Dass der Verfassungsrichter Stephen Breyer von seinem Posten am Supreme Court
der USA zurücktreten wird, ist in vielerlei Hinsicht bedauerlich. Vor allen Dingen ist
es eine Kapitulation vor der Realität. Breyer erkennt damit an, was einerseits
offensichtlich ist, was er aber andererseits öffentlich immer bestritten hat: Das oberste
Gericht der Vereinigten Staaten ist von Ideologie geprägt und ein Instrument
der Parteipolitik.
Breyer ist nicht naiv. In seinen knapp 30 Jahren am Supreme Court sah er sich stets
einer Mehrheit an Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die von republikanischen
Präsidenten ernannt worden waren. Er weiß allzu gut, was es heißt, in der Minderheit
zu sein, und er hat allzu oft aus der Nähe gesehen, wie Argumente so verdreht
wurden, dass sie mit der jeweiligen Ideologie zusammenpassten (sueddeutsche.de).
Dessen machen sich übrigens beide Seiten schuldig. Die Entscheidungen des Gerichts
sind daher nicht immer, aber immer öfter vorhersehbar.
Das Oberste US-Gericht stellt mit seinen Entscheidungen zu besonders strittigen
Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder gleichgeschlechtlichen Ehen immer
wieder wichtige Weichen für die Gesellschaft. Die neun Richter/-innen werden auf
Lebenszeit ernannt. Ihre Auswahl ist daher ein hart umkämpfter politischer Prozess.
Ex-Präsident Donald Trump und seine Republikaner im Senat konnten während
Trumps Amtszeit drei Richter am Supreme Court platzieren, weswegen momentan
sechs der neun Richter/-innen als konservativ gelten.
Breyers Ausscheiden ermöglicht Präsident Biden erstmals seit seinem Amtsantritt die
Neubesetzung eines Sitzes am politisch umkämpften Supreme Court. Der Senat muss
Bidens Nominierung zustimmen. In der Parlamentskammer haben Bidens
Demokraten eine knappe Mehrheit, die sie aber bei den Kongresswahlen im
November an die Republikaner verlieren könnten.
Die Personalie ändert nichts an der konservativen Mehrheit an dem Gericht, ist
politisch aber dennoch von großer Bedeutung. Ex-Präsident Donald Trump und seine
Republikaner im Senat konnten während Trumps Amtszeit drei Richter am Supreme
Court platzieren, weswegen momentan sechs der neun Richter/-innen als konservativ
gelten. Breyer – der aktuell älteste – wird dem liberalen Lager zugerechnet. Er schätzt
den Kompromiss, gilt als moderater Vermittler, tendiert aber eher nach links. Er war
einst vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton nominiert worden.
In der Nachfolge könnte Ketanji Brown Jackson erste schwarze Richterin am US-
Supreme Court werden. Das Richtergremium des Supreme Court ist nach Geschlecht,
Religion und ethnischer Herkunft pluraler geworden. Damals bildeten sogenannte
„Wasps“ – weiße, angelsächsische, protestantische Männer – die große Mehrheit.
Heute sind drei der neun Mitglieder Frauen, bald werden es vier sein. Bisher waren
nur fünf der bisherigen 115 Verfassungsrichter Frauen.
Nach Hautfarbe und ethnischer Herkunft hat sich das Verfassungsgericht in den
vergangenen Jahrzehnten geöffnet, unter republikanischen wie demokratischen
Präsidenten. Den ersten schwarzen Richter Thurgood Marshall hatte der Demokrat
Lyndon B. Johnson 1967 ernannt. Als er 1991 aus Gesundheitsgründen abtrat, berief der Republikaner George H. W. Bush erneut einen Afroamerikaner: Clarence Thomas. Die erste Latina, Sonia Sotomayor, kam 2009 dank des Demokraten Barack Obama an den Supreme Court.

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