Lieber Pierre,

des Menschen höchstes Gut – neben seiner Gesundheit – ist die Freiheit. Freiheit hat viele Gesichter und was, wer, wie als frei empfindet obliegt den individuellen Vorstellungen. Das Gegenteil dessen ist das, was wir mit Ausgrenzung oder Diskriminierung bezeichnen. Wir wissen, was die Achtung der Menschenrechte bedeutet und wir wissen, dass wir Menschen jeglicher Couleur gleich behandeln müssen, tun es aber nicht. Nach aktuellen Untersuchungen wurde etwa jeder 3. Deutsche irgendwie diskriminiert und angegriffen. Schwule, Lesben, Ausländer, Behinderte… die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Es ist z.B. Fakt, dass Tätowierungen oder Piercings am Arbeitsplatz oft zum Ausschluss oder gar Ablehnung führen. Auf der einen Seite wollen wir Menschen, die aus der Reihe tanzen und anders sind, auf der anderen Seite betrachten wir sie wir exotische Wesen, jenseits der vernünftigen Normen, schütteln den Kopf oder zerreißen uns hinter vorgehaltener Hand heimlich den Mund. Ganz ehrlich, lieber Pierre, der Mensch langweilt mich mit seinen absurden Vorstellungen, wie etwas oder jemand zu sein hat. Ich kann es mir nicht verkneifen, unsere deutsche Nation als ein träges, stockkonservatives, verklemmtes Volk anzusehen, das imstande ist, ausländische Mitbürger als „Viehzeug“ zu bezeichnen oder kriminelle Gewalttaten gegen Andersartige (in ihren Augen) auszuüben. Elend schlecht wird es mir dabei, es ist zum Kotzen und ich habe nicht einmal ein wirksames Mittel dagegen.

Stellen wir das nun dem gegenüber, was wirklich dagegen helfen könnte, so ist es immer die Aufklärung der Menschen und die direkte Konfrontation mit ihren „Opfern“.  Auge in Auge sieht die Sache ganz anders aus, als es sich beim aggressiv geführten Stammtischgespräch, zeigt. Ich denke, die Aufklärung ist der Schlüssel zum Öffnen der verhakten Tür. Lieber Pierre, es ist ein echtes Geschenk, wenn ein Mensch nicht verfolgt und diskriminiert wird,  in Frieden leben kann, sich frei überall bewegen kann und das zum Ausdruck bringen darf, was ihn bewegt. Wir alle tun das und dort, wo gute Ansätze sind, gibt es auch stets Schattenseiten. Es gibt viele interessante Projekte (auch des Bundes) gegen Diskriminierung und für mehr Aufruf zu Toleranz in jeder Hinsicht. Deutschland ist ein Angstland. Die Deutschen leben in einem so reichen und freien Land und haben Angst um schlichtweg alles! Ihre Ängste gehen so weit, dass sie mit Versicherungen an der Spitze Europas stehen. Sie haben so viel Angst, dass es eine ganze Nation lähmen kann und die Medien tun ihr Übriges, um diese Ängste zu schüren.

Niemand kann sich komplett davon frei machen, nicht zu diskriminieren. Wir alle haben schon negative Worte gesagt und vielleicht nie darüber nachgedacht. Salopp etwas Abwertendes daher gesagt und es fällt uns vielleicht nicht einmal auf. Mein Appell wäre, generell ein achtenswertes Miteinander anzustreben und Menschen, wie dem türkischen Erdogan die rote Karte zu zeigen, denn er ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie Freiheit und Menschenwürde mit Füßen getreten wird. Im Jahr 2016!

 

Ich sende herzliche Grüße,

 

Petra

© Petra M. Jansen

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Liebe Petra,

vor ein paar Jahren habe ich im Presse-Club in München, deren Mitglied ich bin, eine Diskussion organisiert mit dem Thema Meinungsfreiheit. Nur einige Kollegen kamen trotz intensiver Werbung, was ich beschämend fand. Hatten sie Angst, sich zu outen, dass man sie als Störenfried betrachten könnte? Ich kann nur feststellen, dass die Scheren-Industrie bei den Journalisten immer mehr Umsätze macht, da sie sich freiwillig kastrieren. Bei der Debatte mussten wir konstatieren, dass sie immer mehr unter Druck gesetzt werden und wenn sie trotzdem „aus der Reihe tanzen“, rausgeschmissen werden. Früher nahm man seinen Hut und ging zur nächsten Zeitung oder Fernsehanstalt, wo man gute Chancen hatte, einen Job zu finden. Heute sind diese Aussichten stark vermindert, da die Investoren oft die gleichen sind, egal welche Couleur die Zeitung hat. Ein richtiger Supermarkt, bei dem jeder Klient sein Produkt finden kann. Der verbrannte Journalist hat daher oft nur eine Alternative: stempeln gehen. Mit der Absicht, den Springer-Verlag mit Pro7/Sat1 zu fusionieren, verstärkt sich dieser Prozess der Intoleranz. Ich kann nur hoffen, dass das Kartellamt das nicht schlucken wird, sonst wäre das einmal mehr einen Beitrag zur Volksverdummung.

Es wäre nicht gerecht, den einfachen Journalisten alleine zu verdammen, denn er muss sehen, dass er die Kröten verdient, um seine Familie zu ernähren. Plappert er zu viel, aus mit dem kleinen Wohlstand! Es geht vielmehr darum, dass die „Konsumenten“ ihre Stimme gegen die Platituden, die die Presse verzapft, erheben. Ihre Rolle wäre die Politik unter Druck zu setzen und zu verlangen, dass das Recht auf freie Meinung, wie es im Grundgesetz steht, wirklich eingehalten wird. Es genügt nicht, kein Geld mehr in Zeitungen zu investieren, um seiner Wut Ausdruck zu geben. Was mit der Presse passiert, ist auch bei jedem unter uns festzustellen. Es geht immer nur um das große Geld. Wenn wir nicht passen, werden wir erdrückt und wegrationalisiert. Es ist also die Rolle des Bürgers, sich gegen solch einen Trend zu wehren, mehr noch, neue Wege zu ebnen. Wie du siehst Petra, ist das ein Politikum. Ich befürchte nur, dass wir sehr weit davon entfernt sind. Ich lebe, wie du weißt, in der Nähe der Uni in München – seit Jahren herrscht dort eine Friedhofs-Ruhe. Kein Student wagt sich mehr auf die Straße, um persönliche Forderungen publik zu machen. Zu groß ist die Befürchtung, dass solch eine Präsenz, der Karriere schaden könnte. Anders wenn es um die Welthungerhilfe oder den Umgang mit Ausländern geht. Da eine Mehrheit dahinter steht, hat man nichts zu befürchten. Die 68ziger sind weit, sehr weit entfernt und auch hier ist der Trend der Uniformität voll im Gange.

Du gibst als Beispiel deine Tattoos, liebe Petra. Ich habe dazu eine bestimmte Meinung. Heute ist fast jeder Zweite damit „dekoriert“ und das ist für mich OK, solange es kein geistiger Missbrauch ist. Es ist kein Zeichen des Protests mehr, nur noch eine Mode. Alleine eine Flagge zu tragen, reicht nicht aus, es muss mehr dahinter stecken. Ich weiß, dass es bei dir der Fall ist, aber du bist eine Ausnahme. Auch in der Rockszene gibt es eine Großzahl von Spießern, die sich jedes Wochenende, wie im Maskenball verhalten. Wären sie bereit, die Gesellschaft umzukrempeln, wie es in diesem Milieu einmal gedacht war? Ich habe daran meine Zweifel, wie bei den Journalisten auch. Wir sind in einem Zeitalter, in dem der Anschein mehr wert ist, als eine innere Gesinnung und fast niemand ist bereit, sich für eine Idee prügeln zu lassen. Auch hier die totale Anpassung, die weder mit den Klamotten, noch mit den Tattoos vertuscht werden kann.

Du gehörst nicht dazu und musst es leider ertragen, verarscht zu werden. Gerade von denjenigen, die sich als besonders sozial und tolerant empfinden. Ich persönlich bin lieber mit harten Brocken konfrontiert als mit den Chamäleons, die sich immer wieder anpassen. Aber es ist mir auch bewusst, dass eine ständige Revolution nicht zu unserem Wesen passt. Sie kostet viel Kraft und ist daher so inexistent in unserer Gesellschaft. Fast jeder scheut sich vor dem Risiko. Schade, schade.

In diesem Sinn liebe Petra,

herzliche Grüße aus München

Pierre

//pm