Lieber Pierre,

ich werde heute nicht analysieren, warum und wieso die Gewalt – und ebenso die sexuelle Gewalt – männlich ist. Und das ist sie – maskulin! Gewalt ist in den seltensten Fällen weiblich und schon in der Sozialisierungsphase der Kindheit kämpft ER gegen Dämonen, spielt Wikinger und ist Star Wars-Krieger während SIE die Prinzessin weich bettet oder ihre Püppchen kämmt. Auch spielt die unterschiedliche Wahrnehmung der eigenen Gefühle bei Jungs und Mädchen eine große Rolle. Männer tun sich schwerer zu erkennen, wo sie stehen und die Attribute „sei stark“, „sei mutig“, „setz dich durch!“ werden ihnen ab der Geburt mitten ins Gehirn gehämmert. Dabei bleibt die Empathie oft auf der Strecke und die Kommunikationsmöglichkeiten sind nicht so stark ausgeprägt wie bei Mädchen. Aber ich wollte ja nicht analysieren, das überlasse ich den professionellen Therapeuten, die sicher schon ausreichend oft versucht haben, Sexualtäter zu kurieren. Zweifellos aber ist Gewalt männlich und das belegt die Statistik. Ich hatte gerade ein Beispiel aus meinem direkten Umfeld und sofort fiel auf, dass Männer ein echtes Bedürfnis nach sexuellem Abreagieren haben und der Zwang, sich zu „erleichtern“ eine immens große Rolle spielt. Ob das nun der Testosteron-Spiegel ist, der dafür verantwortlich ist und die männlichen Triebe oder besagtes, mangelndes Empathie-Empfinden, lasse ich offen. Fakt ist, wer sich selbst versteht und eine Art Ego-Empathie empfindet  – sich also selbst in normalem Maß liebt und wertschätzt – ist auch in der Lage, einem anderen Menschen Empathie entgegenzubringen. Ist dies der Fall, dürfte der sexuelle Übergriff als aggressive und demütigende Handlung ein anderes Gewicht bekommen. Empfindet der Täter Achtung und Respekt vor seinem „Opfer“, wird es nicht zu einem tatsächlichen Opfer kommen (sofern die natürliche Barriere funktioniert). Solange Männer in jungen Jahren anerzogen bekommen, dass sie sich – zur Not mit der Faust – durchsetzen sollen, sehen sie oft keinen anderen Weg als den einer Grenzüberschreitung.

Wichtig ist, dass Frauen lernen laut und deutlich „Nein“ zu sagen und sich abzugrenzen. Sie sind niemals Beute eines jagenden Platzhirsches dessen Eier überlaufen und der sich schlicht und einfach nehmen darf, was ihm vor die Büchse kommt. Für Frauen muss gelten: Sei autark und stark statt immer nur hübsch! Wehre dich und setze eindeutige Grenzen. Aber lieber Pierre, ich denke viele Frauen tun das oder haben es getan und trotzdem mussten sie ungewollte sexuelle Handlungen über sich ergehen lassen. So lange es Mann und Frau gibt, gab es das und es hat sehr viel mit Machtausübung und auch der körperlichen Überlegenheit des Mannes zu tun.

Während sich Frauen z.B. emotional einer neuen Beziehung nähern und ihn beschnuppern wollen, denken Männer in erster Linie sexuell… wie sie im Bett sein könnte, wie sie nackt aussieht, ob sie stöhnt oder ihm den Rücken voller Ektase kratzt und wie sie sich anstellt, ihn zu befriedigen. Daran sehen wir, wie weit beide Geschlechter eigentlich voneinander entfernt sind in ihrer ersten Kennenlernphase. Nicht immer natürlich, das soll kein Rundumschlag gegen Männer sein, aber leider eben sehr oft. Ich kann das langsam nicht mehr hören diesen Unsinn, wenn Männer lachend über die Ärsche von Frauen reden oder wie sie sich selbst als Super-Lover sehen. In den meisten Fällen handelt es sich bei diesem Typ von Mann um einen sich maßlos selbstüberschätzenden Kerl oder um einen emotional Gestörten. Die Damenwelt wartet nun mal nicht darauf, dass endlich mal jemand kommt, der es einem so richtig „besorgt“ und der schon im Vorfeld auf seine ausgewachsenen Zentimeter hinweist.

Auffallend in diesem Zusammenhang ist, dass nahezu alle Erotik-Etablissements, Sex-Clubs und mehr oder weniger die gesamte Porno-Filmindustrie auf den Mann ausgerichtet sind. Es gibt Kabinen, Peep Shows, Sexpuppen und vieles mehr – alles, um den Mann zu befriedigen und seine Triebe in erträgliche Bahnen zu lenken. Ist da vielleicht etwas schiefgelaufen mit der Chromosomen-Verteilung und der genetischer Belastung? Muss wohl so sein, lieber Pierre – anders kann ich mir diese „Ständerbauweise“ nicht erklären.

 

Mit herzlichen Grüßen

Petra

 

© Petra M. Jansen

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