Die russische Polizei hat den Oppositionellen Alexej Nawalny noch vor Beginn einer nicht genehmigten Demonstration im Zentrum von Moskau in Gewahrsam genommen.

Die Behörden teilten mit, Nawalny würden Verstöße gegen die Regeln zur Organisation von Kundgebungen sowie Ungehorsam gegen die Polizei vorgeworfen. Russische Medien berichteten von ersten weiteren Festnahmen.

Der 41-jährige Kritiker des Präsidenten Wladimir Putin hatte zu Demonstrationen in rund 200 Städten aufgerufen. In Moskau wollte er trotz eines Verbots in der Nähe des Kremls protestieren. Das bürgerrechtsnahe Portal OVD-Info berichtete von Dutzenden Festnahmen in der Provinz, etwa in Wladiwostok, St. Petersburg und Kasan. Für Moskau erwarteten die Organisatoren bis zu 50.000 Teilnehmer.

Nawalny will 2018 bei der Präsidentenwahl kandidieren. Es war bereits seine zweite Festnahme bei einer von ihm organisierten Kundgebung in diesem Jahr. Im März diesen Jahres hatte er Tausende Anhänger auf die Straßen gebracht, um gegen Regierungschef Dmitri Medwedew zu protestieren.
Nawalny hatte ihm in einem Online-Video Korruption vorgeworfen. Bei dem Protest am 26. März waren allein in Moskau rund 1.000 Menschen festgenommen worden. Auch Nawalny musste mehrere Tage in Arrest.

Um die Kundgebung gab es ein langes Tauziehen zwischen den Behörden und den Organisatoren. Ursprünglich hatte Nawalny eine Genehmigung für einen Ort im Norden Moskaus bekommen. Eigentlich wollte er aber in der Nähe des Kremls demonstrieren.

Am Vorabend hatte er dennoch überraschend zu Protesten in Kremlnähe aufgerufen. Man sage die Kundgebung auf dem Sacharow-Prospekt ab und verlagere die friedliche Aktion auf die Twerskaja-Straße, so Nawalny auf seiner Webseite. Die Straße sei ideal für ihre Ziele, denn sie sei ohnehin für den Nationalfeiertag verkehrsberuhigt, schrieb er. Russland feiert am 12. Juni die Unabhängigkeit von der Sowjetunion seit 1991.

Durch den Ortswechsel erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation. Die Staatsanwaltschaft warnte, die Polizei könne hart durchgreifen. Jede unerlaubte Aktion sei ein Verstoß gegen das Gesetz. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte dem regierungskritischen Internet-Sender Doschd, jegliche Provokationen und illegale Aktionen müssten verhindert werden.

Nawalny erklärte, er habe keine Firma gefunden, die eine Bühne und Lautsprecher für die Kundgebung aufbaue. Er warf der Stadtverwaltung vor, Druck auf die Anbieter zu machen. Man sei bereit zu Kompromissen, aber man lasse sich nicht demütigen.

Nawalnys Frau Julia schrieb auf Twitter, der Protest auf der Twerskaja solle trotz der Festnahme stattfinden. Ihr Mann habe sie gebeten mitzuteilen, dass die Pläne sich nicht änderen. Seine Sprecherin Kira Jarmysch teilte mit, im Büro ihrer Stiftung zum Kampf gegen Korruption sei der Strom abgeschaltet worden.

Der russische Volkszorn gegen die Korruption der Elite treibt Zehntausende auf die Straßen. Moskau spannt Lehrer und Blogger ein, um die Jugend von einer Teilnahme an Demonstrationen abzuhalten.

Seit Ende März in ganz Russland auf einmal Zehntausende gegen die Korruption der Elite auf die Straßen gingen, tobt in dem Land ein Kampf um die Jugend. Darin haben die Mächtigen nicht die besseren Karten, wie beispielhaft ungeschickte Musikvideos zeigen, die produziert wurden, um potentielle Demonstranten von neuen Protesten fernzuhalten. „Lass die Finger von Politik, Kleiner, geh lieber Mathe lernen“, fordert eine Sängerin, die im Video mal als Lehrerin im knappen Rock, mal als Rockerin in Glitzerjacke auftritt. „Es ist nie zu spät, um aus Fehlern zu lernen, wenn dein Herz schon Veränderungen will, fang bei dir selbst an“, so der Refrain des im Mai veröffentlichten Liedes, das laut unabhängigen russischen Medien „im Auftrag des Staates“ entstand. Und noch drastischer: „Was sagst du zu Mama, wenn du wegen einer Demonstration ins Irrenhaus gesperrt wirst?“, fragt ein junger Mann im Polizeikostüm in einem weiteren, vor einigen Tagen veröffentlichen Clip.

Putin verglich die Proteste mit dem „arabischen Frühling“ und dem jüngsten Kiewer „Majdan“, stellte sie in der Kreml-Lesart als westliches Komplott dar.

 

 

Experten für Künstliche Intelligenz (KI) sind sicher: Nach und nach werden Maschinen den Menschen aus allen Tätigkeiten verdrängen. Welcher Job den Prognosen zufolge wann dran ist.

Das Future of Humanity Institute an der University of Oxford hat Experten für Künstliche Intelligenz (KI) auf den beiden wichtigsten Veranstaltungen zum Thema befragt, bis wann sie erwarten, dass Aufgaben besser durch Maschinen als durch Menschen erledigt werden.

1634 Experten für maschinelles Lernen, die auf der Konferenz Machine Learning im Juli 2015 und bei der Konferenz Neural Information Processing Systems im Dezember 2015 Fachvorträge hielten, wurden von der Universität befragt. Den mittleren Wert ihrer Antworten für verschiedene Tätigkeiten (Median) veröffentlichten die Forscher Ende Mai in einem Paper (Technology Review).

Die befragten Experten sind im Durchschnitt der Meinung, dass Künstliche Intelligenz Menschen bei einer Reihe von Tätigkeiten schon in den kommenden Jahren übertreffen wird – darunter beispielsweise Übersetzungen bis 2024, Schreiben von Aufsätzen fürs Gymnasium bis 2026 und Fahren von Lastwagen bis 2027.

Noch bis 2031 dauert es demnach, bis Tätigkeiten wie der Verkauf im Einzelhandel automatisiert werden. Für dasselbe Jahr rechnen die Experten damit, dass eine KI erstmals in der Lage ist, ein Bestseller-Buch zu schreiben. Erst 2053 rechnen die Experten damit, dass eine KI die Aufgabe eines Chirurgen übernehmen wird. Mit einem Sieg im Brettspiel Go gegen einen menschlichen Meister rechneten die im Jahr 2015 Befragten erst 2027 – das allerdings hat Googles Deepmind-Abteilung in London inzwischen geschafft. In 45 Jahren glauben die Forscher im Mittel, dass KI in so gut wie allen Bereichen besser sein wird als der Mensch. Bei so weitreichenden Prognosen ist allerdings Vorsicht geboten.

Die Oxford-Forscher untersuchten auch, wie sich die Fachkompetenz gemessen an der Anzahl der Zitierungen, Alter und Herkunft der Experten auf ihre Prognose auswirkte. Dabei zeigte sich, dass es zwar keinen signifikanten Unterschied zwischen Alter und Fachkompetenz der Befragten gab – sehr wohl aber einen großen Unterschied bei der Herkunft: Gehen Nordamerikaner im Schnitt davon aus, dass Maschinen Menschen erst in 70 Jahren in allem übertreffen werden, glauben asiatische Experten im Durchschnitt, dass es bereits in 30 Jahren soweit ist.

Wenn Roboter unsere Arbeitsplätze übernehmen, was passiert dann? Diese Frage beschäftigt die gesamte Wirtschaft. „Künstliche Intelligenz will nichts vom Menschen.“ (Tallinn, Skype-Mitgründer). Wenn man Personen von der Produktion entfernt, stellt sich die Frage, was passiert. KI hat vielleicht gar kein Interesse daran, dass der Mensch konsumiert. Das würde das gesamte ökonomische System aus der Bahn werfen. Wenn man den Menschen aus dem ökonomischen Kreislauf herausnimmt, hat man dann überhaupt noch einen Kreislauf? Das ist nicht nur eine Frage des Arbeitsplatzes, sondern stellt auch die Frage des Konsums infrage.

Der kritische Moment ist, wenn man den ersten künstlichen Entwickler hat. Dann stellt sich die Frage, welcher Algorithmus über welchen Algorithmus entscheidet. Das ist reine Spieltheorie. Analog dem Gefangenendilemma. Die Theorie besagt, dass zwei Gefangene einer Straftat beschuldigt werden und sich entscheiden müssen, ob sie sie gestehen oder nicht. Das wiederum hat Einfluss auf die Höhe ihrer Strafe. Was ist die korrekte Entscheidung? Das kann niemand sagen. Algorithmen müssten aber in einer solche Situation eine Entscheidung treffen.

Die Sorge besteht in der Kontrollierbarkeit der Technologie. Es gibt zwei Szenarien: Error- und Terror-Szenarien. In dem einen Szenario gibt es vielleicht Fehler in der Programmierung, die dramatische Konsequenzen haben. In dem anderen werden die Technologien für gefährliche Zwecke ausgenutzt. „Error-Szenarien sind wahrscheinlicher als Terror-Szenarien“ (Tallinn).

Auf die Frage, ob das Militär eine Technologie, wie die künstliche Intelligenz, nicht ausnutzen kann, gibt es auch zu bedenken. Es wird vielleicht ähnlich wie das Wettrüsten um die Atombombe. Die Staaten könnten versuchen, sich gegenseitig mit künstlicher Intelligenz lahmzulegen. Am Ende muss man einfach die Nebenwirkungen kennen, bevor man die Technologie einsetzt. Auch mit der Atombombe gab es ungeklärte Fragen, etwa ob die nuklearen Waffen nicht die Atmosphäre und damit die Erde zerstören. Das sollte man besser vor dem Einsatz klären!

„Woher kommst Du?“ ist zur Alltagsfrage geworden. Ob diese Frage eine Form von Rassismus ist oder reine Neugier – darüber kann man streiten. Oftmals ist die Herkunftsfrage nicht nur Bestandteil von Smalltalk. Sie zielt darauf ab, Menschen einordnen zu können.

Stetig – und vielleicht unbewusst – neigen wir dazu, alles und jenes einzuordnen. Ordnung muss sein, sie ist schließlich das „halbe Leben“. Auch Tiere teilen wir ein in Rassen. Wir äußern es in Bezug auf Menschen nicht – aber tun wir es bei unseren Artgenossen nicht auch?!

Der Vorwurf, Rassist zu sein, wiegt schwer. In Deutschland spricht (fast) niemand von „Rassen“ – es sei denn, man redet über Tiere: Pferde- oder Rinderrassen zum Beispiel. Im angelsächsischen Sprachraum wird der Begriff „race“ auch für Menschen verwendet. Als „racist“ will niemand erscheinen.

Zunehmend gewinnen rassistische Vorstellungen in der Politik wieder an Boden. Nicht nur in den USA. Oft verschleiern Politiker ihren Rassismus, wenn aber Gruppen von Menschen aufgrund einer realen (oder fiktiven) gemeinsamen biologischen Abstammung von anderen auf- oder abgewertet werden, ist das letztlich eine Form von Rassismus.

Rassismus ist geeignet, den sozialen Frieden zu zerstören. Rassisten diskriminieren Minderheiten und stellen Völkerrecht und das Grundgesetz infrage. Was ist das eigentlich: Rassismus? Gibt es Menschenrassen? In welcher Form taucht Rassismus in der Politik wieder auf?

Der Genetiker Richard Lewontin verglich Anfang der 1970er Jahre das Erbgut von Schwarzen, Eurasiern, Asiaten und weiteren Gruppen und zeigte: „Ausgehend von zufällig gewählten genetischen Unterschieden sind sich menschliche Rassen und Populationen bemerkenswert ähnlich, der größte Teil der menschlichen Variation rührt von Unterschieden zwischen Individuen her“.

Lewontin kam zu dem Schluss, die Kategorie Rasse hätte deshalb nahezu keine genetische Bedeutung und sollte abgeschafft werden. Seine Empfehlung war auch politisch motiviert: Er wollte die Kategorie loswerden, weil die Einordnung nach Rassen auf die sozialen und menschlichen Beziehungen eine zerstörerische Wirkung habe. Seitdem vertreten viele Menschen die Meinung, Rassen seien lediglich soziale Konstrukte.

Unter Biologen ist allerdings schon lange von „Lewontins Irrtum“ die Rede. Die Kritiker betonen, man dürfe nicht beliebige Gene miteinander vergleichen, sondern es seien Genvarianten, die Gruppen von Menschen voneinander unterscheidbar machen: Nach der Ausbreitung des Homo sapiens von Afrika aus – wir sind alle Afrikaner! – sind als regionale Anpassungen zum Beispiel verschiedene Hautpigmentierungen entstanden. Europäer haben die Fähigkeit entwickelt, Milchzucker zu konsumieren, Japaner können dafür Meeresalgen verdauen. Es gibt Unterschiede in der Augenform. Und mancherorts ist die Resistenz gegenüber bestimmten Krankheitserregern besonders groß. Das ist Evolution.

Es lassen sich also Merkmale aufzeigen, die eine Zuteilung zu einer Rasse begründen können. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Genetik in Zukunft weitere Belege dafür findet, dass Gruppen von Menschen sich aufgrund von Genvariationen in ihren Bauplänen, Fähigkeiten und vielleicht sogar in Charaktereigenschaften deutlich unterscheiden. Allerdings nur im Durchschnitt, das bleibt festzuhalten.

Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen: Alle Menschen tragen die gleichen Gene, sie unterscheiden sich nur in deren Varianten (Allele). Die Genetik hat bislang also vor allem eines bewiesen: Es gibt genetisch gesehen eine einzige Menschheit.

Ob es Rassen gibt oder nicht, ist auch nicht die zentrale Frage. Vielmehr kommt es darauf an, wie mit der Vorstellung von menschlichen Rassen umgegangen wird. Man kann den Begriff neutral verwenden, ohne Wertung, wie etwa in der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, in der von „rassischen Gruppen“ die Rede ist. Der Begriff „Genozid“ wird gemeinhin nicht hinterfragt, obwohl es natürlich eine Vorstellung von Völkern birgt, die über gemeinsame Gene (will sagen: Allele) definiert werden.

Rassismus pflegt einen anderen Umgang mit der Vorstellung genetisch unterschiedlicher Gruppen. Der tritt derzeit unter Politikern im Westen wieder zutage – etwa wenn Donald Trump während des Präsidentschaftswahlkampfes die mexikanischen und weitere lateinamerikanische Immigranten als „Kriminelle und Vergewaltiger“ diffamiert. Oder als er einem in Indiana geborenen Richter unterstellte, er (Trump) könne von diesem wegen seiner mexikanischen Vorfahren keinen fairen Prozess erwarten. Rassismus wie aus dem Lehrbuch!

Zwar vermeiden es die Mitglieder der neuen Führungsriege in den USA, rassistische Positionen zu deutlich zu zeigen. Verbindungen zu rassistischen Gruppen wie dem Ku-Klux-Klan werden heruntergespielt; Einige Ziele der Regierung sind implizit rassistisch: Bestimmte Menschen, identifiziert lediglich über ihre Herkunft, sollen nicht in die USA einreisen dürfen oder aus dem Land geschafft werden, weil sie angeblich eine Gefahr für die Amerikaner darstellen.

 

Es dürfte kaum eine Straße im einstigen West-Berlin geben, die nicht irgendwie mit dem European Recovery Programe ERP verbunden ist. Anders ausgedrückt: Mit dem „Marshall-Plan“, jenem einzigartigen Wiederaufbauprojekt für Europa, das vor 70 Jahren verkündet wurde.

Viele Wohnhäuser und ganze Siedlungen etwa in Schöneberg, im Wedding, Reinickendorf, Zehlendorf, in Spandau oder Tempelhof tragen bis heute die bronzene ERP-Plakette.

Benannt wurde das Projekt nach dem General und Außenminister, der an jenem 5. Juni 1947 vor Absolventen der Universität Harvard jene Rede hielt, die Weltgeschichte schrieb: Die USA, so Marshall, seien bereit, mit Krediten und Hilfslieferungen für Landwirtschaft, Industrie, Straßen- und Wohnungsbau die europäische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Auch die Vereinigten Staaten profitierten.

In seinen Ausführungen auf vier Seiten skizzierte der amerikanische Außenminister die Grundzüge eines Unterstützungsprogramms für das kriegsversehrte Europa. Marshall deutete an, dass die USA willens wären, sich an der Ausarbeitung und Finanzierung eines Aufbauprogramms zu beteiligen, wobei die Initiative von den europäischen Nationen ausgehen müsse. Es war die Geburtsstunde des European Recovery Program – besser bekannt als „Marshall-Plan“.

Der „Marshall-Plan“ gilt bis heute als das bisher erfolgreichste Entwicklungsprogramm der USA. Wenn irgendwo eine konzertierte Unterstützung für eine Region als notwendig erachtet wird, ertönt der Ruf nach einem neuen „Marshall-Plan“. Ganz offenkundig weckt der Plan noch immer positive Assoziationen. Das gilt namentlich für Deutschland, wo sich der Plan tief ins kollektive Gedächtnis gebrannt hat. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel unterstrich vor zwei Wochen in einer Rede in Washington, der Plan stehe für die „helfende Hand“, die Deutschland von den USA angeboten erhalten habe.

An die Stelle von Reparationsforderungen, mit denen Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg konfrontiert wurde, trat 1947 die wirtschaftliche Unterstützung, was Marshall 1953 den Friedensnobelpreis einbrachte. Das nach seiner Rede ausgearbeitete Programm sah für 1948 bis 1952 ein 13,3 Mrd. $ schweres Hilfspaket vor. Allein die 1949 ausbezahlten Mittel entsprachen dabei rund 12% des amerikanischen Haushalts. Umgerechnet in die heutige Zeit entspräche das Gewicht des Plans gegen 130 Mrd. $. Ausbezahlt wurde die Hilfe vor allem in Form von Zuschüssen an 16 europäische Staaten, und zwar nach ungefährer Maßgabe der Bevölkerungszahl. Am meisten Hilfe erhielt dabei Großbritannien, vor Frankreich und Westdeutschland.

Europa lag nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern. Landwirtschaft, Industrie und öffentliche Infrastruktur waren in einem desolaten Zustand. Das Kapital für die benötigten Investitionen fehlte, und die USA waren die einzige Wirtschaftsmacht, die dieses bereitstellen konnte, da sie den Krieg ohne größere Verwüstungen überstanden hatte. Der „Marshall-Plan“ sollte in Europa drei Ziele erreichen: die Ankurbelung der Agrar- und Industrieproduktion, die Wiederherstellung einer halbwegs soliden Finanz- und Währungspolitik in den Staaten und die Stimulierung des Handels sowohl innerhalb Europas als auch zwischen Europa und der Welt.

Mit Altruismus hatte all das wenig zu tun. Die USA verfolgten handfeste Eigeninteressen. Politisch galt es, die Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern. Diesem Vorhaben lag die Einschätzung zugrunde, dass in wirtschaftlich prekären Verhältnissen kommunistische Ideen besonders rasch gedeihen. Hohes Gewicht erhielt die Unterstützung der Türkei und Griechenlands, die im Kampf gegen den Kommunismus als Frontlinie betrachtet wurden. Wirtschaftlich galt es zudem, den Staaten Europas, die nach dem Krieg kaum noch über Devisenreserven verfügten, wieder zu Dollars zu verhelfen. Ohne diese konnten sie keine amerikanischen Güter kaufen. Insofern zielte der Plan auch darauf ab, einen für die US-Wirtschaft wichtigen Absatzmarkt wiederaufzubauen.

Alle unterstützten Staaten verfügten nach vier Jahren wieder über eine Wirtschaftskraft, die das Vorkriegsniveau übertraf. Die Industrieproduktion lag dabei um 41% über dem Niveau von 1938 und gar um 64% über dem Stand von 1947, die Erholung der Landwirtschaftsproduktion lag 1951 um 9% über dem Vorkriegsniveau.

Inwieweit das Projekt ursächlich war für den Aufschwung der Industrieproduktion, bleibt umstritten. Zweifellos hat das Programm die Erholung gestützt. Ob es die Entwicklung aber initiiert hat, erscheint fraglich. So wurden viele Initiativen, die maßgeblich zur wirtschaftlichen Erholung beitrugen, unabhängig von diesem Plan angestoßen, etwa die deutsche Währungsreform im Jahr 1948 und die damit verbundene Aufhebung staatlicher Rationierungen und Preiskontrollen. Skeptiker betonen zudem, dass die Unterstützung in keinem Empfängerland höher ausfiel als 3% der Wirtschaftskraft, womit die Hilfe kaum jene kritische Masse gehabt habe, um einen Aufschwung auszulösen.

 

 

 

US-Präsident Donald Trump will aus dem Pariser Klima-Abkommen aussteigen, weil es angeblich Arbeitsplätze kostet. „2,7 Millionen Jobs könnten bis 2025 in den USA verloren gehen”, sagte Trump in seiner Rede am 1. Juni 2017 im Garten des Weißen Hauses. Stimmt diese These?

Präsident Trump bezieht sich auf eine Studie von NERA Consulting, einer Beraterfirma, die in ihren Studien gegen staatliche Regulierungen der Wirtschaft eintritt. Gesponsert ist die Studie vom wirtschaftsnahen Institut American Council for Capital Formation, das seit Jahrzehnten für niedrige Steuern und geringe Auflagen für Firmen eintritt, und der US-amerikanischen Handelskammer, die ebenfalls seit Jahren gegen jegliche Klima-Abkommen kämpft.

In der Studie heißt es unter anderem, dass die Verpflichtungen des Pariser Abkommens bis 2025 rund 2,7 Millionen und bis 2040 sogar rund 27 Millionen Jobs in der Industrie kosten würden (derStandard.at). Rund 21 Prozent der Stellen gingen in der Zementindustrie verloren, dicht gefolgt von der Erdöl- und Eisenbranche.

Man stellt hier folgende Berechnung auf: Weil die Reduktion von klimaschädlichen Gasen Strom und Energie insgesamt verteuern wird, müssen Firmen mehr für ihre Produktion bezahlen. Die Studie hat zwei offensichtliche Fehler: Erstens setzen die Wissenschaftler voraus, dass fossile Energie nur in den Vereinigten Staaten teurer wird und dass die USA das einzige Land der Welt sind, das sich an das Pariser Abkommen halten würde. Deshalb würden die amerikanischen Produkte teurer als in anderen Ländern.

Das ist aus zwei Gründen unrealistisch: Erstens gilt der Vertrag global. Und zweitens gehen die Autoren von NERA-Consulting mit keinem Wort darauf ein, welche neuen Jobs in der Wind- und Sonnenenergie zeitgleich geschaffen werden können.

Die Studie wurde von mehreren Wissenschaftlern als mangelhaft kritisiert, etwa von der London School of Economics. Sie gehe von zu vielen extremen Annahmen aus. Das mache sie in sich schon widersprüchlich und obsolet.

Unabhängig von dieser mangelhaften Studie: Schafft das Klima-Abkommen Jobs in den USA – oder zerstört es sie? Verlieren also mehr Amerikaner in der Öl-und Autoindustrie ihre Jobs, als dass sie neue Stellen in umweltfreundlicheren Branchen finden könnten?

Die Frage ist nicht exakt zu beantworten, aber es gibt Hinweise: Bereits jetzt – ohne dass die USA nach dem Pariser Vertrag die Branche sanktioniert hätten – sinkt die Zahl der Beschäftigten in der Öl- und Kohle-Branche und ihre Zahl steigt bei den erneuerbaren Energien. Nach einem Bericht des amerikanischen Energieministeriums arbeiten zwar immer noch rund eine Millionen Menschen in der klimafeindlichen Brennstoff-Industrie. In den detaillierteren Zahlen ist aber ein klarer Trend abzusehen: Allein im vergangenen Jahr hat die Bergbau-Industrie 24 Prozent weniger Menschen beschäftigt und ist heute bei rund 57.000 Beschäftigten. Firmen, die Windenergie entwickeln, haben innerhalb eines Jahres 32 Prozent an Beschäftigung zugelegt.

Hinzu kommen derzeit 2,2 Millionen Menschen, die für Produkte und Dienstleister arbeiten, die die Energieeffizienz erhöhen. Für Produkte also, die als klimafreundlich gelten und die erfunden wurden, um die Kohlendioxid-Emissionen zu senken und damit dem Klima-Abkommen entsprechen. Die Zahl der dort Beschäftigten hat 2016 um rund sieben Prozent zugenommen und wird laut Prognosen der Branche in diesem Jahr um weitere neun Prozent zunehmen.

Alles in allem: die erneuerbaren Energien und energieeffiziente Technologien gehören zu den größten Wachstumsbranchen. So prognostiziert man Staaten wie Kalifornien, sie gewännen „dramatisch viele Jobs mit Wind und Sonnen-Energie” – und hätten einige Jobs verloren, weil der Öl-Preis gesunken ist. Die Job-Verluste sind also nicht dem Klima-Abkommen geschuldet, sondern im Gegenteil einem Überfluss an Öl. Der kommt vor allem durch Fracking (Schieferölförderung) zustande, das das weltweite Angebot erhöht und damit die Preise hat sinken lassen. Deshalb gingen laut dem Ministeriums-Bericht in kohleabhängigen US-Staaten wie Wyoming viele Arbeitsstellen verloren. Erneuerbare Energien und neuen Technologien beleben also den US-Arbeitsmarkt!

Selbst Erdölfirmen wie Chevron und ExxonMobil haben sich für den Bestand des Klimaabkommens ausgesprochen. Man ahnt: Die Staatengemeinschaft könnte sich für den einseitigen Rückzug rächen. Kurz nach Trumps Wahl im vergangenen November berieten die Staaten auf der UN-Konferenz in Marokko über eine Karbon-Steuer, die auf amerikanische Güter erhoben werden könnte, sollte sich die USA nicht an den Pariser Vertrag halten.

Conclusio: Trumps Behauptung, das Klima-Abkommen koste Jobs, überzeugt nicht. Zwar verlieren klimaschädliche Branchen schon jetzt Arbeitsplätze, aber Firmen im Bereich erneuerbare Energien gewinnen Mitarbeiter hinzu.

Das traurige Ereignis jährte sich eigentlich schon Anfang Mai diesen Jahres. Sie galt als „Titanic der Lüfte“, teilte sie doch am Ende auch deren Schicksal. Wir blicken 80 Jahre zurück. Bis heute ist die „Hindenburg“ das größte Luftschiff, das je gebaut wurde und geflogen ist, ein Prestigeobjekt deutscher Ingenieurskunst. Am 6. Mai 1937 verunglückte die „Hindenburg“ bei der Landung in den USA – und die Ära der Luftschiffe war jäh beendet.

Die Katastrophe wurde – über das damalige Massenmedium – live im Radio übertragen. Reporter Herbert Morrison berichtete am Abend des 6. Mai 1937 von der geplanten Landung des Luftschiffs „Hindenburg“ in Lakehurst im US-Bundesstaat New Jersey, in der Nähe von New York. Die „Hindenburg“ hatte schon über 60 Fahrten hinter sich, auch jene war bislang normal verlaufen. Doch dann schossen plötzlich Flammen aus dem Heck.

Über 30 Menschen fanden den Tod. „Es brennt. Es brennt und es stürzt ab“, schrie der Radioreporter ins Mikrofon. Innerhalb von Sekunden ging das gewaltige Luftschiff komplett in Flammen auf und Morrison wurde live vor dem Mikrofon von seinen Gefühlen überwältigt.

Das ist so furchtbar, die schlimmste Katastrophe der Welt“, schluchzt er. „Oh, the humanity!“. 36 Menschen starben, darunter 13 Passagiere, 22 Crewmitglieder und ein Mitglied der Bodenmannschaft. Die LZ 129 „Hindenburg“ wurde komplett zerstört.

Es war weder das erste, noch das schwerste Unglück der Luftschifffahrt – aber das Ende einer Ära. Die Ursache ist bis heute nicht vollständig geklärt. Die meisten Experten gehen von einer elektrostatischen Entladung aus, die das Gas entzündete.

Die „Hindenburg“ benannt nach dem deutschen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934), der Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, galt als das größte und schönste Luftschiff der Welt. Graf Ferdinand von Zeppelin, Mitte des 19. Jahrhunderts in Konstanz geboren, hatte Luftschiffe marktreif gemacht, sie galten als deutsche Spezialität, weltweit bewundert.

Großzügig gestaltete Räume, festlich gedeckte Tische, bequeme Polsterstühle, Piano und Rauchersalon. Und natürlich Fenster mit einzigartigem Panoramablick, kurz: eine Fahrt mit der „Hindenburg“ war Luxus erster Klasse. Das Luftschiff  konnte bis zu 131 Kilometer pro Stunde zurücklegen, war mit 235 Metern fast so lang wie ein Ozeandampfer und konnte 72 Passagiere aufnehmen. Als Traggas wurde Wasserstoff verwendet, Helium wollten die Vereinigten Staaten nicht an das Dritte Reich liefern.

Ab dem ersten Probeflug im März 1936 legte die „Hindenburg“ auf 63 Fahrten insgesamt 337.129 Kilometer zurück, beförderte 7.305 Menschen, 9.758 Kilogramm Fracht und 8.869 Kilogramm Post. Sie fuhr achtmal nach Süd und elfmal nach Nordamerika.

Das Ende der „Hindenburg“ wird gleichzeitig zum Ende der Ära der Luftschiffe. Erst 1997, mehr als 60 Jahre später, stieg über dem Bodensee wieder ein Zeppelin auf, der „Zeppelin NT“ (Neuer Technologie). Diese neuen Luftschiffe waren allerdings mit 800 Kubikmeter deutlich kleiner als ihre 200.000 Kubikmeter umfassenden Vorgänger, und waren anstelle von Wasserstoff mit nicht brennbarem Helium gefüllt.

2014 starb mit Werner Franz der letzte Überlebende der Crew. Als 14-Jähriger hatte er im Zeppelin als Kabinenjunge gearbeitet. Als das Feuer ausbricht, spürt er einen heftigen Ruck, sieht Flammen, springt und rennt.

In Lakehurst in New Jersey wird mit einem Denkmal an die „Hindenburg-Katastrophe erinnert.

Der Einschlag des Blitzes in den Baum ist,

Bersten, Krachen. Holz zerfetzt, fällt zu Boden.

Zerrissene Wolken fügen sich zusammen.

Rauch des Gefechts verzieht sich im Regen.

Die Seele bricht unter zu viel Gewicht.

Das Leben setzt ihr Stempel,

Berührungen hinterlassen Fingerabdrücke.

Zu nah, zu schutzlos, zu direkt.

Lange her, Jimi, ewig bist Du fort.

Gitarren gehen heute keine mehr zu Bruch.

Der Purple Haze lichtet sich,

Seelen liegen glasklar, nackt vor uns.

Krüge bersten nicht am Brunnen,

Seelen nicht im Gespräch. Die Stille

nach dem Blitz, sie spannt dem Bogen.

Donnernd bebt die Erde, die Sehne reißt.

Der Donner im Sturm befreit,

Lastende Stille kann töten.

Eine Aurora des Lichtes bringt Hoffnung,

Der Bluebird küsst den Himmel.

US-Präsident Donald Trump kommt seinen Zielen näher, als die Rückschläge in der Symbolpolitik vermuten lassen. Kritiker messen Trumps Einwanderungspolitik gerne daran, ob er die Grenzmauer zu Mexiko baut oder wie Gerichte den Einreisebann für Menschen aus muslimischen Ländern bewerten.

Trump hatte eine härtere Grenzpolitik versprochen, die Behörden haben begonnen, sie umzusetzen. In den ersten 100 Tagen nach seinem Amtsantritt verhaftete die für Abschiebungen zuständige US-Polizeieinheit „ICE“ („Immigration and Customs Enforcement“) 41.300 Menschen, die sich illegal im Land befanden. Das sind 40 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres. Jeder vierte Verhaftete hatte allerdings gar keinen kriminellen Hintergrund – dieser Anteil hat sich verdoppelt.

Dass die Polizeieinheit nicht nur die „Bad Hombres“ (Zitat Trump) verhaftet, hängt mit ausgeweiteten ICE-Befugnissen zusammen. Wie einst unter George W. Bush darf die Behörde wieder Arbeitsplatz-Razzien in Firmen oder auf Farmen durchführen. Bei dieser Gelegenheit greifen die Beamten oft auch jene undokumentierten Mitarbeiter – meist aus Ländern wie Mexiko und Lateinamerika – auf, die nicht auffallen und sich deshalb umso strenger an die Gesetze halten.

Zudem tauchen sie Berichten zufolge auch in der Nähe von Schulen und Kirchen auf – Orte, an denen sie zwar kein Zugriffsrecht haben, ihre Präsenz aber durchaus Unwohlsein auslöst. Es ist unbestreitbar, dass das Klima für die geschätzt elf Millionen Menschen ohne Papiere rauer wird.

Ein Abschreckungseffekt durch härteres Vorgehen ist durchaus Teil der Strategie, seit Jahren propagieren Teile der Republikaner die Idee der „Selbstabschiebung“: Wenn die Lebensumstände für die „Illegales“ immer schwieriger werden, kehren nach dieser Theorie viele freiwillig in die Heimat zurück.

Einige „Ilegales“ gehen nicht mehr zur Arbeit oder nehmen nur noch Aufträge außerhalb von Latino-Vierteln an, um nicht zufällig aufgegriffen zu werden. Anekdotischen Berichten zufolge haben einige Eltern ihre Kinder aus der Schule genommen, andere werden nach dem Unterricht von Verwandten abgeholt, die amerikanische Staatsbürger sind. Besitzer von Farmen in Kalifornien und Florida melden, dass sich in diesem Jahr deutlich weniger Erntehelfer als sonst bewerben.

Weil viele Familien für den Fall einer Abschiebung Geld ansammeln, leidet in den Großstädten auch die Wirtschaft in den Vierteln der Hispanics. Zwischen einem Drittel und der Hälfte ist das Geschäft eingebrochen, erklärt die hispanische Handelskammer von Kansas City (Financial Times). Ein Drittel der Latinos sagt, die Situation habe sich im Vergleich zum vergangenen Jahr verschlechtert – so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr.

An der südlichen Grenze der USA hat sich die Lage verändert, derzeit werden dort deutlich weniger Menschen als zuletzt aufgegriffen. Der „Trump-Effekt“ ist jedoch nur schwer zu bemessen, weil es eine Dunkelziffer unerkannter Grenzübertritte gibt, die bei der Aussicht auf direkte Abschiebung ohne Chance auf Asylverfahren steigt. Allerdings hat die Zahl der Asylsuchenden aus Mittelamerika zugenommen, die nun versucht, in Mexiko zu bleiben. Die Preise der „Coyotes“ genannten Menschenschmuggler, die häufig für die mexikanischen Drogenkartelle arbeiten, haben sich in den vergangenen Monaten fast verdoppelt.

Politisch basteln die Republikaner an weiteren Bausteinen für eine härtere Einwanderungspolitik. Vergangene Woche beriet der Justizausschuss im Repräsentantenhaus über ein verschärftes Grenzschutzgesetz. Der unerlaubte Grenzübertritt gilt bislang als Ordnungswidrigkeit, die nach fünf Jahren verjährt. Nun soll er zu einer Straftat erklärt und mit Gefängnis von bis zu 20 Jahren bestraft werden. Die Zahl der Deportationen ging unter Trump, anders als die Zahl der Festnahmen, bislang nicht nach oben.

Ideen, die aus der Mode waren, haben wieder Konjunktur: Lobbyorganisationen wie „American Children First“ wollen Bürgerentscheide darüber, ob Kindern ohne Staatsbürgerschaft künftig die Schulbildung verweigert werden darf. Bislang gibt es dafür selbst unter Republikanern keine Mehrheit, auch Gerichte dürften solche Anliegen kritisch bewerten. Angesichts fortgesetzter Haushaltskürzungen dürften allerdings gerade in konservativen Staaten kontroverse Debatten darüber anstehen, welche Rechte und Leistungen illegalen Einwanderern verwehrt werden könnten.

Ein böses Omen für einen demokratischen Staat …