Der Supreme Court der Vereinigten Staaten hat die Hinrichtung eines wegen Polizistenmordes zum Tode verurteilten dementen Mannes diese Woche im letzten Augenblick ausgesetzt. Der 67-jährige Vernon Madison, der just an diesem Tage mit einer Giftspritze exekutiert werden sollte, war für schuldig befunden worden, 1985 in Mobile im US-Bundesstaat Alabama einen Polizisten getötet zu haben. Er sitzt seit mehr als 30 Jahren in der Todeszelle.

Richter Clarence Thomas erklärte, die Vollstreckung des Todesurteils sei „bis auf Weiteres ausgesetzt“. Nach Angaben der Anwälte Madisons erlitt ihr Mandant in den vergangenen zwei Jahren mehrere Schlaganfälle. Er sei blind, könne ohne Hilfe nicht gehen und leide an Sprachstörungen, sowie Inkontinenz.

An den Grund seiner Verurteilung zum Tod könne er sich nicht mehr erinnern. Jemanden unter solchen Umständen hinzurichten, ist nach Ansicht der Verteidiger eine ungewöhnlich grausame Strafe und gemäß der US-amerikanischen Verfassung untersagt.

Im Prozess gegen Madison hatte die Jury seinerzeit lebenslange Haft empfohlen. Der damalige Richter setzte sich jedoch darüber hinweg und verhängte über den Angeklagten die Todesstrafe. Gemäß einem im Jahr 2017 in Alabama verabschiedeten Gesetz haben Richter nicht mehr die alleinige Vollmacht über die Entscheidung betreffend Todesurteile.

Die Europäische Union hatte sich zuvor in einem Appell für Madison eingesetzt. Zur Begründung hieß es, jemanden in dieser geistigen Verfassung hinzurichten, wäre ein Verstoß gegen die Menschenrechte.

In einem zivilisierten Land wie den USA wird die Todesstrafe religiös begründet. Hier sollen die Angehörigen der Opfer und des Täters eine Art Katharsis erfahren, indem sie dem Verurteilten bei seinem letzten Atemzug zuschauen. Der Ruf nach der Todesstrafe ist am deutlichsten, wo die christliche Moral am lautesten gepredigt wird. Geographisch liegen die Gebiete mit den meisten Exekutionen vor allem im so genannten „Bible Belt“, dem Bibel-Gürtel, der die Südstaaten von Texas bis Florida umschließt.

Der legalisierte „Lynchstrick“, der schon zur Zeiten der Sklaverei praktiziert wurde, wird immer noch als Mittel für ungelöste gesellschaftliche Probleme, wie soziale Verelendung und daraus resultierender Gewalt, genutzt. Todesstrafe ist faktisch Rassismus, laut dem „Death Penalty Information Center“ werden fast vier Mal so viele Farbige hingerichtet wie Weiße. Dabei sind Farbige und Weiße unter den Opfern in etwa gleich stark vertreten. Es sind vor allem die armen Delinquenten, die sich zu ihrer Verteidigung keinen Anwalt leisten können. Sie sind mit 90 Prozent von der Todesstrafe überproportional bedroht.

In Diktaturen, wie beispielsweise China, ist dies anders. Die Todesstrafe dient hier vor allem der Machtausübung und -sicherung. Zur Wahrung der fragilen, sozialen Stabilität setzt der diktatorische Staat bei verschiedenen Delikten auf die vermeintlich abschreckende Wirkung dieser Strafart.

Die religiöse Begründung der Todesstrafe geht zurück bis weit ins Mittelalter. Diese gedankliche Struktur wurde quasi von Europa im Zuge der großen Auswanderungen in die Vereinigten Staaten importiert.

Im Mittelalter – als die Menschen die Welt religiös erklärten – lebte man für das „Himmelreich“. Das Dasein auf der Erde war lediglich ein Durchgangsstadium, vielleicht auch eine Prüfungsphase für das sogenannte „Paradies“. In dieser Zeit war auch die Macht der Kirche sehr stark. Man erinnere sich nur an den Gang nach Canossa durch Heinrich IV im Jahre 1076/77.

Auf Übeltäter, wie Mörder, Ketzer, Hexen usw., wartete seitens der Inquisition die Todesstrafe in Form des Scheiterhaufens. Man legitimierte das mit der reinigenden Kraft des Feuers als einem der vier Grundelemente. Die Seele der Delinquenten sollte gereinigt werden für das Leben nach dem Tode. Nicht durch den Verbrennungsvorgang an sich; eine theologische Ansicht vertritt, dass im Angesicht des Todes der Sünder seine Vergehen bekenne und die Seele dann unbelastet, geläutert, ins Himmelreich gehe. Was ist dann mit Delinquenten, die nicht bereuen? Darf man diese – kirchlich oder auch stattlich legitimiert – töten? Wohl nicht!

Warum tötet eine Gesellschaft? Forensische Psychiater unter anderen sehen in der Praxis der Todesstrafe den Vorgang der Abspaltung einer Gesellschaft vom Bösen. Das Ganze ist ein Akt der „Ritualisierung“ und „Dämonisierung“, durch den Tod symbolisch ausgelöscht; In der naiven Vorstellung, die Welt würde um ein Böses ärmer.

Viel archaische Vorstellungen … Die Todesstrafe passt nicht mehr in unsere postmoderne Gesellschaft.

Das oberste Gericht der Vereinigten Staaten hat richtig entschieden.

In der Türkei kommt es nach dem gescheiterten Putschversuch zu massiven Eingriffen in Militär und Justiz. Der Staatsapparat begann umgehend mit der von Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigten „Säuberung“.

Insgesamt 2.700 Richter wurden bereits abgesetzt – fast ein Fünftel der schätzungsweise rund 15.000 Richter in der Türkei. Nicht nur mutmaßliche Unterstützer des Putsches, sondern auch völlig unbeteiligte Kritiker Erdogans wurden festgenommen.

Offiziellen Angaben zufolge wurden in einer ersten Aktion auch mehr als 2.800 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen. Fünf Generäle und 29 Oberste sollen Regierungskreisen zufolge ihrer Posten enthoben worden sein. Mittlerweile wurden rund 6.000 Menschen inhaftiert.

In mehreren Städten in der Türkei hielten Zehntausende Menschen in der Nacht zum Sonntag „Wachen für die Demokratie“ ab. Türkische Medien berichten von Siegesfeiern nach dem gescheiterten Putschversuch in Städten vom Westen bis zum Südosten des Landes. Bilder zeigen jubelnde und fahnenschwenkende Menschenmassen in der Hauptstadt Ankara.

Bei dem versuchten Umsturz wurden nach offiziellen Angaben in der Nacht mindestens 265 Menschen (161 regierungstreue Sicherheitskräfte oder Zivilisten und 104 Putschisten) getötet und mehr als 1.000 verletzt.

Die Putschisten wollten nach eigenen Angaben Demokratie und Menschenrechte und die verfassungsmäßige Ordnung wiederherstellen. Acht türkische Soldaten setzten sich mit einem Militärhubschrauber nach Griechenland ab und beantragten politisches Asyl. Sie sollen möglicherweise ausgeliefert werden.

Erdogan kündigte eine „vollständige Säuberung“ des Militärs an. Er bezeichnete den Freitagnacht gestarteten Putschversuch als einen „Segen Gottes“.

Über die Einführung der Todesstrafe könne im Parlament gesprochen werden, sagte Erdogan vor Anhängern. Es sei auch nicht nötig, sich dafür von irgendwoher eine Erlaubnis einzuholen. Für viele Politiker, insbesondere der Opposition, klingt das beängstigend. Erdogan baut ein autoritäres System auf, was die deutsch-türkischen Beziehungen erheblich belasten wird.

Erdogan machte die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich und kündigte Vergeltung an. Gülen, nach einem schweren Zerwürfnis 2013 einer von Erdogans Erzfeinden, lebt in den USA und bestritt die Vorwürfe. Er verurteilte die Aktionen scharf.

Erdogan verlangte von den USA die Auslieferung oder Festnahme von Gülen. US-Außenminister Kerry wies in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu Behauptungen über eine Verwicklung der USA in den gescheiterten Putschversuch energisch zurück.

Bundespräsident Joachim Gauck sagte: „Meine Erwartung an die türkische Regierung besteht darin, dass bei der Aufarbeitung dieses ganzen Geschehens die rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätze gewahrt werden.“

Die Hintergründe des Putsches sind folgende:

Die türkische Armee sieht sich traditionell als Hüter des säkularen Staates. Schon lange gibt es deswegen ideologische Konflikte zwischen der Armee und der von Erdogan ausgehenden Islamisierung des Staates. Lange sah es so aus, als könne Erdogan den Widerstand aus den Reihen der Generäle unterdrücken. Jetzt zeigt sich, dass dem nicht so ist. Einflussreiche Generäle und Offiziere berufen sich auf die säkularen Ideen des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk und stellen sich damit gegen Erdogan.

In den Augen vieler Türken und vor allem vieler Eliten des Landes ist Erdogan für die Destabilisierung der Türkei verantwortlich. Die türkische Gesellschaft ist zutiefst gespalten. Zuletzt wurde das während der Massenproteste im Jahr 2013 deutlich. Trotz der gesellschaftlichen Spaltung verweigert Erdogan jeglichen Dialog und macht eine Politik nur für die eigenen Unterstützer, welche nur etwa die Hälfte der türkischen Gesellschaft ausmachen.

Allein der Gedanke, dass ein Putsch der Militärs Menschenrechte und demokratische Zustände wahren soll, stellt unser ganzes Denken hinsichtlich dieser beiden Institute auf den Kopf.

Der Boston-Bomber wurde zum Tode verurteilt. Er soll durch die Giftspritze sterben. Menschen, die ein Verbrechen begangen haben, werden in manchen Staaten, je nach Delikt, zum Tode verurteilt. Das bedeutet nichts anderes, als dass dieser Mensch sein Leben verwirkt hat aufgrund seiner Tat. Hierüber hat ein Richter zu befinden. Kein Polizist, Beamter oder auch Staatsanwalt. Ist die Todesstrafe heute noch argumentativ haltbar? Resultiert sie nicht aus einem Gefühl der Rache? Der Mob (lat.: mobile vulgus – wankelmütiges gemeines Volk) lyncht nicht unkontrolliert, die Verurteilung und auch die Vollstreckung erfolgt geordnet durch Staatsorgane. Und dennoch: viele zweifeln den Sinn und auch die Berechtigung der Todesstrafe an. Selbst in den USA wird sie nicht in allen Staaten angewandt. Die Bundesrepublik hat sie im Grundgesetz gemäß Artikel 102 schon im Jahr 1949 abgeschafft. Unter anderem in der Hessischen Landesverfassung, dortiger Artikel 21, ist sie hingegen noch verankert. Keine Angst! Die hessische Verfassung ist aus dem Jahre 1946, also vorkonstitutionell, d. h. sie entstand vor dem Grundgesetz. Da Bundesrecht Landesrecht bricht, wenn eine gegenteilige Regelung vorliegt, gilt die Todesstrafe in Deutschland also als abgeschafft; auch in Hessen!

Gründe für die Aufrechterhaltung der Todesstrafe:

  1. Aufrechterhaltung der staatlichen Rechtsordnung. Frage: muss man einen Menschen töten, um die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten? Nein! Unser Strafvollzug baut auf dem Prinzip Resozialisierung auf. Der Täter wird quasi „geheilt“, um wieder in die Gesellschaft entlassen zu werden. Zugegeben: dem Opfer und seinen Angehörigen nutzt das nichts mehr.
  2. Prävention. Der Einzelne und auch die Gemeinschaft sollen durch eine vollzogene Todesstrafe abgeschreckt werden! Wenn Du jemanden umbringst, wirst Du auch getötet! Frage: hat das je einen Mörder von der Tat abgehalten? Nein! Jeder begeht im Zeitpunkt der Tat nach seiner Meinung das „perfekte Verbrechen“.
  3. Archaische Motive: Entfernung des Täters aus der Gemeinschaft. Das geht auch mit der Verbannung, man muss ihn nicht gleich umbringen.

Rache, „Auge um Auge!“. Der staatliche Strafvollzug soll ja gerade privates Lynchen unterbinden. Man könnte es nicht mehr kontrollieren, eine unendliche Mordserie wäre der Fall. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, der biblische Grundsatz, ist kein Muss. Er ist eine Grenze: Schlägt mir jemand einen Zahn aus, dann darf ich ihm nicht zwei ausschlagen oder ihn gar töten. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit steckt hierin. Der Grundsatz wird immer wieder falsch gelesen. Oft wird gesagt, wer tötet, müsse auch getötet werden. Er kann, er muss nicht! Die Tat wird gespiegelt am Körper des anderen, direkt oder indirekt. Wer mir 100,– € stiehlt, dem nimmt man auch 100,– €. Das ist direkte Spiegelung. Indirekt heißt, man hackt dem Dieb die Hand ab. Er wird stigmatisiert!

  1. Religiöse Motive: Sie kommen aus dem Mittelalter. Die Seele muss geläutert in den Himmel eintreten. Man muss die Seele des Täters reinigen, ihm helfen, dass er gereinigt vor Gott tritt. Kurz vor der Vollstreckung bereue der Täter seine Sünden und begebe sich in die Hand Gottes. Es ging einzig und allein um die Seele des Täters, nicht um seinen Körper. Wie gesagt: Mittelalter! Was ist heute mit Atheisten? Wie kontrolliere ich die Reue eines Täters, bevor ich ihn umbringe? Was ist, wenn er nicht bereut? Darf ich ihn dann umbringen? Nein!
  2. Nicht zuletzt: auch Staatsorgane können irren! Wie viele Unschuldige wurden schon gehenkt?! Alles Geld der Welt kann einen zu Unrecht Getöteten nicht zurückbringen.

Jeder Staat möge abwägen, ob er die Todesstrafe einführt oder aufrechterhält. Richter und Geschworene mögen weise entscheiden. Eine große Bürde!

© Thomas Dietsch