Letzten Samstag verließen wir spät in Frankfurt die Konzerthalle. Es war schön, gut besucht. Von solchen Erlebnissen zehrt man monate-, ja zuweilen jahrelang. So etwas bleibt in Erinnerung! Was passiert, wenn sich solche Erinnerungen mit Angst mischen, war mir in diesem Moment nicht richtig klar. Wie es ist, wenn das Schicksal Schönheit und Horror nur für runde 48 Stunden und 850 Kilometer Luftlinie trennt. Wie schmal ist die Linie, die Lebensfreude und Tod trennt?!

Am Montag dieser Woche waren bei einem Anschlag am Ende des Konzerts der Sängerin Ariana Grande 22 Menschen getötet und mehr als 60 Personen zum Teil schwer verletzt worden. Der „Islamische Staat“ (IS) hatte behauptet, hinter dem Anschlag zu stecken.

Aber vielleicht weil es das Ziel des Massenmörders war, möglichst viele junge Konzertbesucher, das weichste der weichen Ziele, in den Tod zu reißen, ist dieser Anschlag so abscheulich. Möglicherweise sind die Bekundungen der Bestürzung und der Betroffenheit auch deshalb so eindringlich und mitfühlend. Ja, Großbritannien steht nicht allein. In diesem Kampf gegen einen menschenverachtenden Extremismus stehen seine Partner in Europa und anderswo fest an seiner Seite!

Diese Tat ist Ausdruck einer nihilistischen Gesinnung, die sich gegen die Jugendkultur richtet. Es ist schwer zu sagen, wie viele radikalisierte Islamisten, die britische Staatsbürger sind und/oder der Terrormiliz „Islamischer Staat“ nahestehen, diese Gesinnung teilen und an der Schwelle stehen, potenzielle Massenmörder zu werden.

Wie viele werden über die Tat jubeln, die Manchesters Bürgermeister einen Akt des Bösen nannte? Werden einige darüber erschrocken sein, weil die Grenze der Ruchlosigkeit überschritten wurde? Auch das ist schwer zu sagen. Aber eines steht felsenfest und ist nicht nur eine Floskel für solche Anlässe: Britannien wird nicht vor den Terroristen in die Knie gehen. Es wird noch mehr für Belange der Sicherheit tun, aber es wird sich nicht vorschreiben lassen, wie es zu leben hat und welche Politik es verfolgt.

Können wir Bürger mit noch größerer Dringlichkeit fragen, wie das sein kann: islamistischer Terror im Herzen ihrer Städte, ob von Einzelgängern oder von Auftragsmördern verübt?

Ich weiß zuweilen nicht, was mir besser erscheint?! Soll über Attentate öffentlich berichtet werden? Oder sollen wir einfach nur schweigen? Müssten die Tageblätter und die Nachrichtenseiten im Internet und im Fernsehen nicht einfach weiß sein? Genauso nihilistisch wie die Gesinnung der Täter?! Was wollen diese Mörder eigentlich? Sie wollen Aufmerksamkeit! Kleine quengelnde Kinder, die andere mit in den Tod reißen, um einmal in den Gazetten zu stehen. Und wir berichten über sie! Darin liegt wohl der große Fehler. Man müsste diese Selbstmordattentäter über den Tod hinaus eigentlich mit Nichtachtung strafen. Einfach buchstäblich „totschweigen“. 22 Menschen starben bei dieser grausamen Mordtat, Jugendliche, Kinder. Wie es immer heißt: „Sie sind tot!“. Und in fünf oder sechs Wochen sind sie aus den Schlagzeilen verschwunden. Tot ist schlimm genug, aber das ist beileibe nicht alles, was diese Verbrecher anrichten. Hier wurden 22x Jahrzehnte von Leben genommen, 22x die Chance, Glück zu finden, hier wurden 22x Mütter und Väter, Töchter und Söhne, Nichten, Neffen, Enkel und irgendwann einmal Großeltern ausgelöscht. Das ist das, was entscheidend ist, der große Verlust!

Der Terror soll es wieder gewesen sein, der IS beansprucht wieder diesen feigen Massenmord für sich. Ich frage mich manchmal, ob unsere Regierungen nicht kapituliert haben. Wird wohl wieder der Terror gewesen sein, „wir ermitteln!“. Was kommt eigentlich nach Monaten aus diesen „Ermittlungen“ raus? Weiß das jemand? Oder sind die Akten da schon im Häcksler?! Ich behaupte deshalb: Es ist bequem, wenn es „wieder einmal der Terror“ war. Lässt sich eh wenig machen … Das ist eigentlich eine gute Ausrede für Machtlosigkeit. Und dann ein bisschen IS dazu. Einer muss ja schuld sein. Ich bezweifle, dass die Mehrheit der IS-Mitglieder überhaupt weiß, wo Manchester liegt. Geschweige denn, dass der dortige Anschlag auf das Konto des IS geht.

Wir reden hier über feigen Mord. Schweigen wir für die Opfer, gedenken wir ihrer und ihrer Familien.

Und verschweigen wir den Namen des Täters. Auf dass sein Name in Vergessenheit gerät. Ein Mensch mit einer solchen Gesinnung ist es nicht wert, erinnert zu werden.

Die Tat von Manchester hat nichts Menschliches in sich, verstößt gegen alles, was Humanität ausmacht. Hierfür fehlen uns die Worte …

 

 

Wir recyclen, wirtschaften nachhaltig. Tun wir das wirklich?!

Deutschland feiert sich als Recycling-Meister – doch Experten halten die offiziellen Angaben für Augenwischerei. Einige nennen die Fixierung aufs Recycling sogar umweltschädlich.

Typisch deutsch Gewohnheit: „Wir trennen unseren Müll!“.

Kaum etwas ist so deutsch wie Mülltrennung und Recycling, und im Gegensatz zu de Maizières anderen Thesen ist das ziemlich gut belegt. Mit dem Grünen Punkt hat Deutschland 1991 das erste System erfunden, das aus gebrauchten Verpackungen neue Rohstoffe gewinnt. Mittlerweile werden laut der Europäischen Umweltagentur EEA zwei Drittel des Haushaltsmülls in Deutschland recycelt, Rekord in Europa. Das Bundesumweltministerium kommt gar auf eine Recycling-Quote von rund 80 Prozent, gewerblicher Müll und Industrieabfälle eingeschlossen. All diese Mengen, insgesamt mehr als 200 Millionen Tonnen pro Jahr, werden also in irgendeiner Form noch mal verwertet und landen nicht auf einer Deponie.

Bei näherem Hinsehen erscheint Deutschlands angeblich so hohe Recycling-Quote aber fragwürdig. der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW), nennt die offiziellen Zahlen „Augenwischerei“. Statt der angepeilten Quoten hält die DGAW eher eine Recycling-Quote von 31 bis 41 Prozent für realistisch. Diese Sicht teilt auch der Rat für nachhaltige Entwicklung in einem Bericht für die Bundesregierung und begründet sie mit der Methode, wie die Quote ermittelt wird. Entscheidend ist die Menge an Müll, die in eine Recycling-Anlage hineingeht – was diese aber aus dem Müll macht und wie effizient das funktioniert, spielt für die Statistik keine Rolle. Tatsächlich sind die Verluste beim Recycling sehr hoch:

  • In der Gelben Tonne landen in Großstädten bis zu 50 Prozent „Fehlwürfe“, beispielsweise Hausmüll statt Verpackungen. Mit diesem Material können Sortieranlagen nichts anfangen. Die Fehlwürfe werden aussortiert und anschließend meist verbrannt, zählen aber ebenfalls in der Statistik als „recycelt“.
  • Auch Kunststoffgemische sind problematisch. Der Anteil der stofflichen Verwertung von Plastikabfällen liegt bei etwa zwölf Prozent (Bericht des Nachhaltigkeitsrats). Der Rest wird nach China exportiert oder in Müllverbrennungsanlagen gebracht. Auch diese Menge zählt zur offiziellen Recycling-Quote dazu, weil sie eine Recycling-Anlage durchläuft.
  • Aus gesammelten Einweg-Plastikflaschen entstehen äußerst selten neue Behälter. Dies ist auf den „PET Cycle“ beschränkt, einem Recycling-System für PET-Einwegflaschen. Dieses System steht jedoch in der Kritik, da es mit wiederbefüllbaren Mehrwegflaschen konkurriert. Die Verbraucherzentrale kritisiert, dass für jedes Getränk eine neue Verpackung produziert werden muss, die oft nach wenigen Zügen ausgetrunken ist und damit Abfall wird.
  • Recht gut funktioniert dagegen das Recycling von Glas oder Papier, hier liegt die reale Recycling-Quote bei etwa 80 Prozent.
  • Mechanisch-biologische Aufbereitungsanlagen, die beispielsweise Hausmüll trennen, gewinnen vor allem Metalle zurück. Im Hausmüll enthaltener Kunststoff oder Papier ist häufig so verunreinigt, dass er nur noch als Brennstoff taugt.

Das Fazit der Umweltwissenschaftler, die den Report des Nachhaltigkeitsrats erarbeitet haben, ist ernüchternd: Der Kreislauf ist bei vielen Abfällen nur Fiktion“. Die Rhetorik der Abfallwirtschaft erinnere angesichts der Fakten „an H. C. Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern“.

Wo Kunststoff tatsächlich erneut für die Herstellung genutzt wird, entstehen eher qualitativ bescheidene Produkte wie Parkbänke oder Blumenkübel. Für Lebensmittelverpackungen sind die Anforderungen an die Hygiene dagegen häufig zu streng, als dass alter Kunststoff von unklarer Qualität in Frage kommt. Daher kommen Plastikverpackungen eher als Brennstoff zum Einsatz. Würde man all das aus der Recyclingquote herausrechnen, lägen Deutschland deutlich unter dem, was die EU fordert, so die DGAW.

Experten schlagen vor, sich statt auf die Erfüllung einer Quote darauf zu konzentrieren, was man aus dem Material am Ende macht.

Das sollten möglichst hochwertige neue Produkte sein. Bis dahin bleibt es bei der Mär!

 

 

Schweden hat das Sex-Verfahren gegen den Gründer von Wikileaks eingestellt. Aber das ist nicht das Ende der Vorwürfe. Er selbst macht nebulöse Andeutungen. Es könnte auch um die Bundestagswahl gehen.

Am 19. Juni 2017 ist Julian Assange fünf Jahre in der ecuadorianischen Botschaft. Er floh im Juni 2012 aus britischem Hausarrest dorthin, um einer möglichen Auslieferung nach Schweden wegen angeblicher sexueller Übergriffe zu entgehen. Das steht nun nicht mehr zu befürchten.

Die Nachricht über die Aussetzung der schwedischen Ermittlungen interessierte in Deutschland viele nur am Rande. Aber das ist ein Fehler. Denn Assanges Organisation Wikileaks hat mit Deutschland vor der Bundestagswahl womöglich Großes vor.

Zugleich verstricken sich das Whistleblower um Assange in Grabenkämpfe, die Regierung Trump nimmt Wikileaks ins Visier, und ein ungeklärter Mordfall in Washington könnte auch eine Rolle spielen.

Über Julian Assange schwebt weiterhin ein britischer Haftbefehl wegen Missachtung der Kautionsbedingungen. Wikileaks wird von vielen Seiten bedrängt. Weshalb es umso interessanter ist zu wissen, ob die Gruppe ihre verhüllte Drohung gegen Bundeskanzlerin Merkel wahr macht. Assange redet gern und viel.

Und eine solche Drohung gibt es. Am 13. März diesen Jahres twitterte Wikileaks: „Panische Flurgespräche in US-Sicherheitskreisen darüber, dass Wikileaks heute Nacht oder morgen viele CIA- oder NSA-Abhörprotokolle zu Merkel veröffentlicht“. Kein Konjunktiv!

Der Tweet erschien 48 Stunden vor dem beabsichtigten Besuch Angela Merkels bei Donald Trump. Der Besuch wurde dann auf Wunsch Trumps um zwei Tage verschoben, und Wikileaks hielt still. Aber am 20. März 2017, drei Tage nach Merkels Besuch, tweetete Wikileaks, man habe „öffentlich und wiederholt die kommenden Publikationen mit großem zeitlichen Vorlauf angekündigt, bevor Butter bei die Fische kam“.

Der zweite Tweet galt nicht Merkel, doch das ist keineswegs eine Entwarnung. Mit ihm reagierte Wikileaks noch am selben Tag auf den scharfen Vorwurf eines Kongressabgeordneten der Demokraten, die Gruppe habe im Herbst 2016 interne Dokumente der Trump-Herausfordererin Clinton erst kurz nach einer entsprechenden Andeutung aus Donald Trumps Wahlkampfstab ins Internet gestellt. Das stimme nicht, ließ Wikileaks mit dem zweiten Tweet wissen.

In der Tat hatte Assange schon weit früher geraunt, Clinton werde sich im Wahlkampf noch wundern. Wie erwähnt, steht er gerne im Rampenlicht. Aber seine Organisation hat bisher keine leeren Drohungen gemacht. Deshalb verheißen die beiden Tweets für die Bundeskanzlerin nicht unbedingt Gutes. Anlass hierfür hat Julian Assange genug.

Denn erstens hat Schweden zwar die Ermittlungen wegen behaupteter sexueller Übergriffe ausgesetzt, aber nicht eingestellt. Die schwedische Justiz ist keineswegs von Assanges Unschuld überzeugt.

Sie ist nur überzeugt davon, dass eine Aufklärung der Vorwürfe unmöglich ist, solange der Wikileaks-Mitgründer in der Botschaft Ecuadors untergebracht ist. Seit Assanges Flucht sind drei der vier sexuellen Vorwürfe verjährt. Die Verjährung des vierten Falls tritt 2020 ein.

Die schwedische Staatsanwaltschaft behält sich vor, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, sobald Assange verfügbar sei. Assange bestreitet alle Vorwürfe. Er glaubt, dass sie nur ein Vorwand seien, ihn an die USA auszuliefern.

Das glauben, zweitens, auch seine Anwältinnen in den USA und mit ihnen etliche weitere Anhänger – aber nicht mehr alle. Die Dokumentarfilmerin Laura Poitras zum Beispiel wandelt sich gerade von einer Assange-Bewunderin zu einer Skeptikerin.

Poitras war 2013 Edward Snowdens erste Ansprechpartnerin und flog mit einem Journalisten zu ihm nach Hongkong, um die entwendeten NSA-Dateien zu verwahren. Damals war Poitras auch Assanges Vertraute. Schon ab 2011 drehte sie mit exklusivem Zugang in Assanges innerem Kreis einen Porträtfilm über ihn. Der Film ist gerade in den USA angelaufen und entzweit nun die Gemeinde.

Der fertige Streifen hat mit der Vorabfassung, die man vergangenen Jahres auf dem Cannes-Festival und auch Assange persönlich in der Botschaft Ecuadors präsentierte, nicht mehr viel zu tun. In der Kinofassung stellt der Film Fragen nach Assanges Umgang mit Frauen und nach seinem Verhältnis zu Russland.

Widersprüche zwingen zum Umdenken – besonders im Hinblick auf den Anschein, es habe eine von Russland geförderte Wikileaks-Kampagne gegen Hillary Clinton gegeben.

Der Film von Laura Poitras, untergräbt Wikileaks genau in dem Moment, in welchem Präsident Trump ankündigt, Journalisten, Redakteure und Helfer von Wikileaks vor Gericht zu bringen.

In der „Kultur des Sexismus“ sind falsche Anschuldigungen jederzeit möglich. Assanges Unschuld ist noch nicht bewiesen.

Aber mal ehrlich: Was haben Assange und Snowden uns größerdings noch zu bieten?! Beide sind schon viel zu lange „aus dem Geschäft“. Es stellt sich die Frage: Viel Wirbel um nichts?! Und dann: Warum?

 

 

US-Präsident Donald Trump soll mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow und dem russischen US-Botschafter Sergej Kisljak hochsensibles Geheimdienstmaterial besprochen haben. Dies berichten sowohl die New York Times als auch Washington Post mit Verweis auf eine Quelle im Weißen Haus. Trump habe seinen beiden Gästen bei ihrem Besuch am Mittwoch letzter Woche im Oval Office „mehr Informationen gegeben als wir mit unseren eigenen Verbündeten geteilt haben“ (Washington Post).

Bei den Informationen handelt es sich demnach um Material eines verbündeten Geheimdienstes, der diese Informationen zwar den USA bereitgestellt, aber nicht genehmigt hatte, dass sie geteilt werden. Selbst innerhalb der Regierung wurden diese Informationen nur beschränkt weitergegeben. Wie die Washington Post schreibt, soll Trump die als streng geheim eingestufte Information in dem Gespräch spontan offengelegt haben. Kurz danach habe man umgehend die CIA und NSA unterrichtet, da der Präsident mit seinem Gespräch die bedeutende Kooperation mit dem US-Partner gefährdet habe.

Die Informationen sollen aus dem inneren Zirkel des Terrornetzwerkes „Islamischer Staat“ (IS) stammen. Der Washington Post zufolge sprach Trump über die Versuche des IS, Anschläge mit Laptops an Bord von Flugzeugen durchzuführen. US-Regierungskreisen zufolge gibt es neue Erkenntnisse, wie Extremisten solche Geräte mit Sprengsätzen ausrüsten wollen. Auch deshalb habe man erwogen, das Verbot von Notebooks und Tablets an Bord von Passagiermaschinen auf einige europäische Länder auszuweiten. Trump hat nach Informationen der Zeitungen aber nicht nur den Modus Operandi der Terroristen verraten, sondern auch den Ort, wo der verbündete Geheimdienst die Information bekommen hat.

Nachdem die Washington Post und die New York Times ihre Berichte veröffentlicht hatten, war man im Weißen Haus um Schadensbegrenzung bemüht. Sowohl Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster als auch Außenminister Rex Tillerson bezeichneten die Berichte als falsch. Allerdings dementierte McMaster den Bericht nur in Teilen, und das Statement von Tillerson wurde nicht von dessen Ministerium, sondern vom Weißen Haus veröffentlicht. Darin heißt es, Trump habe mit Lawrow „eine breite Palette von Themen angesprochen, darunter gemeinsame Bemühungen und Bedrohungen im Bereich Terrorbekämpfung“. Man habe „Näheres über spezifische Bedrohungen“ diskutiert, nicht aber über „Quellen, Methoden oder militärische Operationen“.

Die veröffentlichte Geschichte sei falsch, so Sicherheitsberater McMaster. Einer der beiden Autoren des Berichts der Washington Post verteidigte die Stichhaltigkeit der Recherchen. Das Weiße Haus spiele mit Worten, sagte er dem Nachrichtensender CNN. McMaster weiche in der Sache aus. US-Regierungsvertreter hätten bereits in den vergangenen Wochen immer wieder berichtet, wie ungern sie Trump vertrauliche Kenntnisse weiterreichen. „Er hat keinen Filter: Es geht ins Ohr hinein und aus dem Mund heraus“, so ein Insider.

Der Chef der oppositionellen Demokraten im Senat, Chuck Schumer, bezeichnete den Bericht als „irritierend“, sollte er sich als wahr herausstellen. Der Präsident schulde der Geheimdienstwelt, den Amerikanern und dem Kongress eine detaillierte Erklärung. Trumps Vorgehen wurde als „gefährlich und leichtsinnig“ eingestuft. Der Bericht der Washington Post sei „zutiefst verstörend“, wird ein Mitglied des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses zitiert.

Auch innerhalb Trumps eigener Partei gab es Kritik. Das Weiße Haus müsse sich zügig unter Kontrolle bringen und für Ordnung sorgen. Das Team für nationale Sicherheit sei an sich gut aufgestellt. Chaos, das durch den Mangel an Disziplin geschaffen werde, schaffe ein besorgniserregendes Umfeld. Der republikanische Senator John McCain sagte CNN, „wenn das wahr ist, ist das natürlich beunruhigend“.

In dem Bericht schreibt die Washington Post, Trump habe im Gespräch mit Lawrow mit seinen Informationen über Sicherheitsbedrohungen prahlen wollen.

Trump ist der Präsident mit dem geringsten politischen Wissen. Er hegt eine geradezu kindliche Einstellung zu seinem Amt, klagte jüngst über die viele Arbeit und wie schwer es sei, seinen Willen als Präsident durchzusetzen. Als habe er nie etwas von den Mühlen der Politik gehört und dass Amerika keine Autokratie ist, sondern eine Demokratie, in der Gewaltenteilung herrscht.

Trump liest nicht, studiert kaum Akten. Seine Aufmerksamkeitsspanne soll sehr kurz sein. Darüber hinaus ist er impulsgesteuert, was letzten Endes zu dem Ausrutscher gegenüber dem russischen Außenminister Lawrow geführt haben dürfte.

Es gibt wieder Rufe nach Impeachment.

 

 

China will die alte Seidenstraße neu beleben und damit die Wirtschaft kräftig ankurbeln. Das Mammutprojekt soll die historischen Handelswege zwischen China und dem Westen wieder aufbauen.

China knüpft damit an die historische Seidenstraße aus der Antike und dem frühen Mittelalter an, um über Infrastrukturprojekte neue Handelsrouten nach Europa, Asien und Afrika zu schaffen. Zugleich stellte sich Chinas Staatschef Xi Jinping gegen protektionistische Töne wie sie in den vergangenen Monaten von der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump zu hören waren. „Handel ist der wichtige Motor für wirtschaftliche Entwicklung“, so die Staatsführung. Daher müsse die Welt freien Handel fördern.

Bei dem Treffen sind Fragen zum Finanzsektor erörtert worden, namentlich zur Marktöffnung, Auch auf der Agenda waren Energiefragen, die Entwicklung von Verkehrsinfrastruktur und die Digitalisierung.

Das Gipfeltreffen ist das größte diplomatische Ereignis in der Volksrepublik in diesem Jahr. Allein Staats- und Regierungschefs aus 29 Ländern nehmen daran teil. Darunter sind Russlands Präsident Wladimir Putin, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sowie die Regierungschefs aus Italien, Spanien und Griechenland.

Wasser in den Wein goss vor Ort die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Die SPD-Politikerin sagte, Deutschland und China hätten nicht immer das gleiche Verständnis, was freier Handel sei. So gebe es noch immer mehr Restriktionen für deutsche Firmen in der Volksrepublik als anders herum, etwa im Automobil- oder Pharmasektor. Ausschreibungen für Infrastrukturprojekte müssten offen für alle Firmen sein.

Die Chinesen sind gerade auf ganz großem Investitionskurs. Wie die WELT schreibt, gehören zu den Großprojekten 60 Energie-Projekte in 20 Staaten, die an der künftigen Route respektive den künftigen Routen liegen. Die meisten dieser Projekte werden von chinesischen Arbeitern durchgeführt, die von chinesischen Sicherheitskräften geschützt werden. Xi überlässt hier nichts dem Zufall.

Allerdings ist das gesamte Projekt mehr als ambitioniert. Bisher steht China als einziger Investor bereit und geht aktuell in hohe Vorleistungen. Bei einem Kongress suchte Xi daher weitere Unterstützer der „Neuen Seidenstraße“. Die beiden staatseigenen Finanzinstitute China Development Bank und die Export-Import-Bank müssen neue Spezialkredite für Infrastrukturprojekte im Gesamtumfang von umgerechnet 55 Milliarden Dollar vergeben.

Das 2013 verkündete Seidenstraßen-Projekt ist umstritten. Einige Kritiker aus dem Westen befürchten, dass China damit lediglich seinen Einfluss auf die Weltwirtschaft ausweiten will. Indien sagte deswegen seine Teilnahme ab und warnte vor drohenden Schuldenlasten wegen der hohen Kosten. Anstelle der historischen Seidenstraße sind nun neue Straßen und Schienenverbindungen geplant, die nach den Plänen der chinesischen Führung den Handel ankurbeln und für Stabilität in den Staaten Zentralasiens sorgen sollen.

Im April startete bereits der erste Güterzug von Großbritannien auf den rund 12.000 Kilometer langen Weg in den Osten Chinas, beladen mit Vitaminen, Baby-Produkten, alkoholfreien Getränken und anderen Waren. Mit rund drei Wochen ist die eingeplante Fahrzeit nur halb so lang wie bei einem Schiff.

Mit einem Volumen von rund 900 Milliarden Dollar ist es das größte Investitionsprogramm seit dem Marshallplan, mit dem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg dem zerstörten Westeuropa wieder auf die Beine halfen. China will im eurasischen Ausland in Pipelines und Kraftwerke investieren, es geht um ein Netzwerk aus Straßen, Eisenbahnen, Häfen und Flughäfen zwischen Asien und Europa – also um Infrastruktur. Und es geht um Chinas Ruhm und Einfluss – also um Geopolitik.

Das große eurasische Hilfsprojekt soll vor allem China selbst helfen – seinen Bau-, Stahl- und Transportunternehmen, die sich hoch verschuldet und riesige Überkapazitäten aufgebaut haben. Chinas Städte und Provinzen, denen viele dieser Unternehmen gehören, verfügen selbst inzwischen über eine hervorragende Infrastruktur und haben deshalb keine großen Aufträge mehr, um weiterhin Millionen von Arbeitern zu beschäftigen.

Die Social Media Ära ist am Ende ihres Lebenszyklus angekommen – die Lust am Vernetzen verschwindet aber nicht (Weigerts World).

Networking und Medienkonsum finden zwar in derselben digitalen Umgebung und in einem verwandten Kontext statt, sind aber im Kern unterschiedlich: Beim Netzwerken stehen Menschen im Vordergrund. Beim Medienkonsum Inhalte und erst danach Personen. In den frühen Jahren des Web ging es fast nur um das Knüpfen von Kontakten, sowie später um das Vernetzen mit „Offline”-Bekannten im Web. Der Begriff „Social Media“ existierte anfänglich gar nicht. Man sprach von „Communities“, später vermehrt von „Social Networking“. Onlinedienste wie Facebook waren nicht „Social-Media“-Plattformen, sondern „soziale Netzwerke“.

Doch nach der Ausbreitung des vor elf Jahren von Facebook entwickelten Newsfeed-Prinzips, das in einer Variation auch von Twitter für die Timeline, sowie von vielen anderen Diensten adaptiert wurde, und nach dem kommerziellen und gesellschaftlichen Durchbruch derartiger Angebote, bürgerte sich die Bezeichnung „Social Media“ ein. Nicht länger stand das trivial anmutende und aus Sicht der Plattformbetreiber schlecht zu monetarisierende Vernetzen im Zentrum, sondern das „gemeinschaftliche“ Konsumieren, Kommentieren und Verbreiten von Informationen innerhalb der Netzwerke. Damit nahm eine Entwicklung ihren Lauf.

Es gilt also, die Begriffe „Social Media“ und „Social Networking“ nicht zu vermengen. Die begriffliche Definition allein genügt nicht, um die beiden Formen konzeptionell voneinander zu lösen; aber mit der Sprache beginnt es.

Messaging-Apps sind auch soziale Netzwerke.

Wie bei Facebook sammeln Menschen in ihren Chat-Applikationen persönliche Kontakte – sei es per Kontaktimport aus ihren Smartphone-Adressbüchern oder mittels Eingabe von Benutzernamen. Wie die Freundesliste bei Facebook repräsentieren die Kontaktlisten bei Whatsapp, Telegram oder Snapchat bestimmte Teile des Social Graphs der Nutzer. Typischerweise findet die Kommunikation bei derartigen Services zwischen zwei Personen oder innerhalb kleiner Gruppen statt, nicht mehr im One-to-many-Prinzip, welches in der Newsfeed-Ära galt.

Social Networking ist damit nicht am Ende. Es verändert sich. Eine natürliche Evolution! Nach Jahren des Exzesses erkennen mehr Nutzer, welche Elemente des digitalen Austauschs sie schätzen und welche für sie eigentlich nur lästige, aber hartnäckige Gewohnheiten darstellen.

Auch wenn es in einer Welt, in der Facebooks Netzwerk fast zwei Milliarden aktive Anwender vermeldet, nicht auf den ersten Blick deutlich wird: Über längere Zeiträume betrachtet verändern sich Nutzer-Gewohnheiten doch stärker, als es zunächst den Anschein macht. Der schleichende Wandel wird extern von kulturellen, politischen und demographischen Trends angetrieben, aber auch von innen heraus, durch konzeptionelle Weiterentwicklungen der Dienste selbst. Diese Weiterentwicklungen sind Reaktionen auf externe Veränderungen oder auf konkrete Geschäftsziele der Diensteanbieter.

Das derzeit populäre Stories-Prinzip mit selbsterstellten visuellen Inhalten führt zwangsläufig zu einer Abkehr von den bisher geltenden Gesetzmäßigkeiten und Dynamiken. Die Smartphone-Kamera entwickelt sich zum Input-Kanal für den Content, den Anwender über ihre bevorzugten Networking-Apps mit ausgewählten Personen teilen. Optimierte Nachrichtenartikel ohne größeren informationellen Nährwert, die User mit Kontakten teilen, bekommen dadurch große Konkurrenz im Kampf um die Aufmerksamkeit. Qualitative Inhalte findet man hingegen wieder verstärkt bei den Original-Quellen. Verschiedene Leitmedien kehren daher derzeit Facebooks Instant-Articles-Angebot den Rücken.

Social Media in der Form, wie es die letzten Jahre die digitale Landschaft prägte, hat sich in vielerlei Hinsicht überlebt und genug Schaden angerichtet. Der Lernprozess der Nutzer schreitet voran. Nach Jahren der unendlichen Feedback-Loops wissen Nutzer – eigenverantwortlich geworden – heute besser als je zuvor, welche Anwendungsmuster sie meiden müssen, um ihre Nerven zu schonen und Aufmerksamkeit klug zu verteilen.

Im Endeffekt: Die Lust, mit anderen Menschen zu interagieren, bleibt bestehen – selbst bei den größten Kritikern des Status Quo. Und diese Interaktion wird auch in Zukunft rund um Inhalte stattfinden. Wie das erfolgt, um was für einen Content es sich handelt, mit wem Nutzer ihn teilen und welche Mechanismen die Distribution beeinflussen, dafür werden gerade neue Regeln geschrieben. Im Zeitalter der Fake News bzw. alternativen Fakten bleibt zu hoffen, dass diese besser sind als die, die zuletzt galten.

In der polnischen Hauptstadt Warschau sind am Samstag Tausende bei einem „Marsch für die Freiheit“ auf die Straße gegangen. Die Regierungsgegner demonstrieren nicht nur gegen die Missachtung der Urteile des Verfassungsgerichts und Gesetzesinitiativen zur Aufhebung der Unabhängigkeit der Justiz, sondern auch gegen eine Schulreform, die in Polen zum September das bisher auf die Grundschule folgende dreijährige Gymnasium abschaffen soll. Verabschiedet worden war die Reform Ende 2016 hastig und gegen den Widerstand von Fachleuten und Betroffenen. Ende April hatten im Parlament Gegner der Schulreform 950.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung über die Reform eingereicht; 450.000 Unterschriften mehr, als dafür nötig sind. Die Regierung will jedoch den Antrag auf Volksabstimmung offenbar missachten: Ministerpräsidentin Beata Szydło sagt, die Initiative komme „zu spät“.

Stattdessen will nun Polens Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls zur Regierungspartei Pis gehört, das Volk über ein anderes Thema abstimmen lassen: Er sprach sich für ein Referendum über die geltende Verfassung aus. Im Jahr 2018 – zum 100. Jahrestag der Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit – sollten sich die Polen dazu äußern, ob sie mit der Verfassung zufrieden sind und „welche grundlegenden Schritte sie in der Zukunft wollen: welche Rolle der Präsident spielen soll, welche Rolle der Senat und der Sejm, welche Bürgerrechte und welche Freiheiten betont werden sollen“.

Dudas Initiative trägt die Handschrift von Pis-Parteichef Jarosław Kaczyński, der grauen Eminenz in Polen. Kaczyński entwarf schon 2005 und 2010 Verfassungsänderungen, die Polen stärker in Richtung einer autoritären Regierungsform rücken und Kontrollinstanzen schwächen sollten. Daran arbeiten Rechtsexperten der Pis auch aktuell: Anfang April erhielten Juristen in Briefumschlägen mit Pis-Briefkopf Schreiben parteinaher Kollegen. Darin wurden sie aufgefordert zu beantworten, ob etwa der für die Wahrung der Unabhängigkeit von Fernsehen und Radio zuständige Rundfunkrat „unbedingt nötig“ sei, und ob man nicht auf den Bürgerrechtskommissar verzichten könne. Dieses Amt hat in Polen Verfassungsrang: Sein Inhaber (der frühere Bürgerrechtler Adam Bodnar) kann bis hinauf zum Verfassungsgericht gegen sämtliche Gesetze und Initiativen der Regierung klagen – und tut dies. Pläne zur Entmachtung des Bürgerrechtskommissars finden sich bereits in früheren Entwürfen Kaczyńskis.

Dass ausgerechnet Präsident Duda eine Verfassungsreform vorschlägt, entbehrt nicht der Ironie: Schließlich hat der Präsident in seiner knapp zweijährigen Amtszeit polnischen Experten zufolge selbst die Verfassung gebrochen, etwa als er sich weigerte, drei rechtmäßig gewählte Verfassungsrichter zu vereidigen.

Der ehemalige Minister Hall nannte Dudas Initiative für ein Verfassungsreferendum ein Manöver, das die „Sanktionierung autoritären Regierens“ zum Ziel habe. Seit Monaten trommeln Pis-nahe Medien gegen verbliebene unabhängige Institutionen. Der für ein Verfassungsreferendum angekündigte Zeitpunkt 2018 dürfte auch mit anstehenden Wahlen zu tun haben: Viele Regionen und Städte sind unter Kontrolle der Opposition, die Pis spielt bereits Gesetzesänderungen zur Schwächung oder Ausschaltung aktueller Amtsinhaber durch. In den Regionen wird 2018 gewählt, ein Jahr darauf folgt die Parlamentswahl. Umfragen zufolge ist die Pis mittlerweile in der Wählergunst von 37 auf unter 30 Prozent gesunken – und die Bürgerplattform, die jetzt zur Massendemonstration in Warschau aufruft, liegt derzeit erstmals seit der Wahl 2015 wieder auf Platz eins.

Was die versuchten Verfassungsänderungen angeht, ist die Situation vergleichbar mit der in der Türkei. Dort geht es Ministerpräsident Erdogan ebenfalls um den Ausbau seiner Macht und um die Ausschaltung politischer Gegner, unter anderem der Gülen-Bewegung.

Die EU-Kommission hat die polnische Regierung bereits mehrfach verwarnt, sie sieht in einigen der Reformen eine Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit. Allein die Schwächung der Justiz – welche quasi eine Abschaffung derer darstellt – verstößt vehement gegen demokratische Grundsätze. Das System der Gewaltentrennung schließt auch die gegenseitige Kontrolle von Legislative, Exekutive und Judikative mit ein. Von der Justiz will sich die regierende Pis aber offensichtlich nicht kontrollieren lassen. Der Boden der Demokratie ist hiermit verlassen, solche Bestrebungen haben keinen Platz im freien Europa.

Nach Angaben der Warschauer Stadtverwaltung beteiligten sich rund 70.000 Menschen an der Kundgebung, die Polizei sprach von 9.000 Teilnehmern. Egal wie viele: manche werden sich an die eigene Nase fassen müssen. Wahrscheinlich haben viele der Demonstranten die Pis aus Protest gewählt, ohne an irgendwelche Konsequenzen zu denken. Letztere sind jetzt da: die Talfahrt von Rechtsstaat und Demokratie. Am Ende hat das doch keiner gewollt …

Darum überlege man vor jedem Kreuz auf dem Wahlzettel gut, wohin das Angekreuzte führen kann. Wir haben alle die Wahl. Noch!

Mit dem Sieg Emmanuel Macrons ist das französische Wahljahr noch nicht vorüber. Denn am 11. und 18. Juni diesen Jahres folgen die Wahlgänge der Parlamentswahlen – und sie gelten in Frankreich als mindestens ebenso wichtig. Sie bestimmen, welche Rolle ein Präsident in den kommenden Jahren überhaupt einnehmen kann.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) misst den Parlamentswahlen eine überragende Bedeutung zu. Denn die französische Verfassung sieht nicht nur einen mächtigen Präsidenten, sondern auch einen vom Parlament gewählten Ministerpräsidenten vor. Beide müssen zusammenarbeiten. In der Vergangenheit führte das mitunter zu Problemen. In der sogenannten Cohabitation musste etwa von 1993 bis 1995 ein sozialistischer Präsident mit einem bürgerlichen Ministerpräsidenten zusammenarbeiten. Von 1997 bis 2002 war die Konstellation genau anders herum. Schwierig war beides.

Fast 30 Prozent der unter 35-jährigen Franzosen haben im ersten Wahlgang für niemanden gestimmt. Die Jungen haben sich somit fast dreimal so häufig enthalten wie die über 70-Jährigen. Im Gegensatz zum Brexit-Referendum in Großbritannien war das aber nicht der Grund für einen Rechtsruck. Dieses Wahlverhalten kam den gemäßigten Kandidaten zugute.

Denn wenn die Jungen am Sonntag gewählt haben, dann wählten sie extrem. 30 Prozent der jüngsten Wählerinnen und Wähler stimmten für Jean-Luc Mélenchon, 21 Prozent Marine Le Pen. Bei den über 70-Jährigen waren es nur neun, respektive zehn Prozent. Die Ablehnung der Extreme gilt für alle Rentner, auch für die unter 70-Jährigen: Nur 14 Prozent von ihnen wählten Le Pen, nur 12 Prozent Mélenchon.

Offenbar ließen sich gerade die Älteren von Emmanuel Macrons jugendlicher Aufbruchstimmung mitreißen, 27 Prozent der über 70-Jährigen wählte Macron. Beliebter bei den Rentnern ist nur einer: François Fillon. Fast die Hälfte seines Elektorats waren Rentner. Während viele Wähler ihre Unterstützung für Fillon nach seinen Skandalen überdachten, blieb die klassische Wählerschaft der Republikaner ihm treu und stimmte nach dem Prinzip: Wir haben immer konservativ gewählt, also wählen wir auch diesmal konservativ.

Zählt man auch Fillon zu den gemäßigten unter den Präsidentschaftskandidaten, kann man sagen: Die Jungen wählten den Umsturz, die Alten wählten die Konstanz.

Falls Macron keine Mehrheit in der Nationalversammlung bekommen sollte und deshalb für Gesetzesvorhaben mit anderen politischen Kräften zusammenarbeiten müsste, wird eine Konstellation erwartet, die man eher als „Coalition“ denn als „Cohabitation“ bezeichnen könnte. Denn statt der klassischen Rechts-Links-Auseinandersetzung früherer Jahre könnte Macron diesmal sein Ziel erreichen, indem er je nach Thema wahlweise Bündnisse mit moderaten Abgeordneten der Linken und dem linken Flügel der Konservativen schließt.

Macrons Problem: Er ist als Erneuerer angetreten, vor allem im Wirtschaftssektor. Beobachter bezweifeln jedoch, dass er die für harte Reformen erforderlichen Mehrheiten beschaffen könnte. „Deshalb verstehe ich nicht, wieso Macron in Deutschland wie ein Heilsbringer angesehen wird“, kritisiert die DGAP. Sie verweist auch auf den zu erwartenden Mobilisierungseffekt der Gewerkschaften im Herbst gegen zu starke Einschnitte in das Arbeits- und Sozialrecht.

Es gebe in Frankreich einfach keine Erfahrung mit der für eine „Coalition“ nötigen Kompromisskultur und der ständigen Suche nach neuen Mehrheiten, so warnt man vor zu hohen Erwartungen an Macron. Schon der aktuelle sozialistische Präsident François Hollande habe etliche Reformvorschläge wegen der fehlenden Mehrheiten in der Nationalversammlung nicht durchsetzen können. Dass Macron wie Hollande das Parlament einfach mit Dekreten übergehen könnte, gilt bei Beobachtern in Paris als ausgeschlossen. Das Instrument sei verbraucht, so ein französischer Diplomat.

Die Süddeutsche Zeitung titelt: „Wahl in Frankreich – Europa ist endlich wieder angesagt“.

Aber Europapolitik ist schwierig; das wissen wir.

Hätte ein imaginärer dritter Kandidat bei der Stichwahl um die französische Präsidentschaft alle ungültig abgegebenen Stimmen für sich reklamieren können, er wäre auf sagenhafte zwölf Prozent gekommen. Etwa 4,2 Millionen Bürger gaben zwar ihren Stimmzettel ab, stimmten allerdings für keinen der beiden Kandidaten („Vote blanc“) oder beschädigten ihren Stimmzettel so stark, dass er nicht in die Wertung einging („Vote nul“).

Dies zeigt, dass der Geist Europas noch nicht alle französischen Wählerinnen und Wähler durchdrungen hat.