Sind es religiöse Konflikte? Oder ist es schlicht der Lagerkoller?
Eine kirchliche Gemeinde in Hamburg. Ein 24-jähriger Iraner hat eine neue geistliche Heimat gefunden. Vor zwei Monaten hat sich der ehemalige Muslim taufen lassen. Als im Flüchtlingsheim bekannt wurde, dass er und weitere Iraner zum Christentum konvertierten, bekamen sie Ärger mit anderen muslimischen Flüchtlingen:
Wochenlanges Mobbing, dann kam es zum gewaltsamen Übergriff.
Ein Konvertit berichtet : „Morgens um vier standen sie neben unseren Betten und fingen an, laut den Koran zu rezitieren. Ich war eigentlich wegen des Islam aus dem Iran geflohen und jetzt wurde ich wieder damit konfrontiert. Als sie gesehen haben, dass wir ein Kreuz trugen, haben sie auf den Boden gespuckt und uns als Verräter bezeichnet. Wir standen in der Schlange an, um zu essen und sind dann nach draußen gedrängt worden. Dort haben afghanische Muslime einen von uns attackiert, der Herzprobleme hatte. Dann wollten wir ihn – wir waren zu viert – schützen, aber es kamen noch 20, 30 andere Muslime, die uns geschlagen haben.“
Taufen haben Konjunktur. Die meisten Konvertiten sind vom Islam enttäuscht, und als gottgläubiges Volk sind sie offen für andere Religionen. Einige haben erfahren, dass es ihre Chance, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen, erleichtert, wenn sie zum Christentum konvertieren.
Konversionen, die im Islam eigentlich verboten sind, führen zu Unruhen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen in Flüchtlingsheimen.
„Allein die Tatsache, dass Christen und auch Aleviten beispielsweise in Einrichtungen sich nicht mehr sicher fühlen, ist für unser Land kein akzeptabler Zustand“, erklärte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder in dieser Woche auf einer Fachtagung seiner Fraktion.
Es solle nicht Stimmung gemacht werden, aber es gehe auch nicht, dass Dinge nicht offen angesprochen würden, die einfach einmal da seien.
Verlässliche Zahlen fehlen im Hinblick darauf, wie viele Übergriffe es gegeben hat, wie gewalttätig diese waren und vor allem: welche Rolle die Religion bei diesen Übergriffen spielt.
Es gab schon Fälle, wo Flüchtlinge auf die Träger der Einrichtungen zukamen und meinten, sie würden diskriminiert aufgrund der Tatsache, dass sie Christen seien. Näher betrachtet, waren die Vorwürfe haltlos, weil die Menschen so traumatisiert waren, überängstlich aufgrund ihrer Geschichte.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch warnt davor, die Übergriffe zu dramatisieren. Man habe bislang in den Unterkünften nicht erlebt, dass die Verfolgung von Christen ein Massenphänomen sei. Es zeige sich, dass die Konflikte zwischen Bewohnern schnell entstünden wegen gruppendynamischer Prozesse, die eine eigene Dynamik entwickelten.
Es gibt immer wieder Konflikte, Anfeindungen, Beleidigungen und vereinzelt auch Tätlichkeiten. Diese sind jedoch – so wird mehrfach betont – Folge der Wohnsituation in den Unterkünften und nicht religiös motiviert.
Religion ist nicht der Grund bei den Konflikten. In der Regel geht es um soziale Probleme. Es ist zu einfach, die Problematik pauschal auf die religiös-ethnische Schiene schieben zu wollen.
Ein evangelischer Pfarrer, der viele konvertierte Flüchtlinge betreut, sieht das anders. Er fordert einen verbesserten Schutz für christliche Flüchtlinge und befürwortet eine nach Religionen getrennte Unterbringung von Flüchtlingen. Der Berliner Erzbischof Koch lehnt dies ab:
Man lebe in einem christlich geprägten Land mit Religionsfreiheit, was alle zu respektieren hätten. Es könne kein Weg sein, vor intolerantem Verhalten gegenüber Christen zu kapitulieren, indem man separate Unterkünfte für jene einrichte.
Unbehagen an der Debatte über die Übergriffe auf christliche Flüchtlinge besteht vor allem unter Muslimen. Einzelfälle könnten politisch instrumentalisiert werden – Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten! Nicht die Religionen seien der Urheber des Problems, sondern soziale Spannungen, die zum Teil durch Lagerkoller oder ähnliches entstünden.
Vermeiden wir, Religionen für politische Botschaften zu instrumentalisieren – egal, in welche Richtung!