Die Social Media Ära ist am Ende ihres Lebenszyklus angekommen – die Lust am Vernetzen verschwindet aber nicht (Weigerts World).

Networking und Medienkonsum finden zwar in derselben digitalen Umgebung und in einem verwandten Kontext statt, sind aber im Kern unterschiedlich: Beim Netzwerken stehen Menschen im Vordergrund. Beim Medienkonsum Inhalte und erst danach Personen. In den frühen Jahren des Web ging es fast nur um das Knüpfen von Kontakten, sowie später um das Vernetzen mit „Offline”-Bekannten im Web. Der Begriff „Social Media“ existierte anfänglich gar nicht. Man sprach von „Communities“, später vermehrt von „Social Networking“. Onlinedienste wie Facebook waren nicht „Social-Media“-Plattformen, sondern „soziale Netzwerke“.

Doch nach der Ausbreitung des vor elf Jahren von Facebook entwickelten Newsfeed-Prinzips, das in einer Variation auch von Twitter für die Timeline, sowie von vielen anderen Diensten adaptiert wurde, und nach dem kommerziellen und gesellschaftlichen Durchbruch derartiger Angebote, bürgerte sich die Bezeichnung „Social Media“ ein. Nicht länger stand das trivial anmutende und aus Sicht der Plattformbetreiber schlecht zu monetarisierende Vernetzen im Zentrum, sondern das „gemeinschaftliche“ Konsumieren, Kommentieren und Verbreiten von Informationen innerhalb der Netzwerke. Damit nahm eine Entwicklung ihren Lauf.

Es gilt also, die Begriffe „Social Media“ und „Social Networking“ nicht zu vermengen. Die begriffliche Definition allein genügt nicht, um die beiden Formen konzeptionell voneinander zu lösen; aber mit der Sprache beginnt es.

Messaging-Apps sind auch soziale Netzwerke.

Wie bei Facebook sammeln Menschen in ihren Chat-Applikationen persönliche Kontakte – sei es per Kontaktimport aus ihren Smartphone-Adressbüchern oder mittels Eingabe von Benutzernamen. Wie die Freundesliste bei Facebook repräsentieren die Kontaktlisten bei Whatsapp, Telegram oder Snapchat bestimmte Teile des Social Graphs der Nutzer. Typischerweise findet die Kommunikation bei derartigen Services zwischen zwei Personen oder innerhalb kleiner Gruppen statt, nicht mehr im One-to-many-Prinzip, welches in der Newsfeed-Ära galt.

Social Networking ist damit nicht am Ende. Es verändert sich. Eine natürliche Evolution! Nach Jahren des Exzesses erkennen mehr Nutzer, welche Elemente des digitalen Austauschs sie schätzen und welche für sie eigentlich nur lästige, aber hartnäckige Gewohnheiten darstellen.

Auch wenn es in einer Welt, in der Facebooks Netzwerk fast zwei Milliarden aktive Anwender vermeldet, nicht auf den ersten Blick deutlich wird: Über längere Zeiträume betrachtet verändern sich Nutzer-Gewohnheiten doch stärker, als es zunächst den Anschein macht. Der schleichende Wandel wird extern von kulturellen, politischen und demographischen Trends angetrieben, aber auch von innen heraus, durch konzeptionelle Weiterentwicklungen der Dienste selbst. Diese Weiterentwicklungen sind Reaktionen auf externe Veränderungen oder auf konkrete Geschäftsziele der Diensteanbieter.

Das derzeit populäre Stories-Prinzip mit selbsterstellten visuellen Inhalten führt zwangsläufig zu einer Abkehr von den bisher geltenden Gesetzmäßigkeiten und Dynamiken. Die Smartphone-Kamera entwickelt sich zum Input-Kanal für den Content, den Anwender über ihre bevorzugten Networking-Apps mit ausgewählten Personen teilen. Optimierte Nachrichtenartikel ohne größeren informationellen Nährwert, die User mit Kontakten teilen, bekommen dadurch große Konkurrenz im Kampf um die Aufmerksamkeit. Qualitative Inhalte findet man hingegen wieder verstärkt bei den Original-Quellen. Verschiedene Leitmedien kehren daher derzeit Facebooks Instant-Articles-Angebot den Rücken.

Social Media in der Form, wie es die letzten Jahre die digitale Landschaft prägte, hat sich in vielerlei Hinsicht überlebt und genug Schaden angerichtet. Der Lernprozess der Nutzer schreitet voran. Nach Jahren der unendlichen Feedback-Loops wissen Nutzer – eigenverantwortlich geworden – heute besser als je zuvor, welche Anwendungsmuster sie meiden müssen, um ihre Nerven zu schonen und Aufmerksamkeit klug zu verteilen.

Im Endeffekt: Die Lust, mit anderen Menschen zu interagieren, bleibt bestehen – selbst bei den größten Kritikern des Status Quo. Und diese Interaktion wird auch in Zukunft rund um Inhalte stattfinden. Wie das erfolgt, um was für einen Content es sich handelt, mit wem Nutzer ihn teilen und welche Mechanismen die Distribution beeinflussen, dafür werden gerade neue Regeln geschrieben. Im Zeitalter der Fake News bzw. alternativen Fakten bleibt zu hoffen, dass diese besser sind als die, die zuletzt galten.

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