Nach monatelangem Reisen und zwei Atlantik- Überquerungen auf Segeljachten ist die Klimaaktivistin Greta Thunberg nach eigenen Angaben auf dem Heimweg – „in überfüllten Zügen durch Deutschland“, wie sie auf Twitter schrieb.

Dazu stellte die 16-jährige Schwedin am Samstagabend ein Foto, das sie mit viel Gepäck auf dem Boden eines ICE zeigt. „Und ich bin endlich auf dem Heimweg!“, schrieb sie.

Nach Angaben der Bahn hat Thunberg bei ihrer Zugfahrt auch einen Sitzplatz in der Ersten Klasse benutzt. Demnach reiste sie am Samstag von Zürich nach Kiel – zwischen Kassel und Hamburg auf einem Sitzplatz in der Ersten Klasse, wie die Bahn am Sonntag mitteilte. Dies hätten Recherchen zum Reiseverlauf ergeben.

Aus Thunbergs Umfeld gab es dazu auf eine entsprechende Anfrage zunächst keine Reaktion. Später twitterte die 16-Jährige allerdings noch einmal selbst: „Wir saßen in zwei verschiedenen Zügen auf dem Boden“. Nach Göttingen habe sie einen Sitzplatz bekommen. Das sei kein Problemgewesen, sie habe auch nie gesagt, dass es ein soches sei. Überfüllte Züge seien ein tolles Zeichen, denn es bedeute, dass die Nachfrage nach Zugreisen hoch sei.

Für Thunberg gehen viereinhalb Monate fernab der schwedischen Heimat zu Ende. Sie war Anfang August gestartet, hatte nach einer Atlantik-Überquerung mit einer Segeljacht unter anderem am UN-Klimagipfel in New York teilgenommen und sich später per Katamaran auf den Rückweg nach Europa gemacht, wo sie auf der Weltklimakonferenz in Madrid eine Rede hielt. Thunberg fliegt nicht, weil dabei besonders viele klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen werden.

Und damit hat sie eine Art des Reisens kennengelernt, die in Deutschland nicht unüblich zu sein scheint, wenn man sich die Twitter-Reaktionen ansieht. Greta ist nun offiziell Mitglied im „Club der Reservierungs-Geschädigten“ (jetzt.de).

Gretas Fotografenteam ist wieder ein bewegendes Bild gelungen: Die sechzehnjährige Klima-Ikone sitzt in abgetragenen Jogginghosen und alten Turnschuhen zwischen ihrem Gepäck auf dem Boden eines deutschen ICE. Ihr Blick ist traurig in die Ferne gerichtet, das kindliche Gesicht von einem mystischen Lichtschein illuminiert – eine perfekte Inszenierung!

Mit der Deutschen Bahn ist es wie mit dem Klimawandel. Man kennt das Problem, will es aber entweder nicht wahrhaben oder ist sich der Dimension nicht bewusst. Man glaubt immer noch, man habe ja Zeit. Aber leider läuft uns diese davon. Dass Greta zwei Stunden bei ihrer Fahrt durch Deutschland einen Sitzplatz hatte ist uninteressant; genauso wie die Tatsache, ob deren Koffer auf dem Bild vor dem Feuerlöscherschrank stand und irgendein Zugbegleiter ihr „gerne“ einen anderen Platz für den Koffer gesucht hätte. Fakt ist: ein Zug ist ausgefallen, nicht das erste und wohl auch nicht das letzte Mal.

Greta Thunberg trifft fortwährend auf unreife Erwachsene, auf allen Ebenen.

Politiker, die sie trifft, sind nicht reif genug, Greta Thunberg zu erklären, wie die Lage wirklich ist.

Eine Jugendliche nennt Fakten – wissenschaftlich untermauert – und stellt Fragen. Zu Recht, wenn auch unangenehm. Wir können sie nicht zu Genüge beantworten. Leere Worthülsen, bedeutungsloses Gestammel …

Wann kommt der konsequente Umbau der Wirtschaft? Wer kann das richten? Die Fahrt muss für uns alle weitergehen – hoffentlich mit Sitzplatzreservierung!

Lieber Pierre,

soll ich nun empathisch oder rational reagieren? Es fällt mir in jeder Hinsicht schwer, bin ich doch geprägt von einer außenordentlich großen Sympathie und Freundschaft zu dir. Dennoch, wir verkehren hier publizistisch und dieser Funktion werde ich gerecht werden. Betrachte ich die Psyche als elementaren Halt unseres Daseins, komme ich nicht an den negativen Konsequenzen vorbei, die die Macht der nicht wahrgenommenen Gefühle haben können. Ohne Gefühlsresonanz erleben wir eine starre, stumme, nichtssagende Welt, in der Musik keine Melodie hat, Filme keine Farbe haben und unsere Wahrnehmung blass ist, von reiner Ratio gesteuert. Es fehlt die Brücke zum Leben. Gefühle sind wie Gespenster, man sieht sie nicht, man hört sie nicht, man riecht sie nicht, aber sie geben uns alles. Stimmt nun irgendwo die Balance nicht und liegt eine emotionale psychische Störung vor, sucht der Mensch einen Anker zum Festhalten und Kompensieren der nicht vorhandenen Dinge. Wir verdrängen, vertuschen, neigen zu Überarbeitung, Völlerei, Drogenkonsum und exzessivem Leben, was uns selbstzerstörerisch unabdingbar eines Tages tatsächlich zerstört. Da liegt also der Hund gegraben und zweifellos dienten der Aktivismus und die Kreativität der damaligen KZ-Häftlinge zum Kompensieren ihres Weges in den Tod.  Die Kreativität ist somit ein Puffer und tritt an die Stelle der verdrängten Gefühle. Ein Bespiel sind Menschen, die unter Schmerzen leiden und sich genau deswegen behandeln lassen. Sie gehen zum Arzt und lassen sich wegen Krankheit und Schmerzen behandeln, dabei ist es die Psyche, die sie überhaupt erst krank werden lässt oder vielmehr eventuell vorhandene Leiden verschlimmert bzw. ausweitet. Ich bin kein Psychologe, lieber Pierre, aber wann immer ich Menschen begegnete, die extrem gestresst wirkten, deren Gesundheitszustand permanent schlechter wurde, die in manisch-depressive Phasen verfallen, ist eines klar: sie haben ein offensichtliches psychisches Problem. Selbstmitleid wird nicht zugelassen (ich bin stark!), Ängste werden nicht ausgesprochen (ich bin stark!), Leistungsrückgang wird abgelehnt (ich war immer stark!) usw. Damit ist der erste Domino-Stein angeschubst, der eine ganze Kette weiterer Steinchen zu Fall bringen wird – unausweichlich, so wie der menschliche Körper eine Kombination aus Realität und Psyche ist. Beides in Harmonie wäre der Idealfall, aber um Gefühle zu akzeptieren, bedarf es Mut. Die Angst vor unseren inneren Gefühlen ist mächtig. So mächtig, dass wir sie oftmals nicht sehen und wahrnehmen wollen. Im Alltag geht es schnell, dass wir an unseren Gefühlen vorbei leben. Menschen leben, als ob sie neben sich selbst her lebten. Man folgt dem, was man gelernt hat, man tut das, was andere erwarten, man erfüllt seine Pflichten, wie man es immer getan hat usw. – dabei fühlen wir selten in uns hinein, wo wir wirklich stehen und was wir wirklich sind und wollen.

Lieber Pierre, wir wollen natürlich – speziell im künstlerischen Bereich – unangepasste und rebellische Menschen, die abseits der Norm denken und ihren eigenen Weg selbstbewusst vertreten. Ein Kind ist noch nicht in der Lage, seine Wut zu steuern und damit vernünftig umzugehen. Aber einen kleinen brüllenden Tyrannen kann man keinem Elternteil zumuten, bei aller Liebe zu Kindern. Selbstverständlich dürfen die Kleinen frei ihre Meinungen äußern, aber sie sollten auch den Respekt und die Rücksichtnahme ihren Eltern zuliebe erlernen. Ein tobendes Kind, das sich schreiend auf dem Boden wälzt ist kein schöner Anblick, wenn wir ehrlich sind. Wir bekommen mehr Freiheiten, wenn wir gelernt haben, damit umzugehen und das darf nicht auf Kosten anderer Personen sein. Das ist beileibe keine Zwangsmaßnahme, aber jedes Kind wird in der Gesellschaft ganz schnell auf die Schnauze fallen, wenn es keinerlei Umgangsregeln beherrscht. Und je besser diese sind, umso mehr Freiheit wird möglich sein. Der Vergleich zu einem Hund mag in diesem Fall vielleicht nicht so glücklich gewählt sein, aber ein Hund, der gelernt hat, beim Auslauf zu seinem Herrn zurückzukehren, wird mehr Freiheit im Freilauf haben als einer, der niemals gehorcht und dadurch gezwungen ist, stets an der Leine zu laufen. Das meinte ich, lieber Pierre 😉

Wo auch immer wir ansetzen, dürfen wir nie vergessen, dass es die Emotionen sind, die uns menschlich ausmachen und Gefühle dürfen niemals Nebensache sein. Dann quittiert uns unser Körper, dass da etwas gewaltig schief läuft. Eine Welt, in der nur FAKTEN als verlässlich gelten, haben nicht greifbare Gefühle wenig Platz. Obwohl wir das wissen, zeigen die steigenden Zahlen der psychosomatischen Erkrankungen und der psychischen Therapien, dass unsere heutige Welt als nicht natürliche Lebensgrundlage die Wurzel des Übels ist. Gefühle sind Bestandteil unseres Lebens und wenn wir Aktivismus benötigen, um uns zu spüren, lohnt es sich, ernsthaft an die Seele zu gehen und professionelle Hilfe zu suchen bevor das Umfeld darunter leiden muss oder infiziert wird.

Ich ehre Dich sehr und wünsche dir noch viele kreative und glückliche Momente, liebe Pierre.

 

Eine liebe Umarmung aus Frankfurt,

 

Petra

 

Petra M. Jansen

http://jansen-marketing.de

 

 

 

Liebe Petra,

kann ich ein wenig persönlicher werden?  Es geht um ein Buch, was ich heute Nacht fertig geschrieben habe und das sich um die heikle Frage des Glaubens kümmert. Ich empfand das Bedürfnis, mich mit Grundwerten auseinanderzusetzen, um endlich zu erfahren, wer ich bin und was ich will und um das aufs Papier zu kriegen, habe ich seit Mitte März daran gearbeitet. Was daraus entstanden ist, können nur Leute von außen beurteilen. Für mich hatte ich wieder die Erkenntnis, wie „reinigend“ das Schreiben sein kann. Wie du weißt leide ich zurzeit an physischen Schmerzen, die dazu führen, dass ich kaum noch schlafen kann. Sobald ich am Laptop sitze, oft um 4 oder 5 Uhr morgens, beruhigt sich mein Körper, weil ich mich auf einen Text konzentriere – sehr wahrscheinlich ein Placebo-Effekt. Es ist schon sehr beeindruckend, was die Natur mit uns anstellen kann. Diese Arbeit hat dazu beigetragen, dass ich somit Ruhepausen hatte und es zeigt aus meiner Sicht, wie komplex unser Verhalten ist. Mit einer List können die Nerven beruhigt werden und sich wenigstens für eine Zeitlang fügen. Für meinen Teil habe ich jede freie Minute genutzt, um den Qualen zu entfliehen – ein Marathon, der mir erlaubt hat,  270 Seiten zu schreiben.

Solche Phänomene sind bekannt. Immer wieder kommen mir Erinnerungen, wie Menschen, die sich in einer schrecklichen Situation wie KZs oder Gulags befanden, es fertig gebracht haben, ein Werk auf die Beine zu stellen. Die kulturellen Aktivitäten im KZ-Theresienstadt zum Beispiel, haben das Leid und vor allem die Ängste in einem erträglicheren Maß in diesem Moment reduziert. Die Überlebenden haben oft darüber referiert, vor allem Musiker, Maler und Dramaturgen. Es ist aber klar, dass sich die Situation damit nicht verändert hatte, denn für viele bedeutete das den Tod in der Gaskammer. Dieses Beispiel zeigt mir, liebe Petra, wie stark der Mensch ist und dass er sich oft in einem Kampf – in diesem Fall mit kaum einer positiven Aussicht – erheben und von einer grausamen Maschinerie seelisch absetzen kann. Dieses Mysterium – so empfinde ich es – zeigt wie stark eine Persönlichkeit sein kann und – so merkwürdig es sein mag – sehe ich gerade hier ein Manifest gegen die Willkür, die uns klein machen will. Die Gabe, mit erhobenem Haupt das Leben in Angriff zu nehmen, ist für mich Voraussetzung, daher auch meine Haltung gegen den Schmerz. Was will ich damit aussagen? In einer extremen beängstigten Zeit, die wir heute erleben, müssen wir alles unternehmen, um das Positive zu fördern. Das heißt, sich nicht manipulieren lassen und sich für die Freiheit einzusetzen, Farbe bekennen,  wäre die Voraussetzung. Eine starke Persönlichkeit kann sich nur so entwickeln, daher meine Forderung, den Kindern Eigensinn zu vermitteln. Was in der Erziehung oft als aufmüpfig erscheinen mag, ist für mich von größter Bedeutung, weil nur damit das Leben halbwegs erträglich ist. Es bedeutet, sich die Hände schmutzig zu machen und aktiv zu sein, privat wie auch beruflich. Liebe Petra, wenn die Welt dem Anschein nach schwankt, ist für mich die Ursache die Passivität. Leute, die sich mit dem Konsum überdecken verlieren jeden Sinn, das Reale in den Augen zu fassen. Sie schweben in einer Scheinsituation, die nur mit einem bösen Erwachen stattfinden kann und darauf lasse ich mich nicht ein, wie du weißt. Mein Buch hat gerade die Aufgabe, eine Art zeitlich begrenzte Bilanz zu ziehen, um Platz für neue Energien zu ermöglichen. Das ist gerade das, was ich meinem Enkel weitergeben möchte. Seine Wutausbrüche sind aus meiner Sicht legitim und zeigen, dass er sich nicht immer anpassen will. Für die Eltern nicht immer angenehm, aber der Beweis eines starken „Ichs“. Habe ich mich verrannt, liebe Petra? Ich glaube nicht. Mein Wunsch wäre es, dass sich endlich so viele Menschen wie möglich wieder besinnen darauf, dass das Leben ein Geschenk ist, welches man mit Zuversicht erfüllen muss. Daher auch mein Versuch, mich durch die Schreibe wieder in den Griff zu bekommen.

 

In diesem Sinne.

Herzliche Umarmung aus Frankreich, wo es im Moment ziemlich krass zugeht.

Pierre

//pm