Es gibt Tage im Leben, an denen erfährst du Dinge, die du gar nicht wissen willst. Unweigerlich kämpfst du mit dem Brechreiz, siehst widerliche, unangenehme Szenen und versuchst, dich beim Zuhören, brav zu beherrschen. Wie war das mit der anerzogenen Höflichkeit? Während du mit dem Ekel kämpfst, plappert dein Gegenüber munter über seine offenen Beine, seine Stuhl-Verstopfung, den vollgeschissenen Windeln des dementen Opas oder dem niederschmetternden Out kurz vor´ m Orgasmus. Du willst das alles gar nicht wissen. Schüttelst dich innerlich und redest dir ein, dass es ja nur die Offenheit des anderen ist, nur die Wahrheit und schließlich gibt es als erwachsener Mensch so gut wie keine Tabus. Auf der einen Seite bist du gelangweilt von den abwechselnden Themen, die entweder in unverschämtes, intolerantes Geläster oder in die Voll-Ekel-Schiene gehen, auf der anderen Seite hegst du eine gewisse Empathie und Sympathie, die dir das artige Schweigen ins Gesicht zaubert. „Können wir vielleicht über was anderes sprechen“, versuchst du abzulenken? Erfolglos. Es geht weiter von Mundgeruch bis zu den Eiterblasen unter den Achselhöhlen, dem muffigen Geruch der Kleiderkammer bis zur gegenseitigen Respektlosigkeit in der Ehe. Ach was, die Leute sind eben einfach nur ehrlich und haben niemanden, mit dem sie sich austauschen können, sind deine Gedanken. Innerlich bist du schon in Grund und Boden versunken und fragst instinktiv nach dem Ausgang aus dieser Psycho-Bude. Man lernt nie aus, das stimmt allerdings. Angefangen von Perversionen, rassistischem Gedankengut bis zum perfekten Desinfektionsmittel hast du nun die ganze Bandbreite durchgehört und bist innerlich erschöpft, ausgelaugt, brauchst Ruhe. Abschalten und hoffentlich kommt bald der Hunger zurück. Dir liegt es auf der Zunge, das „Das-will-ich-gar-nicht-wissen“, aber es gibt kein Entrinnen. Beim nächsten Mal schaust du vorsichtig um dich, ob du vielleicht wieder Opfer von stinkenden Mülleimern und intimen Bettgeschichten werden könntest und gehst mit einem Lächeln davon…. entwischt! Tja, manchmal wünscht man sich die Schwerhörigkeit eines Greises und ist sich ganz sicher, dass man in solchen Momenten mit Sicherheit das Hörgerät vergisst.

 

© Petra M. Jansen

 

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Es regnet viel die letzten Tage. Und jetzt zum Wochenende soll es kälter werden. Schnee wurde uns prophezeit … Es ist, als ob der Himmel weint. Weint um die Opfer, die bei dem Anschlag Freitag vor einer Woche ums Leben kamen. Große Anteilnahme! Das ist auch korrekt! Ein fürchterliches Verbrechen. Alle drei oder fünf Sekunden stirbt laut Unicef heute Nacht ein Kind. Unterversorgung an Nahrungsmitteln und Medikamenten, Landminen, etc.. Eine erschreckende Bilanz, mit der wir jeden Tag leben, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde. Aus den Augen, aus dem Sinn! Die Kinder, die da sterben, sind nicht unsere eigenen. Was geht es mich also an?! Wer sagt; „Nichts!“, ist meines Erachtens verantwortungslos. In einer Phase des globalen Wirtschaftens schulden wir den Menschen in Afrika, im Orient, in Asien – wo auch immer – eine helfende Hand. Ihre Produkte kaufen wir für billiges Geld ein. Unter anderem auch ihr Erdöl. Billiges „Shoppen“, Luxus, verbunden mit Gleichgültigkeit. Das ist schofel! In anderer Hinsicht leisten wir uns Kriege, um diese Art des Wohlstands zu sichern. Diese kosten uns Millionen, wenn nicht Milliarden! Geld, investiert um zu töten, das uns andererseits fehlt, um Leben zu retten. Das ist im Klartext gesprochen: Pervers! Kriege zu beenden heißt nicht nur, mit dem Morden aufzuhören, nein, es wir auch Geld frei, um Leben zu retten.

Kommen wir zurück auf die Morde von Paris. Die Opfer und deren Angehörige verdienen unser Mitgefühl. Aber wir nehmen nur selektiv wahr, was heißt, dass nur das, was uns nahesteht, auch wirklich wahrgenommen und kommuniziert wird. Die Franzosen sind unsere Freunde, Paris belegt die Schlagzeilen unserer Presse. Wenn in dem Moment, in welchem ich jetzt diese Zeilen schreibe, irgendwo im Libanon oder in Afghanistan eine Bombe hochgeht, dann interessiert das wahrscheinlich niemanden. Es empört sich niemand mehr, weil es in diesen, wie in so vielen anderen Ländern auch, zur perversen Normalität geworden ist, dass in einer sicheren Regelmäßigkeit Menschen ermordet werden. Ja, ist es normal, bleibt die Empörung aus. Aber Hand aufs Herz: Kann das dazu führen, dass wir mit den Menschen an diesen Orten nicht mitfühlen?! Wohl nein, oder?!

Ich denke, wir sollten uns wieder einmal fragen, was uns die Worte „Sym-Pathie“ (Die Fähigkeit, mit anderen Freude und Leid zu teilen), „Normalität“ und „Anstand“ bedeuten. Sympathie empfingen wir nur mit jenen, die uns bekannt sind. Fremde – unter anderem fremde Kulturen – sind uns suspekt. Wir lehnen das eher ab. Wie kann sich jemand als „weltoffen“ bezeichnen, der so empfindet und handelt?!

Normal ist das, was der Norm entspricht. Die Norm ist die Regel, geschieht etwas regelmäßig, ist es norm-al. Aber ist es nicht so, dass wir uns selbst die Gesetze geben, den Ablauf unserer Tage bestimmen? Ich rede hier nicht von Naturgesetzen (falls es diese im eigentlichen Sinne überhaupt gibt!). Die Norm ist nicht etwas Unangreifbares, wir können sie beeinflussen, abändern. Ich muss mich nicht in die Tatsache fügen, dass täglich Bomben explodieren. Selbst die Attentäter sind nicht gezwungen, Bomben zu zünden. Sie tun es freiwillig. Ist das so, dann kann man von den Morden auch Abstand nehmen.

„Als Anstand wird in der Soziologie ein als selbstverständlich empfundener Maßstab für ethisch-moralischen Anspruch und Erwartung an gutes oder richtiges Verhalten bezeichnet. Der Anstand bestimmt die Umgangsformen und die Lebensart“ (Karl-Heinz Hillmann, „Wörterbuch der Soziologie“, 5. Auflage). Wie hieß das früher? „Das tut ein braver Junge nicht!“. Und wenn uns das Leid der vielen Menschen auf der Welt so egal ist, dann ist es einfach nicht anständig. Das tut man nicht!

Befreien wir unseren Geist von den Scheuklappen! Manche wurden uns aufgesetzt, manche tragen wir vielleicht, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Nur kritische Menschen können auch weltoffen sein. Und wir werden in diesem 21. Jahrhundert diese Art von Menschen brauchen, um die Welt zu bewegen.

© Thomas Dietsch