Aus Deutschland wurde die Türkei in den vergangenen Jahrzehnten reichlich mit Leopard-Panzern bedacht. Schon die von Helmut Kohl geführte schwarz-gelbe Bundesregierung lieferte ab den 1980er Jahren 424 Kampfpanzer zweier Modellreihen aus Beständen der Bundeswehr an das türkische Militär. Alle Lieferungen wurden als „deutsche Nato-Verteidigungshilfe“ deklariert. Es war ein guter Deal: Die Bundeswehr konnte ausmisten, die Türkei bekam einen guten Preis.
Es fällt in diesen Tagen leicht, dem Westen Verrat an den Kurden vorzuwerfen. Natürlich ist es auch naheliegend, jetzt wieder die Rüstungsexporte im allgemeinen und die deutschen an die Türkei im Besonderen anzuprangern. Schließlich präsentiert sich der türkische Präsident Erdogan nicht erst seit dieser Woche als Despot. Dazu passt, dass er die Türkei jetzt ausgerechnet durch jene von den USA erst hochgerüsteten syrischen Kurden so sehr bedroht sieht, dass er diese „Terroristen“ in einem Angriffskrieg auslöschen will. Doch so einfach ist es nicht.
Wie jeder Angriffskrieg beginnt auch dieser mit Fake News. Allein der Begriff „Operation Olivenzweig“ ist an Verlogenheit kaum zu übertreffen. Denn es handelt sich nicht um eine „Operation“, sondern schlicht um einen Angriffskrieg.
Der Begriff „Angriffskrieg“ bezeichnet das militärische Eindringen eines Staates in fremdes Territorium, ohne dass der Angreifer (oder ein verbündeter Staat) entweder von dem angegriffenen Staat vorher selbst angegriffen worden wäre, ein solcher Angriff unmittelbar bevorstünde oder der angegriffene Staat dem Angreifer den Krieg erklärt hätte oder Teile seines Territoriums besetzt hielte (Wikipedia).
Zur Definition eines Angriffskrieges gehört die Festlegung eines Angreifers, aus der Sicht des Angegriffenen handelt es sich um einen Verteidigungskrieg. Seit dem „Briand-Kellogg-Pakt“ von 1928 sind Angriffskriege völkerrechtlich geächtet.
Festzuhalten bleibt: Ein kriegerischer Feldzug, dessen eindeutiges Ziel die Eroberung eines fremden Territoriums ist, hat absolut nichts mit dem antiken Symbol für Frieden zu tun.
Der Präsident der Türkei behauptet, der Feldzug diene der Sicherheit seines Landes und stehe „im Einklang mit dem Internationalen Recht“. Mitnichten! Die Sicherheit der Türkei war und ist durch die Existenz eines von syrischen Kurden verwalteten Gebietes auf dem Territorium des Staates Syrien in keinem Moment bedroht worden. Man muss schon sehr viel Fantasie aufbringen, um zu behaupten, ein Eroberungskrieg gegen ein Nachbarland sei mit dem Völkerrecht vereinbar.
Falsch ist auch – wenn auch zum Teil in westlichen Medien verbreitet -, dass es sich bei dem attackierten Gebiet um eine „kurdische Enklave“ handelt. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass der Kanton Afrin, in dem syrische Kurden mit offensichtlicher Billigung sowohl der syrischen Regierung als auch der USA und Russlands eine Selbstverwaltung organisieren, kein „fremdstaatliches Gebiet im eigenen Staatsgebiet“ ist. Die Falschmeldung unterstützt lediglich Ansprüche auf fremdes Territorium.
Schätzungen über die Kosten für den Wiederaufbau nach dem Krieg in Syrien belaufen sich auf 100 Milliarden bis 1 Billion US-Dollar. Der Wiederaufbau des Landes ist ein vielversprechendes Geschäft. Davon, dass sie buchstäblich über Leichen geht, profitiert die globale Rüstungsindustrie, die unter anderem 2015 Umsätze in der Höhe von 370 Milliarden US-Dollar erwirtschaftete (Frankfurter Rundschau 05.04.2017).
Internationale Rüstungskonzerne verkaufen laut AFP wieder mehr Waffen. Die Waffenverkäufe und militärische Dienstleistungen nahmen im vergangenen Jahr erstmals seit 2010 wieder zu (Friedensforschungsinstitut Sipri). US-Konzerne sind weltweit mit Abstand die größten Waffenhändler. Europäische Firmen verkauften im internationalen Vergleich in etwa gleich viele Rüstungsgüter wie 2015. Die führenden deutschen Unternehmen legten um 6,6 Prozent zu und erzielten insgesamt sechs Milliarden Dollar.
Der Export der deutschen Leopard-Panzer begann vor 35 Jahren. 1982 und 1984 wurden die ersten 71 „Leopard I“ als „NATO-Verteidigungshilfe“ an die Türkei geliefert. 320 weitere folgten zwischen 1990 und 1993. Die Rüstungshilfe erfolgte ausschließlich zur Landesverteidigung und damit auch zur Verteidigung des NATO-Bündnisgebiets. Das wurde damals auch in einer sogenannten Endverbleibsklausel festgeschrieben.
Die Nutzung der Panzer zu anderen Zwecken – etwa zu einer Offensive wie der jetzt in Syrien – wurde der türkischen Armee untersagt. Es ist eine mahnende Aufgabe an die Bundesregierung, die Einhaltung dieser Vereinbarung nun einzufordern.