„Woher kommst Du?“ ist zur Alltagsfrage geworden. Ob diese Frage eine Form von Rassismus ist oder reine Neugier – darüber kann man streiten. Oftmals ist die Herkunftsfrage nicht nur Bestandteil von Smalltalk. Sie zielt darauf ab, Menschen einordnen zu können.
Stetig – und vielleicht unbewusst – neigen wir dazu, alles und jenes einzuordnen. Ordnung muss sein, sie ist schließlich das „halbe Leben“. Auch Tiere teilen wir ein in Rassen. Wir äußern es in Bezug auf Menschen nicht – aber tun wir es bei unseren Artgenossen nicht auch?!
Der Vorwurf, Rassist zu sein, wiegt schwer. In Deutschland spricht (fast) niemand von „Rassen“ – es sei denn, man redet über Tiere: Pferde- oder Rinderrassen zum Beispiel. Im angelsächsischen Sprachraum wird der Begriff „race“ auch für Menschen verwendet. Als „racist“ will niemand erscheinen.
Zunehmend gewinnen rassistische Vorstellungen in der Politik wieder an Boden. Nicht nur in den USA. Oft verschleiern Politiker ihren Rassismus, wenn aber Gruppen von Menschen aufgrund einer realen (oder fiktiven) gemeinsamen biologischen Abstammung von anderen auf- oder abgewertet werden, ist das letztlich eine Form von Rassismus.
Rassismus ist geeignet, den sozialen Frieden zu zerstören. Rassisten diskriminieren Minderheiten und stellen Völkerrecht und das Grundgesetz infrage. Was ist das eigentlich: Rassismus? Gibt es Menschenrassen? In welcher Form taucht Rassismus in der Politik wieder auf?
Der Genetiker Richard Lewontin verglich Anfang der 1970er Jahre das Erbgut von Schwarzen, Eurasiern, Asiaten und weiteren Gruppen und zeigte: „Ausgehend von zufällig gewählten genetischen Unterschieden sind sich menschliche Rassen und Populationen bemerkenswert ähnlich, der größte Teil der menschlichen Variation rührt von Unterschieden zwischen Individuen her“.
Lewontin kam zu dem Schluss, die Kategorie Rasse hätte deshalb nahezu keine genetische Bedeutung und sollte abgeschafft werden. Seine Empfehlung war auch politisch motiviert: Er wollte die Kategorie loswerden, weil die Einordnung nach Rassen auf die sozialen und menschlichen Beziehungen eine zerstörerische Wirkung habe. Seitdem vertreten viele Menschen die Meinung, Rassen seien lediglich soziale Konstrukte.
Unter Biologen ist allerdings schon lange von „Lewontins Irrtum“ die Rede. Die Kritiker betonen, man dürfe nicht beliebige Gene miteinander vergleichen, sondern es seien Genvarianten, die Gruppen von Menschen voneinander unterscheidbar machen: Nach der Ausbreitung des Homo sapiens von Afrika aus – wir sind alle Afrikaner! – sind als regionale Anpassungen zum Beispiel verschiedene Hautpigmentierungen entstanden. Europäer haben die Fähigkeit entwickelt, Milchzucker zu konsumieren, Japaner können dafür Meeresalgen verdauen. Es gibt Unterschiede in der Augenform. Und mancherorts ist die Resistenz gegenüber bestimmten Krankheitserregern besonders groß. Das ist Evolution.
Es lassen sich also Merkmale aufzeigen, die eine Zuteilung zu einer Rasse begründen können. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Genetik in Zukunft weitere Belege dafür findet, dass Gruppen von Menschen sich aufgrund von Genvariationen in ihren Bauplänen, Fähigkeiten und vielleicht sogar in Charaktereigenschaften deutlich unterscheiden. Allerdings nur im Durchschnitt, das bleibt festzuhalten.
Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen: Alle Menschen tragen die gleichen Gene, sie unterscheiden sich nur in deren Varianten (Allele). Die Genetik hat bislang also vor allem eines bewiesen: Es gibt genetisch gesehen eine einzige Menschheit.
Ob es Rassen gibt oder nicht, ist auch nicht die zentrale Frage. Vielmehr kommt es darauf an, wie mit der Vorstellung von menschlichen Rassen umgegangen wird. Man kann den Begriff neutral verwenden, ohne Wertung, wie etwa in der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, in der von „rassischen Gruppen“ die Rede ist. Der Begriff „Genozid“ wird gemeinhin nicht hinterfragt, obwohl es natürlich eine Vorstellung von Völkern birgt, die über gemeinsame Gene (will sagen: Allele) definiert werden.
Rassismus pflegt einen anderen Umgang mit der Vorstellung genetisch unterschiedlicher Gruppen. Der tritt derzeit unter Politikern im Westen wieder zutage – etwa wenn Donald Trump während des Präsidentschaftswahlkampfes die mexikanischen und weitere lateinamerikanische Immigranten als „Kriminelle und Vergewaltiger“ diffamiert. Oder als er einem in Indiana geborenen Richter unterstellte, er (Trump) könne von diesem wegen seiner mexikanischen Vorfahren keinen fairen Prozess erwarten. Rassismus wie aus dem Lehrbuch!
Zwar vermeiden es die Mitglieder der neuen Führungsriege in den USA, rassistische Positionen zu deutlich zu zeigen. Verbindungen zu rassistischen Gruppen wie dem Ku-Klux-Klan werden heruntergespielt; Einige Ziele der Regierung sind implizit rassistisch: Bestimmte Menschen, identifiziert lediglich über ihre Herkunft, sollen nicht in die USA einreisen dürfen oder aus dem Land geschafft werden, weil sie angeblich eine Gefahr für die Amerikaner darstellen.