Liebe Petra,

wie du siehst, habe ich andere Gedanken als nur die große Politik. Es geht immer wieder um Menschen und die Gefühle, die nicht immer klar sichtbar sind. Wie du sehen wirst, befürchte ich, dass die Dogmatiker immer mehr das Sagen haben werden und uns total einengen wollen.

Ich bin verärgert

Dass das klar gestellt ist, ich bin gegen jeden sexuellen Angriff – egal, von wem er kommt. Es kann nicht sein, dass sich ein Mann berechtigt fühlt, mit einer Frau alles zu tun, was ihm durch den Kopf geht und es war gut, dass die MeToo-Bewegung solch ein Verhalten anprangert. Aber das darf nicht zur Hexenjagd werden, wie es sich bei Plácido Domingo erweist. Er hat nicht verneint, dass er gerne flirtet und dass er seine damalige Position nutzte, um einen besseren Zugang zu den Frauen zu haben. Das ist zwar kritikwürdig, aber das geschah in den 90ziger Jahren und seitdem wurden keine ähnlichen Vorfälle bekannt. Hätten seine Kolleginnen damals geklagt, wäre es glaubwürdiger gewesen. Ich kannte den Opernbetrieb ganz gut. In den 60ziger Jahren war es üblich, dass jeder Theaterdirektor einen Diwan in seinem Büro hatte, um sich zu entspannen, angeblich. Jede Dame seines Geschmackes, die ein Engagement haben wollte, musste den Umweg über die Liege machen, um den Vertrag unterschreiben zu können. Szenen wie bei Georges Feydeau waren Alltag. Diese Hurerei finde ich widerlich, aber viele Sängerinnen, Tänzerinnen oder Schauspielerinnen betrachteten diese Schäfer-Stunden als üblich. Natürlich muss das entschieden bekämpft werden, aber nicht Zweijahrzehnte später, wie es bei Domingo der Fall ist. Diese Gangart ist ein tolles Instrument, um Menschen kaputt zu machen und gerade das ärgert mich unheimlich. In meiner Umgebung wurden somit Existenzen kaputt gewalzt. In dem Fall, an den ich denke, war es reine Verleumdung, alles erwies sich als falsch. Ich befürchte, dass solche Praktiken immer gängiger werden und das menschliche Zusammenleben, zu einer Qual werden könnte. Manchmal wäre ein wenig mehr Offenheit wünschenswert.

Ständig in Gefahr sein

Wenn ich die Me-Too-Bewegung  ernst nehme – und das tue ich – gibt es Berufe, die man nicht mehr ausüben dürfte. Schauspieler-Sein scheint mir sehr gefährlich zu sein. Sollte man in einer Szene seine Partnerin zu stark an sich drücken, kann das durchaus als Anmache betrachtet werden und as Gleiche gilt beim Film-Kuss. In diesem Fall gibt es nur zwei Lösungen: Entweder man verbietet per Gesetz, dass solche Szenen, sei es im Theater oder im Kino, gespielt werden dürfen oder die Schauspielerei wird staatlich verboten. Es wäre toll, dass Shakespeare vor Gericht ziehen müsste, um als mieser Anreger von Pornoszenen, wie bei Romeo und Julia, lebenslang den Knast beziehen müsste. Natürlich wäre ich auch ein Anreger einer neuen Bücherverbrennung. Liebe Freunde, was ich hier schreibe ist Satire, also bitte keine Zensur! Was ich hier ausdrücke ist ein Zeichen meines Zorns, was die Dogmen von MeToo angeht. Spaß beiseite, wer kann als Schauspieler noch sicher sein, dass man sein Spiel nicht für ein böses Grapschen hält? Und wer es böse meint, kann dazu beitragen, dass ein Kollege arbeitslos wird, indem Märchen erzählt werden, einfach um ihn los zu werden. Die Anhänger dieser Bewegung, sollten sich die Frage stellen, ob das Gefühlsleben sich so gestalten lässt? Das würde bedeuten, dass jeder, der eine Liebeserklärung macht, angeklagt werden kann und dasselbe gilt für den Geschlechtsverkehr. Jede Frau kann nachträglich behaupten, dass sie vergewaltigt worden ist, wenn sie einfach ein Mannsbild loswerden will. Auch solche Fälle habe ich gekannt, die zur Vernichtung des unschuldigen Angeklagten geführt haben. Das Ganze fördert die Denunzierung und in solch einer Gesellschaft möchte ich nicht leben.

Und wo steckt die Liebe?

Ich sage es ganz ehrlich, die Dogmatiker töten die Liebe. Wenn jede Zuwendung als Angriff betrachtet wird, sollte man sich kastrieren lassen und wenn es um die Frauen geht, wäre eine Sterilisation auch angebracht. Ich habe mir die Hölle von Dante so vorgestellt. Lauter hübsche Jungfrauen mit zugenähtem Geschlecht. Nein, ich bin kein alter Bock, der seine sexuellen Gefühle hier schriftlich ausdrücken möchte, eher ein Mensch, der über die heutige Boshaftigkeit sehr traurig ist. Was passiert ist eine Generalisierung, die nur Unrecht mit sich bringt? Klar, ein Monster wie Harvey Weinstein soll die totale Härte der Justiz erfahren, aber er kann nicht als Maßstab für das Benehmen der ganzen Männerwelt betrachtet werden. Ich finde, dass der Absolutismus des Me Too ganz gut in unsere autoritäre Welt passt, bei der leichtfertig Menschen verfolgt werden, die man loswerden will. Ich weiß, dass ich sehr massiv reagiere aber das sollte gesagt werden. Der Mann ist nicht von Geburt an nur ein Schwein! Ich befürchte, dass es unseren Töchtern eingeimpft wird. Ich hatte eine Reportage über die Vernichtung eines Vaters in einem Scheidungsfall gedreht. Die Mutter behauptete, dass er ihre Tochter als Baby missbraucht hätte. Seine Gattin wollte damit Kapital schlagen und ihn fertig machen. Der ständigen Erpressung, der er ausgesetzt war, machte ihn zum Invaliden. Natürlich muss jeder Missbrauch verfolgt werden, aber es muss auch gesagt werden, wie man die Wahrheit manipulieren kann. Ich würde begrüßen, wenn die Me-Too-Anhängerinnen auch über solche Missständen berichten würden.

Liebe kann nicht nur platonisch sein

Die schiere Wahrheit hat uns eingeholt. Die Vorstellung, dass die ideale Liebe nur platonisch sein kann, ist einfach an den Fakten zerbrochen. Ich möchte hier über die Missbrauchsfälle schreiben, die dabei sind, die Kirche zu vernichten. Egal ob Kind oder Erwachsene, innere Gefühle sind eng mit dem Körperlichen verbunden. Das wurde uns angeboren und ist keineswegs trennbar, was die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne, die 1669 in Paris veröffentlicht wurden, bestätigen. Eine sinnliche Korrespondenz, die uns anregen sollte umzudenken. Was will ich damit sagen? Der Sex ist untrennbar von der Seele zu betrachten. Hier sollte man sich erzieherische Gedanken machen und nicht ständig Trennungslinien ziehen. Es geht um eine Symbiose, die für mich das Leben bedeutet. Ich denke, dass viel Brutalität durch die Wortlosigkeit entsteht und dass die Menschen derart gehemmt sind, dass sie sich nicht, wie König David  im hohen Lied, offen darstellen. Sehr oft sind die Vergewaltiger total gehemmte Menschen, die sich nur durch Gewalt ausdrücken können, die jedes intimen Worts vermeiden, aus Angst sich zu blamieren. Um konstruktiv gegen den Missbrauch zu kämpfen, fände ich gut, dass Me-Too sich mit der Erziehung befasst, neue Wege der Aufklärung anregen sollte. Nur mit der Keule zu hantieren – so berechtigt sie auch in vielen Vorgängen ist – wird auf lange Zeit nichts nützen. Die Kinder müssen endlich angesprochen werden, um vor der Liebe kein Tabu entstehen zu lassen als etwas Verbotenes. Das wäre ein höchst wichtiger Beitrag zu mehr Eintracht.

 

 Das Gedicht

 

Liebe als Dogma zu bezeichnen,

führt zum Tod der Gefühle, letztendlich

zur Gewalt. Das „Ich“ derart auf Grund

der Sexualität zu symbolisieren ist

Willkür, Sex-Faschismus, der nur an Hand

de Virilität eingestuft wird, nicht auf Grund

der Sensibilität, die eines Paares zum

Paradies führen sollte. Barsche Handlungen,

die mit Recht von Me-Too angeprangert

werden, die die Liebe in den Dreck ziehen,

die sie als anrüchig erscheinen lassen und

doch ist sie ein Geschenk Gottes!

 

Alleine der Geistesaustausch reicht nicht aus.

Er muss innerlich empfunden werden und

durch eine absolute Nähe gestärkt werden.

Die Haut streicheln, sie in sich durch die Hand

zu verinnerlichen. Der sanfte und erotischer

Geschmack des Kusses auf sich wirken zu

lassen, ihn als Zeichen des Unendlichen

empfangen zu können. Und das Eindringen

als Apotheose, die die Liebe als unsterblich

erscheinen lassen sollte. Spielt sich das so ab?

Nein, weil sie immer mit dem Makel des Totes

konfrontiert wird, was zur Gewalt führt.

 

Und jetzt steht er da, wie ein begossener Pudel.

Da er keine passende Worte fand, um seinen Trieb

auszudrücken, wurde er handgreiflich. Da

er nicht lieben kann, glaubt er den Macho spielen zu

müssen. Ein Mann, der in der Wüste steht, der unfähig

ist eine Zuwendung zu erfahren, der zum Grapscher

wird, was ihn völlig banal macht. Merkt er nicht,

dass er seine Würde somit weggeworfen hat,

dass er nur schwanzgesteuert ist? Und das er

somit verdorrt, ohne sich darüber bewusst zu

sein. Vielleicht der wahre Grund, dass er sich

in seiner Zelle erhängt hat.

 

Alles Liebe Petra.

Trotz Me-Too umarme ich dich!

 

Pierre

//pm

 

Nichts sei so dauerhaft wie ein Provisorium, lautet ein Zitat, das dem amerikanischen Schriftsteller Henry Miller zugeschrieben wird. Der sogenannte Solidaritätszuschlag, den deutsche Steuerzahler zu bezahlen haben, wurde 1991 zunächst für ein Jahr eingeführt. Neben den finanziellen Lasten der Wiedervereinigung sollte die Abgabe nicht zuletzt auch den ersten Irakkrieg finanzieren, an dem sich Deutschland zwar nicht militärisch beteiligte, für den es aber doch bezahlte. 1995 wurde aus dem Provisorium endgültig eine längerfristige Einrichtung. Seither zahlen Arbeitnehmer und Unternehmen 5,5 Prozent der Einkommens- beziehungsweise Körperschaftssteuer – zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit, wie es heißt.

Im vergangenen Jahr brachte der „Soli“ dem Staat fast 19 Milliarden Euro ein; gegenüber 2003 ist dies ein Anstieg von knapp 9 Milliarden. Würde Finanzminister Scholz’ Vorschlag umgesetzt, dürften immer noch Einnahmen von etwa 9 Milliarden bleiben. Für die Regierung wäre der Plan des Finanzministers attraktiv, könnte sie doch eine große Mehrheit der Steuerzahler spürbar entlasten, dabei aber einen verhältnismäßig großen Teil der derzeitigen Einnahmen weiterhin kassieren. Der Soli-Zuschlag beträgt 5,5 Prozent der Körperschaft- oder Einkommensteuer. Neben Arbeitnehmern zahlen auch Gewerbetreibende wie zum Beispiel selbstständige Handwerker die Abgabe.

Für 90 Prozent der heutigen Soli-Zahler soll die Abgabe komplett wegfallen. 3,5 Prozent von ihnen – die Topverdiener – sollen ihn in der vollen Höhe von 5,5 Prozent der Körperschaft- oder Einkommensteuer zahlen. Für alle dazwischen soll der Steuersatz schrittweise ansteigen. Damit würden 96,5 Prozent aller Steuerzahler (stern.de) besser gestellt als heute.

Es kommt nicht oft vor, dass der Staat sich von liebgewonnenen Einnahmequellen trennt – obwohl er das hin und wieder durchaus tun sollte, vor allem, wenn der ursprüngliche Zweck für eine Steuer oder Abgabe entfallen ist. Der Soli ist ein Paradebeispiel für einen solchen Fall. Erhoben wird er seit 1995, er sollte die Kosten der Wiedervereinigung finanzieren. Inzwischen ist das Verhältnis der Soli-Einnahmen zu den Mitteln, die für den Aufbau Ost verwendet wurden, aber in ein groteskes Missverhältnis geraten. Der Solidaritätszuschlag ist nichts weiter als eine weitere Einnahmequelle für den Bund. Insofern ist es lobenswert, dass Scholz den Zuschlag zumindest teilweise abschaffen will.

Bleibt die Sache mit den bröckelnden Brücken und den Funklöchern. Existieren die, weil nicht genug Geld da war? Nach einem Jahrzehnt Wirtschaftsboom und immer neuen Steuerrekorden? Da kommt man ins Grübeln.

Kurz gesagt: der Aufschwung wurde nicht klug genug genutzt. Es wurde zu wenig investiert und zu viel konsumiert. Die Investitionsvorhaben waren nicht langfristig genug konzipiert, um die Unternehmen zum nachhaltigen Kapazitätsaufbau zu bewegen. Sozialwohnungen wurden aufgegeben, die Grunderwerbsteuer zu Lasten der Häuslebauer erhöht und das Liegenlassen von Grundstücken durch Spekulanten nicht bestraft. Die Autoindustrie wurde geschont, die Bahn vernachlässigt. Viele Gemeinden sind immer noch überschuldet und können deshalb nicht investieren, Lehrer werden im Sommer entlassen, der Netzausbau hinkt hinterher, eine effiziente Bepreisung von CO2 gibt es nicht, stattdessen viele teure Einzelmaßnahmen für mehr Klimaschutz. Milliarden sind dagegen in die Mütterrente geflossen, in die Rente mit 63 und nun, ganz neu, in die Haltelinien für die Rentenversicherung.

Einen Großteil der Einnahmen verwendet der Staat längst für andere Zwecke – und will das auch weiterhin tun.

Das Prinzip ist nicht neu, aber dennoch falsch: Von einmal erschlossenen Einnahmequellen trennt sich der Fiskus oft auch dann nicht, wenn sich ihre Begründung überholt hat. Doch genau mit dieser Art von Querfinanzierung müsste eine klimafreundliche Steuerreform eigentlich Schluss machen.

FDP-Chef Christian Lindner droht mit einer Verfassungsklage: Sollte Scholz nicht ein konkreten Plan für einen vollständigen Abbau des Solis aufzeigen, „werden Tausende Steuerzahler und die FDP bis Karlsruhe klagen“ (handelsblatt.com).

Aus der Luft gegriffen sind die Drohungen nicht. Lindner beruft sich auf ein Gutachten, das der frühere Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier im Auftrag seiner Partei angefertigt hat.

Nach dessen Ansicht war der Soli für Ausnahmesituationen vorgesehen und daher vorübergehender Natur.

Unter dem rechtspopulistischen Präsidenten Bolsonaro hat sich die Zerstörung des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes massiv beschleunigt. Bolsonaro hatte große Flächen für die Landwirtschaft freigegeben und das Budget für Klimaschutz fast vollständig gestrichen. Auch stellt er den Schutz von Waldgebieten als Lebensraum und Kulturerbe der indigenen Bevölkerung infrage. Die gerodeten Flächen werden vor allem für den Anbau von Soja und für die Rinderzucht verwendet.

Seit Bolsonaro in Brasilienan der Macht ist, wird dort immer mehr Wald abgeholzt. Jüngste Satellitenaufnahmen der Brasilianischen Raumfahrtbehörde zeigen, dass im Juni 60 Prozent mehr Regenwald gerodet wurden als im gleichen Monat des Vorjahres (cnn.com unter Berufung auf staatliches Weltraumforschungsinstitut INPE).

„Sie können das Geld sinnvoll verwenden. Brasilien braucht es nicht“: Mit diesen Worten hat Bolsonaro auf den möglichen Wegfall von Fördergeld für den Umweltschutz aus Deutschland reagiert. Das Umweltministerium hatte zuvor erklärt, wegen der zunehmenden Rodung im Amazonasgebiet die Unterstützung zum Schutz von Wäldern und Artenvielfalt in Brasilien zu beenden (SPON). Man rege eine Überprüfung der weiteren Zusammenarbeit mit Brasilien im Amazonasfonds an. In diesen Fonds hat die Bundesregierung bisher 55 Millionen Euro einbezahlt, zuständig ist das Entwicklungsministerium.

Bezogen auf das gesamte erste Halbjahr 2019, erreicht die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes den höchsten Wert seit drei Jahren.

Umweltschützer auf der ganzen Welt leben gefährlicher denn je. Aktivisten, Anwälte, Journalisten und vor allem indigene Menschen riskieren täglich ihr Leben, wenn sie Land und Natur gegen Ausbeutung verteidigen. Wissenschaftler der University of Queensland analysierten unter anderem Daten der Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ (faz.net), die seit 1993 Verbindungen zwischen natürlichen Ressourcen, Konflikten und Korruption erfasst. In der Zeitschrift „Nature Sustainability“ berichten die Autoren der Studie um Nathalie Butt, dass zwischen den Jahren 2002 und 2017 mehr als 1.500 Menschen bei dem Versuch, die Umwelt zu schützen, starben. Diese Zahl ist fast halb so groß wie die der gefallenen amerikanischen Soldaten im Irak und Afghanistan in dieser Zeit.

Brasilien gilt als ein Schlüsselland im Kampf gegen eine unkontrollierte Erderwärmung – wegen des Regenwaldes, der viele Treibhausgase aufnehmen und speichern kann. Zwar bekennt sich Bolsonaro aus Angst vor Auswirkungen auf den wichtigen Agrarexport bisher zum Pariser Klimaabkommen, das für Brasilien ein Zurückfahren der illegalen Abholzung auf null bis 2030 vorsieht, zudem wird eine Wiederaufforstungsoffensive gefordert.

Aber in der Realität passiert das Gegenteil (tagesspiegel.de). Und ausgerechnet durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur, zudem Brasilien gehört, könnte die Abholzung sich weiter verstärken – denn Brasilien will damit mehr Fleisch und Soja nach Europa exportieren.

Die Zusammenarbeit mit den USA steht hingegen: Präsident Donald Trump verkündete erst am Dienstag ein neues Handelsabkommen mit Brasilien und stufte das Land offiziell als wichtigen Verbündeten außerhalb der Nato ein, um den Export hochentwickelter Waffen zu erleichtern.

Wer das Klima retten will, der braucht ohne den Amazonas gar nicht erst anzufangen. Der Regenwald bindet gigantische Mengen von Kohlenstoff. Studien zufolge sind es 90 bis 140 Milliarden Tonnen, manche gehen gar von 200 Milliarden Tonnen aus. Zum Vergleich: In deutschen Wäldern sind gerade einmal 1,1 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Für die Rettung des Weltklimas braucht es mehr Wälder, nicht weniger, das hat kürzlich erst eine Untersuchung der ETH Zürich nahegelegt. Mit massiver Aufforstung, heißt es da, könne die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden.

Seit Januar schwingt der Bolsonaro die Axt. Trotz vorhandener internationaler Gelder aus Europa genehmigte Brasilien seither kein einziges Schutzprojekt mehr. An seinem ersten Tag als Präsident schob Bolsonaro per Dekret dem Landwirtschaftsministerium die Verantwortung für die Grenzen indigener Schutzgebiete zu. Der Gerichtsstreit darüber dauert an.

Die Signale an die illegalen Holzfäller sind eindeutig: Bei uns könnt ihr machen, was ihr wollt!

Hey Bruder,

hast Du jemals die Geburt

einer Quelle beobachtet?!

Wenn die Erde aufbricht

und das klare Wasser emporsteigt?!

Du fragst nach Kunst?

Die Inder sagen,

das Rauschen der Blätter

in den Baumkronen

sei das erste Gedicht,

das Plätschern des Flusses

der erste Gesang.

Die Sonne spiegelt sich

im Wasser, ein Funkeln,

wie tausend Diamanten.

Lege sie nachts

auf den schwarzen Samt

der Wasseroberfläche.

Du wirst reich sein!

Wassermassen still, warten,

bis ihre Zeit gekommen.

Sie stürzen sich in den Strom,

der alles mitreißt.

Hüte Dich vor der Masse,

sage es nur den Weisen,

sie werden verstehen.

Der Wasserfall,

kannst Du ihn hören?!

Das Spiel der Elemente,

die Luft lädt zum Tanze.

Der Sturz in die Tiefe,

der Lauf der Dinge,

niemand hält ihn auf.

Die Ruhe des Meeres

ist tückisch, glaube mir!

Vergiss die Tempestaden nicht,

in Bergen kehren wir zurück

zum Strand, um dort

tosend zu brechen.

Urgewalten …

Die Sonne wird brennen,

Wasser wird aufsteigen,

um herabzuregnen,

in der Erde zu versickern.

Wenn diese bricht,

kommt es wieder heraus,

sucht seinen Weg.

Die EU wird uns einen super Deal geben, es wird uns hinterher besser gehen. Eben das war die Natur des populistischen Kreuzzugs, genannt Brexit: Lügen, Verführung, Muskelspiele. Das rächt sich nun.

Weil das Kalkül nicht aufging, droht Premier Boris Johnson mit No Deal. Dass der Crash am 31. Oktober kommt, wird immer wahrscheinlicher, und die Rhetorik, mit der die neue Tory-Regierung das Land überzieht, wird immer martialischer und orwellhafter. Letzte Woche tagte gar das „Kriegskabinett“, das den vertragslosen EU-Ausstieg vorbereiten soll.

Die Wirtschaftsministerin lud Unternehmer, die den Brexit „begrüßen“ sollen, zu einem „optimistischen“ Gespräch. Der Finanzminister gab Milliarden Pfund für die Vorbereitungen frei, mit denen, unter anderem, die „größte Informationskampagne seit dem Krieg“ (dpa) finanziert werden soll. Ein Not-Haushalt im Herbst wird nicht ausgeschlossen.

Der neue britische Premierminister Johnson will die EU Ende Oktober verlassen – notfalls auch ohne Scheidungsabkommen. Das dürfte die Wirtschaft schwer belasten. Das Pfund fiel zuletzt schon auf den niedrigsten Stand seit 30 Monaten. Im britischen Parlament gab es bislang keine Mehrheit für einen No-Deal-Brexit. Einige Parlamentarier aus Johnsons konservativer Partei haben signalisiert, im Zweifel gegen den Premierminister zu stimmen, um einen Chaos-Brexit zu verhindern.

Die EU-Kommission hat den ausgehandelten Austrittsvertrag mit Großbritannien als „bestmöglichen“ (reuters.com) Deal bezeichnet und Nachverhandlungen ausgeschlossen.

Ein Brexit ohne Deal dürfte die britische Wirtschaft schwer belasten, hätte angesichts der engen Wirtschaftsbeziehungen zu dem bisherigen EU-Land aber auch Auswirkungen auf den Kontinent. Wohl aus diesem Grund hatte das britische Parlament einen No-Deal-Brexit abgelehnt.

Boris Johnson trommelt mit allen Mitteln für einen EU-Austritt ohne Vertrag. Doch die Kampagne geht nach hinten los. Vielen Briten wird jetzt erst bewusst, was der Brexit sie wirklich kostet.

Denn zusammen mit den blumigen Versprechen für eine gloriose Zukunft und der kriegerischen Sprache werden, wiewohl ungewollt, Informationen mitgeliefert, die das Bild vom „easy peasy“ (sueddeutsche.de) Brexit plötzlich trüben.

Farmer in Wales, die 2016 die „Kontrolle zurück haben“ wollten, wie der Slogan der Leave-Kampagne lautete, werden nervös. Zum ersten Mal realisieren die Schafzüchter, dass ihnen ein riesiger Markt wegbrechen, dafür aber hohe Zölle ins Haus stehen könnten. Zum ersten Mal wird den Bauern klar, dass die Subventionen vermutlich nicht, oder nur kurzfristig, von London übernommen werden. Sie lernen: Es geht um ihr Geld, um Existenzen.

Plötzlich wird im Königreich diskutiert, wie hoch der Preis wäre, wenn es zum äußersten käme. Bisher war das eine vage Möglichkeit, jetzt wird es realer. Und die Angst wächst.

Es war der Traum, Großbritannien zu alter Größe zurückzuführen, genährt von der Erinnerung an die vermeintlich guten Zeiten, als die Kolonialmacht die halbe Welt beherrschte. Und mit dem Slogan von „Global Britain“ (welt.de), das an die Stelle der Mitgliedschaft in der EU folgen sollte, appellierten viele konservative Politiker genau an diese Sehnsucht.

Der Traum ist geplatzt. Jetzt kommt der Knaller: In diesem Jahr wird die indische Volkswirtschaft aller Voraussicht nach die britische abhängen – ausgerechnet eine einstige Kolonie überrundet damit die frühere Kolonialmacht, die damit in der Liste der größten Volkswirtschaften einen weiteren Platz absteigt (focus.de). Das wirft ein Licht auf die wahren Kräfteverhältnisse in der Welt, eine Welt, in der Großbritannien allein um seinen Platz kämpfen muss.

In Wales, Nordirland und Schottland wächst der Widerstand gegen den Bexit. In Schottland wurde bereits vor einiger Zeit der Satz geprägt, schlimmer als aus Brüssel regiert zu werden sei aus London.

Wird die Queen nach einem harten Brexit einen Teil ihrer Untertanen verlieren, weil die Schotten, Nordiren oder Waliser unabhängige Staaten anstreben? Diese Frage ist im Moment schwer zu beantworten.

„Die Mehrheiten für diese Entwicklung sind am Horizont noch nicht sichtbar, aber nach einem harten Brexit ist sicherlich alles im Fluss. Die Dynamik wächst“ (Katy Hayward, Soziologin an der Queen’s University in Belfast/Nordirland gegenüber dem Sender France 24).

Indien will die Autonomierechte der Region Kaschmir beschneiden, um die das Land sich mit Pakistan streitet. Innenminister Amit Shah brachte am Montag im Oberhaus des Parlaments ein Gesetz ein, das die Aufhebung des in der Verfassung festgeschriebenen Sonderstatus für Jammu und Kaschmir vorsieht (nytimes.com).

Artikel 370 der Verfassung (wikipedia.org) garantiert dem indischen Teil Kaschmirs unter anderem eine eigene Verfassung, eine eigenen Flagge und weitgehende Kompetenzen mit Ausnahme namentlich der Außen- und Verteidigungspolitik. Der Staat Jammu und Kaschmir werde umorganisiert, sagte Amit Shah.

Kurz vor der Anordnung wurden führende Politiker in der Region unter Hausarrest gestellt, sowie Internet- und Telefonverbindungen unterbrochen (SPON). Dies ist der weitestgehende Vorstoß einer indischen Regierung zur Veränderung des Status quo in der Region in nahezu sieben Jahrzehnten. Er dürfte die Spannungen mit dem Nachbarland Pakistan erhöhen, das wie Indien Anspruch auf die gesamte Region Kaschmir erhebt.

Die beiden Atommächte Indien und Pakistan beanspruchen Kaschmir jeweils für sich und haben seit ihrer Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich im Jahr 1947 dreimal Krieg gegeneinander geführt. Die Regionalregierung von Kaschmir warnte letzte Woche vor einem bevorstehenden Angriff durch eine in Pakistan beheimatete Gruppe. Das Außendepartement EDA rät bereits seit längerer Zeit von Reisen in den indischen Teilstaat Jammu und Kaschmir ab.

Der seit 72 Jahren schwelende Konflikt zwischen Indien und Pakistan um das Grenzgebiet Kaschmir erreicht eine neue Spitze der Eskalationsstufe. Die indische Armee soll im Neelum-Tal, ein Teil Kaschmirs im pakistanischen Hoheitsgebiet Streumunition gegen unschuldige Zivilisten eingesetzt haben, so die pakistanische Armee neulich (merkur.de). Kurz darauf wurde im indischen Teil Kaschmirs eine Terrorwarnung ausgerufen. Touristen und Anwohner flüchten derzeit in Massen aus der bedrohten Region.

Historisch ist im Grunde genommen ein Konstruktionsfehler in der Trennung von Pakistan und Indien im Jahr 1947, der bis ins 19. Jahrhundert hineinreicht. Es geht um geopolitische Interessen zweier Länder (eigentlich dreier Länder, wenn man China mitrechnet), es geht um ethnisch/religiöse Zugehörigkeiten. Und neben dem Tauziehen zwischen Pakistan und Indien gibt es noch Unabhängigkeitsbestrebungen Kaschmirs. Ein Pulverfass!

Das Neelum-Tal liegt entlang der sogenannten Kontrolllinie, der faktischen Grenze zwischen Indien und Pakistan. Der Konflikt besteht, seitdem die indische Kolonie Großbritanniens im Jahr 1947 unabhängig wurde. Im Zuge dieser Unabhängigkeit wurde die Kolonie in Indien und Pakistan geteilt. Seitdem besteht der Konflikt um die Herrschaft über das Himalaya-Gebiet. Auch die Volksrepublik China erhebt Anspruch auf Teile des Gebiets.

Indien verdächtigt Pakistan, islamistische Kämpfer im indischen Teil Kaschmirs zu unterstützen. Die pakistanische Regierung in Islambad bestreitet dies (nzz.ch).

Vor einigen Monaten hatte Indien Angriffe auf pakistanisches Gebiet geflogen – erstmals seit dem Krieg 1971. Die Luftangriff hatte nach Darstellung der Regierung in Neu-Delhi einem Ausbildungslager einer Islamistengruppe namens Jaish-e-Mohammad gegolten, die einen Anschlag mit 40 Toten im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs für sich reklamiert hatte. Pakistan reagierte mit dem Abschuss zweier Luftfahrzeuge der indischen Luftstreitkräfte und bat jetzt die USA um Vermittlung in dem Konflikt.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die Menschen verstehen, wie sehr das Eskalieren der jetzigen Indien-Pakistan-Krise auch ihr Leben in Amerika oder Deutschland beeinflussen könnte. Bis jetzt sind es „nur“ Tausende von Urlaubern die festsitzen bzw. schon in Panik abreisen.

Doch schon ein Krieg mit 100 Atomsprengköpfen zwischen Indien und Pakistan würde der Erde einen nuklearen Winter bescheren.

Noch gibt es nur diese eine Erde und ihr Erhalt ist durchaus sinnvoller als der Verkauf von Waffen zur Steigerung des Bruttosozialprodukts.

Zum ersten Mal ist zwei Monate nach Ausbruch der Antiregierungsproteste in Hongkong ein großer Streik geplant. Tausende Hongkonger wollen am Montag ihre Arbeit niederlegen. Es waren vor allem städtische Angestellte, die sich aus Protest gegen den Kurs der Regierung versammelt hatten. Frauen und Männer also, deren oberste Chefin genau diejenige ist, gegen die sich die Massenproteste der vergangenen Wochen richten: Carrie Lam. Die Aktion soll die „starke Unzufriedenheit der Hongkonger Bürger mit der politischen Ungerechtigkeit auszudrücken“, hieß es in einer Mitteilung eines Aktivistenbündnisses, das zu der Aktion aufgerufen hatte.

Ausgangspunkt der Proteste in Hongkong war ein umstrittener Gesetzentwurf, inzwischen richtet sich der Unmut der Menschen vor allem gegen die Polizeigewalt bei den Protesten. Gestern waren Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Tausende Demonstranten bereiten sich heute auf zwei weitere Protestmärsche am Nachmittag vor.

Wie viel Demokratie man Hongkong gestatten will, ist in der Zentralregierung seit Langem umstritten. Doch niemand in Peking will die politische Kontrolle über Hongkong verlieren. Die parteiinterne Presse lässt sogar eine noch sehr viel härtere Linie hervortreten. Was nicht bedeutet, dass Peking plant, das Militär zur Wiederherstellung der Ordnung zu entsenden. Parteichef Xi Jinping wird sich wohl weiter auf die Hongkonger Polizei und die Hongkonger Regierung stützen.

Parolen und Politik von Xi unterscheiden sich nicht: kein Blutvergießen, keine Konzessionen! Das ist ein schmaler Grad für die Zentralregierung. Sie hat die Lehre vom Tiananmen gezogen, dass sie einen Einsatz der Armee mit allen Mitteln verhindern will, daher der zunehmend „orwellsche Charakter“ (SPON) der chinesischen Gesellschaft. Doch Hongkong bleibt eine offene, kosmopolitische Gesellschaft. Gegen sie wird man nicht die brutale Gewalt der Kalaschnikows anwenden. Umso öfter sieht man aber jetzt die bewaffnete Hongkonger Polizei, die übrigens von der Volksarmee abhängt, mit Tränengas, Wasserwerfern und Bulldozern im Einsatz.

In der Finanzmetropole gibt es seit fast zwei Monaten immer wieder Märsche und Kundgebungen mit Hunderttausenden Teilnehmern. Auslöser war ein umstrittener Gesetzentwurf zur Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an China. Später weiteten sich die Proteste zu einer Bewegung gegen die pro-chinesische Regierung und die Polizei aus. Immer wieder kam es bei den Demonstrationen zu schweren Zusammenstößen zwischen Teilnehmern und der Polizei.

Die Massenproteste erreichen trotz der Warnungen inzwischen weite Teile der Bevölkerung – Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und jeden Alters. Die von der chinesischen Staats- und Parteiführung eingesetzte Regierungschefin der Sonderverwaltungszone Carrie Lam lehnt bisher jegliche Zugeständnisse ab. Die Staatsführung in Peking bezeichnet die Proteste in Hongkong als „gesellschaftliche Unruhen“, sie spricht von Chaos und Krawallen.

Hongkongs Regierungschefin Lam hat das umstrittene Gesetz mittlerweile für „tot“ erklärt. Seitdem hat sich der Protest zu einer breiteren Bewegung gegen die Regierung und die Polizei entwickelt, der ein zu hartes Vorgehen gegen die Demonstranten vorgeworfen wird. Viele Menschen befürchten einen zunehmenden Einfluss der Zentralregierung in Peking und fordern demokratische Reformen.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ (wikipedia.org) als eigenes Territorium autonom regiert. Anders als die Menschen in der Volksrepublik genießen die Hongkonger das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.

Manche vermuten dahinter ein verstecktes Motiv: Das sei, Hongkong in große Unruhen zu stürzen. Wenn sich Hongkong in einem chaotischen Zustand befände, könnten die USA China verunsichern, während Taiwaner, die für die Unabhängigkeit seien, sagten,, dass das Konzept „ein Land, zwei Systeme“ sei für Taiwan nicht anwendbar, weil dies in Hongkong zum Misserfolg führe (german.china.org.cn). Aufgrund des raschen Aufstiegs Chinas sehen die USA China immer als große Bedrohung an. Wenn in Hongkong Unruhen herrschten, verlöre die Stadt ihre Funktion, zur Entwicklung des Landes beizutragen, der Handelsstreit sei somit eine der Taktiken der USA, das Land zu verunsichern. Darüber hinaus könnten die USA und andere westliche Mächte China dafür kritisieren, dass das Land nicht genug dafür tue, die Umsetzung des Konzepts „ein Land, zwei Systeme“ über 50 Jahre hinweg unverändert aufrechtzuerhalten.

In der Weimarer Nationalversammlung bestand im Sommer 1919 die Überzeugung, mit der neuen Reichsverfassung die „demokratischste“ aller Verfassungen geschaffen zu haben. Um eine umfassende demokratische Partizipation zu gewährleisten, vermieden die Väter (und wenigen Mütter) der Verfassung die Festlegung auf eine rein parlamentarische Demokratie. Zwar sollte der Reichstag künftig die eindeutige Priorität der politischen Willensbildung besitzen, zugleich aber bestand die Befürchtung eines möglichen „Parlamentsabsolutismus“.

In der frühen Bundesrepublik wurden Weimar-Erfahrungen neu konstruiert, um das eigene, strikt repräsentative System und die tragenden Parteien zu legitimieren. Wie Fritz René Allemann 1956 (nzz.ch) konstatierte, war Bonn nicht Weimar, und Bonn sollte auch nicht Weimar werden. In dem Masse, in dem die Westdeutschen mit der Bundesrepublik eine stabile Demokratieerfahrung machten, die so ganz anders verlief als in der Weimarer Republik, stieg das Bedürfnis, sich von der trüben Vergangenheit abzugrenzen. Erst in den 1980er Jahren begann sich diese vorherrschende, eher negative Sicht auf die Weimarer Republik allmählich aufzulösen.

Ohne Superlativ ging es nicht: „Die deutsche Republik ist fortan die demokratischste Demokratie der Welt“, rief Reichsinnenminister Eduard David (SPD) am 31. Juli 1919 euphorisch in die Reihen der Nationalversammlung. Daraufhin schollen „Bravo!“-Rufe durch das Weimarer Nationaltheater.

Die demokratischste Verfassung? Vielleicht – aber dennoch eine, die nur wenige Jahre funktionierte. Warum? Schon in ihrem ersten Proseminar über die Zwischenkriegszeit lernen Geschichtsstudenten eine Antwort als leicht zu merkendes Bonmot: „25 48 53 – unter dieser Nummer erreichen Sie das Ende der Weimarer Republik“.

Gerade diese drei Artikel waren eigentlich „Erbstücke“ aus der Verfassung des Kaiserreiches. Sie schrieben traditionelle Rechte des Monarchen „von Gottes Gnaden“ fort, die schon 1871 zu einem parlamentarischen System mit einer gewählten Volksvertretung (wenn auch nur Männer über 25 Jahre abstimmen durften) nicht gepasst hatten.

In vielen Einzelfragen war die Weimarer Verfassung modern – beispielsweise was das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Frauen anging oder auch in dem Bemühen, die Stimme jedes Wählers gleich zu gewichten (was zu einem wilden Potpourri kleiner Fraktionen führte). Doch gerade was die drei Artikel 25, 48 und 53 anging, wirkten ältere Gewohnheiten nach.

Als am 31. Juli 1919 die Weimarer Reichsverfassung beschlossen wurde, war – zumindest auf dem Papier – ein besonders anspruchsvolles Arbeitsziel erreicht: das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen wurde neu geregelt. Nach Jahrhunderten blutiger Religionskriege in Europa. Nach eineinhalb Jahrtausenden, in denen weltliche und geistliche Macht miteinander verflochten waren.

Die Verbindung von Thron und Altar hat eine lange Tradition. 380 n. Chr. wurde das Christentum Staatsreligion. Diese Verbindung blieb das gesamte Mittelalter hindurch bestehen, bis in die Neuzeit, bis ins 20. Jahrhundert. 1918 endete die Monarchie, Kaiser Wilhelm II. ging ins Exil. Damit dankte nicht nur ein weltliche Herrscher ab, sondern auch ein religiöses Oberhaupt, denn Wilhelm II. war zugleich oberster Bischof der evangelischen Kirche Preußens (deutschlandfunk.de).

Jetzt feiert Deutschland 100 Jahre Verfassungsstaat und die Demokratie. Die „Verfassung des Deutschen Reichs“ vom 11. August 1919, nach dem Ort ihrer Unterzeichnung, dem Weimarer Nationaltheater, auch „Weimarer Reichsverfassung“ genannt, bildete die Basis für die erste parlamentarische Demokratie in Deutschland.
Die Verfassung etablierte das deutsche Volk als Souverän. Mit den Reichsfarben Schwarz, Rot und Gold nahmen die „Väter der Verfassung“ Bezug auf die Farben der Revolution von 1848. Daneben verdanken wir der Weimarer Reichsverfassung u. a. die Volkssouveränität und die Gewaltenteilung, das Frauenwahlrecht, die Koalitionsfreiheit und den Sozialstaat.

„Bonn und Berlin sind nicht Weimar“, heißt es oft. Gemeint ist damit die Annahme, dass das Grundgesetz ein Abgleiten in die Barbarei ausschließt, dass das Grundgesetz die Lehren aus dem Scheitern der Weimarer Republik gezogen hat und die Machtübernahme autoritärer Parteien verhindert.