Liebe Petra,

Lutz Bachmann ist schon ein Schalk! Passt gut zum Karneval. Der Arme hat sich als Jux die Fresse von Groß-Adolf angemalt und die dazu gehörende Frisur „von unserem so lieben und gerechten Führer“ anfertigen lassen. Dazu Hasstiraden über die Einwanderer im Stil von Joseph Goebbels. Ein Narrentreiben, das das wahre Gesicht von der Pegida-Bewegung enttarnt. Die Fassade von „aufrichtigen Menschen“ bröckelt endlich ab. Hinter den bürgerlichen Habitus verstecken sich Rechtsextremisten, wie es am Ende der Weimarer Republik mit dem „so korrekten Zentrum“ der Fall war. „Nein, wir werden niemals die Nazis unterstützen, die sind uns zu vulgär!“ Von wegen, sie haben Hitler die Tore der Macht eröffnet. Ein Glück liebe Petra, dass diese dämliche Panne mit Pegida passiert ist. Sie bestätigt, was ich schon längst ahnte. Sogenannte besorgte Menschen werden rücksichtslos manipuliert. Sie denken ihre Bürgerpflicht in Anspruch zu nehmen, sind aber die Wasserträger der Rassisten. Die Gleichen, die in den 30er Jahren die Juden verfolgt haben. Bei den heutigen „Reichskristallnächten“ werden keine Synagogen mehr angezündet (wie lange noch?), bevorzugt werden Asylantenheime. Eine Tendenz, die sich nicht nur auf Deutschland begrenzt. Das ist zum kotzen, nicht wahr?

Gott sei Dank gibt es eine Überzahl von Demokraten, die diese miesen Tendenzen verurteilen, aber Achtung! Die Stimmung kann sich in Europa leicht umdrehen und ich sehe meine Rolle darin, laut und stark zu sagen, was ich denke. Ich bin dabei keineswegs alleine. Um aber diesen Spuk abzuwenden, muss dem Volk eine Aufklärungskur verabreicht werden. Zu behaupten, dass wir islamisiert werden ist reine Hetze und der Einwanderungsbericht widerlegt diese These. Liebe Petra, es fällt mir schwer, meine Angst zu verbergen. Nur noch Gewalt und Terror! Was wird aus unseren Kindern? Welches Erbe haben wir ihnen hinterlassen? Nur Mist?

Es bleibt mir vielleicht nichts anderes übrig, als den Kopf in den Sand zu stecken, dabei an die Güte der Menschheit zu glauben und wie ein Papagei den Satz: „Ja, der Mensch ist gut“, von früh bis spät zu wiederholen.

In diesem Sinne, Umarmung

Pierre

//pm

Mein lieber Pierre,

die Medien puschen gleichermaßen den gleichen Brei rund um den Erdball. Zwar ist das unabdingbar im Zeichen der Demokratie und der Informationsfreiheit, aber müssen 4jährige bereits im Vorschulalter mit Terror, Islamisten, Rassismus konfrontiert werden, wenn sie gerade den Windeln entwachsen sind? Rauf auf´ s Brett – egal, ob die eine Ahnung haben oder nicht, so ist das Volk. Unvorteilhaft, wenn falsche Solidarität das Debakel abschwächt und die Ernsthaftigkeit darunter leidet. Das darf auf keinen Fall passieren! Dennoch ein Hype, wenngleich ein äußerst wichtiger. Ich denke, wir müssen woanders ansetzen, als erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Erstens sind nicht alle Muslime radikal und zweitens darf nicht die Religion Schutzschild für Menschenhass, Terrorismus, Mord, Fanatismus sein. Ich kenne jede Menge Muslime, die feine Menschen sind. Es ist wie es ist, lieber Pierre: seitdem es Menschen gibt, gibt es auch Attentate und Kriege. Menschen sind kein friedliches Volk auf dieser Welt. Wir sollten unsere Verständigung nicht auf die schrecklichen Taten alleine richten, die wir – wie in diesem sehr bedauerlichen Fall – nicht vorher sehen und abwenden konnten sondern auf eine internationale, völkerübergreifende Verständigung und Integration andere Kulturen in den jeweiligen Ländern. Uns allen sollte klar sein, dass WIR gemeinsam auf EINER Welt leben und das sollten wir gefälligst in Frieden tun. Politik und Polizeischutz können wenig ausrichten, so lange die Gesinnung sich in fanatische mörderische Taten wandelt.

Es grüßt herzlich aus der Bankenmetropole, in der es leider auch nur um Geld, Macht und Prestige geht,

Petra

 

© Petra M. Jansen

http://jansen-marketing.de

 

Prévessin, den 17. Januar 2015

Meine liebe Petra,

wer heute „in“ sein will, trägt ein Schild mit der Aufschrift „Je suis Charlie“. Eine Inflation! Eine ganze Palette von Arschlöschern ist dabei vertreten, vom Feigling bis zum Unterdrücker. Nach außen geben sie sich höchst tolerant, aber sind es in Wirklichkeit nicht. Es gehört zum guten Ton dabei zu sein! Das zum Aushänge-Schild! Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, als ich vor zwei Tagen, sehr früh am Morgen, vor dem Kiosk in Ferney-Voltaire stand, um mir die Sonderausgabe von „Charlie hebdo“ zu kaufen. Hundertfünfzig Gestalten wie mich, hat es aus dem Bett gerissen, um endlich ein Exemplar ergattern zu können, von einer Postille, die sie bisher mehr oder weniger verachteten. Eine Schar von Judas war dabei, um dem Trend der Zeit zu folgen Sich nur nicht marginalisieren und als Reaktionär zu erscheinen. Und das Ganze in dem Ort, wo Voltaire die ersten Weichen der großen Revolution im 18. Jahrhundert stellte.

Und ich? Habe ich überhaupt das Recht solch ein Urteil zu fällen und mit dem Zeigefinger herum zu ballern? Gehöre ich auch zu den geistigen Pygmäen unserer Gesellschaft? Rassist! Nichts gegen Pygmäen, die durchaus Großes leisten können. Hätte ich den Mut gehabt den Prophet zu enttarnen? Hätte ich das überhaupt gewollt? Um nicht im Trend der Zeit zu sein, sage ich dir heute offen, dass ich manche Karikaturen gegen die Religion als störend empfinde, weil sie Gefühle verletzen, die höchst intim sind. Und doch finde ich es gut, dass sie veröffentlicht werden. Das im Namen der Meinungsfreiheit, die ich als das höchste Gut der Demokratie betrachte. Ist das ein Widerspruch? Nein, unsere Gesellschaft kann nur bestehen, solange Querköpfe uns zum Nachdenken zwingen.

In der Hoffnung, dass du noch in süßen Träumen versunken bist, sende ich dir aus Frankreich herzliche Gedanken.

In diesem Sinn,

Pierre

 

//pm

Es gibt kaum etwas Authentischeres als einen Briefwechsel. Er fordert den Absender auf, auf seinen Partner einzugehen, ihm zu antworten. Geistig eine Herausforderung, die auch als ein Lernprozess betrachtet werden kann. Kein Wunder, dass die Seele vieler Literaten hier besser zum Ausdruck kommt als bei anderen Schriften. Warum? Weil sie hinterfragt werden und manchmal auch eine Kritik akzeptieren müssen. Es kommt sicherlich vor, dass sie sich outen. Müssen sie das? Nicht unbedingt, aber der Sinn einer Korrespondenz ist die Ehrlichkeit. Wer sich darauf einlässt, sollte schon offen damit umgehen. Gefühle werden wach, die sonst verborgen bleiben würden. Durch den schriftlichen Dialog erscheinen für jeden Beteiligten neue Horizonte, die sie in ihrem Schaffen zum Ausdruck kommen lassen können. Wer akzeptiert, dass das Leben synonym von Bewegung ist, sollte den Mut haben, sich in Frage zu stellen. Genau das wollen Petra M. Jansen und Pierre Mathias. Sie kommen aus verschiedenen kulturellen Kreisen, sind nicht unbedingt immer gleicher Meinung und sagen offen was sie bewegt. Das macht die Sache spannend und soll den Leser aus seiner Reserve locken. Sie werden Themen aufgreifen, die sie und auch Sie bewegen und dies ohne jegliche Tabus – also keine Schere im Kopf. Es geht alleine um die Meinungsfreiheit, die als roter Faden diesen Briefwechsel würzen soll. Wohin die Reise führt, wissen die zwei Protagonisten noch nicht und gerade das macht die Sache so spannend. Ab Februar auf dem rostra.magazin. Viel Spaß bei der Lektüre.