Lieber Pierre,
Kultur ist das Spiegelbild der Gesellschaft, Kulturschaffende sind Mit-Bestimmer und Rebellen der Gesellschaft. Regimekritische Worte, Aufführungen, Satire, Literatur etc. sind unabdingbar für die zeitgemäße, vergangene und zukünftige Reflexion und Entwicklung eines Volkes. Kunst ist eine sinngebende und -hinterfragende Dynamik mit einem ungleich wertvollen Nutzen für die gegenwärtige Gesellschaft. Das Bewusstsein und die Kritik an den Werten, dienen zur Selbstachtung einer Gesellschaft. Eine Gesellschaft ohne Ziele, Vorbilder, Idealisten und ohne Mut zum kulturellen Gegenschlag, wäre sehr arm. Stellen wir uns vor, wir wären eine schweigende Kultur, dann wüssten wir, dass wir am Ende der Entwicklung sind. Kunst und Kultur sind das Organ des rebellischen Ausdrucks und es waren immer schon die Künstler jeglichen Genres, die Karten neu mischen ließen, für Aufstand gesorgt haben, zum Umdenken verleitet haben und die Strömungen einer Zeit fixiert haben. Lieber Pierre, hier in Deutschland liegt brach, was in Frankreich gepflegt wird und – obwohl es jede Menge Kulturveranstaltungen gibt – so habe ich gerade das beste Beispiel gerade in einer kleinen Stadt erlebt, in der der Bürgermeister kein offenes Ohr für einen geplanten Weltschriftsteller-Kongress mit Teilnehmern aus 10 Nationen hatte, weil angelblich die Gelder fehlten. Dafür investiert er nun mehr als 2 Millionen in ein marodes Industriegebäude. Der nächste Ort erkannte, dass die Förderung einer weltweiten literarischen Veranstaltung ein Muss ist, aus dem auch die Region positiv schöpfen kann und er sah ebenfalls die absolute Notwendigkeit, dieses Projekt zu fördern.
Wir haben heute so viele Einflüsse auf unsere Gesellschaft wie nie zuvor und trotzdem erkenne ich eine Massen-Abstumpfung, Ängste vor mutigen Handlungen gegen den Mainstream, eine egoistische „Egal-Haltung“ der Bevölkerung oder sehr engstirnige und wenig weltoffene Stimmen, die am liebsten Deutschland mit einem Zaun umgeben und alle fremden Einflüsse ignorieren würden. Wie sollte das in einer vernetzten, internationalen Welt gehen? Dafür steht die Kultur und die Kunst: Selektionsmechanismus, um die wichtigen Dinge einer Nation zu erfassen und Gegenpole zu setzen. Kultur hat die Aufgabe eine große Vielfalt anzubieten und sich – auch provokant – mit allen Themen, die es gibt, auseinander zu setzen. Was der Mensch dann übernimmt, ist seine Angelegenheit, aber die Künstler müssen alles! aufgreifen, das ist ihre Aufgabe. Es kann Unheil bringen, nur seine eigenen Dinge zu sehen und in einer geschlossenen, homogenen Einheit zu leben und Künstler müssen ein großer Bestandteil sein, eine offene Weltanschauung zu verbreiten.
Was Deutschland dringend lernen muss, ist, dass Künstler nicht mehr am Rande der Existenz und finanziellen Not leben dürfen und gleichberechtigt mit anderen Berufszweigen gehandhabt werden müssen. Ich kenne so viele wundervolle Künstler, die nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren können. So etwas darf nicht sein und ich pflichte Dir bei, lieber Pierre: Tun wir alles, was möglich ist, um das Kulturgut zu pflegen – es ist unsere Pflicht und von selbstverständlich von jedem, der sich mit Kultur und Kunst beschäftigt oder ein Sprachrohr der Öffentlichkeit ist. Nur eine starke Kultur kann Gewissensbisse hervorrufen und abwägen, ob kurzfristiges Profitdenken und Massenkonsum oder ein langfristiger offener Anspruch an eine lebendige Gesellschaft gelten sollen. Die Kultur einer Gesellschaft ist der Grundstein für das Überleben einer Gesellschaft, das sollten wir nie vergessen.

 

Alles Liebe Dir,
herzlichst Petra

© Petra M. Jansen

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Lieber Pierre,

manchmal fragt man sich, wie ein Baum mit seinen Wurzeln auf steinigem Boden Fuß fassen kann ohne zu Vertrocknen. Aber es geht, er überlebt und findet seine Nische, die ihm den größtmöglichen Vorteil verschafft. Genauso ist es mit allen Lebewesen, denn sie sind programmiert auf erfolgreiches Überleben. Welche Strategien sie dabei fahren, entscheidet die individuelle Entwicklung und Evolution und wenn es Mist ist, gibt es eine natürliche Selektion. Eigentlich ist das logisch und wir verstehen das, aber hast du schon einmal etwas erlebt, was Menschen nicht unnatürlich überdacht, gemacht oder versucht haben? So ist es in diesem Fall auch. Lieber Pierre, quengelnde und auf den Boden stampfende Kinder mag ich nicht. Ich mag nicht die Trotzigkeit mit der sie partout ihren Willen durchsetzen wollen und ich mag auch keine unerzogenen Hunde. Bin ich nun ein Prinzipienreiter oder konservativ denkender Mensch? Absolut nicht, wie du weißt.
Jede Gesellschaftsform hat ihre eigenen Regeln und während in einigen Ländern das in-der-Nase-Bohren, Spucken, Rülpsen absolut zum guten Ton gehört, ist es woanders eine Katastrophe und wir würden jedem, der sich derart daneben benimmt, sofort den modernen Knigge in die Hand drücken. Was ich sagen will ist, dass eigentlich jeder versucht, die größtmögliche Freiheit zu leben und je nachdem, wie ausgeprägt das sein mag, geht es konform mit dem Begriff Freiheit oder kollidiert damit. Ich persönlich habe mich in meinem Leben so gut wie nie und niemandem untergeordnet, weder beruflich noch privat und werde es auch niemals freien Willens tun. Wem das rebellische Verhalten und die damit verbundene Schwierigkeit im Umgang mit mir zu schwierig erschienen, der konnte gehen. Ich lege keinen Wert darauf, mich anzupassen und das mag der Grund sein, wieso ich viele Jobs nicht bekommen habe oder mein Leben lang selbständig war. Ändern konnte ich es bis heute nicht und obwohl wir durchaus an Regeln des täglichen Lebens stoßen, gibt es jede Menge Freiheiten für uns alle. Wir nehmen uns die Freiheit, das hier zu schreiben und zu publizieren und wir nehmen uns viele andere Freiheiten, unser Leben zu genießen. Dürfen das tatsächlich alle Menschen? Nein und das weißt du. Ein Land, in dem so viele Möglichkeiten offen stehen, sich frei zu bewegen, Kultur, Musik o.ä. zu genießen, Vergnügungsparks oder Veranstaltungen zu besuchen, Reisen zu machen und die größtmögliche Wahl zu haben (persönlich, beruflich, privat) sollte sich nicht beschweren. Wir aber sollten ernsthaft schauen, dass der Freiheit der Meinungsäußerung – speziell im brauen Sektor der rassistischen Parolen der Ex-DDR, die ich immer im Visier habe – mal das Maul gestopft wird und nicht überhand nimmt. Hier geht für mich die Freiheit zu weit, denn jede zweite rassistische Äußerung und Tat kommt tatsächlich aus unserem Osten, wo sie früher nichts zu sagen wagten. Ist es nun Freiheit, andere Menschen zu degradieren, zu beschimpfen, zu diskriminieren oder ihnen Schaden zuzufügen? Absolut nicht und wir sehen, dass die Freiheit durchaus negativ vergewaltigt werden kann. Es ist also immer eine Sache der Betrachtung, lieber Pierre. Und ein Kind, das vehement mit den Fäusten auf den Boden trommelt ist ebenso ein tragischer Anblick wie ein Jagdhund in der stickigen Großstadt. Auch dieser braucht eine konsequente, liebevolle Erziehung, gerade u m seine Freiheit ausschöpfen zu können! Wenn er folgt, hat er mehr Freiheiten als ein Hund an der Leine, mit dem man sich schämen muss, irgendwo aufzutauchen. Ich resümiere, lieber Pierre: Je klarer und besser die Grundlagen, umso mehr besteht die Möglichkeit später im Leben so viel Freiraum wir möglich zu genießen und sich die Basis für ein höchstmöglich freies Leben zu schaffen. Ich empfinde das nicht als Geißelung oder Reglementierung sondern als Sprungbrett für MEHR.
Wenn ich in meinem Leben zurück schaue, stelle ich eines fest: Meine persönliche Freiheit, die ich auch exzessiver lebe als viele andere, war teuer, wenn man an die Kohle denkt. Aber um nichts in der Welt hätte ich es je anders gemacht, denn heute kann ich so viele Dinge tun, die mir verwehrt geblieben wären, hätte ich mich angepasst und meine Klappe gehalten, wo es vielleicht für das Geschäft oder die Finanzen angebracht gewesen wäre. Aber ist es das, was ich wollte? Sicher nicht und sollte ich einen kläffenden Hund an der Leine zerren sehen oder ein kreischendes Kind im Supermarkt, stelle ich mich schon hin und frage „Sagen sie mal, haben sie keine Ahnung von Hundeerziehung oder Kindern? Sie tun dem Hund/ Kind keinen Gefallen, wenn sie ihn nicht gesellschaftsfähig machen.“ Tut mir leid, dass ich heute so klar und vielleicht hart bin, aber das Geplapper, dass wir so verdammt unfrei sind, geht mir ein wenig auf die Nerven. Freiheit ist immer das, was man selbst aus seinem Leben macht und wir können sehr, sehr froh sein, hier im Westen zu leben, in dem es uns mehr als gut geht. Manchmal habe ich den Eindruck, uns geht es zu gut! Vergleichen wir das mit den Ländern, aus denen die armen Menschen flüchtig sind und hier in die Hölle kommen, dann erübrigt sich jede philosophische Betrachtung. Peng! 😉

Alles Liebe und eine wirklich herzliche Umarmung,
Petra

 

© Petra M. Jansen

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Lieber Pierre,
du sprichst von Verantwortung und Auswahl, von der infantilen Vorstellung, wir könnten noch etwas frei wählen und von der Hoffnung des Bürgers auf Besserung der politischen Systeme. Das ist ein Haufen Holz, wie man sagt und während ich nickend deinen Antwortbrief las, gingen mir viele Dinge durch den Kopf. Schon lange ist es vorbei damit, mit der freien Wahl der Freiheit, die wir so propagieren und das Thema hatten wir auch schon. Das Zauberwort heißt „Ethik“ oder „Wahrheit“ oder auch „Verantwortung“, aber wir sind nicht die Magier des Universums, auch wenn wir uns gerne als das verstehen. Wer versteht, dass etwas nur rund laufen kann und funktioniert, muss zuerst verstehen, was Natur und Demut bedeuten. Die Natur ist das größte Spiegelbild und wir sehen in den Konsequenzen unsere machthungrigen, gierigen Eitelkeiten ebenso wie die Schönheit des Gleichklangs. Alles hat seinen Preis und alles hat seinen Sinn, davon rücke ich nicht ab. Es gibt ein Gesetz, dem ich folge: verhalte dich scheiße und du bekommst scheiße zurück. Was tun wir Menschen? Ich wiederhole mich nicht, dies alles ist hier in unseren Briefen nachzulesen, lieber Pierre. Wenn der Liebling seinem Liebling zu Weihnachten ferngesteuerte Steckdosen schenkt anstatt etwas Persönliches zu wählen, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Verstehst du, was ich meine? Es geht nicht mehr darum, sich ernsthaft um etwas zu bemühen und zu pflegen und daran sind wir selbst schuld. Anstatt im Kollektiv gegen die politisch unfähigen Kraulversuche vorzugehen, schimpfen wir, gehen aber mit einem Kloß im Hals zur nächsten Urne und begraben genau dort unsere Ideale. Es gibt nur einen Weg aus dem Dilemma, das an vielen, vielen Stellen des Lebens wie eine Lawine auf uns zurück rollt: Demut und die Konzentration auf ethisch wichtige Dinge. Dazu gehört, dass wir Flüchtlingen unter die Arme greifen, dem grenzenlosen Konsum die Stirn bieten, den Politikern ein eindeutiges Signal setzen, die Dinge boykottieren, die uns widerstreben. Im Kollektiv, sonst hat es keine große Wirkung. Wäre das machbar? Nein, nicht mehr. Die Natur wird uns genau das nun zurückgeben und die derzeitige Weltlage ist verheerend. Man kann natürliche Dinge nicht verarschen auf Dauer und man darf die Menschlichkeit nicht mit Füßen treten. Das Universum gibt genau das zurück, was wir aussenden und ich bin beileibe kein Esoteriker, Pierre, aber so viel habe ich schon begriffen. Liebe, das wäre das ideale Wort. Liebe in jeder Konsequenz, grenzüberschreitend, konstruktiv für alle Nationen und in Liebe zu unserer Welt. Amen. 😛

 

© Petra M. Jansen

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