Seit 20 Jahren gehört Hongkong wieder zu China. Die Hongkonger sind nach wie vor sehr selbstbewusst, lassen sich von Festland-China nicht alles gefallen.

Hongkong wurde während des Ersten Opiumkrieges 1841 durch das Vereinigte Königreich besetzt und durch den Vertrag von Nanking 1843 zur britischen Kronkolonie erklärt. Für viele Chinesen war die britische Kolonie Zufluchtsort vor dem Chinesischen Bürgerkrieg 1927 bis 1949 und der daraus hervorgegangenen kommunistischen Volksrepublik China. Im Jahr 1997 erfolgte die Übergabe der Staatshoheit an die Volksrepublik China. Seitdem ist Hongkong eine chinesische Sonderverwaltungszone unter Beibehaltung freier Marktwirtschaft und hoher Autonomie.

Als sich Chris Patten – der letzte britische Gouverneur – am 30. Juni 1997 ein letztes Mal an die Hongkonger wandte, lagen in seinen Worten Wehmut und Zuversicht zugleich. Er wusste schon bei Amtsantritt, was auf ihn zukommen würde. Patten spielte auf diese fruchtbare Mischung an, als er von den Werten Hongkongs sprach, welche die Zukunft in Asien wie auch anderswo auf der Welt prägen würden. Zwanzig Jahre später sind diese Werte, die der Brite hoffnungsfroh „universell“ nannte, unter Druck geraten – in Hongkong, aber auch anderswo.

Seit Hongkong in Chinas Schoss zurückgekehrt ist, befindet sich die Sonderverwaltungszone im permanenten Tauziehen mit Peking. Hongkong war zwar unter britischer Herrschaft mitnichten ein Hort der Freiheit und Demokratie. Doch Peking versucht, die Grenzen der Freiheit enger zu setzen, als sie im „Basic Law“ von 1997, einem von Briten und Chinesen gemeinsam ausgearbeiteten Grundgesetz für die Sonderverwaltungszone, festgeschrieben wurden. Ein „Anti-Subversions-Gesetz“, das Meinungs- und Versammlungsfreiheit massiv einschränken würde, Patriotismus-Unterricht als Pflichtfach und eine fingierte Wahlrechtsreform – all das wurde von den Hongkongern in den vergangenen Jahren abgewehrt.

In den neunziger Jahren stand „Made in China“ für billiges Kinderspielzeug und allerlei Plastikplunder. Inzwischen tippen wir auf in China gefertigten Laptops und Smartphones. Einige davon tragen chinesische Markennamen. Das Know-How holen sich Unternehmer und Staatsbetriebe in Amerika und Europa. Sie haben europäische Unternehmen übernommen, die qualitativ hochstehende Produkte oder Dienstleistungen anbieten – wie etwa in den Bereichen Roboter, Banking oder Agrochemie. Während die Investitionen ausländischer Firmen in China zurückgehen, sind jene des Reiches der Mitte in Europa letztes Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen, sind im Vergleich zum Vorjahr um 77 Prozent gewachsen. Noch halten sich die neuen Eigentümer und Teilhaber im Hintergrund. Doch das Fundament, auf dem Chinas Machtanspruch steht, wird immer breiter.

Die Geschichte zeigt, dass sich Gewichte in der Weltpolitik verschieben. Chinas Aufstieg lässt sich nicht aufhalten. Er wird unsere Zukunft prägen und bringt uns viele Möglichkeiten und Chancen. Das wird unser Leben mehr verändern, als uns lieb ist. China ist kein Rechtsstaat, sondern ein autokratisches System, in dem das Recht dazu dient, die Macht der Kommunistischen Partei zu schützen. Das Regime zeigt uns immer wieder, dass es nichts von den Fundamenten einer freien Gesellschaft hält, nicht nur im Umgang mit Hongkong. Zuletzt machte es beim Gipfeltreffen zur „Neuen Seidenstraße“ deutlich, dass es sich nicht belehren lässt.

Im Gegensatz zur Bevölkerung Hongkongs fällt es dem Westen immer schwerer, für diese Werte einzustehen, je größer der chinesische Fußabdruck wird. Hongkong führt seit zwanzig Jahren einen Kampf für seine Werte. Die wenigsten denken dabei an Unabhängigkeit; sie wissen, dass dies angesichts von Pekings Übermacht utopisch ist. Aber die Hongkonger wollen nicht, dass ihre Stadt zu einer weiteren chinesischen Metropole wird, in der das Recht im Dienst der Partei steht und die Meinungsfreiheit noch mehr eingeschränkt wird.

Das Festland profitiert nach wie vor von der Offenheit und dem Ruf des Hongkonger Finanzmarktes. Die Region um das Delta des Perlflusses ist nicht zuletzt durch die Nähe zu Hongkong zu einer der dynamischsten des Landes geworden. Trotzdem wäre es Peking am liebsten, das Verhalten der Bevölkerung genauso zu kontrollieren wie auf dem Festland. Allerdings haben die letzten Jahre gezeigt, dass diese Versuche in Hongkong einen unerwünschten Effekt haben: Die Peking-kritischen Stimmen sind lauter geworden, und ein Teil der jungen Generation hat sich radikalisiert. Mehr Repression ist möglich, aber sie hat ihren Preis.

Noch ist Hongkong Chinas Fenster zur Welt!

China will die alte Seidenstraße neu beleben und damit die Wirtschaft kräftig ankurbeln. Das Mammutprojekt soll die historischen Handelswege zwischen China und dem Westen wieder aufbauen.

China knüpft damit an die historische Seidenstraße aus der Antike und dem frühen Mittelalter an, um über Infrastrukturprojekte neue Handelsrouten nach Europa, Asien und Afrika zu schaffen. Zugleich stellte sich Chinas Staatschef Xi Jinping gegen protektionistische Töne wie sie in den vergangenen Monaten von der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump zu hören waren. „Handel ist der wichtige Motor für wirtschaftliche Entwicklung“, so die Staatsführung. Daher müsse die Welt freien Handel fördern.

Bei dem Treffen sind Fragen zum Finanzsektor erörtert worden, namentlich zur Marktöffnung, Auch auf der Agenda waren Energiefragen, die Entwicklung von Verkehrsinfrastruktur und die Digitalisierung.

Das Gipfeltreffen ist das größte diplomatische Ereignis in der Volksrepublik in diesem Jahr. Allein Staats- und Regierungschefs aus 29 Ländern nehmen daran teil. Darunter sind Russlands Präsident Wladimir Putin, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sowie die Regierungschefs aus Italien, Spanien und Griechenland.

Wasser in den Wein goss vor Ort die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Die SPD-Politikerin sagte, Deutschland und China hätten nicht immer das gleiche Verständnis, was freier Handel sei. So gebe es noch immer mehr Restriktionen für deutsche Firmen in der Volksrepublik als anders herum, etwa im Automobil- oder Pharmasektor. Ausschreibungen für Infrastrukturprojekte müssten offen für alle Firmen sein.

Die Chinesen sind gerade auf ganz großem Investitionskurs. Wie die WELT schreibt, gehören zu den Großprojekten 60 Energie-Projekte in 20 Staaten, die an der künftigen Route respektive den künftigen Routen liegen. Die meisten dieser Projekte werden von chinesischen Arbeitern durchgeführt, die von chinesischen Sicherheitskräften geschützt werden. Xi überlässt hier nichts dem Zufall.

Allerdings ist das gesamte Projekt mehr als ambitioniert. Bisher steht China als einziger Investor bereit und geht aktuell in hohe Vorleistungen. Bei einem Kongress suchte Xi daher weitere Unterstützer der „Neuen Seidenstraße“. Die beiden staatseigenen Finanzinstitute China Development Bank und die Export-Import-Bank müssen neue Spezialkredite für Infrastrukturprojekte im Gesamtumfang von umgerechnet 55 Milliarden Dollar vergeben.

Das 2013 verkündete Seidenstraßen-Projekt ist umstritten. Einige Kritiker aus dem Westen befürchten, dass China damit lediglich seinen Einfluss auf die Weltwirtschaft ausweiten will. Indien sagte deswegen seine Teilnahme ab und warnte vor drohenden Schuldenlasten wegen der hohen Kosten. Anstelle der historischen Seidenstraße sind nun neue Straßen und Schienenverbindungen geplant, die nach den Plänen der chinesischen Führung den Handel ankurbeln und für Stabilität in den Staaten Zentralasiens sorgen sollen.

Im April startete bereits der erste Güterzug von Großbritannien auf den rund 12.000 Kilometer langen Weg in den Osten Chinas, beladen mit Vitaminen, Baby-Produkten, alkoholfreien Getränken und anderen Waren. Mit rund drei Wochen ist die eingeplante Fahrzeit nur halb so lang wie bei einem Schiff.

Mit einem Volumen von rund 900 Milliarden Dollar ist es das größte Investitionsprogramm seit dem Marshallplan, mit dem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg dem zerstörten Westeuropa wieder auf die Beine halfen. China will im eurasischen Ausland in Pipelines und Kraftwerke investieren, es geht um ein Netzwerk aus Straßen, Eisenbahnen, Häfen und Flughäfen zwischen Asien und Europa – also um Infrastruktur. Und es geht um Chinas Ruhm und Einfluss – also um Geopolitik.

Das große eurasische Hilfsprojekt soll vor allem China selbst helfen – seinen Bau-, Stahl- und Transportunternehmen, die sich hoch verschuldet und riesige Überkapazitäten aufgebaut haben. Chinas Städte und Provinzen, denen viele dieser Unternehmen gehören, verfügen selbst inzwischen über eine hervorragende Infrastruktur und haben deshalb keine großen Aufträge mehr, um weiterhin Millionen von Arbeitern zu beschäftigen.

Wie wichtig war Karl Marx – und lohnt es sich, immer noch über ihn zu streiten?

Dass Karl Marx ein Kind der Stadt Trier war, wird ab dem nächsten Jahr für jeden Besucher sichtbar sein: Zum 200. Geburtstag des Philosophen am 5. Mai 2018 soll eine bronzene Statue aufgestellt werden. Dabei handelt sich um ein Geschenk der Volksrepublik China.

Nach dem bisherigen Entwurf des chinesischen Künstlers Wu Weishan soll die Statue 6,30 Meter hoch sein.

Was das Geschenk und dessen Standort angeht, ging es in der Stadtratsdebatte kontrovers zu. Das Geschenk sei eine Anerkennung für die Geburtsstadt des Philosophen, argumentierte der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Markus Nöhl. Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, Udo Köhler, zeigte sich froh über das Angebot, weil damit eine Diskussion über den kontroversen Umgang mit Marx entstehe. Grüne und FDP forderten dagegen, das Geschenk nicht anzunehmen, um ein Zeichen gegen Menschenrechtsverletzungen in China zu setzen.

Am Ende stand der Entschluss, die Schenkung anzunehmen. Dem Grundsatzbeschluss stimmte mit 42 von 53 anwesenden Ratsmitgliedern eine große Mehrheit zu. Über den endgültigen Standort und die entstehenden Kosten soll nach dem Beschluss erst im weiteren Verfahren entschieden werden.

Viele betrachten das Geschenk für die Stadt Trier als Bereicherung. Die Statue aus China sei eine Anerkennung für die Geburtsstadt des großen Philosophen Marx. Sie könne Anlass zum Diskurs sein. Genau dafür sei Kunst da.

Trier will im Jubiläumsjahr 2018 mit der ganzen Welt in Diskussion treten, auch mit chinesischen Besuchern.

Die Linken in Trier sehen die Statue als eine Gelegenheit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Werk des Philosophen. Trier solle die Größe haben, zu einem ihrer bekanntesten Kinder zu stehen. Das Werk von Marx, insbesondere seine treffende Analyse des Kapitalismus, habe Menschen auf der ganzen Welt bewegt und tue dies auch weiterhin.

Die Grünen hingegen appellierten an den Stadtrat, das Geschenk abzulehnen. Wer ein Geschenk annehme, ehre den Schenkenden. Die Kommunistische Partei Chinas sei keine Ehre wert. Wenn Trier die Statue ablehnte, könnte damit ein Zeichen gegen Menschenrechtsverletzungen in China gesetzt werden.

Auch die AfD äußerte sich während der Stadtratssitzung kritisch. Marx habe die parlamentarische Demokratie abgelehnt. Zum Judentum habe Marx ein schwieriges Verhältnis gehabt. Marx sei kein Humanist gewesen, sondern ein antidemokratischer Revolutionär.

Die von dem chinesischen Künstler Wu Weishan geplante inklusive Podest 6,30 Meter hohe Marx-Statue soll in der Nähe der Porta Nigra auf dem Simeonstiftplatz stehen. Der „Riesen-Marx“ und der geplante Standort haben neben dem Stadtrat auch unter den Trierer Bürgern bereits jetzt schon heftige Kritik ausgelöst.

Als die Idee der Schenkung aufgekommen sei, habe die Stadt überlegt, ob eine Statue dieser Größe passend sei. Dann habe man das einfach bauen lassen, um zu sehen, wie groß das eins zu eins werde – das habe viele Ängste genommen. Bis zu Marx‘ 200. Geburtstag werde die Statue stehen.

Kann Kunst über die Grenzen der Politik verbinden? Die Frage zu stellen, heißt sie wohl zu bejahen. Nicht zuletzt – ähnlich wie im Sport – gelten für die Kunst andere Gesetze als in der Politik. Schon in der Antike schwiegen zu Zeiten der Olympischen Spiele die Waffen. Warum soll es in der Kunst anders sein?! Politik ist Staatsangelegenheit, Kunst und Kultur – zugegeben auch ein Feld der Politik – ist aber in erster Linie Angelegenheit des Menschen selbst. Kunst soll auch kritisch sein. Um Horaz zu zitieren: „Delectare et prodesse!“.

Wie der Diskurs in Stadtrat und unter den Bürgern zeigt, wirft die Statue bereits in der Planung lange Schatten voraus …

 

Der türkische Präsident Erdoğan dachte vor rund sieben Monaten offen darüber nach, die Todesstrafe wieder einzuführen. In Deutschland sorgte das für verstörte Gesichter.

Der Gouverneur von Arkansas/USA, Asa Hutchinson, genehmigte Ende Februar vier Doppelhinrichtungen mit der Giftspritze, die noch im April vollzogen werden sollen. Seit 2005 wurden in dem Bundesstaat keine Hinrichtungen mehr durchgeführt.

Die acht Todeskandidaten, alles verurteilte Mörder, hätten die juristischen Mittel, um die Tötung noch abzuwenden, voll ausgeschöpft. Hutchinson erklärte in einem Statement: „Diese Exekutionen sind absolut notwendig, um die Auflagen, die uns die Gesetze geben, zu erfüllen“.

Warum so viele Hinrichtungen in so kurzer Zeit?

Hutchinson spricht laut ArkansasOnline von einem „Rückstau“ bei Hinrichtungen, weil wegen der juristischen Anfechtung der Todesurteile diese über Jahre hinweg nicht vollzogen werden konnten. Zudem läuft die Haltbarkeit eines der Mittel für die Todesspritze aus. So die Vermutung der gemeinnützigen Organisation Death Penalty Information Center, die für ein Ende der Todesstrafe kämpft. Bei dem Mittel handelt es sich um Midazolam. Es ist die erste von drei Substanzen, die einem Todeskandidaten in Arkansas gespritzt werden. Es soll dazu dienen, den Verurteilten bewusstlos zu machen. Das zweite Mittel, Vecuroniumbromid, paralysiert den Todeskandidaten, das letzte, Kaliumchlorid, sorgt für den Herzstillstand.

Auch hier hat Arkansas ein Problem mit der Haltbarkeit, die Vorräte können seit Januar nicht mehr benutzt werden. Doch Hutchinson geht davon aus, dass bis zum April neue Bestände vorhanden sind. Bei Midazolam ist eine Neu-Beschaffung problematischer, es ist nicht sicher, ob es zeitnah nachgeliefert werden kann.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Pharmakonzerne die Lieferung für Substanzen für die Giftcocktails eingestellt, weil sie damit nicht in Verbindung gebracht werden wollen. 2011 hat die EU ein Exportverbot unter anderem für das Betäubungsmittel Pentobarbital verhängt, vor allem seitdem wird immer häufiger Midazolam als Alternative genutzt.

Den Rekord bei Hinrichtungen in kurzer Zeit hält nach wie vor Texas, das im Mai und Juni 1977 – ein Jahr nach der Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA – ebenfalls acht Personen hingerichtet hat – innerhalb eines Monats!

Die Todesstrafe gibt es schon sehr lange. Das hat einen einfachen Grund: Wer die Macht hat, der zeigt das am einfachsten, indem er über Dinge bestimmt, die nur er entscheiden kann. Zum Beispiel über Leben und Tod.

Es war normal, dass König, Kaiser oder auch die Kirche ihre Macht demonstrierten, indem sie die Bürger einen Kopf kürzer machten. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit reichte dafür schon wenig aus. Für Mord und Totschlag ging man zum Henker, auch der Vorwurf der Zauberei, einer Abtreibung oder Gotteslästerung endeten auf dem Schafott.

Dort ging es laut zu. Hinrichtungen waren bis ins 19. Jahrhundert hinein regelrechte Volksfeste. Es gab kein Fernsehen, kein Internet. So ist überliefert, dass noch in den 1860er Jahren in Leipzig an Exekutionstagen schulfrei war. Der Grund: Es wäre sowieso keiner gekommen, weil alle bei der Hinrichtung waren.

Die Täter zu köpfen, zu hängen, zu vierteilen oder zu rädern übernahmen sogenannte Scharfrichter, die durchs Land reisten, um die Hinrichtungen zu vollziehen. Sie tauschten irgendwann die Gesichtsmaske gegen einen schwarzen Zylinder und die Methoden wurden humaner. Scharfrichter waren staatlich anerkannte Henker.

Im Geiste der Aufklärung regte sich Widerstand gegen das unzivilisierte Umbringen im Namen des Gesetzes. Bereits im ersten deutschen Grundrechtekatalog, in der Paulskirchenverfassung von 1849, wurde die Todesstrafe abgeschafft. Diese Verfassung kam nie zum Einsatz und so wurde auch im 19. Jahrhundert und während des deutschen Kaiserreichs weiterexekutiert. Erst in der Weimarer Republik waren es deutlich weniger Todesurteile.

Doch dann erlebte die Todesstrafe in Deutschland ihren traurigen Höhepunkt. In der Nazizeit sprachen die Gerichte – neben dem millionenfachen Morden in den Konzentrationslagern – insgesamt über 32.000 Todesurteile aus.

In Westdeutschland wurde noch bis 1949 offiziell hingerichtet. Der letzte Straftäter, der seinen Kopf verlor, war der 24-jährige Raubmörder Richard Schuh.

Von alliierten Gerichten verurteilte deutsche Kriegsverbrecher landeten bis 1951 am Galgen. Ironischerweise war das auch der Grund, warum in unserem Grundgesetz die Todesstrafe in Artikel 102 abgeschafft wurde. Das geschah nicht aus Menschenliebe, sondern, um ehemalige Nazi-Verbrecher vor der Todesstrafe zu schützen (Richard Evans).

In der DDR wurde der Stasi-Offizier Werner Teske wegen angeblicher Spionage im Jahr 1981 erschossen. Das ist gerade mal 36 Jahre her.

 

Das Leben des John Doe ging im vergangenen Juni zu Ende. Um 04.30 Uhr, als gerade das Tageslicht angebrochen war, wurde er im Zentralgefängnis einer pakistanischen Millionenstadt gehenkt. Wegen einer Tat, die er im September 1992 begangen haben soll: dem Mord an einer Frau und deren zwei Söhnen. Damals war er 15. Als er starb, war er 38. Bis zum Ende beteuerte er seine Unschuld.

Der Pakistaner ist nur einer von mehreren tausend Menschen, die im vergangenen Jahr irgendwo auf der Welt von Staats wegen getötet wurden. Amnesty International nennt im neuesten Jahresbericht zur Todesstrafe eine Mindestzahl von 1.634 vollstreckten Todesurteilen – ohne die Zahlen aus der Volksrepublik China. Die tatsächliche Zahl an Hinrichtungen weltweit liegt vermutlich mehr als doppelt so hoch. Für 2014 hatte Amnesty noch 1.061 Hinrichtungen gezählt.

Für die internationalen Bemühungen um eine Abschaffung der Todesstrafe bedeutet dies einen herben Rückschlag. Für ein paar Jahre gab es tatsächlich Hoffnung, dass es mit dem grausamen Geschäft der Henker bald ein Ende haben würde. Aber weit gefehlt! Dies hat unter anderem mit dem Erstarken des islamistischen Terrorismus zu tun.
Pakistan zum Beispiel beendete im Dezember 2014 ein sechsjähriges Moratorium für die Todesstrafe, nachdem Taliban-Milizen beim Angriff auf eine Schule 150 Menschen ermordet hatten. Zunächst wurden mutmaßliche Terroristen wieder gehenkt, dann auch andere Verurteilte. Insgesamt waren es im Lauf des Jahres 326 Menschen. In der Henkerstaaten-Statistik 2015 liegt Pakistan damit auf Platz drei.

Den Spitzenplatz als „Top-Henker der Welt“ hält laut Amnesty International weiterhin China. Die genaue Zahl an Hinrichtungen wird von der Volksrepublik nach wie vor als Staatsgeheimnis unter Verschluss gehalten, weshalb auch Amnesty seit einigen Jahren keine Zahlen nennen kann. Die Menschenrechtler schätzen aber, dass sie immer noch „in die Tausende“ gehen. Ein Amnesty-Experte vermutet, dass China 2015 mehr Menschen hinrichten ließ als der gesamte Rest der Welt zusammen.
Andere Experten gehen für das vergangene Jahr von schätzungsweise 2.400 Exekutionen im Reich der Mitte aus.

Weltweit würde dies eine Mindestzahl von circa 4.000 Hinrichtungen bedeuten. Das hält auch Amnesty International für realistisch. Nicht überall hat der Anstieg allerdings seinen Grund im Kampf gegen den Terrorismus. Die Todesstrafe wird in manchen Ländern neben Kapitalverbrechen wie Mord auch wegen Korruption (China), Beleidigung des Propheten (Iran) oder Ehebruch (Malediven) verhängt.

Der Iran liegt 2015 mit mindestens 977 Hinrichtungen – die meisten davon wegen Drogen-Delikten – auf Platz zwei der Liste. Saudi-Arabien ließ 158 Menschen exekutieren. Diese Zahl wurde seit 1995 nicht mehr erreicht. Neben öffentlichen Enthauptungen gibt es dort auch die öffentliche Ausstellung von Leichen.

Selbst bei den großen Industrienationen gibt es erschreckende Zahlen. Die USA ließen 2015 28 und Japan 3 Leute exekutieren. Zu den insgesamt 25 Staaten, die hinrichten ließen, gehörten unter anderen auch Indien, Afghanistan, der Irak, Nordkorea und Ägypten. Weltweit sitzen derzeit mehr als 20.000 Menschen in der Todeszelle.

Gute Nachrichten für die Gegner der Todesstrafe: vier weitere Staaten schafften die Strafe endgültig ab: Surinam, die Demokratische Republik Kongo, die Fidschi-Inseln und Madagaskar. Von den 193 UN-Mitgliedern verzichten also jetzt 102 Staaten komplett auf die Todesstrafe – mehr als die Hälfte der Welt!
In Deutschland liegt die letzte Exekution rund 35 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR einen Stasi-Hauptmann rechtswidrig wegen angeblicher Spionage und versuchter Fahnenflucht hinrichten.

Die Bundesrepublik hingegen hatte schon im Grundgesetz von 1949 auf die Todesstrafe verzichtet. In dessen Artikel 102 heißt es knapp: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“