Das Leben des John Doe ging im vergangenen Juni zu Ende. Um 04.30 Uhr, als gerade das Tageslicht angebrochen war, wurde er im Zentralgefängnis einer pakistanischen Millionenstadt gehenkt. Wegen einer Tat, die er im September 1992 begangen haben soll: dem Mord an einer Frau und deren zwei Söhnen. Damals war er 15. Als er starb, war er 38. Bis zum Ende beteuerte er seine Unschuld.
Der Pakistaner ist nur einer von mehreren tausend Menschen, die im vergangenen Jahr irgendwo auf der Welt von Staats wegen getötet wurden. Amnesty International nennt im neuesten Jahresbericht zur Todesstrafe eine Mindestzahl von 1.634 vollstreckten Todesurteilen – ohne die Zahlen aus der Volksrepublik China. Die tatsächliche Zahl an Hinrichtungen weltweit liegt vermutlich mehr als doppelt so hoch. Für 2014 hatte Amnesty noch 1.061 Hinrichtungen gezählt.
Für die internationalen Bemühungen um eine Abschaffung der Todesstrafe bedeutet dies einen herben Rückschlag. Für ein paar Jahre gab es tatsächlich Hoffnung, dass es mit dem grausamen Geschäft der Henker bald ein Ende haben würde. Aber weit gefehlt! Dies hat unter anderem mit dem Erstarken des islamistischen Terrorismus zu tun.
Pakistan zum Beispiel beendete im Dezember 2014 ein sechsjähriges Moratorium für die Todesstrafe, nachdem Taliban-Milizen beim Angriff auf eine Schule 150 Menschen ermordet hatten. Zunächst wurden mutmaßliche Terroristen wieder gehenkt, dann auch andere Verurteilte. Insgesamt waren es im Lauf des Jahres 326 Menschen. In der Henkerstaaten-Statistik 2015 liegt Pakistan damit auf Platz drei.
Den Spitzenplatz als „Top-Henker der Welt“ hält laut Amnesty International weiterhin China. Die genaue Zahl an Hinrichtungen wird von der Volksrepublik nach wie vor als Staatsgeheimnis unter Verschluss gehalten, weshalb auch Amnesty seit einigen Jahren keine Zahlen nennen kann. Die Menschenrechtler schätzen aber, dass sie immer noch „in die Tausende“ gehen. Ein Amnesty-Experte vermutet, dass China 2015 mehr Menschen hinrichten ließ als der gesamte Rest der Welt zusammen.
Andere Experten gehen für das vergangene Jahr von schätzungsweise 2.400 Exekutionen im Reich der Mitte aus.
Weltweit würde dies eine Mindestzahl von circa 4.000 Hinrichtungen bedeuten. Das hält auch Amnesty International für realistisch. Nicht überall hat der Anstieg allerdings seinen Grund im Kampf gegen den Terrorismus. Die Todesstrafe wird in manchen Ländern neben Kapitalverbrechen wie Mord auch wegen Korruption (China), Beleidigung des Propheten (Iran) oder Ehebruch (Malediven) verhängt.
Der Iran liegt 2015 mit mindestens 977 Hinrichtungen – die meisten davon wegen Drogen-Delikten – auf Platz zwei der Liste. Saudi-Arabien ließ 158 Menschen exekutieren. Diese Zahl wurde seit 1995 nicht mehr erreicht. Neben öffentlichen Enthauptungen gibt es dort auch die öffentliche Ausstellung von Leichen.
Selbst bei den großen Industrienationen gibt es erschreckende Zahlen. Die USA ließen 2015 28 und Japan 3 Leute exekutieren. Zu den insgesamt 25 Staaten, die hinrichten ließen, gehörten unter anderen auch Indien, Afghanistan, der Irak, Nordkorea und Ägypten. Weltweit sitzen derzeit mehr als 20.000 Menschen in der Todeszelle.
Gute Nachrichten für die Gegner der Todesstrafe: vier weitere Staaten schafften die Strafe endgültig ab: Surinam, die Demokratische Republik Kongo, die Fidschi-Inseln und Madagaskar. Von den 193 UN-Mitgliedern verzichten also jetzt 102 Staaten komplett auf die Todesstrafe – mehr als die Hälfte der Welt!
In Deutschland liegt die letzte Exekution rund 35 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR einen Stasi-Hauptmann rechtswidrig wegen angeblicher Spionage und versuchter Fahnenflucht hinrichten.
Die Bundesrepublik hingegen hatte schon im Grundgesetz von 1949 auf die Todesstrafe verzichtet. In dessen Artikel 102 heißt es knapp: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“