Wenn es eine Sicherheit gibt in den USA, dann die, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ein Massaker wie in Las Vegas dem Land wieder einen Schock versetzen würde. Schießereien und Amokläufe gehören in den USA mittlerweile zum Alltag. Vor drei Wochen etwa erschoss jemand acht Menschen in Plano, Texas, nur hat man davon kaum etwas gehört, weil acht Schussopfer nicht mehr reichen, um Schlagzeilen zu machen.

Die Zahlen sprechen ein klares Bild. Seit dem Amoklauf in einem Schwulenclub in Orlando im Juni 2016, damals das tödlichste Attentat in der Geschichte der USA, starben mindestens 585 Menschen in sogenannten „Mass shootings“, mehr als 2.100 Menschen wurden in Schießereien verletzt. In den USA sterben mehr Menschen durch Waffen als durch Aids, Drogen, Kriege und Terror zusammen. Doch was wurde politisch seit dem Attentat in Orlando unternommen? Nichts!

Die Waffengewalt der vergangenen Jahre habe, landesweit betrachtet, nicht etwa zu strengeren Gesetzen geführt, schreibt der Thinktank Center for American Progress. Im Gegenteil. Die vielen Schießereien hatten zur Folge, dass sich immer mehr Menschen Waffen kaufen, um sich im Notfall selbst verteidigen zu können; was zu einer Art Aufrüstung führte. 300 Millionen Schusswaffen befinden sich bis dato in Privatbesitz – und jedes Mal, wenn der damalige Präsident Barack Obama davon sprach, endlich etwas zu unternehmen, schossen die Verkäufe in die Höhe.

Auch wenn also der unwahrscheinliche Fall einträfe und die Politiker neue Gesetze beschlössen, was unter Präsident Trump schwer vorstellbar ist, würden all die MPs und Sturmgewehre nicht einfach verschwinden. Im Bundesstaat Nevada etwa, wo das Attentat vom Sonntag passierte, stirbt alle zwanzig Stunden (!) ein Mensch durch eine Kugel.

Es gibt in den USA eine ganze Landkarte der Amokläufe. Orte wie Aurora, Littleton oder Orlando sind auf ewig durch die Attentate in Kinos, Schulen oder Nachtclubs gezeichnet. Nun also Las Vegas, eine Stadt, in der viele Amerikaner ein paar Tage verbringen, um ihren Alltag hinter Glücksspielautomaten zu vergessen. In den Interviews am nächsten Tag sagten manche Menschen auf den Straßen, sie würden sich schämen, jetzt ins Casino zu gehen, nach allem, was passiert sei. Hochzeiten wurden abgesagt. Doch spätestens in wenigen Tagen wird alles wieder den gewohnten Gang gehen. „The Show must go on!“, zu keiner Stadt passt der Satz besser als zu Las Vegas. Und er passt auch zu Washington.

Auf jedes Attentat folgt dasselbe Ritual. Politiker twittern über ihren Schock und senden den Familien der Opfer ihre „Gedanken und Gebete“. Die Flaggen sind auf Halbmast, betroffene Politikergesichter stammeln in Fernsehkameras, dass Amerika nun zusammenhalten müsse. „Doch viel mehr wird nicht passieren“ (Washington Post)“.

Die meisten Demokraten werden auf Veränderung pochen. Die meisten Republikaner aber, die sich auf den zweiten Verfassungszusatz berufen und am Recht auf den Besitz von Schusswaffen festhalten, werden warten, bis sich die Empörungswelle legt. „Es war eine Tat des absolut Bösen“, sagte Präsident Donald Trump. Gemäß seiner Sprecherin Sahra Huckabee Sanders aber sei es zu früh, eine Debatte über das Waffenrecht zu führen.

Wann wird die Zeit für die Debatte sein?!

30 Millionen Dollar investierte die Waffenlobby NRA in den Wahlkampf und den Sieg Donald Trumps, der im Gegenzug versprach, am Recht jedes Amerikaners auf eine Waffe nicht zu rütteln. Doch dieser zweite Verfassungszusatz stammt aus dem Jahr 1791 und bezog sich auf Gewehre, die man mühselig mit Schwarzpulver laden musste, um einen Schuss abzugeben. Nicht auf Maschinengewehre, wie sie der Schütze in Las Vegas, Stephen Paddock, bei sich im Hotel hatte.

Umfragen zeigen regelmäßig, dass das amerikanische Volk offen wäre für mehr Regulierungen. Insbesondere für sogenannte „Background checks“, sogenannte Abklärungen der Käufer, und für Verkaufsverbote bei Personen, die sich in psychologischer Behandlung befinden. Immer wieder wird auch diskutiert, ob die Anzahl Waffen, die ein Einzelner kaufen kann, limitiert werden soll. Gemäß Vergleichsstudien mit anderen Ländern würden diese Maßnahmen die Anzahl der Schießereien und Todesopfer reduzieren. Doch die Republikaner blockieren sämtliche Vorstöße mit den immer gleichen Argument: Gegen einen Schützen könne man sich nur wehren, indem man sich selbst bewaffnet. Es ist das Mantra der Waffenlobby NRA.

Die Ermittler werden viele Fragen an die Freundin des Attentäters haben: Zum Beispiel, ob sie weiß, warum Paddock kurz vor dem Attentat noch 100.000 Dollar auf die Philippinen überwiesen hat. Noch mehr wird das FBI interessieren, ob sie irgendeine Ahnung hat, was Stephen Paddock dazu gebracht hat, in eine Menge voller feiernder, gutgelaunter Menschen zu schießen – und einfach nicht mehr aufzuhören.

 

FC Barcelona versus Real Madrid: Ein Fußballklassiker, -leckerbissen. Spiele auf hohem Niveau! Es ist aber nicht nur der Fußball, der solche Treffen auf dem Rasen prägt, es ist auch Politik. Bei den Spielen geht es um die Ehre. Die Katalanen fühlen sich nicht als Spanier, die Spanier wiederum sehen Katalonien lediglich als Region Spaniens. Ein schier unlösbarer Konflikt!

Wie kam es dazu? Es handelt sich um eine Konfrontation zwischen zwei politischen Kulturen. Der Wohlstand der Katalanen beruhte auf Handwerk und Seehandel. In den Städten entwickelte sich ein selbstbewusstes Bürgertum, vergleichbar den Hansestädten und italienischen Stadtrepubliken. Eine Tradition des politischen Kompromisses und ein ausbalanciertes Machtsystem entstanden.

Spanien hingegen war eine Monarchie mit klarer Machthierarchie: König, Adel, Klerus und Bauern, die Frondienste leisten mussten. Nach der Entdeckung Amerikas beruhte die spanische Wirtschaft nicht auf Handel und Erfindergeist, so stellen es mit Vorliebe katalanische Historiker dar, sondern auf der Ausplünderung der Reiche der Azteken und Inkas. Die Gestaltung der Politik blieb bis in die Neuzeit einer kleinen Elite vorbehalten. Nach Meinung linksliberaler Politologen lebt dieses hierarchische Politikmodell in der spanischen Volkspartei, der Partido Popular (PP), fort. Dort sei, so sagen sie, die innerparteiliche Demokratie nur rudimentär ausgebildet. Auch gelte für sie die Devise: „Der Gewinner nimmt sich alles“.

Nach katalanischer Ansicht verstehen die Spanier in Madrid Politik nur als Konfrontation. Symbolisch dafür steht der Stierkampf. In Katalonien ist das Spektakel verboten, zum Ärger der Traditionalisten in Madrid. Stolz verweisen die Katalanen auf ihre eigene Tradition: die Castells, Türme aus Menschen, mehrere Etagen hoch, Ergebnis eines Höchstmaßes an Konzentration und Koordination. In Spanien aber amüsiert man sich über diesen exotischen Sport, bei dem es nicht um das unmittelbare Kräftemessen geht.

„Stierkämpfer und Kolonialherren die einen, Akrobaten und Händler die anderen: Die Gründe für das Unabhängigkeitsreferendum sind jahrhundertealt“ (Süddeutsche Zeitung, 29.09.2017).

Das Verfassungsgericht in Madrid hatte bereits 2014 ein rechtlich bindendes Referendum untersagt. Das Gericht urteilte, dass die Regionalregierung für eine solche Abstimmung nicht zuständig sei. Eine Abspaltung betreffe die Einheit ganz Spaniens.

Bei den Regionalwahlen in Katalonien 2015 hatten die separatistischen Parteien gewonnen und den Sieg als „Mandat zur Unabhängigkeit“ interpretiert. Katalonien im Nordosten Spaniens ist die wirtschaftlich stärkste Region des Landes. Viele Katalanen stört, dass Teile der Wirtschaftskraft genutzt werden, um ärmere Regionen zu unterstützen.

Das spanische Verfassungsgericht hatte Anfang September das neue, für gestern vorgesehene, Referendum über eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesetzt. Die vom katalanischen Regionalparlament verabschiedete Regelung bleibe während laufender Beratungen des Verfassungsgerichts außer Kraft, hieß es aus Gerichtskreisen. Die Volksbefragung wurde dennoch am 1. Oktober durchgeführt.

Nach Angaben der katalanischen Behörden stimmten rund 90 Prozent für die Abspaltung Kataloniens von Spanien, knapp acht Prozent votierten dagegen. Die Wahlbeteiligung soll nur 42 Prozent betragen haben. Die Regionalregierung hatte für den Fall eines Sieges des „Ja-Lagers“ angekündigt, innerhalb von 48 Stunden die Sezession von Spanien und damit die Unabhängigkeit auszurufen.

Die Lage in Katalonien spitzt sich zu. Die EU hat Madrid und Barcelona zum Dialog aufgerufen und das Referendum als illegal bezeichnet. Doch die katalanische Regionalregierung besteht auf dessen Gültigkeit.

Dabei waren spanische Polizisten am Sonntag teils mit massiver Gewalt vorgegangen, Hunderte Menschen wurden verletzt, darunter auch Einsatzkräfte. Heute korrigierte die katalanische Regionalregierung die Zahl nach oben, auf 893 Verletzte. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said al Hussein, forderte die spanische Regierung auf, eine unabhängige Untersuchung über die Gewalt während des Referendums einzuleiten.

An den europäischen Finanzmärkten hinterließ die turbulente Abstimmung Spuren. Der Kurs des Euro geriet am Montag unter Druck. Besonders deutlich zeigte sich die Reaktion bei spanischen Staatsanleihen, deren Renditen spürbar zulegten. Auch an der spanischen Aktienbörse kam es im frühen Handel zu Einbußen. Katalonien ist eine hochindustrialisierte Region, in der mehr als die Hälfte der rund 1.600 Firmen mit deutscher Beteiligung in Spanien angesiedelt ist.

Schon 1936 schrieb Manuel Chaves Nogales (spanischer Journalist) in Katalonien: „Separatismus ist eine seltsame Substanz, die in den politischen Laboren Madrids als ein Katalysator des Patriotismus und in den Laboren Kataloniens als eine Zementierung der konservativen Klassen hergestellt wird“.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wirft der AfD vor, in mehreren Punkten ihres Wahlprogramms gegen das Grundgesetz zu verstoßen. Dazu zählten Forderungen nach einem pauschalen Verbot von Minaretten und Muezzin-Rufen in Deutschland. Selbstverständlich muss jede Religion die Vorgaben unseres Grundgesetzes einhalten. Die Verfassung schreibe jedoch die Religionsfreiheit und das Verbot der Diskriminierung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauungen fest, so der Minister.

Das Bundesverfassungsgericht sagt in seiner Auslegung des Grundgesetzes, dass jede Religionsgemeinschaft, die gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt – etwa in Bezug auf Mitgliederzahl oder Bestandsdauer -, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts werden darf.

Auf den ersten Blick unterscheidet die AfD Christentum und Islam als Religionen, wobei der Islam weniger Rechte haben soll. So eine Aufteilung ist dem Grundgesetz fremd. Alles, was es an Rechtspositionen gewährt, gewährt es jeder Religionsgemeinschaft. Es macht keinen Unterschied, ob es sich um das Christentum handelt, das in Deutschland stärker verbreitet ist, oder den Islam.

Bei der AfD klingt es immer so, als sage das Grundgesetz nur, dass man glauben darf, was man möchte. Das ist rechtlich aber gar nicht relevant, denn die Gedanken sind sowieso frei. Der Kern der Religionsfreiheit, wie sie im Grundgesetz gewährleistet ist, besteht aber gerade darin, dass man seine Religion auch leben darf.

Wer sagt, er oder sie könne dies nur tun, wenn bestimmte Kleidungsvorschriften befolgt werden, der ist von der Religionsfreiheit geschützt. Vom Grundgesetz aus betrachtet ist keine Begründung ersichtlich, mit der man ein grundsätzliches Burka-Verbot rechtfertigen könnte.

Das ist aber umstritten. Wenn man sich die Gerichtsurteile dazu anschaut, dann darf man im Bereich des öffentlichen Dienstes gewisse Vorschriften erlassen. Wer in den Staatsdienst eintritt, muss bereit sein, bestimmte Einschränkungen in Kauf nehmen. Wie weit die genau gehen können, ist aber noch nicht völlig rechtlich abschließend geklärt.

Und was ist mit einem Verbot von Koranschulen?

Das ist wohl nach herrschender Meinung unter den Juristen ebenfalls nicht zulässig, denn zur Religionsausübung gehört auch, dass man die Inhalte lehrt. Da gibt es natürlich Grenzen. Der Staat darf sich vergewissern, dass in einer Koranschule nicht zu strafbaren Handlungen aufgerufen wird.

Bundesjustizminister Maas krtisiert, die AfD fordere unter anderem in ihrer Religions-, Familien- und Europapolitik klare Verletzungen des Grundgesetzes. Konkret gehe es um den dort verbrieften Schutz der Menschenwürde, die Unschuldsvermutung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Freiheit der Religion. Mit der AfD hat erstmals seit 1949 eine Partei die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen, deren Programm in Teilen verfassungswidrig sein kann.

Trotz allem hat Maas bereits vor der Wahl angesichts des absehbaren Einzugs der AfD in den Bundestag vor Verfahrensänderungen zur Blockade der rechtskonservativen Partei gewarnt. Wenn die AfD ins Parlament einziehe – was sie letzten Endes getan hat -, sei das Ausdruck des Wählerwillens. Das ist ein Teil unserer politischen und gesellschaftlichen Realität, was man akzeptieren muss.

Die AfD als drittstärkste Kraft kann das Amt des Vizepräsidenten des Bundestages und traditionell auch den Vorsitz des mächtigen Haushaltsausschusses für sich beanspruchen. Die Regelung, dass der älteste Abgeordnete die Eröffnungsrede hält, wurde bereits geändert, weil dies voraussichtlich ein AfD-Abgeordneter sein wird. Maas selbst halte nichts davon, irgendetwas zu verändern, nur damit die AfD klein gehalten werde. Das verschaffe der AfD nur die Möglichkeit, sich in „diese Opferrolle hinein zu interpretieren“ und damit zu zeigen, dass man anders ist als die anderen Parteien und dass die anderen Parteien sich alle gegen sie verbündet hätten.

 

 

Es ist alles andere als sicher, dass sich CDU, CSU, Grüne und FDP nach dem „Nein!“ der SPD zur GroKo am Ende wirklich auf einen Koalitionsvertrag einigen können.

Man kann sich eine Jamaika-Koalition schlecht vorstellen. Das hat weniger mit den Personen als mit Positionen zu tun. Diese sind in einigen Politikfeldern schlecht vereinbar.

Wo liegt das Konfliktpotenzial zwischen den vier Parteien? Einige Beispiele:

Die CSU machte umgehend klar, dass sie keine Politik des „Weiter so!“ mitmachen werde – und strebt die Rückgewinnung konservativer Wähler an. „Für uns geht’s vor allem um einen klaren Kurs Mitte-Rechts für die Zukunft“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer.

So besteht die CSU auf einer Obergrenze für Flüchtlinge. Dem Ministerpräsidenten zufolge gelinge Integration nur, wenn man begrenze. Das gelte auch für den Familiennachzug.

Dieser Punkt könnte in den Koalitionsverhandlungen ein großes Problem werden. CDU-Chefin Angela Merkel spricht sich weiterhin gegen eine Obergrenze aus und eckt damit bereits seit 2015 bei der CSU an.

Die Grünen machen das Thema Obergrenze gleich zur Bedingung für eine Koalition: In einer Koalition mit ihnen wird es – ebenso wie bei CDU und FDP – keine Obergrenze für Flüchtlinge geben.

Auch beim Thema Klimaschutz gibt es Konfliktpotenzial. Die Grünen fordern ein klares Datum für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor – ab dem Jahr 2030 sollen nach ihrer Vorstellung keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden.

Grünen-Chef Cem Özdemir ließ aber bereits durchblicken, dass 2030 als Enddatum für Benziner und Diesel nicht durchsetzbar sein könnte, da man nicht allein regiere.

Die CSU wiederum hatte vor der Wahl angekündigt, keinen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, in dem ein Enddatum für den Verbrennungsmotor festgehalten ist.

Und auch CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel hält nichts von einem festen Enddatum, auch wenn sie den Verbrennungsmotor allenfalls für eine Brückentechnologie hält.

Die Grünen fordern zudem, die zwanzig schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abzuschalten, sowie einen Komplettumstieg auf erneuerbare Energien bis 2030. Hier bremst die FDP und will auf fossile Energieträger vorerst nicht verzichten; schon gar nicht, wenn der Umstieg mit Hilfe von Subventionen funktionieren soll.

Es gibt aber auch Schnittmengen: Alle vier Parteien wollen untere und mittlere Einkommen entlasten und den Solidaritätszuschlag abschaffen. Die FDP will die Steuerzahler jährlich um 30 Milliarden Euro entlasten, die Union immerhin um 15 Milliarden Euro.

Problematisch wird es, wenn es um Mehrbelastungen hoher Einkommen, Erbschaften und von Topvermögen geht.

Die CSU schließt jegliche Steuererhöhungen aus und gibt sich als Schutzmacht vor allem für vermögende Firmenerben.

Auch die FDP stellt sich gegen Steuererhöhungen – sei es auch nur für Besserverdienende.

In puncto Innere Sicherheit gibt es weitere Probleme, die bei den Koalitionsverhandlungen auftreten könnten.

Alle wollen mehr Sicherheit, aber FDP und Grüne sperren sich gegen Vorratsdatenspeicherung, Schleierfahndung und gegen die Ausweitung der Videoüberwachung.

In der Tat sind die Vorstellungen der Parteien in diesem Bereich sehr verschieden. Die Union befürwortet eine Anwendung und gleichzeitige Verschärfung der Vorratsdatenspeicherung, FDP und Grüne wollen diese hingegen abschaffen.

Das wird aber mit der CSU kaum zu machen sein, die im Wahlkampf mit harten Parolen zum Thema Sicherheit auf sich aufmerksam gemacht hat.

Auf dem Gebiet Europapolitik sorgt die FDP im Ausland für Unruhe. Die Liberalen könnten in einer neuen Regierung darauf dringen, bei den Euro-Regeln kompromissloser aufzutreten.

Verhandlungen mit Frankreich und anderen Euro-Partnern über eine Reform der Eurozone werden mit den Liberalen nicht einfacher.

So lehnt die FDP einen gemeinsamen Haushalt der Euro-Zone kategorisch ab.

Die EU-Verträge wollen die Liberalen ändern, damit für ein Land bei einem Euro-Austritt nicht automatisch die EU-Mitgliedschaft erlösche.

Das sind nur einige Punkte. Es gibt viel zu tun für die Parteien: Man darf gespannt sein!

 

 

 

Deutschland hat gewählt! Eine „historische Wahl“, so steht es in den Gazetten zu lesen. So sehr sich kleinere Parteien wie die Grünen und die FDP über massive Ergebnisse freuen durften, war es gestern, nach Mitteilung des vorläufigen Endergebnisses, für viele keine Tag der Freude. Frau Merkel wird wohl eine vierte Amtsperiode weiterregieren als Kanzlerin. Die Ergebnisse bei CDU/CSU und SPD sind erschreckend, was die Stimmenverluste der beiden großen Volksparteien angeht, die rechtsradikale AfD ist ins Parlament eingezogen mit einem über zweistelligen Ergebnis. Es wird schwierig für Frau Merkel.

Die CDU/CSU ist trotz massiver Verluste dennoch als stärkste Kraft aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Nach dem vorläufigen Ergebnis des Bundeswahlleiters kam sie am Sonntag auf 33,0 Prozent und verlor damit 8,5 Punkte im Vergleich zu 2013. Die SPD fuhr mit 20,5 Prozent (minus 5,2 Punkte) ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein.

Die AfD wurde mit 12,6 Prozent drittstärkste Kraft. Der FDP gelang mit 10,7 Prozent der Rückkehr in den Bundestag, aus dem sie 2013 geflogen war. Die Linke holte 9,2 Prozent, die Grünen erreichten 8,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug 76,2 Prozent (2013: 71,5).

Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag in der neuen Wahlperiode so groß wie nie zuvor. Die Sitzverteilung sieht nach Angaben des Bundeswahlleiters so aus: CDU/CSU: 246 Mandate, SPD: 153, AfD: 94, FDP: 80, Linke: 69, Grüne: 67.

Wer wählt eine rechtsgerichtete Partei wie die Alternative für Deutschland? Wer sind ihre Wähler, was treibt sie um? Sind Gewerkschaftsmitglieder anfälliger für das Gedankengut der Rechtspopulisten? Diesen Fragen ging eine Studie nach, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung Anfang August in Berlin vorgestellt hat, und sie bestätigte vieles, was man über die AfD bereits weiß. Einige der Befunde aber zeigen bemerkenswert klar, wie widersprüchlich das Phänomen AfD ist und wie stark subjektive Faktoren, also Stimmungen und Ängste, die Affinität zu der Partei beeinflussen. Für die Studie befragte das Institut policy matters zwischen Mitte Januar und Anfang Februar diesen Jahres knapp 5.000 Personen über Internet.

Die Autoren der Studie konstatieren, dass eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die derzeitige wirtschaftliche Lage und auch die eigene positiv beurteilt. Ein tiefgreifender Wertewandel habe aber dazu geführt, dass mehr Menschen anfällig werden für rechtspopulistische Parolen. Zwar wollen heute weitaus mehr Menschen Verantwortung für sich selbst übernehmen als noch vor zehn Jahren, viele glauben aber, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderfällt. Die Menschen fühlen sich auf sich zurückgeworfen.

Die Angst vor Globalisierung und Digitalisierung wächst bei vielen, das führt zu Verunsicherung und Sorgen um die Zukunft. Besonders stark sind diese Ängste bei AfD-Wählern ausgeprägt, sie fürchten sich vor Kriminalität, Überfremdung, dem Verlust des Arbeitsplatzes und mangelnder Absicherung im Alter. Den Institutionen in Deutschland trauen sie weit weniger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Nur eine Minderheit glaubt, dass Deutschland ein wirklich demokratischer Staat ist.

Das wichtigste Motiv, AfD zu wählen, ist die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation, und zwar unabhängig davon, ob die eigene soziale Lage tatsächlich schlecht ist. Entscheidend ist die subjektive, die gefühlte Lebenslage. Die AfD-Wählerschaft setzt sich aus zwei Gruppen zusammen. Eine Mehrheit ist männlich und gehört zur unteren Mittelschicht, ihr Nettoeinkommen liegt mit durchschnittlich 1.664,– Euro kaum unter dem allgemeinen Durchschnitt. Dazu kommen überdurchschnittlich Gebildete, die entsprechend gut verdienen. Es trifft also auch nicht zu, dass vor allem Arbeitslose sich zur AfD hingezogen fühlen.

Mit am wichtigsten für Wahlentscheidung war wohl, wie sicher das Arbeitsverhältnis ist und ob nach Tarifvertrag bezahlt wird. Beschäftigte in großen Betrieben mit Tarifbindung und starker Mitbestimmung sind demzufolge weniger anfällig für die AfD als solche in kleinen. DGB-Chef Rainer Hoffmann forderte seinerzeit die Politik auf, für mehr Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen, etwa durch stärkere Tarifbindung. „Die Politik muss die Ängste der Menschen ernst nehmen“.

Ja, das muss sie! Aber auch der Bürger/die Bürgerin ist gefragt. Wollen immer mehr Menschen Verantwortung für sich selbst übernehmen, dann heißt das auch, dass man sich von der Versorgungsmentalität verabschieden muss – „Mütterchen Fürsorge“ und „Vater Staat“. Wir haben Wohlstand und einen Sozialstaat, und das ist gut so!

Besinnen wir uns zurück auf John F. Kennedy. Er hat einmal gesagt: „And so, my fellow Americans: Ask not what your country can do for you – ask what you can do for your country!“.

Der Wille der Menschen ist da, machen wir etwas daraus!

Wir brauchen keine AfD.

 

 

Nationalstolz, Patriotismus, Vaterlandsliebe – kann man das heute noch nachvollziehen? In einem bestimmten Land geboren zu sein, ist keine besondere Leistung. Keiner hat sich vorher ausgesucht, wo er oder sie geboren wird und darauf stolz zu sein, bringt nichts. Sich über sein Heimatland zu identifizieren, fällt vielen mittlerweile schwer. Wer eine Nation mehr als einen Charakter braucht, um sich eine eigene Identität aufzubauen, ist zu bemitleiden.
Ist es statt dem Stolz doch eher die Angst davor, sich mit sich selbst beschäftigen zu müssen, die einen dazu bringt, sich mit unveränderbaren Begebenheiten zu identifizieren? Ist Identität nicht eine der wenigen Dinge im Leben, die man wirklich selbst beeinflussen und bilden kann? Die eigene Identität ist das, was jeden Menschen zu einem Individuum macht. Sie ist das, was unsere Welt zu einer vielfältigeren macht. Würden wir alle uns nur über unseren Geburtsort, unser biologisches Geschlecht und unsere groben äußerlichen Merkmale identifizieren, wäre die Welt für uns Menschen ein furchtbar langweiliger Ort.

Eine Partei in Deutschland wirbt gerne mit dem Patriotismus. Auf der Website der Alternative für Deutschland NRW findet man einen Artikel, der Patriotismus in Gefühlspatriotismus und Verfassungspatriotismus unterteilt. Der Gefühlspatriotismus wird hierbei mit Heimweh verglichen. Die „Heimatliebe“ mit dem kindlichen Gefühl des Heimwehs gleichzusetzen, ist anmaßend. Deshalb muss man nicht gleich Patriot sein.

Bleiben wir beim Thema Kultur. Die AfD scheint eine große Zuneigung dem einfältigen Begriff „Leitkultur“ gegenüber zu hegen, wenn von deutscher Kultur die Rede ist. Auf der gegenüberliegenden Seite steht, laut der AfD, die Multi-Kultur, – oder der „Multikulturalismus“, wie sie ihn nennen – den die Partei entschieden ablehnt. Laut dem aktuellen Programm der AfD gefährde diese Multi-Kultur angeblich unseren Staat: „Multi-Kultur ist Nicht-Kultur“. Diese Multi-Kultur könne „sogar den Zerfall eines Staates bewirken.“, heißt es auf der Website. Niedlich! Dass „Multi-“ im Grunde nur „ein Vielfaches“ meint, scheint ebenfalls in das große Gebiet der Wissenslücken der AfD zu fallen. Multi-Kultur heißt also nicht die Verdrängung einer einzelnen Kultur, sondern der Zuwachs an Kulturen oder einfach das Wachstum einer einzelnen Kultur zu mehreren Kulturen. Hierbei geht nichts verloren, man gewinnt immer dazu. Eine Win-Win-Situation!

AfD Programm und deutsche Sprache: Man kann sich einen Eindruck davon verschaffen, wie umfangreich die deutsche Sprachgeschichte ist, indem man Wikipedia aufruft. Hier erkennt man, dass der Artikel bis in die Gegenwart reicht und sich auch mit den Entwicklungen der letzten Jahre beschäftigt. Nach der Lektüre dessen ist es noch unverständlicher, wie die AfD in ihrem Programm zu folgender Schlussfolgerung kommt: „Als zentrales Element deutscher Identität will die AfD die deutsche Sprache als Staatssprache im Grundgesetz festschreiben. ‚Politisch korrekte‘ Sprachvorgaben lehnen wir entschieden ab, weil sie einer natürlichen Sprachentwicklung entgegenstehen und die Meinungsfreiheit einengen“. Wie unmöglich es ist, eine Sprache festzuschreiben, zeigen uns die ständigen Neuauflagen des Dudens mit entsprechenden Neuerungen.

Fraglich bleibt, was die AfD mit einer „natürlichen Sprachentwicklung“ meint und wieso politisch korrekte Begriffe nicht darunter fallen. Eine Sprache passt sich in ihrer Entwicklung dem Fortschritt der Menschen und der Gesellschaft an. Themen, die neu diskutiert oder das erste Mal thematisiert werden, müssen immer zuerst ihre eigene Sprache oder neue sprachliche Umgangsformen finden, damit sie diskutiert werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist jede neu aufkommende Wissenschaft, die immer zuerst eine neue Sprache (er)finden muss, damit man sich innerhalb der Wissenschaft überhaupt austauschen kann.

In unserer heutigen Zeit wird viel über Diskriminierung gesprochen und immer offener darüber diskutiert, sodass eine größere Aufmerksamkeit für Lebensformen geschaffen wird, die zuvor von einigen Menschen abgelehnt oder nicht beachtet wurden. Genau über diese Aufmerksamkeit und die neue Art, wie wir nun darüber diskutieren, offenbart sich fast allen Menschen die Notwendigkeit der Weiterentwicklung unserer Sprache. Der AfD nicht! Auf diese Art und Weise kommt es zu neuen, politisch korrekten Begriffen. Diese symbolisieren eine Toleranz allen Menschen gegenüber und gehen entschieden gegen Diskriminierung vor. Die AfD lehnt dies entschieden ab.

Patriotismus kann nicht nach vorne sehen, solange er sich weigert zu akzeptieren, dass Dinge, wie Kultur, Sprache, Menschen und die Umwelt sich in einem ständigen Wandel befinden. Sobald der Patriotismus dies akzeptiert hat, schafft er sich vielleicht selbst ab.

Derzeit hat Patriotismus keinen Inhalt, eine Worthülse, hinter der sich Menschen verstecken, die sich weigern, über den Tellerrand hinwegzusehen.

US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag seine mit Spannung erwartete erste Rede bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen gehalten.

Trump tut in seiner Rede in New York genau das, was er immer tut: Er provoziert, er droht, er rempelt. Bei aller Gewöhnung an Trumps pöbelhaftes Auftreten – seine Drohung, Nordkorea zu zerstören, beschwört ein solch entsetzliches Szenario herauf, dass man es kaum weiterdenken mag.

Denn was wäre wohl die Folge eines gewaltsamen Eingreifens der USA in Nordkorea samt Eskalation auf der koreanischen Halbinsel? Viele Tote, eine ökonomische Schockwelle globalen Ausmaßes und nachhaltig gestörte Beziehungen zwischen den USA, China und Russland. Fast könnte man bei dieser Horrorvorstellung übersehen, dass auch die Staatengemeinschaft eine Denuklearisierung Nordkoreas will.

Nur wie? Hier liegt die tiefere Bedeutung von Trumps Rede. Sie ist geprägt von Misstrauen in die Problemlösungsfähigkeit der internationalen Sicherheits- und Verhandlungsarchitektur. In Trumps Welt ist die Politik an ihrem Nullpunkt angelangt.

Solche Hassreden gehörten ins Mittelalter und nicht ins 21. Jahrhundert, twitterte der iranische Außenminister Mohamed Dschawad Sarif. Trump setze in der UN-Rede auf weitere Eskalation. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dagegen lobte Trumps Rede. Er habe in seinen mehr als 30 Jahren Erfahrung mit den Vereinten Nationen noch nie eine kühnere oder mutigere Rede gehört.

China rief zur Zurückhaltung auf. Die Lage auf der koreanischen Halbinsel sei kompliziert und heikel. Die betroffenen Parteien sollten Zurückhaltung üben und richtige Schritte unternehmen, um zu helfen, die Spannungen abzubauen, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Peking als Reaktion auf die Rede von Trump vor den Vereinten Nationen.

Trumps Bestrebungen zu möglichen Neuverhandlungen über das Pariser Klimaabkommen schob Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Riegel vor. Das Abkommen sei nicht neu verhandelbar, so Macron im UN-Plenum. Man könne das Abkommen anreichern, mit neuen Beiträgen, werde aber nicht zurückweichen. Die Tür für die USA werde immer offen stehen.

Trumps „America first“ gilt weiterhin. Im UN-Plenarsaal wiederholte Trump sein Vorhaben, die Außenpolitik an amerikanischen Interessen ausrichten zu wollen. O-Ton: „Als Präsident der Vereinigten Staaten werde ich Amerika immer an die erste Stelle setzen!“. Genauso sollten es auch andere Staats- und Regierungschefs tun. Den UN warf er mangelnde Effizienz vor. Die USA leisten den mit Abstand größten finanziellen Beitrag zum regulären UN-Etat sowie zu den weltweiten Friedensmissionen.

Die Welt befindet sich nach Ansicht Trumps an einem Scheideweg. Man treffe sich in einer Zeit immenser Versprechungen, aber auch riesiger Gefahren. Trump nannte als Risiken den internationalen Terror, kriminelle Netzwerke und autoritäre Regime, die über Massenvernichtungswaffen verfügten. „Wir können die Welt zu neuen Höhen führen, oder sie in ein Tal fallen lassen, in dem sie nicht repariert werden kann“ (diepresse.com).

Klimaabkommen und „America-First-Doktrin“ sind gewohntes Geplänkel gegenüber der knallharten Drohung, Nordkorea total vernichten zu wollen. Wenn alles Gute nur aus entschlossenem Handeln in wohlverstandenem Eigeninteresse kommt, dann ist das egoistische Berechnung. Dieses kalte Kalkül der Macht verbindet den US-Präsidenten ausgerechnet mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-Un, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping, den Mullahs in Teheran und anderen Herrschern. Dass Trump sich in diesem Sinne an ihre Seite stellt, ist die eigentliche Botschaft des Tages.

Trump heizte mit seinen martialischen Worten Spekulationen um einen baldigen Krieg an. Er vergriff sich völlig in der Ausdrucksweise, als er Nordkorea mit der totalen Zerstörung drohte, falls es die USA angreife. Es hätte die Klarstellung gereicht, dass Nordkoreas Regime einen solchen Angriff nicht überleben werde.

Was ist von Trumps Doktrin zu halten? Sein Hohelied der Souveränität blendet zentrale Schwächen aus: Es gibt viele Beispiele dafür, in denen Nationalstaaten freiwillig, zum eigenen Vorteil, Teile ihrer Souveränität abtreten, um ihre Interessen im kollektiven Verbund besser verfolgen zu können. Auch ist „Souveränität“ stets ein bequemes Argument für Diktaturen, um Kritik an der Unterdrückung ihrer Bürger als ungebührliche Einmischung in innere Angelegenheiten abzuschmettern. Trump erwähnte den Einsatz für die Menschenrechte mit keinem Wort. Damit droht er gerade westliche Werte zu verraten.

Die Welt sieht sich schweren Konflikten gegenüber.

 

 

Der Gedanke existiert schon länger, das Wahlalter von 18 Jahren auf das vollendete 14. Lebensjahr abzusenken. Die Gründe sind vielfältig, einer davon soll sein, dass die Jugendlichen in der heutigen Zeit früher sozialisiert werden als noch vor dreißig Jahren. Macht das Sinn?

Das Engagement junger Menschen in politischen Organisationen geht seit Jahrzehnten zurück. Ein Grund ist: Wir wollen uns nicht mehr langfristig binden, schon gar nicht an eine Organisation mit wöchentlichem Stammtisch voller Grundsatzdiskussionen. Vielleicht ist sogar die Demokratie an sich in der Krise. Laut einer Studie von YouGov sind nur noch 52 Prozent der jungen Europäer von der Demokratie als bester Staatsform voll überzeugt. Wer hat gegen die junge Demokratiemüdigkeit heute noch eine Chance?

Eventuell: Kleiner Fünf, Pulse of Europe und Demo. Alle diese Bewegungen entstanden letztes Jahr als Reaktion auf die Wahlerfolge der Rechtspopulisten von der Trump-Wahl bis zum Brexit-Referendum. Demo ist unter ihnen vielleicht die spontanste, simpelste, naivste. Und die vollmundigste. „Lasst uns Demokratie machen. Lasst uns demonstrieren gehen. Lasst uns die Dämonen demontieren“, schrieb eine junge Demo-Gründerin in ihrem Facebook-Eintrag nach Trump. Und sofort berichteten alle Zeitungen, Plattformen, Jugendmagazine über sie.

Kinder und Jugendliche würden bei der Bundestagswahl der CDU/CSU die meisten Stimmen geben, aber auch die AfD in den Bundestag wählen. Das zeigen die vorläufigen Ergebnisse einer nicht repräsentativen, bundesweiten Jugendwahl am 15. September für unter 18-Jährige. Den Organisatoren der U18-Wahl zufolge bekam die CDU/CSU etwa 28 Prozent der Stimmen. Die SPD folgte mit knapp 20 Prozent auf dem zweiten Platz. Die Grünen bekamen von den Nachwuchswählern unter 18 Jahren rund 17 Prozent der Stimmen, die Linke etwa acht Prozent. Die AfD landete bei knapp sieben Prozent der Stimmen. Auch die FDP wäre mit knapp sechs Prozent im Bundestag vertreten.

Bei der U18-Bundestagswahl konnten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in 1.662 Wahllokalen ihre Stimme abgeben. Insgesamt nahmen mehr als 215.000 Kinder und Jugendliche an der Abstimmung teil. Das teilte der Deutsche Bundesjugendring als Koordinierungsstelle für die Wahl mit. Die Stimmen aus etwa 300 Wahllokalen waren am Wochenende zwar noch nicht ausgezählt, das endgültige Stimmungsbild werde sich laut den Organisatoren dadurch aber nicht mehr wesentlich ändern.

In den vorläufigen Ergebnissen zeichnen sich deutliche regionale Unterschiede ab. So bekam die AfD bei der U18-Wahl in Sachsen und Thüringen demnach jeweils gut 15 Prozent der Stimmen. In Hamburg oder Schleswig-Holstein blieb sie hingegen knapp unterhalb der Fünfprozentmarke.

Die U18-Wahl wird getragen vom Deutschen Kinderhilfswerk, dem Deutschen Bundesjugendring, den Jugendverbänden und Landesjugendringen sowie vom Berliner U18-Netzwerk. Im Rahmen der Jugendwahl haben sich Kinder und Jugendliche mit den Programmen der Parteien beschäftigt, mit Kandidaten in den Wahlkreisen debattiert oder mit anderen Kindern und Jugendlichen über Politik gesprochen.

An der Wahl dürfen sich Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren beteiligen, eine Altersgrenze nach unten gibt es nicht. Wahlberechtigt sind auch Kinder ohne deutschen Pass. Auch bei der Jugendwahl 2013 hatte die CDU/CSU deutlich vor der SPD gelegen, die Grünen belegten damals ebenfalls den dritten Platz.

„Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“, so der Soziologe Max Weber 1919 in Politik als Beruf, und wird fast täglich damit zitiert. Immer wenn etwas nicht vorangeht, heißt es: Das ist eben Politik! Das nervt, wird bald langweilig. „Bringt ja eh nichts!“ ist das, was man häufig hört. Deshalb haben Jugendliche „Besseres“ zu tun. Und das ist gefährlich!

Die wichtige Lehre aus Demo, Kleiner Fünf, Pulse of Europe: Politik geht eben doch, wenn man jung ist. Gleiches gilt für uns Ältere.

Viele der Jugendlichen haben in der Schule allgemein Politik durchgenommen, sie wissen, was Demokratie bedeutet; und auch Diktatur. Das allein sollte schon zu dem Gang an die Urne motivieren.

Wir Älteren sollten auch aus unserer Wohlstandsblase herauskommen und uns bewusst sein, dass Freiheit und Wohlstand auch Verantwortung bedeutet. Und die trägt man mit beim „Kreuzchenmachen“ im Wahllokal.