Moderne Begriffe einer modernen, auf Effizienz und qualitative Hochwertigkeit ausgelegen Welt, in der bis zum letzten Winkel alles höchst professionell und zeitminimierend abgewickelt wird. Straffe Konstrukte, in denen ein Mensch entweder Schablonen- angepasst hineinpasst oder nicht. Wenn nicht, wäre das dann jemand für die Zeit(Leih-)arbeit – in meinen Augen moderner Sklavenhandel, an dem die Menschenhändler auch noch was verdienen. Schuften dürfen schließlich die anderen, nicht der Bürohengst, der die Karteien und Akten nach geeignetem Personal im Vorfeld selektiert. Recruiting. Klingt irgendwie wie beim Militär. Zackig die Hand an die Stirn halten und einen angepassten, höflichen Knicks machen. Runterschlucken, auch wenn einem eher der Sinn nach Auskotzen steht. Tja, die Recruiter, das sind schon ganz besondere Helden mit verdammt viel Menschenkenntnis und sie sitzen am längeren Hebel. Anhand einiger Papiere, kurzer Gespräche und einem Schnüffeln im Privatleben der Selektierten, wird über den SUV als Firmenwagen entschieden oder Stempel drauf und abgelehnt. Recruiting ist ein so moderner Begriff geworden, das keiner mehr wirklich darüber nachdenkt und auch noch stolz darauf ist, wenn sogenannte „Headhunter“ hinter einem her jagen. Dann ist man wer, dann ist man die Elite der Gesellschaft und mitnichten ein schnöder Arbeiter. Etwas ganz Besonderes ist man dann, darauf kann sich jeder was einbilden, nicht wahr?

Wie ging das eigentlich früher, als die Positionen auch durch adäquate und qualifizierte Mitarbeiter besetzt wurden und es noch keine Recruiter gab? Wie war das eigentlich, als es noch keine Zeitarbeitsfirmen gab, die pro Mann und pro Stunde Kohle verdienen für´ s Nichtstun? Wie konnten die Firmen bloß überleben und produktiv sein? Wie kam es überhaupt zu einem Wirtschaftswachstum ohne Recruiter und Zeitarbeiter? Ich fürchte, das war damals Zirkus… reine Misswirtschaft und völlig an den Anforderungen vorbei. Gott sei Dank gibt es das heute alles. Wo kämen wir denn hin, wenn wir nicht mehr – sofern die jeweiligen Stellen dann durch das perfekte, angepasste Personal besetzt wurden – die ganzen zusätzlichen Coaching-Fritzen durchfüttern könnten? Die brauchen wir schließlich, wenn wir der Top-Elite stets was oben drauf packen – ganz im Sinne der professionellen, zeitsparenden, rentablen, effizienten Welt, in der es keinerlei Verschnaufen und strahlende Gesichter mehr gibt. Die Coaching-Fritzen langen übrigens ordentlich hin und rufen nicht selten ebenso überzogene Tageshonorare auf die all die freien Berater, die hinzugerufen werden, weil die „rekrutierten“ Bewerber dann vielleicht doch ein Manko aufweisen und nicht alles so effizient, professionell erreichen wie erwünscht. Denken wir mal wie schlimm es wäre, wenn all diese Leute nun keinen Job mehr hätten. Also das geht gar nicht, es muss stets der Blick auf Produktivität und Wachstum gerichtet sein, das war in den letzten Jahren immer so. Und wenn es nun – logischerweise – mal zu einer Stagnation führt oder gar zu einer Reduktion, dann ist das deshalb, weil man die Spirale nicht unendlich nach oben schrauben kann, ohne zu schauen, ob es an der Basis nicht völlig marode und brüchig ist. Erst das Fundament, dann das Haus – war das nicht die goldene Regel?

Die Recruiter filzen das Internet durch, selektieren nach Alter und Vita und fühlen sich als Helden mit einer Macht, die lächerlich ist. Sie entscheiden über Karriere oder Flop, das muss man sich mal durch den Kopf gehen lassen. Da sitzt jemand, der hat mehr Macht, als ihm zusteht. Wer darüber entscheiden möchte, wer qualifiziert ist oder nicht, braucht viel mehr Zeit und ausführliche, intensive Gespräche. Auch sind Zeitarbeitsfirmen meiner Meinung nach überflüssig, gar verwerflich. Personalchefs machen es sich gerne einfach und sparen Zeit, wenn sie die Auswahl „out-sourcen“ und dabei muss man sich ja auch nicht verpflichten. Wenn weg, dann weg und wenn gut, dann wird übernommen. Radiergummi auspacken, liebe Leute  – der Mensch ist reine Handelsware und wenn es unter dem Strich nicht passt, wird neu gemischt. Der Mensch liefert seine Leistung gemäß seiner Qualifikation und Ausbildung und er wird – sofern wir es nicht mit Faulpelzen zu tun haben – stets versuchen, sein Höchstmaß anzustreben. Jeder möchte Anerkennung, Lohn für sein Tun und eine Wertschätzung als Individuum. Was Recruiter und Zeitarbeitsfirmen tun, ist keine Wertschätzung des Menschen sondern eine reine Wertschätzung seiner Produktivität und Wirtschaftlichkeit. Es dient lediglich als Mittel zum Zweck (dafür bekommt er seinen Lohn), aber es ist eine verdammte Einteilung in Klassen und Hierarchien nach Anforderungsschemata. Mir stinkt das gewaltig und um einmal zu sehen, wie es ist, wenn man sich mit seiner eigenen hochqualifizierten Professionalität zurückhält und einmal einen Blick von ganz unten auf diese Gesellschaft wirft, habe ich vieles geändert und sehe nun sehr viel klarer, was diese aufgeblasene gesellschaftliche „Elite“ tatsächlich zu bieten hat. Aber jede Sekunde des „Bodenwischens“ hat mir dort unten mehr Freunde und Freude gebracht als eine Woche in der Chefetage. Warum? Weil ich in den unteren Reihen Wertschätzung kennengelernt habe, Ehrlichkeit, menschliche Wärme und Hilfsbereitschaft. Weil mir Putzdamen selbstgebackenen Kuchen mitgebracht haben, weil mir die Handwerker privat als Freundschaftsdienst meine Kabel verlegten, weil mir mein Essen heute wesentlich besser schmeckt und weil mein warmes Bett mir keinerlei Alpträume mehr beschert. Versuchen Sie es mal, es zwingt Sie zu Minimalismus und Reduktion auf die wesentlichen Dinge und es kostet ihre Bequemlichkeit. Um nichts in der Welt würde ich diese Lebensqualität wieder eintauschen wollen – auch wenn ich immer noch ein Top-Kandidat für Recruiter wäre…aber heute tauge ich nur noch für ethisch-humane Angelegenheiten mit sozialem Engagement und das ist irgendwie nicht so prickelnd und lukrativ, oder?

 

© Petra M. Jansen

 

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