Manchmal hast du Momente, Wochen, Monate, gar Jahre, in denen willst du nicht reden. Du willst einfach nicht reden, ohne dass es dir tatsächlich die Sprache verschlagen hat oder du in ein depressives Loch gefallen bist. Es ist dir einfach viel zu anstrengend, zu reden und auch viel zu aufwändig, dich irgendwie erklären zu müssen. Du hast in deinem Leben bereits immer wieder alles erklärt und hast das ständig von neuem getan. Zu viel geplappert, zu oft dargelegt, zu häufig diskutiert  und viel zu viel versucht, zu sagen. Und dann kommt der Tag, an dem du einfach nicht mehr reden willst. In deinem Kopf klingen deine Worte wie ein hallendes Echo, das von der Höhlenwand zurückgeworfen wird. Nur das Allerwichtigste wird ausgetauscht und dein Satz bleibt dir in der Kehle stecken. Du hast das Gefühl, du redest mit dir selbst mehr als mit allen anderen und doch bist weit entfernt davon, zu spinnen oder in der Psychiatrie zu landen. Du weißt genau, sie ducken sich, reden dir nach dem Mund oder sie sagen das, was du schon lange vorher weißt. Du setzt im Geiste ihre Antworten und Erwiderungen zusammen und hast das Puzzle schon beendet, ohne dass es je eine echte Anforderung für dich war. Was immer du sagen wolltest, sparst du dir und schweigst. Du sitzt da, denkst zu dir selbst, redest innerlich stets genau das fertig, was der andere gerade sagen will und dabei kommt kein Ton aus deiner Kehle. Du bist am Ende mit deiner Kommunikationsfähigkeit, magst nicht mehr sprechen, magst die Worte des anderen nicht hören. Niemand weiß, was du machst. Niemand weiß, wie du tickst und wenn einmal ein Wort deinem Munde entschlüpft, ist es höflich, unverbindlich, ausnahmsweise notwendig – aber bloß nicht mehr. Du redest nicht mehr, weil dir niemand helfen kann. Du sagst nichts mehr, weil du der Weisheiten überdrüssig bist. Was immer geredet würde, es würde zerredet. Und deshalb lässt du es. Dialoge werden zu Monologen – mit dir selbst. Die Gesellschaft hat dir nichts mehr zu sagen, du bist eine zurückgezogene, eingeigelte Egoisten-Sau, die keine Silbe mehr als erforderlich von sich gibt. Und solltest du mal einen Tag der erzwungenen Redseligkeit haben – weil es nicht anders geht – sitzt du abends auf der Couch, sehnst dich nach Ruhe und straffst höchst vorsorglich deine zukünftigen Sätze auf ein Minimum zusammen. Bloß nichts sagen, bitte nicht sprechen, lasst mich doch einfach in Ruhe – du willst nichts mehr sagen. Diese herrliche Ruhe, in der kein Mund sich öffnet und dir wieder mal einen beschissenen Tipp gibt, den du sowieso schon hundertfach ausprobiert hast. Sie sollen nichts mehr sagen, du willst nichts mehr sagen, also Schnauze halten! So kommt der Tag, an dem du mit verschlossenem Mund dasitzt und paradoxerweise aus so vielen verschiedenen Richtungen zu dir gesprochen wird und du nur eines magst: Dich verkrümeln, Knebel in ihren Mund stopfen und bloß nichts erklären müssen, was sie ohnehin nicht ändern und verstehen können. Es ist so, deine Sprachlosigkeit macht alle anderen unglaublich neugierig und je mehr du dich in dich selbst verkriechst, umso mehr sind sie hinter dir her und versuchen, dir nur einen einzigen, lausigen Ton zu entlocken. Und während du so schweigend um dich schaust, freust du dich auf einen unendlich langen Schlaf, der dir ganz viel Ruhe lässt. Und dann fragen sie wieder…  und bekommen ihre Antwort: Klappe zu. Denn Schweigen ist Gold.

 

© Petra M. Jansen

 

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Es kommt der Moment, da bist du Stimmungsschwankungen unterworfen. Nichts Schlimmes, es gehört dazu. Weit entfernt von Depression und Borderline-Shit, trotzdem geht es dir heute nicht so wie sonst. Spaß haben? Geht nicht. Lachen? Nur bedingt. Stattdessen kreisen deine Gedanken um Unmögliches. Dinge, die vielleicht nie passieren werden und irgendwie schon längst passiert sind. Deine Fresse zeigt dir heute deine Laune. Gott sei Dank, bist du authentisch und ein echter Kerl. Wahnsinn, was uns unsere heilige und geheiligte Psyche suggeriert. Kurz vor dem inneren Untergang sieht morgen die Welt ganz anders aus. Hormone sind es sicher nicht, es mag das Wetter sein – auf das wir nur allzu gerne alles schieben, was unerklärbar ist. Ach was, geht wieder vorbei… ich muss funktionieren. Auf Teufel komm raus musst du tun, was sie von dir erwarten. Musst du nicht, ganz und gar nicht! Gönne dir diesen melancholischen Out-Moment, in dem du Kreatives erschaffen wirst, wie nie zuvor. Vogel Strauß Taktik mit Fluchtreflex, das kann schon sein. Was dabei herauskommt, aus deiner selbstgewählten Stille ist der Laut des Menschen. Der Ton, der befruchtet und wundervolles Neues rauskotzt. Genau das ist das Wort: Du fühlst dich zum Kotzen und hast nicht verstanden, dass Slow Motion zu dir gehört. Jeder verlangt etwas, du blockierst. Viel zu viel Gedöns da draußen, der wahre Hype auf die Sinne. Sinnvoll ist das nicht. Es trägt die Stille die Töne der Höhe, der Thron der Ruhe ist deine Muse. Und du tust es richtig,  in der Selbstreflexion liegt der Mut. Partystimmung ist für Gehetzte, der Gewinner ist stets konzentriert und vorbereitet auf seinen Sieg. Also los, genieße dein Schneckenhaus. Was du im Leid erschaffst ist der Sieg der kriegerischen Dämonen, denen du ins Gesicht lachst und wieder mal aus dem Tal heraus etwas Wundervolles erschaffen hast. Ruhe ist Kraft. Stille ist die Königsdisziplin. Besteige den Thron, denn du hast gesiegt.

 

© Petra M Jansen

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Ich erinnere mich nur noch sehr schlecht. Es war bereits dunkel, warm, sternenklare Nacht, der Mond wachte über die Dinge, die hier bei uns geschahen. Offensichtlich war ich noch nicht sehr müde, die Nacht wunderbar, also entschloss ich mich zu einem Spaziergang.

Wie lange ich bereits unterwegs war, weiß ich nicht mehr. Der Weg ging über eine Wiese auf Bäume – wahrscheinlich Obstbäume – zu, als ich Musik hörte. Etwas exotische Klänge, für mein Verständnis waren sie indisch. Neugierde machte sich in mir breit, ich folgte den Klängen, hinter den Bäumen erschienen langsam bunte Lichter, wie eine Aurora. Eine Schar Menschen saß in einem riesigen Kreis um einen Platz, innerhalb dem andere tanzten. Ein seltsamer Tanz, wie aus einer anderen Welt. Wie verzaubert, alle schienen frohen Mutes zu sein, aber keiner sprach ein Wort. Außer dem Klang der Musik und den Geräuschen der Bewegungen war nichts zu hören.

Näher betrachtet fiel mir auf, dass die tanzenden Menschen verschiedene Kleider, ja Trachten, trugen. Die Hautfarbe des einen unterschied sich von der des anderen. Und trotz der vielen Unterschiede lächelten alle einander an. Im Zirkel um die Tanzenden waren die Gruppen säuberlich aufgeteilt. Alle nach Trachten und weiterer Zugehörigkeit sauber differenziert. Einige aßen und tranken, man sah dem Treiben in der Mitte zu. Interessiert und doch in aller Ruhe. Man schien auf diesen Moment lange gewartet zu haben. Ein jeder und eine jede fügte ich in die große Gemeinschaft, jeder schien still etwas zu dem Ereignis beizutragen. Vor den Gruppen befanden sich Speisen und Getränke, einige Kulturgegenstände. Letztere lagen da, als würde man sie feilbieten. Eine Art Markt auf einem Fest.

Ich schaute mir die Gruppen näher an und stellte fest, dass alle die Menschen, fein säuberlich am Rand sortiert, aus allen Winkeln dieser unserer Erde kommen mussten. Da waren Asiaten, Indianer, Afrikaner, Aborigines aus Australien und nicht zuletzt wir Europäer. Eine Party der Kontinente, ein Fest der Weltbevölkerung fand hier statt. Einträchtig, gut organisiert und zu einem bestimmten wichtigen Zeitpunkt, der sich mir nicht erschloss.

Von meiner Ankunft schien niemand besondere Notiz zu nehmen. Eine offene Feier, auch für Neu- oder Spätankömmlinge. Auf eine wundersame Art schienen sich alle miteinander zu verständigen; es bedurfte nicht der Worte.

Ich steuerte auf die Indianer zu, ein Mann deute mit einer Geste neben sich. Eine Einladung, die ich gerne wahrnahm. Kaum hatte ich mich auf der Erde im Schneidersitz niedergelassen, befand ich mich in einer Stadt der Inkas, irgendwo in Mittel- oder Südamerika. Buntes Treiben in den Straßen, Menschen gingen ihren täglichen Verrichtungen nach. Ich war überwältigt! Schienen sich die Tanzenden in der Mitte des Kreises in der Gegenwart zu befinden, so wurde man im Außenbereich bei den Gruppen in die Vergangenheit katapultiert. Vielleicht war es auch eine Zeit, die frei von europäischen Einflüssen war. Mir war nicht klar, ob ich zeitlich zurückgefallen war oder mich irgendwo in einer Zeit parallel zu der unsrigen Gegenwart befand.

Die Geschehnisse wiederholten sich. Ich erhob mich, machte eine stumme Geste des Dankes gegenüber meinem Gastgeber und ging zur nächsten Gruppe, jener aus Asien. Die freundliche Verbeugung einer Frau lud mich ein, Platz zu nehmen. Ein Tempelgong aus China schien die Zeit zu verkünden. Rikschas huschten durch die Straßen, Menschen strömten aus Geschäften oder sonst woher und -hin.

Ich besuchte alle Gruppen, überall das gleiche Erlebnis: ich befand mich in einer anderen Welt, ob nun in der Vergangenheit oder im Jetzt mochte keine Rolle spielen. In der Mitte waren alle vereint. So unterschiedlich die einzelnen Gruppen und deren Welten auch sein mochten, eines hatten sie, zumindest hier, gemeinsam: ihren Tanz! Sie waren alle Menschen, Ur-Ur-Ur- … -enkel und -enkelinnen einer Urmutter und eines Urvaters. Der Grund des hiesigen Treffens war todernst. Es war eine Mahnung, dass wir alle eins waren: Der Mensch, seit Urzeiten auf diesem Planeten. Mit Verstand gesegnet, auf dass wir uns gegenseitig voranbrachten.

Ein furchtbares Geräusch unterbrach meine Gedanken, eine Stimme katapultierte mich wieder in eine andere Welt.

Ich stand auf, während mein alter Radiowecker die Nachrichten herunterleierte: „Bei einem Bombardement der US-geführten Anti-IS-Allianz kamen 215 Menschen ums Leben …“.

Ich schaltete das Radio aus, schaute aus dem Fenster und hätte weiterträumen wollen …

© Thomas Dietsch