Reden von ausländischen Staatsgästen vor dem US-Kongress werden nur guten Freunden gewährt und sind eine feierliche Angelegenheit. Und der französische Präsident Emmanuel Macron fing seine Ausführungen gestern denn auch mit den tiefen historischen Beziehungen an, die sein Land mit den USA verbinden. „Frankreich hat mit Herz und Hand an der Geschichte dieser großen Nation teilgenommen, von den ersten Anfängen an“, sagte er und erinnerte damit an den französischen Beitrag zum amerikanischen Unabhängigkeitskampf.
Der französische Staatschef hat in einer Rede vor dem US-Kongress ein leidenschaftliches Plädoyer gegen den Nationalismus und für die globale Zusammenarbeit gehalten. Es brauche einen „starken Multilateralismus“. Die USA forderte er dazu auf, an einem Ausbau und einer Neudefinition der internationalen Zusammenarbeit mitzuwirken.
Die Vereinigten Staaten hätten den Multilateralismus einst begründet. Sie müssten nun helfen, ihn zu bewahren und neu zu erfinden. Wenn die globale Gemeinschaft jetzt nicht mit Dringlichkeit handle, dann würden multilaterale Institutionen wie die UN und die Nato nicht länger existieren und nicht mehr ihren „stabilisierenden Einfluss ausüben“ können.
Mit seiner Rede stellte sich Macron gegen die Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump. Der französische Staatschef warb auch eindringlich für den globalen Umweltschutz und das Pariser Abkommen gegen die Erderwärmung. Präsident Trump hatte im vergangenen Jahr den Ausstieg aus dem Abkommen angekündigt. Hinsichtlich der Klimapolitik sagte Macron, er sei zuversichtlich, dass die USA dem Pariser Weltklimaabkommen wieder beitreten werden. „Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, unseren Planeten wieder großartig zu machen und neue Jobs und neue Möglichkeiten zu schaffen, während wir unsere Erde schützen“, sagte er. Sollte sich die globale Erwärmung fortsetzen, gebe es „keinen Plan B“, wie Macron hinzufügte.
Ein wichtiges Thema bei Macrons Besuch in Washington und seinen Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump ist das Atomabkommen mit dem Iran, das der französische Präsident wie auch Deutschland und Großbritannien retten will. Das Abkommen sollte man nicht aufgeben, wenn man nichts Substanzielleres habe, sagte Frankreichs Präsident.
Macron erwähnte auch den großen Respekt, den etwa der amerikanische Gründervater Benjamin Franklin für den französischen Aufklärungsphilosophen Voltaire gehegt habe. Als Franklin Voltaire in Frankreich besuchte, hätten beide sich umarmt und geküsst, sagte Macron und fügte schelmisch hinzu: „Erinnert Sie das an etwas?“ Damit spielte er auf die vielen auch körperlichen Freundschaftsgesten zwischen ihm und dem amerikanischen Präsidenten an, die beide in den vorangegangenen zwei Tagen öffentlich zelebriert hatten, um ihr gutes persönliches Verhältnis zu unterstreichen. Eine Bemerkung, die ihm die ersten Lacher im Kongress einbrachte.
Je länger Macrons Rede jedoch andauerte, desto deutlicher wurde: Der französische Präsident war nicht nur vor beide Häuser des Kongresses gekommen, um den Amerikanern zu schmeicheln. Vielmehr ging er sehr eindringlich auf ein Thema ein, das schon seine Rede vor dem Europäischen Parlament geprägt hatte und das Macron umtreibt: die Gefährdung von Freiheit und Demokratie in einer immer unsicherer werdenden Welt. Und die Herausforderungen für die liberale Weltordnung, die der Westen nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat.
Je länger Macron redete, desto deutlicher wurde, dass der französische Präsident hier nicht nur eine Abrechnung mit den antiglobalen Populismen in Europa vorlegte, sondern auch mit dem Trumpismus – ohne den US-Präsidenten jedoch direkt anzugreifen. „Macrons Ansprache ist eine subtile Widerrede gegen Trumps America-First-Vision“ (CBS News). Immer weniger subtil, je länger die Rede andauerte. Macron hatte auch die Idee eines Handelskrieges gegeißelt.
„Wir haben diese Regeln geschrieben, wir sollten sie befolgen“ (Emmanuel Macron).
Macron hielt sich seit Montag dieser Woche zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Washington auf. Er ist der erste französische Präsident seit mehr als zehn Jahren, der eine Rede vor dem Kongress hielt.