Silvester 2016 in Köln. Die Bilanz:

Die Polizei nahm 27 Menschen mit Verdacht auf Straftaten vorläufig fest. Insgesamt 114 Strafanzeigen gingen bis Neujahr ein, darunter sieben Sexualdelikte, teilweise in Verbindung mit Diebstählen.

Die Bundespolizei nahm weitere 50 Strafanzeigen auf, darunter vorwiegend Diebstähle, Körperverletzungen durch Pyrotechnik, und außerdem vier sexuelle Belästigungen von Frauen.

In der Kölner Silvesternacht 2015 waren Hunderte Frauen begrapscht, beklaut und sexuell missbraucht worden. Im Jahr danach waren deutlich mehr Polizisten im Dienst.

Vor allem im Bereich des Hauptbahnhofes setzten sie mehrere hundert Männer fest oder sprachen Platzverweise aus. Nach Angaben der Polizei traten diese Männer aggressiv auf und waren meist nordafrikanischer Herkunft.

Der Großeinsatz und die damit verbundene Behördenbezeichnung „Nafris“, was polizeiintern für „nordafrikanische Intensivtäter“ steht, hatte am Montag eine parteiübergreifende Rassismus-Debatte ausgelöst.

Am Montag veröffentlichte die „Bild“ polizeiinterne Dokumente, wonach zu den Nafri-Staaten Ägypten, Algerien, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien und Tunesien zählen. Darin heißt es auch, dass es sich bei „Nafris“ um kriminelle Banden handelt – vorwiegend Männer, die als Intensivstraftäter, nicht nur in Köln, sondern bundes- und europaweit agieren. „Das Klientel verhält sich äußerst aggressiv auch gegenüber einschreitenden Polizeibeamten und Mitarbeitern der Stadt.“

Eigentlich sollte dieser interne Begriff auch nicht in Polizeimeldungen auftauchen. Beim Twitter-Kanal der Kölner Polizei erschien er in der Silvesternacht dann aber doch – angeblich, um Zeichen zu sparen.

Mit solchen verallgemeinernden Begriffen, besteht die Gefahr, Stereotype zu erzeugen: von den gefährlichen Menschen aus Nordafrika.

Grünen-Chefin Peter stellte in diesem Zusammenhang die Verhältnis- und Rechtmäßigkeit des Großeinsatzes als Ganzem in Frage, da „insgesamt knapp tausend Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt“ worden seien.

Der Gebrauch von „herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie ‚Nafris‘ durch staatliche Organe wie die Polizei“ sei „völlig inakzeptabel“, sagte Peter.

Özdemir sagte Anfang der Woche, für ihn sei die Debatte um die Nutzung des „Nafri“-Begriffs durch eine entsprechende Entschuldigung des Kölner Polizeipräsidenten erledigt. Jener hatte die Verwendung des Begriffes als „unglücklich“ bezeichnet – die Kontrollen selbst aber verteidigt.

Auch andere Parteikollegen positionierten sich deutlich vorsichtiger als Peter. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckart sagte, Polizeipräsident Mathies habe durch seine Entschuldigung gezeigt, „dass er sich der Risiken von Racial Profiling bewusst ist“.

Was ist „Racial Profiling“?

Der Begriff kommt aus den USA und wird von der Polizei verwendet. Er bedeutet in etwaethnische Fahndung“ – es geht darum, bei Kontrollen vor allem Menschen mit bestimmten Merkmalen ins Visier zu nehmen.

Kritiker halten das „Racial Profiling“ daher für rassistisch: Es macht pauschal alle Menschen eines bestimmten Hauttyps zu Verdächtigen und grenzt sie von der Mehrheitsgesellschaft ab (European Network Against Racism). Das Oberverwaltungsgericht Koblenz (vom 29.10.2012, Aktenzeichen: 7 A 10532/12.OVG) erklärte die Kontrollmethode in der Vergangenheit für rechtswidrig.

Darf die Polizei Personen anhalten und befragen?

Die Polizei muss immer einen Grund benennen, wenn sie Personen kontrolliert. Dabei muss es sich aber nicht immer um einen konkreten Verdacht handeln. Unter bestimmten Umständen sind auch präventive Kontrollen zur Gefahrenabwehr erlaubt. Sie dienen nicht der Verfolgung einer Straftat, sondern sollen sie verhindern.

Dabei reicht es aus, dass an einem bestimmten Ort von einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit auszugehen ist – zum Beispiel bei Demonstrationen, bei welchen mit Ausschreitungen gerechnet werden muss, Drogenumschlagsplätzen oder – aus aktuellem Anlass – bei Silvesterfeiern in Köln, Nähe Hauptbahnhof.

Fazit: Personenkontrollen zwecks Vermeidung von Straftaten sind erlaubt – eine Eingrenzung der befragten Personen nach bestimmten Merkmalen (z.B. Hauttyp) ist rechtswidrig.

 

 

„Ja zur Demokratie – Nein zum Staatsstreich“: Unter diesem Motto ruft unter anderem die Union Deutsch-Türkischer Demokraten (UETD) für den heutigen 31. Juli zur Demonstration in Köln auf. In Nordrhein-Westfalen wohnt rund ein Drittel der türkischstämmigen Menschen in der Bundesrepublik. Deswegen finden hier immer wieder Demonstrationen und Kundgebungen türkischer Politiker und Interessenvertretungen statt. Der türkische Präsident Erdogan ließ sich hier 2014 von 20.000 Anhängern feiern.

Die Demonstration richtet sich offiziell gegen den Putschversuch einiger Militärangehöriger in der Türkei vor zwei Wochen. Die Kölner Polizei geht aber davon aus, dass sich dort hauptsächlich Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan versammeln. Die UETD gilt als Auslandsvertretung der türkischen Regierungspartei AKP. Eine Videoübertragung nach Ankara verbot das Oberverwaltungsgericht, am Samstagabend bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot letztinstanzlich. Auch eine Rede Erdogans darf nicht live nach Köln übertragen werden.

In den vergangenen Tagen war immer wieder die Rede davon gewesen, dass Regierungsmitglieder nach Köln kommen werden – bis hin zu Erdogan persönlich. Die Polizei hat von den Veranstaltern keine offizielle Rednerliste bekommen.

Man rechnet bei den Sicherheitsbehörden mit mehr als 30.000 Teilnehmer, teilweise „hoch emotionalisiert“. 2.700 Beamte sind im Einsatz, darunter auch türkischsprachige. Die Sicherheitslage wird insbesondere dann als bedenklich eingestuft, wenn Mitglieder der türkischen Regierung an der Demonstration teilnehmen. Dann könnte die gesamte Demo verboten werden.

Vertreter der türkischen Regierung werfen den deutschen Behörden wiederum vor, die Demonstration mit Tricks verhindern zu wollen. Weil ein Verbot kaum Aussicht auf Erfolg hätte, versuche man die Demo mit anderweitigen Repressalien zu verhindern. Plötzlich sprängen Lieferanten ab, Dienstleister stornierten fest gebuchte Verträge. Das werfe kein gutes Licht auf das derzeitige Demokratieverständnis in Deutschland, sagte unter anderen ein Menschenrechtsbeauftragter der türkischen Nationalversammlung.

Präsident Erdogan beschuldigt Deutschland, die Meinungsäußerungen türkischer Staatsbürger und Deutscher mit türkischen Wurzeln zu unterdrücken. Diese würden an Demonstrationen gehindert und dürften mancherorts nicht einmal die türkische Fahne an ihren Häusern hissen. Die Behörden haben immerhin die Großdemonstration am Sonntag genehmigt.

Es ist ein unvorstellbarer Affront, wenn Vertreter von Staaten, wie derzeit der Türkei, die im Begriff sind, ihre demokratischen Grundsätze aufzugeben, anderen Demokratien vorwerfen, man halte sich nicht an demokratische Prinzipien.

Hintergrund ist nicht zuletzt, dass Präsident Erdogan hofft, auch in der Bundesrepublik lebende Landsleute für seine Politik mobil machen zu können. Nicht auf deutscher Seite liegt mit dem Verbot der Live-Schaltung von Erdogans Rede eine Verstoß gegen demokratische Prinzipien vor; es ist vielmehr so, dass der türkische Präsident die politische Infrastruktur Deutschlands für seine Zwecke instrumentalisieren möchte.

Doch Erdogan-Anhänger werden nicht die einzigen sein, die auf die Straße gehen. „Erdowahn stoppen“ heißt die größte Gegendemonstration, die die Jugendorganisationen von SPD, Grünen, Linken und FDP angemeldet haben. Im Vergleich zur Pro-Erdogan-Demonstration ist die Teilnehmerzahl sehr gering. 1.500 Menschen werden erwartet. Die Gegendemonstranten wollen sich nicht auf die Seite der türkischen Putschisten stellen – sondern gegen Einschüchterungen, Verhaftungen und Gewalt gegen Erdogan-Gegner in der Türkei und Deutschland demonstrieren.

Auch rechte und linke Gruppen wollen am Wochenende in Köln demonstrieren.

Gegen die Rechten und die Anhänger des türkischen Präsidenten demonstriert das Bündnis „Köln gegen Rechts“ mit voraussichtlich 500 Teilnehmern. Weder Putsch noch Diktatur unterstütze man. „Für Demokratie, Gleichheit, Freiheit und Solidarität hier und in der Türkei!“, schreibt das Bündnis auf seiner Webseite.

Schließlich: Dass bei den deutschen Rechten die obligatorische Hetze gegen den Islam nicht fehlen dürfe, verstehe sich von selbst. Das Problem sei nicht der Islam, sondern der diktatorische Wille eines Partners von BRD und EU. Je weiter die Meinungen hier auseinander gehen, um so weiter rückt auch ein Beitritt der Türkei zur EU in nicht greifbare Ferne.