Er war intelligent, belesen und theologisch gebildet, aber auch jähzornig und
argwöhnisch. Am 16. Januar 1547 nach dem Julianischen Kalender ließ sich der
16-jährige Großfürst von seinem väterlichen Mentor, dem Moskauer Metropoliten
Makárij, in der Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale des Moskauer Kreml zum ersten
„Zaren der ganzen Rus“ – des russischen Reiches – krönen.
Der Mann hieß Iwan der Schreckliche. Lange vorbei … Vielleicht auch nicht! Schaut
man heute gen Osten, kommt einem manches bekannt vor. Für Präsident Putin ist der
Zusammenbruch der Sowjetunion die größte denkbare Katastrophe für die russischen
Interessen gewesen. Er arbeitet heute an der Restitution des „russischen Reichs“ ….
Mit Putins Russland gibt es nichts zu verhandeln. Mit der Pistole an der Schläfe sollte
man sich nicht zum Verhandlungstisch führen lassen. Putin ließ 110.000 Soldaten (deutschlandfunk.de) an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren, was eine unverhohlene Drohung mit einer militärischen Invasion
war. Dann legte er dem amerikanischen Präsidenten mit ultimativer Geste einen
Vertragsentwurf vor, der eine Rückkehr zur internationalen Ordnung des Kalten
Krieges wäre: Rückzug von Truppen und Material der NATO aus 14 ost- und
mitteleuropäischen Ländern, eine Zusage, die NATO nicht weiter auszudehnen, also
keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine, Schweden oder Finnland.
Und, das ist die größte Chuzpe: Putin fordert den Abzug der wenigen amerikanischen
Atombomben, die es in Europa noch gibt, obwohl er selbst vertragswidrig neue
nuklearfähige Hyperschallraketen an der russischen Westgrenze stationiert hat.
In der Regel bezichtigt der russische Präsident seine Gegner genau der Dinge, die er
selber tut.
Die NATO hat angekündigt, dass ein Überfall auf die Ukraine „ernsthafte Konsequenzen“ haben werde. Wie diese im Einzelnen aussehen könnten, äußerte sich das Bündnis nicht. Als sicher gelten weitere Sanktionen, sehr wahrscheinlich würde es einen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift und
weitere Wirtschaftssanktionen geben. Über mögliche militärische Reaktion der NATO ist nichts bekannt, es wird jedoch mit weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine gerechnet.
Wirtschaftssanktionen – geschickt eingesetzt – können Russland treffen. Russland ist
kein Global Player mehr. International rangiert das Land mit der Wirtschaftskraft,
nach seinem Bruttoinlandsprodukt beurteilt, auf Rang 11 der Weltliste (wikipedia.org).
Dies ist eindeutig hinter den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China als den
beiden Erstplatzierten. Russland rangiert mit seiner Wirtschaftskraft knapp vor dem Bundesstaat New York
und eindeutig hinter Italien (wikipedia.org).
Mit der klaren Haltung, im Falle des Falles auch härteste Sanktionen zu ergreifen, muss jetzt sehr ernsthaft über eine tragfähige Sicherheitsarchitektur für Europa und
über Rüstungskontrollabkommen verhandelt werden. Statt Raketen und Reden heißt der heutige Doppelbeschluss“ (handelsblatt.com): Verhandlungen – und Sanktionen, sollten sie scheitern. Nach letzterem sieht es leider aus …

Der Winter ist noch nicht vorbei und trotz aktuell milder Temperaturen stehen für
viele Deutsche noch einige Wochen des Heizens an. Die Füllstände der deutschen
Gasspeicher sind dabei so niedrig wie noch nie – gleichzeitig geht der Gaspreis durch
die Decke.
Russland ist zwar nicht der einzige Gaslieferant, aber der größte. 2020 kamen laut
einem Bericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt gut zwei Drittel des nach
Deutschland importierten Gases aus Russland (t-online.de). Gut 20 Prozent entfielen
auf Norwegen, knapp 12 Prozent auf die Niederlande. In Deutschland selbst
gefördertes Gas machte 5 Prozent aus.
Der russische Staatskonzern Gazprom betreibt zudem über eine Tochtergesellschaft
zwei Gasspeicher in Deutschland. An den russischen Gasimporten hängt ein
beträchtlicher Teil der deutschen Versorgung. So teilte Gazprom mit, dass sie
Rekordmengen nach China exportierten. An den Märkten wurde das als klares Signal
verstanden, dass sich Russland von Europa als großem Abnehmer unabhängig
machen will. Der Gaspreis stieg daraufhin deutlich an.
Sollte der Konflikt um die Ostukraine eskalieren, könnte das den Gasfluss aus
Russland nach Deutschland bedrohen. Zum einen, da der Westen bereits Sanktionen
angedroht hat, was dann auch die stark ausgelastete Pipeline Nord Stream 1 beträfe;
zudem befürchten die Betreiber der Pipelines in der Ukraine, dass ihre Leitungen im
Kriegsfall gezielt angegriffen würden.
Bundeswirtschaftsminister Habeck hat jetzt erkannt, dass wir zu abhängig sind von
russischen Gaslieferungen und will die Versorgung diversifizieren. Bereits der
damalig US-Präsident hat vor allem die Deutschen angemahnt, man solle sich
unabhängiger von russischem Gas machen. Seinerzeit wollte niemand auf ihn hören …
Sollte noch eine Kältewelle kommen, kann es für die Deutschen im buchstäblichen
Sinne kalt und teuer werden.
Die Krise zwischen Russland und der Ukraine könnte ernste Konsequenzen haben,
wenn er in einen offenen Konflikt bzw. Krieg ausbricht. Nicht nur militärisch und
politisch. Auch für den europäischen Energiemarkt könnte es düster aussehen. Denn
wenn Russlands Präsident Wladimir Putin als Folge möglicher Sanktionen Europa
den Gashahn zudreht, stünden einige Länder in der Europäischen Union nicht gut da.
Das Erdgas ist für Putin ein gutes politischen Druckmittel. Denn Europa ist abhängig
von russischem Gas. „Das bedeutet, dass wir Russland ein Instrument an die Hand
gegeben haben, mit dem einige der am stärksten gefährdeten und verletzlichsten
Gruppen in Europa angegriffen werden können“ (Anders Overvad, Chefanalytiker des
dänischen Think Tanks Europa). Nicht zuletzt engagieren sich die USA für die Versorgungssicherheit der EU deshalb so stark, weil sie die Abhängigkeit Europas von russischen Energieimporten als
Hindernis bei den Verhandlungen mit den Europäern über abschreckende
Sanktionsdrohungen gegen Moskau ausgemacht haben (handelsblatt.com). Je
abhängiger einzelne EU-Staaten von russischen Erdgaslieferungen sind, desto geringer ist die Bereitschaft, entschlossen auf einen russischen Angriff auf die Ukraine zu reagieren.

Ein Angriffskrieg in Europa? Was einem Großteil des Kontinents als nicht mehr
möglich erschien, ist seit dem 23. Februar bittere Realität. Der russische Präsident
Wladimir Putin führt Krieg gegen die Ukraine. Gegen ein Land, in dem viele
Russinnen und Russen Verwandte und Bekannte haben. Gegen ein Land, das eine
große russischsprachige Bevölkerung hat.
1993 unterzeichnete die Ukraine ein Abkommen mit Russland, in dem sie auf ihre
Ansprüche auf die Sprengköpfe und die Schwarzmeerflotte verzichtete (die
geschwächte Flotte befand sich nach der Auflösung der Sowjetunion auf dem
ukrainischen Territorium der Krim) und im Gegenzug 2,5 Milliarden Dollar für den
Erlass von Gas- und Ölschulden und künftige Lieferungen für ihre Kernkraftreaktoren
erhielt. Der Beitritt des Landes zum Vertrag über die Nichtverbreitung von
Kernwaffen war jedoch ein Verhandlungsprozess, der drei Jahre dauerte und im
Budapester Memorandum gipfelte.
Wladimir Putin brach den Vertrag erstmals 2014 mit der Annexion der Krim und
verletzte damit die Souveränität der Ukraine. Putin behauptete, sein Handeln sei
gerechtfertigt, und bezeichnete die ukrainische Situation als eine Revolution. Dieses
Jahr behauptet er, dass russische Truppen die Ukraine „entnazifizieren“ müssten,
obwohl Wolodymyr Selenskyj jüdischer Herkunft ist und in einer Wahl mit 70 Prozent der Stimmen gewählt wurde.
Die Souveränität der Ukraine und ihre Grenzen sind international anerkannt – auch
von Russland. Das belegen verschiedene internationale Abkommen, die online
zugänglich sind. Experten für internationale Beziehungen und Völkerrecht bestätigen
zudem (afp.com), dass Staaten ihre Grenzen nicht registrieren lassen müssen.
Artikel 2 des Memorandums enthält die Verpflichtung seitens der USA, Frankreich,
Russland und Großbritannien auf Gewalt bzw. auf die Androhung von Gewalt zu
verzichten. Keine Waffen dürfen jemals gegen die Unterzeichnerstaaten eingesetzt
werden, außer zur Selbstverteidigung oder anderweitig in Übereinstimmung mit der
Charta der Vereinten Nationen. Im Artikel 3 wurde auch auf jeglichem ökonomischen
Zwang verzichtet (atomwaffena-z.info).
Die Grenzen der Ukraine wurden von Russland in mehreren internationalen
Vereinbarungen anerkannt – unter anderem im Budapester Memorandum von 1994.
Wirtschaftlich blieb die Ukraine auch nach ihrer staatlichen Unabhängigkeit abhängig
von Russland, doch politisch suchte Kiew immer stärker die Nähe zur Europäischen
Union und zur NATO. Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit der
Orangenen Revolution 2004, in deren Folge die Ukrainer den pro-westlichen
Kandidaten Viktor Juschtschenko zu ihrem Präsidenten wählten.
Es ist interessant zu sehen, wie viel über angebliche Zusagen der NATO an Russland
– es handelt sich um eine Rede des damaligen NATO-Generalsekretärs Manfred
Wörner vom 17. Mai 1990 – (behoerden-spiegel.de, 14.02.2022) geschrieben und
gesprochen wird, obwohl die NATO-Osterweiterung keinerlei direkten
Zusammenhang zur Ukraine besitzt. Und wie wenig das Budapester Memorandum in der Diskussion Gehör findet, obwohl es direkte Zusagen Russlands an die Ukraine beinhaltet.

Putin und der Westen … Was geht da ab?!
Russland beschwert sich, der Westen habe sich im Rahmen der NATO bis vor
Russlands Haustür breitgemacht. Der Westen wiederum sieht in den russischen
Truppenaufmärschen mit 120.000 Soldaten an der ostukrainischen Grenze eine
Bedrohung. Droht die Invasion der Ukraine oder ist das nur „Säbelrasseln“ Putins, um
die bisherigen illegalen territorialen Errungenschaften zu zementieren?
Die Sowjets hatten sich seinerzeit 1945 folgend bis nach Mitteleuropa breitgemacht.
Vor allem die älteren Generationen kennen ihn noch: den „Eisernen Vorhang“!
In der Schwächephase Russlands unter Boris Jelzin war der Trend umgekehrt. So ist
das politische Leben. Russland ist gegenüber der Ukraine mehrfach wortbrüchig geworden.
Schauen wir mal genauer hin:
Dass die Ukraine einst eine Atommacht war und ihre Nuklearwaffen gegen
Sicherheitsgarantien aufgegeben hatte, wussten im Westen bis 2014 nur
Sicherheitsexperten und manche Politiker. Seit der russischen Annexion der Krim
erinnert vor allem die Ukraine immer wieder an das sogenannte Budapester
Memorandum. Das Dokument wurde am 5. Dezember 1994 auf dem Gipfel der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unterzeichnet
(dw.com).
Darin begrüßten die USA, Großbritannien und Russland die Entscheidung der
Regierung in Kiew, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Sie sicherten unter
anderem zu, die Unabhängigkeit und die existierenden Grenzen der Ukraine zu
respektieren. Wie steht ́s damit, Herr Putin?! Die Atomwaffen hat man, die Krim illegal erworben;
jetzt gibt es in der Ostukraine „zufällig“ prorussische Separatisten, mit denen man
offiziell ja nichts u tun hat. Was aber, wenn man sich seitens der russischen Regierung
bemüßigt fühlt, den russischen Bevölkerungsanteilen im Donezbecken militärisch
„zur Hilfe zu eilen“?! Ja, 17. Juni 1953 in Ost-Berlin, die gleiche fadenscheinige
Begründung …
Wirtschaftlich: Das Donezbecken ist ein großes Steinkohle- und Industriegebiet
(wikipedia.org). Militärisch ist das Gebiet doppelt interessant: erstens wäre es eine
Landbrücke zur Krim, zweitens grenzt das Gebiet an das Schwarze Meer. Man hätte
das Küstengebiet von der russischen Grenze bis inklusive der Krim unter Kontrolle.
Die russische Annexion der Krim abzunicken ist gefährlich.
Was liegt als Nächstes an? Eventuell einige Begehrlichkeiten hinsichtlich des Baltikums als Anrainerstaaten zur Ostsee?!

Im Jahr 1712 publizierte der französische Frühaufklärer Abbé de Saint-Pierre einen
Plan: ein dauerndes, ewiges Bündnis zum Zweck der Erhaltung eines
ununterbrochenen Friedens in Europa. In diesem Entwurf schlug er einen ständigen
Bundesrat mit 24 staatlichen Mitgliedern vor, mit gemeinsamer Staatskasse,
Zollunion und offenen Grenzen.
Ja, das kommt einem bekannt vor. 309 Jahre ist das her … Die Idee eines europäischen
Staatenbundes ist also schon deutlich älter als die Europäische Union.
Sans doute, ce serait calomnier notre epoque de pretendre que les idees de justice et
d’humanite n’ont pas fait un grand pas sur le terrain international. Le nombre est
legion, non seulement des economistes, mais encore des hommes d’etat qui en ont ete
les apotres. La guerre est maintenant plus humaine . . .“ (J. Drouet, L’abbe de Saint-
Pierre, S. 146). Mit diesen Worten hat Joseph Drouet in seinem Buch über den Abbe
de SaintPierre den Fortschritt zu bezeichnen gesucht, den die Beziehungen zwischen
den Staaten seit dem frühen 18. Jahrhundert genommen hätten. Drouet schrieb sie im
Jahre 1912 – zwei Jahre, bevor der erste von zwei Weltkriegen ausbrach, die ein zuvor
unvorstellbares Ausmaß an rational kalkulierter und organisierter Vernichtung, Tod
und Leid mit sich brachten.
Die instabile internationale Ordnung und die extreme innere Labilität der meisten
europäischen Staaten kennzeichnen die Jahre zwischen den Weltkriegen: zwei
Weltkriege, Diktaturen von Franco und Mussolini bis Hitler und Stalin, der
Völkermord an den Juden, Kolonialismus, Vertreibungen und Hungersnöte. Die Ära
von Krieg, Gewalt und Katastrophen„Europas Epoche der Selbstzerstörung. Am
Abgrund. Tanz auf dem Vulkan. Gefahrenzone. Hölle auf Erden.“ (Ian Kershaw,
Höllensturz).
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird Europa in Ost und West aufgeteilt und
es folgen 40 Jahre Kalter Krieg. Als ersten Schritt für eine engere Zusammenarbeit
wurde von den Staaten Frankreich, dem Vereinten Königreich und den Benelux-
Staaten (europa.eu/about-eu/eu-history/1945-1959/1949/index_de.htm) der Europarat
am 5. Mai 1949 in London gegründet. Der französische Außenminister Robert
Schuman arbeitete gemeinsam mit Jean Monnet (Wirtschaftsberater in Frankreich)
den international anerkannten Schuman-Plan aus. Am 9. Mai 1950 wurde der Plan
angekündigt. Dieses Datum gilt heutzutage als Geburtsstunde der Europäischen Union
und seit dem Jahre 1985 als „Europatag“ gefeiert.
Die Europäische Idee des 21.Jahrhunderts beruht weiterhin auf der Grundidee der
Einheit in Vielfalt, wobei die Einheit der Werte, der Rechtssicherheit, der
Grundrechte und die Vielfalt der Sprachen, der Kulturen und der Religionen, zu
beachten sind.
Die EU wird weiterhin Demokratie, Stabilität und Wohlstand fördern und das
menschliche Miteinander bei Achtung und Wahrung anderer kulturellen
Identitäten/Kulturen/Religionen zu einer europäischen Identität zu kommen, zu einem
europäisch aufgeklärten Staatsbürger/-innen Modell zu kommen, welches nur in
einem gemeinsamen Prozess aller Beteiligten entstehen kann. Solche Visionen müssen überlegt, diskutiert und weiterentwickelt werden, um zu einer fortschrittlichen Gesellschaft in Europa zu kommen.

Dass der Verfassungsrichter Stephen Breyer von seinem Posten am Supreme Court
der USA zurücktreten wird, ist in vielerlei Hinsicht bedauerlich. Vor allen Dingen ist
es eine Kapitulation vor der Realität. Breyer erkennt damit an, was einerseits
offensichtlich ist, was er aber andererseits öffentlich immer bestritten hat: Das oberste
Gericht der Vereinigten Staaten ist von Ideologie geprägt und ein Instrument
der Parteipolitik.
Breyer ist nicht naiv. In seinen knapp 30 Jahren am Supreme Court sah er sich stets
einer Mehrheit an Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die von republikanischen
Präsidenten ernannt worden waren. Er weiß allzu gut, was es heißt, in der Minderheit
zu sein, und er hat allzu oft aus der Nähe gesehen, wie Argumente so verdreht
wurden, dass sie mit der jeweiligen Ideologie zusammenpassten (sueddeutsche.de).
Dessen machen sich übrigens beide Seiten schuldig. Die Entscheidungen des Gerichts
sind daher nicht immer, aber immer öfter vorhersehbar.
Das Oberste US-Gericht stellt mit seinen Entscheidungen zu besonders strittigen
Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder gleichgeschlechtlichen Ehen immer
wieder wichtige Weichen für die Gesellschaft. Die neun Richter/-innen werden auf
Lebenszeit ernannt. Ihre Auswahl ist daher ein hart umkämpfter politischer Prozess.
Ex-Präsident Donald Trump und seine Republikaner im Senat konnten während
Trumps Amtszeit drei Richter am Supreme Court platzieren, weswegen momentan
sechs der neun Richter/-innen als konservativ gelten.
Breyers Ausscheiden ermöglicht Präsident Biden erstmals seit seinem Amtsantritt die
Neubesetzung eines Sitzes am politisch umkämpften Supreme Court. Der Senat muss
Bidens Nominierung zustimmen. In der Parlamentskammer haben Bidens
Demokraten eine knappe Mehrheit, die sie aber bei den Kongresswahlen im
November an die Republikaner verlieren könnten.
Die Personalie ändert nichts an der konservativen Mehrheit an dem Gericht, ist
politisch aber dennoch von großer Bedeutung. Ex-Präsident Donald Trump und seine
Republikaner im Senat konnten während Trumps Amtszeit drei Richter am Supreme
Court platzieren, weswegen momentan sechs der neun Richter/-innen als konservativ
gelten. Breyer – der aktuell älteste – wird dem liberalen Lager zugerechnet. Er schätzt
den Kompromiss, gilt als moderater Vermittler, tendiert aber eher nach links. Er war
einst vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton nominiert worden.
In der Nachfolge könnte Ketanji Brown Jackson erste schwarze Richterin am US-
Supreme Court werden. Das Richtergremium des Supreme Court ist nach Geschlecht,
Religion und ethnischer Herkunft pluraler geworden. Damals bildeten sogenannte
„Wasps“ – weiße, angelsächsische, protestantische Männer – die große Mehrheit.
Heute sind drei der neun Mitglieder Frauen, bald werden es vier sein. Bisher waren
nur fünf der bisherigen 115 Verfassungsrichter Frauen.
Nach Hautfarbe und ethnischer Herkunft hat sich das Verfassungsgericht in den
vergangenen Jahrzehnten geöffnet, unter republikanischen wie demokratischen
Präsidenten. Den ersten schwarzen Richter Thurgood Marshall hatte der Demokrat
Lyndon B. Johnson 1967 ernannt. Als er 1991 aus Gesundheitsgründen abtrat, berief der Republikaner George H. W. Bush erneut einen Afroamerikaner: Clarence Thomas. Die erste Latina, Sonia Sotomayor, kam 2009 dank des Demokraten Barack Obama an den Supreme Court.

Was passiert da vor Ort? Totalitäre Regime unterstützen sich gegenseitig! Putin hat
die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Grenze zur Ost-Ukraine gelenkt
mit seinen Truppenaufmärschen. Jetzt sind die Russen in Kasachstan.
Für Russland läuft in der Ukraine die Zeit davon. Lange Zeit war der Kreml davon
überzeugt, dass das Volk der Ukraine früher oder später wieder eine pro-russische
Regierung wählen würde. Nach 2014 hat der Kreml ausgeharrt und gewartet. Jetzt
sieht man, dass sich selbst die russischsprachigen Wähler im Osten der Ukraine von
den moskaufreundlichen politischen Kräften abwenden (mdr.de, 17.12.2021).
In der Ukraine ist eine Generation herangewachsen, die nichts mit der Sowjetunion zu
tun hat. Der Kreml sieht, dass die Ukraine kontinuierlich Richtung Westen abdriftet
und befürchtet, dass das Land irgendwann, vielleicht in zehn oder 15 Jahren in die
NATO eintritt – selbst wenn jetzt noch keine Rede davon ist. Deswegen versucht
Russland die Situation zu lösen, bevor es zu spät ist, indem es den Westen mit Druck
und einer realistisch erscheinenden militärischen Drohung zu Verhandlungen zwingt.
Ziel ist, dem Westen feste Zugeständnisse abzuringen, zum Beispiel einen
verbindlichen Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine in die NATO und auf die
Stationierung von Truppen in der Region.
In Kasachstan ist die Lage noch ernster: Die Russen sind bereits im Land, ohne
Vorwarnung und innerhalb kurzer Zeit.
Es ist unwahrscheinlich, dass Russland Kasachstan wieder verlässt. Die russische
Regierung will nicht nur ein paar Truppen entsenden, sie will Kasachstan politisch
und wirtschaftlich kontrollieren“ (Sergej Sumlenny bei ntv.de). Und wahrscheinlich
will Moskau auch einzelne Gebiete Kasachstans in die Russische Föderation
eingliedern.
Das scheint eine Strategie zu sein. Russland agiert wie eine erzimperialistische
Kolonialmacht aus dem 19. Jahrhundert, die ihre Kolonien ausbeutet.
Es gibt einen Witz über den Warschauer Pakt, das sowjetisch dominierte
Militärbündnis zur Zeit des Kalten Krieges: Dies sei die einzige militärische Union,
die ausschließlich ihre eigenen Mitglieder angreift. Es scheint, dass man das jetzt auch
über den Vertrag über kollektive Sicherheit sagen kann. Dieser Vertrag gibt Russland
die Möglichkeit, ehemalige Sowjetrepubliken, die Russland als seine Provinzen
wahrnimmt, militärisch an sich zu binden und russische Stützpunkte in diesen
Ländern zu unterhalten (ntv.de).
Auslöser der Proteste in dem Land war die Erhöhung der Treibstoffpreise, inzwischen
geht es aber um viel mehr. Russische Fallschirmjäger sind bereits in dem 19-
Millionen-Einwohner-Staat gelandet.
Das Interesse Russlands in Zentralasien ist ganz anders gelagert als in Bezug auf die
Ukraine. In Zentralasien geht es Russland vor allem um Stabilität. Moskau möchte
unbedingt vermeiden, dass dort ein Unruheherd entsteht, schon wegen der Nähe zu
Afghanistan. Russland wird hier nicht Öl ins Feuer gießen. Wenn die
Gewalteskalation eingedämmt wird und russische Truppen das Land hiernach wieder verlassen sollten (wenn auch unwahrscheinlich), hat Präsident Tokajew eine Chance, an der Macht zu bleiben und das Blatt noch zu wenden. Dies erinnert auch an Assad in Syrien.

Schon nach dem kirchlichen Gesetzbuch (CIC) von 1983 war sexueller Missbrauch
Minderjähriger eine Straftat. Während das staatliche Strafrecht allerdings
verschiedene Arten und Schweregrade unterscheidet, kennt das Kirchenrecht den
Tatbestand nur als Sittlichkeitsverstoß von Klerikern. Im entsprechenden Kanon heißt
es: Ein Kleriker, der sich auf andere Weise gegen das sechste Gebot des Dekalogs
verfehlt hat, soll, wenn nämlich er die Straftat (…) an einem Minderjährigen unter
sechzehn Jahren begangen hat, mit gerechten Strafen belegt werden, gegebenenfalls
die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgenommen (c. 1395 § 2 CIC).
Eine Kirche, die vor allem Nächstenliebe predigt, tut sich schwer mit dem Strafen. Im
alten Kirchenrecht gab es also in Bezug auf überführte Missbrauchstäter
Formulierungen wie „Soll mit einer gerechten Strafe bestraft werden“. Soll heißt nicht
muss!
Nach den Worten des Kirchenrechtsprofessors Thomas Schüller aus Münster haben
sich viele Bischöfe nicht mit dem Strafrecht auseinandergesetzt und sehr pragmatisch
bei Straftatbeständen oder angezeigten Straftaten pastorale Milde walten lassen
(br.de, 08.12.2021). Das habe die Opfer sexualisierter Gewalt stark mitgenommen,
weil ihrem Schicksal eben nicht sachgerecht nachgegangen wurde.
Kirchenrechtler fordern nun auch einen nächsten Schritt im Strafprozessrecht:
Kirchliche Gerichtsverfahren sollen transparenter werden. Kirchliche Strafprozesse
werden noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt, die Urteile werden nicht
publiziert. Und: Betroffene haben in diesen Prozessen keinerlei Rechte. Im staatlichen
Rechtssystem könnten die Opfer von Gewalt auch als Nebenkläger auftreten.
Das sieht das aktuelle Strafprozessrecht nicht vor, das wäre aber ein wichtiger
Baustein, damit die Opfer auch dort gleiche Rechte haben wie die Beschuldigten, die
Verteidigungsmöglichkeiten haben. Hier gibt es also noch offenkundige Felder, die
einer zeitgemäßen Änderung der Gesetzgebung im Kirchenrecht bedürfen.
In einem Punkt geht das kirchliche weiter als das weltliche Strafrecht:
Eine Verschärfung der strafrechtlichen Normen erfolgte 2010 unter Papst Benedikt
XVI.: Die Verjährungsfrist wurde erneut erhöht von 10 auf 20 Jahre ab dem 18.
Geburtstag des Missbrauchsopfers. Diese Regelung gilt nach wie vor. Konkret
bedeutet dies, dass der sexuelle Missbrauch eines Kindes bis zur Vollendung des 38.
Lebensjahres des Opfers kirchenstrafrechtlich verfolgt werden kann. Dies wird bereits
seit 1998 in Fällen schweren sexuellen Missbrauchs auch vom deutschen Strafrecht so
gehandhabt. Hier hat sich das Kirchenrecht gewissermaßen am staatlichen Recht
orientiert.
Kirchenrechtlich kann aber die Verjährung in schweren Fällen (anders als
beispielsweise im deutschen Recht) aufgehoben werden.
Die Glaubenskongregation kann somit (seit 2010) von der Verjährung derogieren,
will sagen die Frist aufheben, und so die strafrechtliche Verfolgung von Taten doch
noch ermöglichen, auch wenn dies rechtsstaatlich nicht mehr möglich wäre.
Wenngleich es nachvollziehbar ist, dass es Betroffenen und deren Angehörigen
Genugtuung verschafft, dass der Täter doch noch belangt werden kann, ist die
Aufhebung der Verjährung problematisch:

Dadurch wird das Rechtsstaatsprinzip unterlaufen (so auch Bernhard Sven Anuth,
Kirchenrechtsprofessor in Tübingen).