Vorgefertigte Meinung,

Vorurteile durch gelebtes Leben.

Engstirnig, unbelehrbar, uneinsichtig.

Abgestumpft. Der Idealismus ging verloren.

Hoffnung und Frohsinn tragen Trauer.

Die Grenzen sind fließend, Rechtfertigungen endlos nutzlos.

Wisser wissen eben alles besser und stets auf der Seite deines Gegenteils.

Es gilt nicht, den Standpunkt zu überdenken.

Im Gegenteil. Dogma und das war´s.

Unverrückbar wird weggewischt, verunsichert und zerredet.

Es gilt Stoizismus. Punkt.

Tust besser so, als wüsstest du rein gar nichts.

Gibst keinen Grund, dem Mühlstein-artigen Geschwätz die Hand zu reichen.

Perlen vor die Säue.

Steh drüber, such das Weite

und weiß die schweigende Stille noch mehr zu schätzen.

Alleswisser wissen alles und lassen dich zu oft Falsches wissen.

Vergiss die Fakten und entlarve nicht, was du ohnehin schon kennst.

Schweige. Stille. Nimm die Portion freien Abstand.

Kaputte Hosen kannst du irgendwann nicht mehr flicken.

Was immer sie zerschlissen hat…

sie gehören einfach in den Müll.

 

 

© Petra M. Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

 

Es stimmte einfach nicht. Nichts stimmte wirklich. Er spürte das zum Zerreißen angespannte Knistern, das bewusste Weglassen einer giftig hin geschmetterten Sache, die alles eskalieren lassen würde, wenn es denn wirklich dazu käme. Er spürte dennoch keine Gefahr. Halt die Schnauze. Halt einfach deinen Mund. Halt dich zurück. Es vergeht wieder ein Tag, an dem er seine Wut, seinen Frust, seine Überforderung beherrschen wird. Und muss. Was für ein Spiel der Auf und Abs. Er ist so etwas schon öfters begegnet, öfters schon kreuzten sich solche Wege, auf denen er gerne Haken geschlagen hat um woanders abzubiegen. Und wie so oft fragt er sich, ob das Ganze einmal eines Tages ein gutes Ende nähme. Wäre ja besser so. Besser so als so.

Und wieder spürte er diese schwankende, aufgesetzte Harmonie, die disharmonischer nicht sein könnte. Doch er spielt das Spiel. Spielte mit, als ob er nie etwas anderes gespielt hätte. Ist es das wert? Das Strangulieren seiner eigenen Seele und Natur um des Erfolgs und des Daseins willen? Ja, es ist es. Mehr als das. Da steht schließlich auch ein Anderer über den wogenden, brausenden Wellen und inhaliert sein fundiertes Wissen. „Lass sie alle tun. Lass sie doch. Lass sie über sich selbst stolpern und lächle ruhig in dich hinein. Tief in dir weißt du, was die Unwissenden erahnen, aber nicht fähig sind, das umsetzen zu können. Es spielt keine Rolle, wer oder was du bist und wer oder was du denkst. Das will ganz ehrlich keiner deiner Kumpels wissen.“

Denn sie sind in einem Laufrad der Hamster, aus denen tatsächlich nur diejenigen herauskommen, die gelernt haben, was eigentlich nicht in ihrer Natur ist. Hamster fallen nämlich einfach runter. Sie fallen sackartig in die Tiefe und unten angekommen sind die tot. Ausgeblutet.

So ist das halt mit den kleinen Tieren, die unten am Boden leben und mal schnuppern wollten, wie sich die Höhe anfühlt. Ganz oben angekommen, fehlt ihnen der sichere Instinkt. Tja, der wurde in ihrer Genetik nicht verankert – ein Hamster bleibt ein Hamster. Und wird sich nie in der Höhe, in den Wipfeln der Baumkronen und auf erklommenen Bergen behaupten können.

Der Hamster versagt in der Höhe. Als Ratten- und Wühlmaus-ähnliches Mäusegetier mit kurzem, nahezu funktionslosem Schwanz haust nun mal in am Boden, tief eingegraben in Erdlöcher unter dem Schlamm, Morast und Geröll. Manch einer aber träumt davon ein Adler zu sein und dann hat er schlichtweg verkackt. Punkt.

Hach, wie nahe wir doch alle an der natürlichen Entwicklung sind (seufz)?!

 

 

© Petra M. Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

Da gibt´s jetzt auf Twitter den Hashtag „#kiffersindkeinelooser“ und ich musste erst einmal laut lachen über all den Unfug, der da geschrieben steht. Leute, Kiffer s i n d Looser! Sie sind nichts weiter als Drogenkonsumenten, die glauben cool zu sein und sich für einen Moment aus der Realität weichspülen oder wegschießen wollen. Ich kann Kiffen absolut nicht für harmlos einstufen, denn oftmals ist das Kiffen die Einstiegsdroge in eine Welt der härteren Sachen. „Just for fun“, „einfach mal ausprobieren“, „ist doch nicht so schlimm“, „haben wir doch alle früher mal getan“, so die Ausrede derer, die noch nicht erkannt haben, dass Kiffen antriebslos, träge und perspektivenlos macht und bei längerem Gebrauch eine psychische Abhängigkeit nach sich zieht. Ziele werden nicht mehr verfolgt, klare Wege verschwimmen und das Ganze ist obendrein absolut uncool.

Früher drehte der Joint die Runde und jeder zog mal dran, oder an der Bong (Herpes Zoster, Hepatitis und heute Covid-19-Viren inklusive). Die Jugend hat anscheinend auch heute nichts Besseres zu tun als sich den Kopf zu benebeln mit Marihuana, aber die Zeiten der Hippie-Ära sind lange vorbei. Erinnern wir uns noch an die Kommunen, in denen Gruppensex im süßlichen Nebel der Marihuana-Schwaden Up to Date war?

Auf Twitter versuchen sich die User eine weiße Weste anzuziehen und rechtfertigen sich mit Top-Berufswerdegängen und zu was sie es im Leben gebracht haben  – trotz Kiffen. Mag sein, dass der eine oder andere die Kurve kriegt und es bei ab und an bleibt. Bei der Mehrheit der Kiffer jedoch wendet sich das Blatt recht schnell und ihre Toleranzentwicklung spricht Bände. Sie müssen nicht mehr nur mal am Wochenende im Freundeskreis einen Joint durchziehen, sondern er wurde zum (mehr-)täglichen Begleiter – sogar schon vor dem Frühstück. Wie das so ist bei Drogen – sie alle verlangen im Belohnungs-Gehirn nach positivem Feedback und einer Dosissteigerung.

Ich höre immer wieder „Die Holländer haben es legalisiert und auch keine Probleme“. Das stimmt so nicht, denn ich habe gute Freunde in Holland nach der realen Zahl gefragt und bekam immer wieder die gleiche Antwort: Holland hat exakt das gleiche Drogenproblem wie andere Länder und Städte auch. Da ist nicht von „überlegtem Konsum“ die Rede und nicht davon, dass jedermann Herr über seine Sucht ist.

Nun können die auf Twitter schreiben und posten was sie wollen – Kiffer ist Kiffer und Kiffer ist Looser! Und darauf stolz sein, dass man noch einigermaßen einen Job machen kann und auch sonst nicht kriminell geworden ist, ist Schönrederei. Wer keine Realitätsflucht sucht, wird auch nicht kiffen und auch nicht dafür anfällig sein. Mögen es die Freundeskreise sein, schlechte Perspektiven, die Lust auf einen Kick, mangelndes Selbstwertgefühl oder Probleme mit dem realen Leben – es steht immer eine tiefere, ernste Angelegenheit dahinter, ob jemand kifft oder die Finger davon lässt.

Für mich ist jeder Kiffer ganz klar eine Niete, ein Versager, ein echter Looser. Denn er hat nicht begriffen, dass diese Substanz antriebslos macht und bei Absetzen für ein sehr schlechtes Allgemeinbefinden sorgt. Meist psychisch. Meist bis zur tiefen Depression. Meist allerdings steigen viele Kiffer auf eine Steigerung um und es bleibt nicht dabei. Wer dann noch davon redet, dass er kein Looser ist, verdrängt die offensichtlichen Tatsachen und ist weit entfernt davon, ein drogenfreies Leben zu führen und auch Marihuana ist eine Droge. Und was für eine! Zu unterschätzt bei den Konsumenten, aber stets präsent bei späteren Drogentherapien. Aber wer gibt schon gerne zu, dass er süchtig ist und es alleine nicht schafft, von dem Dreck loszukommen? Das sieht nur der „Gewinner“, während der kiffende Looser sich noch einbildet, er sei erfolgreich und alles gar nicht so schlimm, was zweifellos ein großer Irrtum ist. Fazit: Kiffen ist nur etwas für Verlierer und echte Looser (und natürlich erwarte ich keine positiven Reaktionen von den umnebelten Kiffern, die kichernd oder abgedriftet in der Ecke hocken und weiter träumen).

 

© Petra M. Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

 

Nein, du bist nicht mein Freund…

wenn du mir ständig ins Wort fällst,

niemanden ausreden lässt,

redest wie ein Wasserfall,

erklärend, was du früher stets beritten hast,

welch oberflächlichen Vorzüge du gerade erst gesehen hast.

 

Nein, du bist nicht mein Freund…

wenn du Platz nimmst, um auszuhorchen,

um weiter zu tragen, was du erfahren hast,

um Gehör durch Gehörtes zu finden,

um schlüpfrig wie ein Aal zu sein.

 

Nein, du bist nicht mein Freund…

wenn du heute nickst

und morgen beim Gegenteil um Beifall heischst.

Nein, du bist nicht mein Freund,

wenn du nie das Gesprochene verstehst,

niemals den Faden einfädelst,

den man dir reichen möchte,

keinen festen Knoten spinnst.

 

Nein, du bist nicht mein Freund…

wenn du so ganz anders tickst

als überhaupt in einem Takt.

Nein, du bist wahrhaftig nicht mein Freund.

Und nein, du bist auch nicht mein Feind.

Ich sehe, was da an dem Ast dort hängt

an dem ein Unwissender unermüdlich sägt.

  

© Petra M. Jansen 

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

 

 

 

 

Fühlt sich anders an, irgendwie verloren.

Trotz aller Hoffnung auf Besserung und trotz aller Maßnahmen,

ist irgendwie nicht mehr das Gleiche.

Zieht dir den Boden unter den Füssen weg,

stellt deine einst rosige Zukunft in Frage.

Lässt dich beim Amt anklopfen.

Unverschuldet.

In die Schulden.

Was nun?

Es ist geschehen, was passiert.

Es legte dich flach und dein Tagesablauf gleicht dem eines Rentners.

Kleiner Trost ist, dass es ja nicht endgültig ist.

Es kommt Hoffnung auf.

Ein weiterer Hieb? Den verkraftest du nicht.

Der Gürtel ist so eng, dass du keine Luft mehr kriegst.

Alles auf den Kopf gestellt, alles neu sortiert.

In die Hände klatschen, wenn die, denen du zuarbeitest, nach Atem ringen?

Milliarden, die deine Kinder bezahlen müssen.

Millionen, die die Reichen haben und nichts davon teilen werden.

Wie heißt der Super-Gau, der uns alle in die Knie gezwungen hat?

Fleischfressende Menschenmassen, die wie Kannibalen rohe Viecher essen.

Und sich wundern, wenn die Erde schreit.

Sie war verloren. Verloren wie du.

Sie holt zurück, was sie verdient.

Da stehst du nun, verloren.

Ja, verloren.

Weil du für nur für dich der Verlierer bist.

Doch Verzicht und Entschleunigung –

sind die wahre Not!

 

© Petra M. Jansen

 

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

Lieber Pierre,

ich verstehe das Zwiegespräch in dir. Das eine ist die spontane Reaktion auf eine Kränkung, das andere die Selbstreflexion, die eine Balance erzeugen muss. Heute tue ich es dir nach und vereinfache meinen Antwortbrief indem ich nur einige Thesen in den Raum stelle. (Die Diskussion und Überlegung dazu liegt bei den Lesern).

Die Gesellschaft. Irrtum und Aufgabe.

  • Wir sind eine Gesellschaft, die wieder Maß nehmen muss inmitten der Maßlosigkeit.
  • Das klappt nicht. Heute ist alles ist auf Produktivität ausgelegt und die Geschwindigkeit spielt eine enorme Rolle. Zeit ist Geld.
  • Sind wir nicht immer ein Produkt unserer jeweiligen Gesellschaftsform? Und ist es nicht so, dass wir die Werte verloren haben, die uns früher einen Sinn gaben?
  • Quatsch. Es gibt genügend Leute, die von Respekt und Wertigkeit sprechen – die gibt´s heute genauso wie früher. Eben ein bisschen angepasster und effizienter.
  • Kann das klappen, wenn man nur darüber redet und nicht gleichermaßen handelt? Schauen wir doch mal, wie die Leute wirklich miteinander umgehen. Lauter Egomanen, Narzissten oder Depris. Es legt doch niemand mehr jedes Wort auf die Waagschale und überlegt sich, wie es in dem anderen wirklich aussieht. Der Zeitgeist gibt heute den Ton an.
  • Aber wer will denn als arme Sau enden, die sich nichts leisten kann und ständig den Cent rumdrehen muss? Geht ja nicht anders als Ranklotzen und da bleibt keine Zeit für Samthandschuhe. Wer das erwartet, träumt.
  • Wie sieht es mit der Generation der Alten aus?
  • Das sind halsstarrige und unhöfliche Säcke, die – je älter sie werden – immer rücksichtsloser werden. Scheint fast so, als ob sie ihren ganzen Frust, dass sie bald abnibbeln, an anderen auslassen wollen.
  • Sind nicht immer beide Seiten beteiligt? Könnte es nicht sein, dass die starre, unterschiedliche Wahrnehmung ein Einvernehmen von Grund auf erschwert? Und eine Konfliktlösung dadurch gänzlich ausgeschlossen ist? Ich bin nicht schuld an dem Dilemma, sagen das nicht immer alle?
  • Und wie stehst du zu den Jugendlichen? Finden sie den Rückhalt, den Sinn, ihren Platz und ihre wichtigen Auseinandersetzungen, die sie brauchen, um Wertigkeit zu erhalten? Oder werden die einfach ruhig gestellt durch überforderte Eltern, die der Schule, Playstation und dem Handy die Erziehung überlassen?
  • Die Hippiezeit hatte Kult-Charakter und war eine Jugendbewegung. Nicht in jedem Punkt nachahmenswert, aber immerhin waren nicht alle so „aggro“ mit Waffen im Amoklauf. Fehlt also eine wichtige Stufe im Leben, die uns zu genau dem macht was wir bemängeln?
  • Es fehlen verdammt nochmal die echten Werte! Der Wahrheitsgehalt lässt Zweifel offen, das Boot schwimmt irgendwo auf dem Wasser – unfähig den Kurs zu halten.
  • Umso dringend notwendiger die Begriffe „Ethik, Moral, Werte, Tugenden“, denn sie sind es, die eine Gesellschaft ausmachen. An der Wurzel packen bedeutet, das bestehende System ständig zu hinterfragen und zu entschleunigen. Sonst geht der Mensch darin verloren.
  • Komm runter, lieber Pierre – auch du musst schauen, wo der Verbindungspunkt zwischen Kränkung (Eitelkeit) und Akzeptanz eines anderen liegt. Irgendwo in der Mitte liegt bekanntermaßen der richtige Weg.
  • Es möge uns bitte, bitte möglich sein, Tugenden zu entwickeln und unsere wichtigen, alten, guten Werte ganz unten an der Basis zu beginnen, sie aufzugreifen und unabdingbar verfolgen. Ein Baum knallt ohne Wurzel im Sturm um. So ist es mit Menschen auch. Gesunder Boden, gesunde Wurzel, gesundes Wachstum.
  • Zeitgeist des einundzwanzigsten Jahrhunderts: Zur Pflege und Geduld eines gesunden Waldes bedarf es viele, viele Jahre der Geduld und Hingabe. Zur Pflege der Gesellschaft bleibt kaum Zeit. Wachstumsfördernde Mittel pushen effizient, damit der Verderb schnell wieder dem Kreislauf des Recyclings zugeführt werden kann. Aber ja, wir wollen alle leben. Fragt sich nur wie.

 

© Petra M. Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/

 

Nein, keine Sackgasse

Pierre:

Heute früh fühle ich mich wie in einer Sackgasse angelangt und ich sehe keine Möglichkeit weiterzukommen. Vor mir ist eine Betonmauer, glatt, unpersönlich, abweisend. Soll ich mich damit abfinden, mich gedanklich zu begraben?

Mathias:

Oh, oh, heute blühen bei dir keine Maiglöckchen! Du bläst Trübsinn, was die Sache nicht besser macht. Spricht dich aus. Spucke aus, was du auf der Seele hast und entlade dich von dem ganzen Dreck, der dich erstickt!

Pierre:

Das Corona-Virus verwandelt uns in Bestien. Die Menschen werden von Tag zu Tag aggressiver. Ich habe das Gefühl, dass sie wie in einem Kessel eingesperrt sind und versuchen, durch ihren Groll, die erstickende Luft aus ihrer Seele zu verbannen.

Mathias:

Pierre, du solltest das als einen Hilferuf betrachten, auch wenn es für dich in diesem Augenblick schwer ist, dies zu erkennen. Sollte man aber warten bis die Wunden verheilt sind? Das ist eine Frage, die ich mich im Konfliktfall immer wieder stelle.

Pierre:

Die Gefahr besteht, dass der Eiter aus der Wunde nicht entfernt wird und dass der Konflikt unterschwellig weiter brennt. Das passiert tagtäglich in der Politik und deswegen sollte man – um sich Ruhe zu verschaffen – nicht nachgeben, so hart es auch ist.

Mathias:

Wenn man aber diesem Weg nachgeht, muss man starke Nerven haben. Vergiss nicht, dass sich die Menschheit durch ihre Sturheit lähmt. Sich, durch das Nicht-Nachgeben, die Existenz verdirbt. Kein leichter Weg, gebe ich zu.

Mit der Zeit kommt Rat?

Pierre:

Wenn ich inmitten eines Konflikts stecke, empfinde ich die Pflicht, mich zurückzubesinnen und mir die Frage zu stellen, was ich falsch gemacht habe. Ich möchte nicht meinen Kontrahenten belasten und nicht ohne Grund wird er auf mich so böse sein, sage ich mir.

Mathias:

Es kann auch ganz anders gelaufen sein. Vielleicht warst du ganz einfach der Auslöser einer Wut, die nicht unbedingt auf deinen Mist gewachsen ist? Du befandest dich vielleicht im falschen Moment an der falsche Stelle, wer weiß?

Pierre:

Mathias, danke für den Trost, den du mir schenkst, aber ich zweifle trotzdem an mir. Ich zerbreche mir den Kopf, was ich falsch gemacht habe, denn ich habe niemanden angegriffen. Vielleicht habe ich mich zu neutral verhalten, was als Attacke betrachtet wurde?

Mathias:

Ich bin völlig sicher, dass das, was geschehen ist, nur eine Lappalie war, denn das ist oft der Fall, wenn es knallt. Es geht um eine Ansammlung von Fakten, die mit der Sache nicht direkt zu tun haben, um Stimmungen. Deshalb will ich die Ursache nicht kennen.

Pierre:

Ich hatte nicht vor sie dir zu verraten, weil es der Sache nicht dienen würde, da es um einen tieferen Schmerz geht. Es wäre meine Aufgabe ihn zu ermitteln und zu sehen was ich aus meiner Sicht machen kann. Auf jeden Fall irgendjemand überzeugen zu wollen, an sich zu arbeiten, scheint mir in einer heiße Phase vergeben.

Mathias:

Du hast das richtig erfasst. Wenn der Verletzte kein Zeichen von sich gibt, sich auf einen Dialog einzulassen, lass die Hände davon. In solch einem Fall liegt der Spielzug nicht bei dir. Aber wie soll der Andere spüren, dass du offen für eine Aussprache bist?

Das Recht, auf Frieden zu pfeifen

Pierre:

Im jetzigen Alter bin ich der Ansicht, dass der Friede nicht mit der Brechstange erzwingt  werden soll, das ist nicht dienlich. Wäre es nicht vernünftiger den Faktor Zeit für sich sprechen zu lassen? Ich beobachte, dass jeder das Recht hat auf ihn zu pfeifen.

Mathias:

Damit hast du eine düstere Sicht der Eintracht zwischen den Menschen. Ich denke, wenn es so geschehen sollte, wäre es besser wäre sich gleich die Kugel zu geben. Wir sind nicht so gestaltet, dass wir unser Schicksal derart gleiten lassen können.

Pierre:

Aber du musst erkennen, Mathias, dass passiv da zu sitzen auch nichts bringt. Warum würden wir beide einen Dialog führen, wenn wir keine Verbesserungen herbeiführen wollten? Ich weiß, ich widerspreche mir – ein Zeichen, dass ich verwirrt bin!

Mathias:

Wir drehen uns im Kreis und doch hätte ich einen Anhaltspunkt, der uns helfen könnte. Da die Ursache eines Konfliktes fast immer emotional ist, kann er kaum mit realen Fakten bekämpft werden. Wie wäre es, wenn du dich von deiner Sachlichkeit befreien würdest?

Pierre:

Soll ich mich auf den Marktplatz stellen, mir die Klamotten zerreißen und meinen Frust loslassen? Mich auf dem Boden herumwälzen, um meinen Kummer Ausdruck zu geben? Nein, es bleibt mir noch ein Rest an Stolz, den ich nicht aufgeben will.

Mathias:

Wenn ich betrachte wieviel Blut wegen geflossen ist, wird es mir ganz einfach schlecht. Kann das als Nabelschau betrachtet werden? Ich denke schon, aber der Preis ist schauderhaft, denn der Stolz bedeutet in diesem Fall Mord und Totschlag.

Ist Wut Leidenschaft?

Pierre:

Könnte ich, wenn ich keine Wut verspüren würde, überhaupt kreativ sein? Wäre ich in der Lage meine Gedanken weiterzuentwickeln, wenn ich keinen Widerstand verspüren würde? Würde das bedeuten, dass ich den Konflikt benötige, um weiterzukommen?

Mathias:

Ja, du brauchst ihn wie jeder Mensch. Du musst anecken, um dein Du zu erbauen.  Wenn jemand auf dich wütend ist,  ist der gleiche Reflex in Gange. Also sei nachsichtig gegenüber deinen Kontrahenten, es ist auch ein Entwicklungskurs.

Pierre:

Wenn es so ist, wie können wir zur Ruhe kommen? Es gibt doch noch ein Element, dass man nicht außer Acht lassen sollte – die Erziehung. Sie dient dem gegenseitigen Umgang, der Etikette. Altmodisch aber sehr dienlich.

Mathias:

Auch wenn ich sie oft als Vollbremse – was den Geist angeht – betrachte, erkenne ich, dass es ohne humane Umgangsformen einfach nicht klappen kann. Konflikte entstehen, wenn niemand mehr bereit ist, auf die Argumente der Anderen einzugehen.

Pierre:

Deshalb ist das Zuhören solch eine Kunst. Ich tue mir damit schwer, aber arbeite daran. Der Beweis dafür ist, dass ich von dir Meinungen serviert bekomme, die ich nicht unbedingt teile und siehe da, es ist bei weitem nicht schlecht, sie anhören zu müssen.

Mathias:

Was man aber vermeiden sollte, sind Ratschläge zu verteilen, weil sie immer falsch aufgefasst werden, wenn sie nicht als eine Bestätigung einer Meinung betrachtet werden. Pierre, mach letztendlich, was dir dein Bauch sagt, anders geht es ohnehin nicht.

Zum Abschuss bereit?

Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als sich

aufzugeben, sich als Opfer hinzustellen,

das nach Mitleid verlangt. Nein, ich will keine

Nachsicht erleiden, weil die immer erniedrigend

ist. Wenn sich Wut gegen mich ballt, soll sie ihre

ganze Wucht erleben, weil das der Beweis ist,

dass man sie verdient hat – positiv gesehen.

 

Wer allen Konflikten aus dem Weg geht, verneint

das Leben. Hat Jesus nicht die Händler aus dem

Tempel getrieben, was ihn letztendlich das Leben

gekostet hat? Weit weg der Gedanke, nicht für eine

Sache zu kämpfen, sich flach bügeln zu

Lassen – des Friedenswegen! Lieber Wunden einstecken

müssen, als als Wurm in die Geschichte einzugehen!

 

Ohne Hölle geht es nicht, so auch die Erkenntnis der

Frommen. Wissen sie, was Friede, Liebe und

Eintracht bedeuten würden, ohne Hiebe bekommen und

erteilen zu können? Und doch gibt es Grenzen, die nicht

überquert werden sollten, weil es sonst keine Menschen

mehr geben könnte, die den Willen hätten, Frieden zu

verteilen. Also ab in den Kompromiss? Tut mir verdammt weh!

 

//pm

Es war eine kurze Momentaufnahme eines an die Wand geschraubten, schief hängenden Magnetboards mit zahllosen Fingerabdrücken, aufgehängt über der vergilbten Kabelleiste des Frühstücksraums, in dem niemand mehr mit Appetit frühstücken wollte. Der klebrige, weiße Kühlschrank zitterte im zehn Minuten Takt so lange bis die darauf liegende Sechser-Steckdosenleiste auf dem Industriebetonboden donnerte und zerbarst. In der Ecke sammelte ein abgewetztes Stahlregal wahllos billige Steinguttassen, in denen klebrige Löffel steckten. Dazwischen irgendwelches Besteck, vergilbte Wegwerfservietten und Zucker in langgestreckten Papiertütchen wie man sie vom Italiener beim Espresso kannte. Was die vollgestopfte Restmülltonne direkt neben der Mikrowelle und dem Wasserkocher zu suchen hatte, blieb unbeantwortet. Draußen flatterte Trockeneis-Schnee am Fenster vorbei – es waren sonnige 25 Grad und Frühling. Er schaute sich um: Die Cappuchinore stand vergessen ohne Kanne und Behälter auf einer ausrangierten Push Up-Tonne, daneben der Plastikbehälter für die Einmal-Wegwerftücher zum Rausziehen, damit man wenigstens kurz das Gefühl hatte, man könne mit der Reinigung das Vergammeln beseitigen.

Die alten Kacheln, lieblos an die Wand geklebt, haben ebenso bessere Zeiten verdient wie der Seifenspender, aus dem stündlich so viel Flüssigseife tropfte, dass es jeden, der ans Becken kam, garantiert auf die Fresse legte. Fünfzig Cent – abgezählt in Münzen – hatten sie zu zahlen für einen irrsinnig heißen „Coffee To Go“, an dem sie sich die Finger verbrannten und der ebenso schnell abkühlte, wie er aus der Maschine heraus gepresst wurde. Sechs Tassen pro Tag, ganz normal. Macht drei Euro mal fünf und schon waren sauer verdiente sechzig Euro pro Monat im Eimer.

Immerhin funktionierte der Durchlauferhitzer unter dem nach Abwasser und Gully riechendem Handwaschbecken. Aber wieso kamen die Putzfrauen eigentlich jede Woche und reinigten seit Jahren nie den darüber hängenden Spiegel, in dem sich keiner der Arbeiter mehr erkennen konnte vor lauter Dreck? Sie liefen auf abgewetztem Betonboden, der sich seiner selbst schämen würde, wenn er es denn könnte. Wie viele Milliarden Tritte er schon bekommen hatte, ließ sich an seinem erbärmlichen Zustand ablesen.

Sie wollten das Fenster öffnen, aber der Alurahmen klebte vor so viel Atem auf seinem Leib derart fest, dass sich keines öffnen ließ, um ein wenig frische Luft in den stickigen Raum zu lassen. Es gab einige Rundtische, an denen sie sitzen konnten, sofern sie die schmerhaften Stiche im Steißbein nach spätestens zehn Minuten ignorierten. Notfallplan Physiotherapeut. Alles war eklig abgenutzt und schmutzig in dem alten Industriegebäude, dessen Glanzzeiten schon lange vorbei waren. Wer wollte denn eine verrostete, marode, bankrotte Bude mit überalterter Technik, die nicht nur optisch um Hilfe schrie als auch buchhalterisch? Das Missmanagement war offensichtlich.

Er blickte in den Hof, in dem sich viele Pfützen sammelten und den Mückenlarven Raum zur Vermehrung bot. Da stand der verrostete Container, daneben die vollen Mülltonnen, in die nachts Ratten krochen um die Reste der Butterstullen der Arbeiter zu fressen. Nichts, rein gar nichts erinnerte an die Zeit vor über dreißig Jahren, in denen er Gewinnbeteiligung und sonstige Gratifikationen bekommen hatte. Noch drei Monate Insolvenz-Überbrückungsgeld und er gehörte ebenso zum verrotteten Inventar wie alles, was um ihn herum stand.

Während er seine Pausen-Zigarette ausdrückte, kamen die Geschäftsführer mit dem Insolvenzverwalter vorbei. Er wusste es. Er kannte die großen Limousinen der Chefs, denen es gut ging und die bald wieder irgendwo anders die Zügel in die Hand nehmen würden. Sogar in Aufsichtsräten sitzen würden und garantiert nichts aus ihren Fehlern gelernt hatten.

Er ging rein. Seine Schichtpause war zu Ende. Morgen kommt die Nacht.

 

© Petra M. Jansen

http://literatourpoetictext.blogspot.com/