Schweden hat das Sex-Verfahren gegen den Gründer von Wikileaks eingestellt. Aber das ist nicht das Ende der Vorwürfe. Er selbst macht nebulöse Andeutungen. Es könnte auch um die Bundestagswahl gehen.

Am 19. Juni 2017 ist Julian Assange fünf Jahre in der ecuadorianischen Botschaft. Er floh im Juni 2012 aus britischem Hausarrest dorthin, um einer möglichen Auslieferung nach Schweden wegen angeblicher sexueller Übergriffe zu entgehen. Das steht nun nicht mehr zu befürchten.

Die Nachricht über die Aussetzung der schwedischen Ermittlungen interessierte in Deutschland viele nur am Rande. Aber das ist ein Fehler. Denn Assanges Organisation Wikileaks hat mit Deutschland vor der Bundestagswahl womöglich Großes vor.

Zugleich verstricken sich das Whistleblower um Assange in Grabenkämpfe, die Regierung Trump nimmt Wikileaks ins Visier, und ein ungeklärter Mordfall in Washington könnte auch eine Rolle spielen.

Über Julian Assange schwebt weiterhin ein britischer Haftbefehl wegen Missachtung der Kautionsbedingungen. Wikileaks wird von vielen Seiten bedrängt. Weshalb es umso interessanter ist zu wissen, ob die Gruppe ihre verhüllte Drohung gegen Bundeskanzlerin Merkel wahr macht. Assange redet gern und viel.

Und eine solche Drohung gibt es. Am 13. März diesen Jahres twitterte Wikileaks: „Panische Flurgespräche in US-Sicherheitskreisen darüber, dass Wikileaks heute Nacht oder morgen viele CIA- oder NSA-Abhörprotokolle zu Merkel veröffentlicht“. Kein Konjunktiv!

Der Tweet erschien 48 Stunden vor dem beabsichtigten Besuch Angela Merkels bei Donald Trump. Der Besuch wurde dann auf Wunsch Trumps um zwei Tage verschoben, und Wikileaks hielt still. Aber am 20. März 2017, drei Tage nach Merkels Besuch, tweetete Wikileaks, man habe „öffentlich und wiederholt die kommenden Publikationen mit großem zeitlichen Vorlauf angekündigt, bevor Butter bei die Fische kam“.

Der zweite Tweet galt nicht Merkel, doch das ist keineswegs eine Entwarnung. Mit ihm reagierte Wikileaks noch am selben Tag auf den scharfen Vorwurf eines Kongressabgeordneten der Demokraten, die Gruppe habe im Herbst 2016 interne Dokumente der Trump-Herausfordererin Clinton erst kurz nach einer entsprechenden Andeutung aus Donald Trumps Wahlkampfstab ins Internet gestellt. Das stimme nicht, ließ Wikileaks mit dem zweiten Tweet wissen.

In der Tat hatte Assange schon weit früher geraunt, Clinton werde sich im Wahlkampf noch wundern. Wie erwähnt, steht er gerne im Rampenlicht. Aber seine Organisation hat bisher keine leeren Drohungen gemacht. Deshalb verheißen die beiden Tweets für die Bundeskanzlerin nicht unbedingt Gutes. Anlass hierfür hat Julian Assange genug.

Denn erstens hat Schweden zwar die Ermittlungen wegen behaupteter sexueller Übergriffe ausgesetzt, aber nicht eingestellt. Die schwedische Justiz ist keineswegs von Assanges Unschuld überzeugt.

Sie ist nur überzeugt davon, dass eine Aufklärung der Vorwürfe unmöglich ist, solange der Wikileaks-Mitgründer in der Botschaft Ecuadors untergebracht ist. Seit Assanges Flucht sind drei der vier sexuellen Vorwürfe verjährt. Die Verjährung des vierten Falls tritt 2020 ein.

Die schwedische Staatsanwaltschaft behält sich vor, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, sobald Assange verfügbar sei. Assange bestreitet alle Vorwürfe. Er glaubt, dass sie nur ein Vorwand seien, ihn an die USA auszuliefern.

Das glauben, zweitens, auch seine Anwältinnen in den USA und mit ihnen etliche weitere Anhänger – aber nicht mehr alle. Die Dokumentarfilmerin Laura Poitras zum Beispiel wandelt sich gerade von einer Assange-Bewunderin zu einer Skeptikerin.

Poitras war 2013 Edward Snowdens erste Ansprechpartnerin und flog mit einem Journalisten zu ihm nach Hongkong, um die entwendeten NSA-Dateien zu verwahren. Damals war Poitras auch Assanges Vertraute. Schon ab 2011 drehte sie mit exklusivem Zugang in Assanges innerem Kreis einen Porträtfilm über ihn. Der Film ist gerade in den USA angelaufen und entzweit nun die Gemeinde.

Der fertige Streifen hat mit der Vorabfassung, die man vergangenen Jahres auf dem Cannes-Festival und auch Assange persönlich in der Botschaft Ecuadors präsentierte, nicht mehr viel zu tun. In der Kinofassung stellt der Film Fragen nach Assanges Umgang mit Frauen und nach seinem Verhältnis zu Russland.

Widersprüche zwingen zum Umdenken – besonders im Hinblick auf den Anschein, es habe eine von Russland geförderte Wikileaks-Kampagne gegen Hillary Clinton gegeben.

Der Film von Laura Poitras, untergräbt Wikileaks genau in dem Moment, in welchem Präsident Trump ankündigt, Journalisten, Redakteure und Helfer von Wikileaks vor Gericht zu bringen.

In der „Kultur des Sexismus“ sind falsche Anschuldigungen jederzeit möglich. Assanges Unschuld ist noch nicht bewiesen.

Aber mal ehrlich: Was haben Assange und Snowden uns größerdings noch zu bieten?! Beide sind schon viel zu lange „aus dem Geschäft“. Es stellt sich die Frage: Viel Wirbel um nichts?! Und dann: Warum?