätze und setzt sich doch mit der Partei von Jimmie Ákesson an einen Tisch. Das scheint angesichts der Vorbehalte gegenüber der Partei, die ihre Wurzeln neo-nazistischen Milieu hat und ihren Abgeordneten mitunter auch rassistische Parolen durchgehen lässt, schwer vorstellbar – jedenfalls jetzt.
Die andere Möglichkeit wäre das Ende der Blöcke und die Bildung einer Koalitionsregierung aus Parteien, die dann zusammen die Mehrheit haben. Die Sozialdemokraten selbst brachten diese Möglichkeit am Wahlabend auf. „Die Parteivorsitzenden müssen mit dem brechen, was sie vor der Wahl gesagt haben“, so Anders Ygeman, Fraktionschef der Sozialdemokraten.
Wer Schweden künftig regieren kann, scheint völlig unklar. Eine Regierungsbildung wird sich schwierig gestalten, denn keiner der traditionellen Blöcke will eine Koalition mit der für ihre rechtsextremistischen Wurzeln und strenge Einwanderungspolitik kritisierten Partei eingehen.
Die Blockpolitik hatte in Schweden seit dem Zweiten Weltkrieg stets zu einer schnellen Regierungsbildung verholfen. Entweder lag der linke Block – angeführt von den Sozialdemokraten – oder der bürgerliche Block mit den Moderaten an der Spitze vorne. Die schwedische Verfassung hat eine Besonderheit, die Minderheitsregierungen möglich macht. Denn gewählt ist die Regierung, die keine Mehrheit gegen sich hat. So ist also zur Bildung einer Regierung keine absolute Mehrheit notwendig.
Wenn die Schwedendemokraten mitmischen bei der künftigen Regierung: Was kommt dann? Ein schwedischer Kolumnist hat Ákesson wegen dieser unverfrorenen Widersprüchlichkeit einmal „Schwedens Fettarme-Milch-Version von Donald Trump“ (sueddeutsche.de) genannt. Ákesson erweckt den Anschein, als ließe sich alles miteinander vereinen: Fremdenfeindlichkeit mit der Freundschaft zum syrischen Pizzabäcker, Steuersenkungen mit höheren Sozialleistungen, den EU-Austritt mit einer florierenden Exportwirtschaft, Vielfalt mit Einfalt.
Wer die Schwedendemokraten wählt, bekommt daher das Gefühl, sich nicht entscheiden zu müssen.