Es regnet viel die letzten Tage. Und jetzt zum Wochenende soll es kälter werden. Schnee wurde uns prophezeit … Es ist, als ob der Himmel weint. Weint um die Opfer, die bei dem Anschlag Freitag vor einer Woche ums Leben kamen. Große Anteilnahme! Das ist auch korrekt! Ein fürchterliches Verbrechen. Alle drei oder fünf Sekunden stirbt laut Unicef heute Nacht ein Kind. Unterversorgung an Nahrungsmitteln und Medikamenten, Landminen, etc.. Eine erschreckende Bilanz, mit der wir jeden Tag leben, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde. Aus den Augen, aus dem Sinn! Die Kinder, die da sterben, sind nicht unsere eigenen. Was geht es mich also an?! Wer sagt; „Nichts!“, ist meines Erachtens verantwortungslos. In einer Phase des globalen Wirtschaftens schulden wir den Menschen in Afrika, im Orient, in Asien – wo auch immer – eine helfende Hand. Ihre Produkte kaufen wir für billiges Geld ein. Unter anderem auch ihr Erdöl. Billiges „Shoppen“, Luxus, verbunden mit Gleichgültigkeit. Das ist schofel! In anderer Hinsicht leisten wir uns Kriege, um diese Art des Wohlstands zu sichern. Diese kosten uns Millionen, wenn nicht Milliarden! Geld, investiert um zu töten, das uns andererseits fehlt, um Leben zu retten. Das ist im Klartext gesprochen: Pervers! Kriege zu beenden heißt nicht nur, mit dem Morden aufzuhören, nein, es wir auch Geld frei, um Leben zu retten.
Kommen wir zurück auf die Morde von Paris. Die Opfer und deren Angehörige verdienen unser Mitgefühl. Aber wir nehmen nur selektiv wahr, was heißt, dass nur das, was uns nahesteht, auch wirklich wahrgenommen und kommuniziert wird. Die Franzosen sind unsere Freunde, Paris belegt die Schlagzeilen unserer Presse. Wenn in dem Moment, in welchem ich jetzt diese Zeilen schreibe, irgendwo im Libanon oder in Afghanistan eine Bombe hochgeht, dann interessiert das wahrscheinlich niemanden. Es empört sich niemand mehr, weil es in diesen, wie in so vielen anderen Ländern auch, zur perversen Normalität geworden ist, dass in einer sicheren Regelmäßigkeit Menschen ermordet werden. Ja, ist es normal, bleibt die Empörung aus. Aber Hand aufs Herz: Kann das dazu führen, dass wir mit den Menschen an diesen Orten nicht mitfühlen?! Wohl nein, oder?!
Ich denke, wir sollten uns wieder einmal fragen, was uns die Worte „Sym-Pathie“ (Die Fähigkeit, mit anderen Freude und Leid zu teilen), „Normalität“ und „Anstand“ bedeuten. Sympathie empfingen wir nur mit jenen, die uns bekannt sind. Fremde – unter anderem fremde Kulturen – sind uns suspekt. Wir lehnen das eher ab. Wie kann sich jemand als „weltoffen“ bezeichnen, der so empfindet und handelt?!
Normal ist das, was der Norm entspricht. Die Norm ist die Regel, geschieht etwas regelmäßig, ist es norm-al. Aber ist es nicht so, dass wir uns selbst die Gesetze geben, den Ablauf unserer Tage bestimmen? Ich rede hier nicht von Naturgesetzen (falls es diese im eigentlichen Sinne überhaupt gibt!). Die Norm ist nicht etwas Unangreifbares, wir können sie beeinflussen, abändern. Ich muss mich nicht in die Tatsache fügen, dass täglich Bomben explodieren. Selbst die Attentäter sind nicht gezwungen, Bomben zu zünden. Sie tun es freiwillig. Ist das so, dann kann man von den Morden auch Abstand nehmen.
„Als Anstand wird in der Soziologie ein als selbstverständlich empfundener Maßstab für ethisch-moralischen Anspruch und Erwartung an gutes oder richtiges Verhalten bezeichnet. Der Anstand bestimmt die Umgangsformen und die Lebensart“ (Karl-Heinz Hillmann, „Wörterbuch der Soziologie“, 5. Auflage). Wie hieß das früher? „Das tut ein braver Junge nicht!“. Und wenn uns das Leid der vielen Menschen auf der Welt so egal ist, dann ist es einfach nicht anständig. Das tut man nicht!
Befreien wir unseren Geist von den Scheuklappen! Manche wurden uns aufgesetzt, manche tragen wir vielleicht, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Nur kritische Menschen können auch weltoffen sein. Und wir werden in diesem 21. Jahrhundert diese Art von Menschen brauchen, um die Welt zu bewegen.
© Thomas Dietsch