Liebe Petra,
ausgerechnet ich, als alter Linker, möchte der Kanzlerin heute ein Lob aussprechen. Ich war nicht immer gütig mit der Mutti der Nation, umso bemerkenswerter ist meine Achtung, die ich ihr jetzt gegenüber bringe. Sie hat Zivilcourage und steht zu ihrer inneren Haltung. Aus ethischen Gründen ist für sie die „Empfangskultur“ eine christliche Selbstverständlichkeit, das hat sie bei dem Talk mit Anne Will noch einmal betont. Sie bleibt dabei, auch wenn es ihre Partei Stimmen kosten wird. Für sie steht Moral über der üblichen Wahlpropaganda eines Horst Seehofers, der sich verpflichtet fühlt, den Populisten in den Arsch zu kriechen. Höhepunkt seines Tuns ist seine devote Haltung gegenüber den Rassisten und menschenverachtenden Viktor Órban. Sein Besuch in Budapest ist für jeden Demokraten eine Ohrfeige! Angela Merkel geht andere Wege: Für sie gibt es nur eine gesamte europäische Lösung des Migrationsdramas, sonst geht alles den Bach runter und das sollte sich endlich der Landesvaters der Bayern in den Kopf einprägen. Was am Stammtisch gut ankommt, ist oft Irrsinn. Will er wirklich den Verfall der EU hinnehmen, um einen Markus Söder die Schau zu stehlen? Das ist eine Bonsai-Politik der schlimmsten Art. Kleinkariert, stinkig, spießig. Klar, ich sehe ein, dass man die Migration irgendwie in Griff bekommen muss, aber bitte nicht mit einem braunen Touch. Die CSU sollte sich im Klaren sein, wohin es führen kann – 1945 lässt grüßen.
Meine Zukunft in der Hand von Bedenkenträgern zu wissen, schaudert mich. Die „Wutbürger“ sind in meinen Augen „Wutfaschisten“, die unter einem bürgerlichen Anstrich, verkappte Neonazis sind. Ja, ich wage mich so weit zu gehen. Wir wissen wohin die Protestwahl 1933 geführt hat und da kann ich keinen Unterschied machen. Wer Schimpftiraden gegen Ausländer gutheißt, macht die Gewalt salonfähig. Verständnis für die Pyromanen der Republik zu zeigen, Hetzparolen zu tolerieren oder Gewalttaten als Kavalier-Delikte hinzunehmen, entbehrt jeder Moral. Das sollten die „Retter des christlichen Abendlandes“ verstehen, denn solch eine Haltung hat zu Auschwitz geführt. Wer Hass versprüht, bringt die Willkür in die Regierungskreise. Dagegen hat sich die Kanzlerin vehement ausgesprochen und sie weiß sehr genau, um was es geht. Wenn sie sich dem Druck des Mobs ergeben würde, wäre es das Aus mit unserer demokratischen Ordnung, deshalb ist es so wichtig, dass sie ihren Weg eisern verfolgt, ohne sich beeinflussen zu lassen. Es geht um mehr als eine massive Einwanderung, es geht um Krieg und Frieden!
Liebe Petra, Frau Merkel weiß, was eine Mauer und Stacheldraht bedeuten. Wenn Menschen das Bedürfnis haben sich einzuigeln, bemerken sie oft nicht, dass sie zu Hampelmännern einiger Autokraten werden. Daher meiner tiefen Abscheu über die Haltung des Genossen Werner Faymann, der sich zum Komplizen der Populisten macht und das nur, um seine SPÖ irgendwie zu retten. Ist er sich bewusst, zu welchem Preis er sich prostituiert hat? Er ebnet somit den Weg der braun-gefärbten FÖP. Die Kanzlerin zeigt uns, dass es anders gehen muss. Indem man buckelt, erreicht man das Gegenteilige. Petra, ich habe immer mehr Abscheu gegen die Opportunisten, denn sie sind die Wegbereiter der Diktatoren. Was sie unter Pragmatismus bezeichnen, ist Feigheit! Ich weiß, Frauen tragen keine Eier, aber bei der wackeren Angela, ist es nicht notwendig, denn auch ohne dieses Attribut, ist sie vielen Waschlappen weit voraus. Sind wir nicht umgeben von entmannten Politikern?
Auch wenn in Sachen Flüchtlingen noch Chaos herrscht, ist mir die Haltung von der Kanzlerin bei weitem sympathischer, als die tristen Figuren, die heute um die Gunst der Wähler appellieren, indem sie populistische Parolen nachplappern wie Papageien. Dabei denke ich an die CDU-Lady von Rheinlandpfalz, an den Zwerg von Stuttgart, an den Papa aus Sachsen-Anhalt. „Wir sind mit Angela eng befreundet!“ sagen sie und sind nicht einmal fähig, konsequent Farbe zu bekennen.
Danke Frau Merkel für Ihre Aufrichtigkeit! Sie sind ein Lichtblick in der Öde, die uns umgibt.
In diesem Sinne,
ich umarme dich von ganzen Herzen,
Pierre
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