Die AfD hat vorgemacht, wie man zur politischen Partei Nummer eins in den sozialen Medien wird. Bei Facebook ist sie unbestrittener Platzhirsch und die am häufigsten geteilte Partei. Mit dem „Deutschland-Kurier“ hat sie auch ihre eigene Zeitung. Die Berichterstattung in den Mainstream-Medien zur AfD war alles andere als neutral, wenn sie überhaupt erfolgte. Und wo sie erfolgte, handelte es sich zumeist um redaktionelles AfD-Bashing.

Mittlerweile ist klar: Die AfD hat ihre Newsroom-Ankündigung geschickt vermarktet, aber so viel verändert hat sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit seitdem nicht. Ursprünglich sollte der Newsroom Unter den Linden Platz finden, in einem aus drei kleineren Zimmern verbundenen großen Raum – dort sitzt aber offenbar bis heute kaum jemand.

Aufsehen in dieser Hinsicht erregte auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie schwärmte im Magazin der Jungen Union, beim Auftakt zum Werkstattgespräch Migration habe die CDU keine Presse zugelassen, es habe nur einen Livestream gegeben. „Wir waren Herr über die Bilder, wir haben die Nachrichten selbst produziert. In diese Richtung wird es weitergehen.“ (tagesspiegel.de). Diese Ansage geht über das Ziel, in den sozialen Medien aktiver zu sein, weit hinaus. Es geht darum, selbst direkt an den Zuschauer zu senden. Dementsprechend wird für die CDU das Übertragen von Statements und Fachkonferenzen immer wichtiger.

„Newsrooms“ gibt es im Berliner Politbetrieb mittlerweile einige. In der SPD-Parteizentrale nennen sie ihre Presse- und Öffentlichkeitsabteilung schon seit 2016 so. Die Unionsfraktion hat ihren, die SPD-Fraktion einen „Newsdesk“. Auch das Auswärtige Amt nennt seine Presse- und Öffentlichkeitsabteilung „Newsroom“. Er bedient klassische Ausspielwege, aber verstärkt auch neue Medien. Auf Reisen müssen Journalisten jetzt manchmal warten, weil Minister Heiko Maas erstmal den Content für Instagram aufzeichnet (tagesschau.de 21.03.2019).

Statt sich an Journalisten zu wenden, um Antworten zu erhalten, hat die Öffentlichkeit eher das Gefühl, von widersprüchlichen Informationen überwältigt zu werden.

Kein Wunder, dass das allgemeine Vertrauen in Journalisten auf dem absoluten Tiefpunkt ist. Gemäß dem 2017 Edelmann Trust Barometer ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die globalen Medien seit letztem Jahr von 51 auf 41 Prozent gesunken, auf ein Niveau, welches dem schwindenden Vertrauen in Regierungsmitarbeiter entspricht (rubikon.news).

„Die Medien haben versagt. Viele Fernsehanstalten sind nur noch lächerliche Abziehbilder ihrer selbst, und unter Milliardären scheint es neuerdings in Mode gekommen zu sein, Zeitungen aufzukaufen und so eine ernsthafte Berichterstattung über die Reichen und Superreichen zu verhindern. Seriösen Investigativ-Journalisten fehlt es dagegen an den finanziellen Mitteln. Das hat Folgen: Neben der Süddeutschen Zeitung und dem ICIJ hatten, entgegen anderslautenden Behauptungen, auch Redakteure großer Medien Dokumente aus den Panama Papers vorliegen – und entschieden, nicht darüber zu berichten. Die traurige Wahrheit ist, dass einige der prominentesten und fähigsten Medienorganisationen der Welt nicht daran interessiert waren, über diese Geschichte zu berichten.“ (Manifest von John Doe zu den Panama Papers, sueddeutsche.de, 6. Mai 2016).

Offenbar ist es nicht nur das Internet, das den klassischen Akteuren in den Redaktionsstuben das Leben schwer macht. Nun tickt auch noch die Gesellschaft anders (deutschlandfunkkultur.de). Uns Journalisten gelingt es immer weniger, unsere Rolle als Mittler zwischen Politik und Gesellschaft zu spielen. Auch die Kontrollfunktion, die den Medien in der Demokratie als vierte Gewalt zugeschrieben wird, schwindet.

Die Journalisten liefern uns heute etwas ganz anderes als damals. Das System der Massenmedien wird inzwischen vom Imperativ der Aufmerksamkeit regiert. Dieser Imperativ hat Qualitätskriterien wie Neutralität, Objektivität oder Vielfalt zu Worthülsen gemacht und ist zu einem Strudel geworden, der die Glaubwürdigkeit mitgerissen hat.

Guter Journalismus ist schwieriger geworden. Wer nur auf Klicks und Publikumsmaximierung aus ist, der vernachlässigt Themen, die komplex sind, die Aufwand erfordern, die unbequem sind. Wer auf Prominente fixiert ist und auf Konflikte zwischen Spitzenpersonal, der blendet Ursachen aus. Und wer von den PR-Stäben einen Superlativ nach dem anderen geliefert bekommt, macht sich vielleicht nicht mehr die Mühe, selbst nach Themen zu suchen und Inhalte zu überprüfen.

Um die Wiedervereinigung gab es in Deutschland die Diskussion, ob man mit der Vereinigung nicht eine neue Nationalhymne einführen sollte. Man beließ es aber bei der dritten Strophe des „Liedes der Deutschen“. Jetzt, im Zuge der Europawahl und der zunehmenden Integration Deutschlands in die Europäische Union wird die Diskussion wieder angestoßen vom thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke). Zugleich sind auch die Kritiker wieder auf dem Plan.

Ramelow aber weist die Kritik an seinem Vorschlag, über eine neue Nationalhymne zu diskutieren, zurück. Das „Lied der Deutschen“ sei während der Wiedervereinigung ohne Diskussion zur Hymne geworden, obwohl der damalige Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maiziere, einen alternativen Vorschlag gemacht habe (welt.de). Er schlug den Text von Brechts „Kinderhymne“ als neue Nationalhymne vor.

De Maiziere hatte angeregt, den Text der DDR-Hymne mit der Melodie von Joseph Haydn zu verbinden und sei dafür „ziemlich arrogant abgebürstet worden“, sagte Ramelow. „Dabei wäre es doch klug gewesen, mit einer gemeinsamen neuen Hymne auch ein Symbol für die deutsche Einheit zu finden.“

Er bedaure, „dass wir vor 29 Jahren, als die demokratisch gewählte Volkskammer der DDR und der Bundestag sich auf den Weg zur deutschen Einheit gemacht haben, keine längere Diskussion über eine andere Nationalhymne geführt haben, in der sich alle wiedererkennen können“.

Ramelow bekräftigte, dass er „kein Problem“ mit der von Hoffmann von Fallersleben gedichteten Nationalhymne habe. Er „singe die dritte Strophe gerne mit“ und „kenne auch den Entstehungskontext der ersten beiden Strophen“. Fallersleben habe ein Befreiungslied geschrieben. Er könne aber nicht ausblenden, was die Nazis aus der ersten Strophe gemacht hätten. Zudem wisse er, was gemeint sei, wenn Rechtsradikale heute ,Deutschland, Deutschland, über alles‘ sängen.

Der Ministerpräsident Thüringens spricht sich für einen Hymnen-Wettbewerb aus (epochtimes.de). Er selbst fände die im Jahr 1950 von Bertolt Brecht gedichtete Kinderhymne in Kombination mit Haydns Melodie „eine bessere Variante“. Der Text von Brecht sei „ein humanistisches Bekenntnis, da steht niemand über oder unter jemand anderem. Ich kann die Empörung über meinen Vorschlag jedenfalls nicht verstehen“. Am heftigsten werde er von denen attackiert, die am liebsten die erste Strophe sängen.

Muss es immer so kompliziert sein mit der deutschen Hymne? Was ist mit Frankreich oder England, wo die Fußballfans bei Länderspielen zu Beginn einfach die Marseillaise und „God Save the Queen“ singen?!

Vor 1918 hatte das Kaiserreich keine offizielle Hymne; gebräuchlich sind die Kaiserhymne „Heil dir im Siegerkranz“ (auf dieselbe Melodie wie „God Save the Queen“) und die „Wacht am Rhein“ („Lieb Vaterland, magst ruhig sein“).

Weimar: Der Weltkriegsmythos, 1914 bei Langemark in Belgien seien junge Rekruten mit „Deutschland, Deutschland über alles“ auf den Lippen in den Tod gestürmt, verschafft dem Deutschlandlied viel Renommee. Friedrich Ebert erklärt es 1922 zum offiziellen Lied der Republik.

NS-Zeit Die Nationalsozialisten lassen ab 1933/34 nach der ersten Strophe des Deutschlandlieds ihre Parteihymne, das Horst-Wessel-Lied, singen („Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen, SA marschiert mit ruhig festem Schritt“). Dazu wird der Hitlergruß Pflicht (wikipedia.de).

Nach 1945 Vor allem besteht zunächst Unklarheit; erst 1952 legten Theodor Heuss und Konrad Adenauer „Einigkeit und Recht und Freiheit“ als Hymne fest. Noch 1949 wird beim Kölner Steherrennen als Ersatz „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ gespielt (rp-online.de).

Man darf gespannt sein, wie sich das Ganze entwickelt. Es sei darauf hingewiesen, dass unsere Hymne mittlerweile schon fast hundert Jahre alt ist. Wir haben eine Tradition, welche mit unserem Staat gewachsen ist.

Nicht zuletzt ist entscheidend, dass bis 1990 das ganze „Lied der Deutschen“ die Nationalhymne war und bei öffentlichen Anlässen nur die dritte Strophe gesungen wurde.

Seit 1991 ist nur noch die dritte Strophe des „Deutschlandliedes“ die deutsche Nationalhymne (wikipedia.de). Wir sind nicht über, sondern unter anderen in Europa, Herr Ramelow …

Sie schlagen die Trommel,

ziehen im Gleichschritt.

Die Banner gehisst,

die Parolen skandiert.

Das Land schläft!

Was Dein ist an Gut,

das gehört jetzt uns.

Du bist nichts,

wir sind alles.

Das Land schläft!

Zu unserer aller Sicherheit

weiß der große Bruder alles.

Wo immer Du stehst,

wo immer Du gehst.

Das Land schläft!

Wir machen wieder unser Ding,

keine fremden Gedanken.

Lieber trautes Vergangenes,

als unsicheres Zukünftiges.

Das Land schläft!

Politische Korrektheit,

des Untertanen erste Pflicht!

Im Mainstream ist´s bequem,

Querdenken nervt!

Das Land schläft!

Pflicht des Bürokraten:

die Probleme verwalten.

Montag bis Freitag, genug Zeit!

Lösungen finden wir andermal.

Das Land schläft!

Gleichgültigkeit, ja man kennt´s,

das sanfte Ruhekissen.

Rubikon zwischen Apathie und Blödheit,

haben wir ihn schon überschritten?!

Das Land schläft!

Sie schlagen die Trommel,

ziehen durch die Lande.

Verstörte Blicke begleiten sie,

den Angsthauch im Genick.

Das Land schläft!

Auf den ersten Blick ist die Entwicklung nicht besonders bedeutend, die Krawatte ist schließlich nur ein modisches Accessoire am Hals des Mannes. Und doch war der Binder in Unternehmen, insbesondere am Finanzplatz Frankfurt, lange Zeit viel mehr: ein Symbol für die Seriosität der Geschäftswelt und der eigenen Person und damit zugleich eine Art Rückversicherung für seinen Träger, der sich mit der Krawatte auch als Teil einer bestimmten, erfolgsorientierten Gruppe auswies. Der Binder changiert mehr noch als der Anzug zwischen Uniformität und Individualität.

Sosehr die Krawatte jahrzehntelang stilbildend war, so sehr steht sie zunehmend für die „Old Economy“ (faz.net), für Konzerne, die Deutschland groß gemacht haben. Doch heute geben Unternehmen aus dem Silicon Valley den Trend vor. Dort geht es nicht mehr um den Nachweis deutscher Gründlichkeit durch einen akkurat sitzenden, sauber gebundenen Schlips, sondern darum, den Eindruck von Geschwindigkeit, Flexibilität und jugendlichem Unternehmertum zu erwecken.

Ganz ausgestorben ist sie freilich nicht. Bei einem Festakt der Bundesbank vergangene Woche (zeit.de) etwa trugen die Herren fast durchweg Schlips. Auch in vielen Kanzleien und Beratungsunternehmen gehört die Krawatte immer noch zum guten Ton. Und, ja, es gibt Männer, die einen ganz banalen Grund haben, eine Krawatte zu tragen: weil es ihnen gefällt.

Über den genauen Ursprung der Krawatte gibt es geteilte Ansichten. Die älteste Erwähnung geht auf die Trajanssäule in Rom und das Jahr 200 n.Chr. zurück. Auf der Säule zu Ehren des römischen Kaiser Trajan posiert ein römischer Legionär der ein schmuckvolles Leinentuch um den Hals trägt (tieroom.de). In der damaligen Zeit diente dieses Leinentuch vermutlich hauptsächlich zum Schutz vor Kälte und zum Schnauben der Nase.

In der modernen Geschichte rechnet man Frankreich den Ursprung der Krawatte zu. Eine französische Erfindung ist der Schlips trotzdem nicht. Weit gefehlt. Kroatische Soldaten haben den Vorgänger der heutigen Krawatte während des 30-jährigen Krieges in Frankreich getragen. Das französische Wort „Cravat“ ist im Französischen von der Nationalitätsbezeichnung für Kroaten (la croate) abgeleitet und bezeichnet ein dekoratives Halstuch der kroatischen Kavallerie im dreißigjährigen Krieg. Das Halstuch wurde in Kriegszeiten getragen um Freund und Feind besser zu unterscheiden. Damals waren Krawatten aus Seide den Offizieren vorbehalten. Einfache Soldaten mussten sich mit Krawatten aus einfacheren Materialien zufrieden geben.

Im 17. Jahrhundert verbreitet sich die Krawatte schließlich von Frankreich aus ins restliche Europa. Sie wird gern von vornehmen Adligen und wohlhabenden Bürgern getragen. Das sogenannte kroatische Ritterhalstuch ist zur Zeit des französischen Barock groß in Mode. Das Ritterhalstuch war ein langes weißes Stofftuch aus Baumwolle oder Leinen welches auf komplizierte Weise geknotet und um den Hals gelegt wurde. Manchmal wurde es dekoriert mit Spitze. War man faul, konnte man das kroatische Ritterhalstuch auch fertig dekoriert und gebunden kaufen. Die Wohlhabendsten trugen in dieser Zeit so genannte Spitzenrüsche als Ausdruck von enormen Reichtum und Status. Beispielsweise kostete die Spitzenrüsche des englischen Königs Karl II. im Jahr 1660 nach heutigen Maßstäben zirka 10 Jahreslöhne eines Besserverdieners der damaligen Zeit.

Die Finanzwelt folgt heute einem Trend, der bei Tech-Firmen im Silicon Valley längst keiner mehr ist. Schon in den Fünfzigerjahren begann dort eine Entwicklung, die vielen heute als „Casual Friday“ bekannt ist. Von Montag bis Donnerstag galt in den Büros ein strenger Dresscode, am Freitag durfte es als Einstimmung ins Wochenende statt Hemd auch mal der Rollkragenpullover sein. Heute ist aus der wöchentlichen Ausnahme längst ein Standard geworden: Kapuzenpulli und Sneaker sind die Uniform der Westküste.

Im Kampf um junge Talente soll der neue Dresscode vielen Unternehmen – darunter viele Start-Ups – helfen, mit der Lässigkeit des Silicon Valley gleichzuziehen.

Kawatten sind out, nur Anwälte oder Banker tragen noch welche – aber müssen die sich bei ihren Kunden anbiedern?!

Die alten Dresscodes gibt’s nicht mehr. Alle erfinden sich neu, geben sich kreativ – und unterstreichen das auch äußerlich. Bloß keine Krawatte! Die schmalen Seidentücher, einst Status-Symbole für Stand und Position, sind fast schon stigmatisierend. Dunkler Anzug und steife Krawatte ist gleich exorbitanter Tagessatz!

„Overdressed ist heute ein Geschäftsrisiko“ klagen Unternehmensberater (glam-o-meter.com 13.05.2018). Die zweite Frage der Leute laute immer: „Wie ist der Dresscode?“.

Eine Revolution ist im Gange. Den Herren „geht es an die Gurgel“ …

Der Kapitalismus sei in viel zu viele Lebensbereiche vorgedrungen: „So können wir auf keinen Fall weitermachen“. Er habe das sehr ernst gemeint, was er formuliert habe, bestätigte Kevin Kühnert (zeit.de). „Ich habe keine Lust mehr darauf, dass wir wesentliche Fragen immer nur dann diskutieren, wenn gerade Friedenszeiten sind, und im Wahlkampf drum herumreden“, so der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation. Er hat die SPD aufgefordert, die von ihm angestoßene Debatte offensiv zu führen.

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Sozialismusthesen von Juso-Chef Kevin Kühnert scharf zurückgewiesen. „Wer als Sozialdemokrat die Enteignung und Sozialisierung großer Industrien fordert (gemeint ist Verstaatlichung), dem ist die Aufmerksamkeit der Medien gewiss“, schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag (handelsblatt.com). „100 Jahre empirisch gesicherte Erfahrung mit staatlich gelenkten Volkswirtschaften haben gelehrt, dass sie wegen mangelnder Effizienz und Qualität bankrottgehen und zudem auch für die soziale Verelendung ihrer Beschäftigten sorgen“. Aber das ignoriere Kühnert.

Kritik an Kühnerts Ideen kam nun auch vom Industrieverband BDI. „Unausgegorene Ideen für eine sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform verlieren sich im Nebel aus unbestimmten Wünschen und Rezepten von gestern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang.

Kühnert hatte in einem Interview mit der ZEIT zum Thema Sozialismus gesagt, dass er für eine Kollektivierung großer Unternehmen „auf demokratischem Wege“ eintrete: „Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW „staatlicher Automobilbetrieb“ steht oder „genossenschaftlicher Automobilbetrieb“ oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht“.

Nicht umsonst legen einige Gazetten Wert darauf, Kühnert habe nicht von Verstaatlichung und Enteignung gesprochen, sondern von „Kollektivierung“.

Der Spott bleibt nicht aus. CSU-Generalsekretär Markus Blume empfahl Kühnert den Wechsel zur Linkspartei. „Mit solchen Leuten ist kein Staat zu machen und kann eine Regierung nicht funktionieren“, sagte er mit Blick auf die Große Koalition (dpa.com). Die SPD-Spitze müsse sich „von solchen Hirngespinsten distanzieren“.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg mahnte, die SPD müsse dringend ihr Verhältnis zum Eigentum klären. Der frühere Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) twitterte: „Und in den Sozialistischen Motorenwerken Bayerns (vor der Revolution ‘BMW’) machen die Kevin-Kühnert-Pioniere ihre Arbeitseinsätze.“

Auch aus der SPD kam Kritik. „Was für ein grober Unfug“, schimpfte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, auf Twitter. „Was hat der geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein“ (jungefreiheit.de).

Nachdem in der ZEIT das Interview mit Kühnert unter dem Titel „Was heißt Sozialismus für Sie?“ erschien, hat die Kampagne einen neuen Höhepunkt erreicht. Obwohl Kühnerts „Utopie“ des Sozialismus, wie er selbst erklärt, konkret nichts anderes meint als „eine Wiederherstellung der Sozialstaatsversprechen der Siebziger, Achtzigerjahre in upgedateter Form“, überschlagen sich die Medien, führende Politiker in Regierung und Opposition sowie die Gewerkschaften mit wüsten anti-kommunistischen Tiraden.

Die WORLD SOCIALIST WEB SITE titelt gar: „Herrschende Klasse fürchtet Gespenst des Sozialismus!“ (wsws.org 04.05.2019).

Kühnerts Forderung ist mehr als radikal. Man könnte diese Aussagen als originelle Gedankenspielerei eines Außenseiters abtun, aber sie kommen eben von einem prominenten Sozialdemokraten, der ernst genommen werden will. Und er findet bei Grünen und Linken, wenn überhaupt, nur verhaltenen Widerspruch. Wir stehen also doch an einer Art Wegmarke der Debatte, und die verlangt Klartext. Es geht immerhin um unser Wirtschaftssystem, Ludwig Erhards soziale Marktwirtschaft.

Der japanische Ministerpräsident Shinzō Abe erwies dem neuen Kaiser Naruhito seinen Respekt. Er gratuliere dem neuen Staatsoberhaupt zum Amtsantritt und versprach seinerseits, für eine „helle Zukunft“ in der Regierungszeit Naruhitos zu arbeiten, die friedlich und voller Hoffnung sein soll.

Der neue Kaiser trat die Nachfolge seines Vaters Akihito an, der nach 30-jähriger Regentschaft formal abgedankt hatte. Akihito und seine Gemahlin Michiko hatten sich gewünscht, dass die neue Ära „schöne Harmonie“, auf japanisch „Reiwa“, unter ihrem Sohn Naruhito „stabil und fruchtbar“ werde, sagte Akihito in seiner letzten Botschaft. Er war der erste Kaiser der ältesten Erbmonarchie der Welt seit rund 200 Jahren, der zu Lebzeiten den Thron für seinen Nachfolger freimachte.

Laut Japans pazifistischer Nachkriegsverfassung darf sich der Kaiser nicht zu politischen Fragen äußern. Bei einer ersten Einführungszeremonie für Kaiser Naruhito wurden dem neuen Monarchen von Beamten des Haushofamtes zwei der Throninsignien überreicht: ein Schwert sowie Krummjuwelen.

Das Hofamt zählt tausend Beamte. Es ist eine Art Vatikan (SPON), eine seit dem 8. Jahrhundert überlebende Institution, deren ureigener Auftrag es ist, das japanische Kaiseramt und seine Traditionen, auch die schlechtesten, bis in die kleinsten Details zu bewahren. Also hat sich Naruhito vermutlich nach Vorschrift verhalten, als er seine Gemahlin bei der Thronbesteigung nicht anrührte – es tobt seit Jahren ein in jeder Sushi-Bar des Landes heftig geführter Streit, ob Frauen in Zukunft auch den Thron besteigen dürfen. 80 Prozent der Japaner sind laut Umfragen dafür. Aber fast alle, die in Hofamt und Regierung den Ton angeben, sind dagegen. Und sie setzten sich auch dieses Mal durch.

Wie sehr ihn das Hofamt zwingt, auch die fragwürdigsten Traditionen des Hauses nicht in Frage zu stellen, machte schon die erste Ansprache Naruhitos heute deutlich: „Bei meiner Thronbesteigung schwöre ich, dass ich mit aller Kraft über den Kurs seiner Majestät, dem emeritierten Kaiser, reflektieren werde und den Weg der vergangenen Kaiser stets beachten werde“, sagte Naruhito im Tokioter Kaiserpalast vor 266 Regierungsgästen.

Damit bekannte sich Naruhito auch zu seinen entfernteren Vorgängern, zu denen nicht zuletzt sein Großvater, Kriegskaiser Hirohito, zählt. Hirohito hielt von 1926 bis 1989 den Kaiserstuhl inne und wurde noch zu seinen Lebzeiten bis Kriegsende als Gottkaiser verehrt. In seinem Namen führte Japan den Zweiten Weltkrieg, bei dem die damaligen kaiserlichen Armeen schlimmste Kriegsverbrechen begingen, vor allem in China und Korea.

So floskelhaft die kaiserliche Rede auch klingen mag, das gesamte Schauspiel hat durchaus politische Bedeutung (nzz.ch). Zwar haben die amerikanischen Besatzer den Kaiser nach dem Krieg vom Staatsoberhaupt und Gott zum machtlosen Symbol degradiert. Die US-amerikanischen Besatzer ließen den Tenno zwar im Amt. Aber rechtlich wurde der damalige Tenno Hirohito in der Verfassung vom Gottkaiser zum „Symbol des Staats und der Einheit des Volks“ herabgestuft. Über staatliche Macht verfügt er seither nicht. Wie sein Vater gilt der 59-jährige Naruhito als Gegenpol zu den Versuchen des konservativen Regierungschefs Abe, Japans Eroberungsgeschichte zu verdrängen und die Verfassung zu ändern.

Der amerikanische Präsident Donald Trump kommt Ende Mai zu einem Staatsbesuch nach Japan und wird der erste ausländische Staatsgast sein, der dort den neuen Kaiser Naruhito trifft. Trump wird Japan vom 25. bis 28. Mai besuchen.

2016 hatte Kaiser Akihito sein Land in Aufregung versetzt, als er seinen Wunsch verkündete, sich von seinen Kaiserpflichten zurückzuziehen. Als Grund nannte er sein hohes Alter und seine angeschlagene Gesundheit. Eine Abdankung des Kaisers aber war in Japans Nachkriegsverfassung nicht vorgesehen – der bisher letzte Thronverzicht lag zwei Jahrhunderte zurück. Deshalb musste eigens ein Gesetz verabschiedet und das Verfahren festgelegt werden. Dieses gilt jedoch nur für Akihito, nicht aber für Naruhito (n-tv.de).

Akihito modernisierte die Rolle der Monarchie auf seine Weise. Hatte dieser noch eine Bürgerliche geheiratet, wählte sich Sohn Naruhito sogar eine bürgerliche Karrierefrau zur Gemahlin: Masako Owada (handelsblatt.com).

Die Konservativen dürften deshalb wenig Hoffnung hegen, dass der neue Kaiser leichter zu manipulieren ist als der alte. Es wird erwartet, dass sich Naruhito auch stärker für Umweltfragen einsetzen wird.

Emmanuel Macron, einst „europäischer Wonderboy“ (welt.de), inzwischen angeschlagener Präsident der Franzosen, versucht sich in politischer Alchemie: Aus einer Krise will Frankreichs Präsident jetzt eine Chance machen. Am Ende seines lang angekündigten und am Sonntagabend veröffentlichten Briefes an die Franzosen kündigt Macron an, „Wut in Lösungen“ verwandeln zu wollen.

Das klingt, als habe sich Frankreichs Präsident die schöne Formel zu eigen gemacht, dass dort, wo Gefahr ist, logischerweise auch das Rettende wächst (Friedrich Hölderlin).

Als Antwort auf die mehr als fünfmonatigen Sozialproteste der Gelbwesten hat Frankreichs Präsident Steuersenkungen und Entlastungen für Rentner angekündigt. Er werde die Einkommensteuer „deutlich“ senken, sagte Macron in seiner kämpferischen Rede.

Von der Einkommensteuer-Senkung soll nach den Worten des Staatschefs vor allem die Mittelschicht profitieren, aus der viele seiner Wähler stammen. Er deutete auch eine mögliche Rückkehr zur Vermögensteuer an, die seine Regierung weitgehend abgeschafft hatte. Die Maßnahme werde im kommenden Jahr überprüft, so der Elysée-Palast. Die Protestbewegung wirft ihm vor, „Präsident der Reichen“ zu sein.

Die Proteste nehmen kein Ende. Seit dem 17. November 2018 gehen in Frankreich samstags Menschen in gelben Westen auf die Straße. Die landesweit organisierten Proteste der Gelbwesten (gilets jaunes) richteten sich anfangs gegen eine von Präsident Macron geplante höhere Besteuerung von fossilen Brennstoffen. Rasch mündeten sie in eine Liste mit 42 Forderungen. Von ihrem Präsidenten verlangen die Gelbwesten einerseits, „alle Steuern“ zu senken, den Mindestlohn und die Renten anzuheben, andererseits die 2018 abgeschaffte Vermögenssteuer wieder einzuführen. Ein Großteil der Forderungen der Gelbwesten steht im Einklang mit den Wahlversprechen, die Macron während des Wahlkampfes 2017 gemacht hat: weniger Steuern, mehr Kaufkraft, mehr Demokratie. Die Proteste werden von der unteren ländlichen Mittelschicht, darunter Handwerker, Ladenbesitzer, getragen. Diese Menschen können von ihrer Arbeit kaum mehr leben und haben Angst zu verarmen. In der Politik, so meinen die Gelbwesten, hätten sie keine Stimme. Die Unterstützung der Gewerkschaften und der Parteien der politischen Linken, die solche Forderungen bislang kanalisiert haben, lehnen sie ab. Politik, so ihre Forderung, solle im Interesse der „einfachen Bevölkerung“ und durch sie gemacht werden. Mehr politische Mitsprache solle etwa dadurch entstehen, dass Bürger- oder Volksinitiativen Referenden (référendum d’initiative citoyenne) einleiten dürfen.

Viele von Macrons Ankündigungen waren seit Tagen bekannt, nachdem er aufgrund des Brands von Notre-Dame seine für den selben Tag geplante Fernsehansprache abgesagt hatte. Sein Redemanuskript war da aber schon öffentlich.

Seither diskutiert Frankreich über die geplanten Vorschläge, am heftigsten über die geplante Auflösung der Elitehochschule ENA und das Fehlen einer ehrgeizigen Klimapolitik. Macrons ehemaliger Umweltminister Nicolas Hulot warnte in einem Interview am Wochenende eindringlich, man müsse jetzt entschiedener vorgehen, dies sei eine Frage des „Überlebens“ .

„Wir sind ein Land, das viele Dinge von seinem Präsidenten erwartet“, sagte Macron am Schluss. Das habe er zwischendurch etwas vergessen. Aber er werde nicht jemand werden, der versuche zu gefallen. Auf die Frage, ob er 2022 noch einmal kandidiere, wollte er nicht antworten. Er pfeife auf die nächste Wahl, wolle jetzt dieses Mandat erfolgreich hinter sich bringen (SPON).

Macron hat erkannt, dass es nicht funktioniert, die Gelbwesten einfach auszusitzen, weil sie so anders sind als er und seine Parlamentarier. Nicht einmal Sprecherinnen oder Sprecher akzeptieren die Demonstrierenden, weil sie keine Hierarchien wollen. Für eine Regierung, die sonst mit den Chefs von Gewerkschaften oder Bauernverbänden verhandelt, ist es extrem schwierig, die Stimmung einer diffusen Gruppe zu drehen. Vor allem, weil inzwischen rund 80 Prozent der Franzosen für die Proteste sind, selbst wenn sie ihnen den Weg zur Arbeit versperren. Daher muss Macron nun mehr von seiner Politik revidieren als anfänglich nur die Benzinsteuer.

Noch vor Ende der schottischen Wahlperiode im Mai 2021 solle es das Referendum geben, sagte Nicola Sturgeon, die schottische Ministerpräsidentin.

Eine gesetzliche Regelung dafür könne noch in diesem Jahr geschaffen werden.

Schottlands Ministerpräsidentin hat bis spätestens 2021 ein neues Referendum über die Unabhängigkeit von Großbritannien angekündigt. Voraussetzung ist, dass die Regierung in London wie geplant aus der Europäischen Union austritt. „Eine Wahl zwischen einem Brexit und einer Zukunft Schottlands als eine unabhängige europäische Nation sollte noch in dieser Sitzungsperiode angeboten werden“, sagte Sturgeon in Edinburgh. Der Brexit werde „katastrophale wirtschaftliche Folgen“ für Schottland haben, so Sturgeon (welt.de). Sturgeon argumentiert, ein Austritt Schottlands zusammen mit den Briten gefährde die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. „Wir drohen ins Abseits gedrängt zu werden, an den Rand innerhalb eines Vereinigten Königreichs, das selbst zunehmend auf der internationalen Bühne am Rand steht“.

Mit dem Brexit ändert sich vieles und sehr deutlich für Schottland. Schließlich hatten viele Schotten 2014 nur deshalb gegen einen Austritt aus dem Königreich gestimmt, weil ihnen aus Brüssel gedroht worden war, sie würden mit der Unabhängigkeit auch die EU-Mitgliedschaft verlieren. Trotz allem ging die Abstimmung mit 55 zu 45 Prozent nur relativ knapp aus. Letztlich hatten die Führer der drei großen britischen Parteien das Ruder kurz vor dem Referendum herumgerissen und den Schotten deutliche Verbesserungen versprochen.

Dass die Schotten für einen Verbleib in der EU waren, haben sie bei der Brexit-Abstimmung deutlich gezeigt. 62% hatten beim Referendum gegen den Brexit gestimmt. Nun befindet sich Schottland aber in der absurden Lage, dass man mit Großbritannien im Verbund gegen den eigenen Willen austreten soll. Sturgeon will deshalb noch vor der nächsten Parlamentswahl ein zweites Referendum abhalten. Es gehe um eine Entscheidung über den Brexit und „einer Zukunft für Schottland als unabhängige europäische Nation“, erklärte Sturgeon (heise.de) im Parlament.

Für ein Unabhängigkeitsreferendum in Schottland ist die Zustimmung der Regierung in London notwendig. Die britische Premierministerin Theresa May hat wiederholt deutlich gemacht, dass sie eine Volksabstimmung in Schottland nicht für angezeigt hält. An dieser Haltung habe sich nichts geändert, teilte ein Regierungssprecher am Mittwoch mit.

Dabei hält Sturgeon eine generelle Abkehr vom Brexit noch für möglich: „Die unmittelbare Gelegenheit, die wir jetzt haben, besteht darin, zu helfen, den Brexit für ganz Großbritannien zu stoppen – und wir sollten diese Gelegenheit ergreifen. Wenn dies jedoch nicht möglich ist, wird es unvermeidlich sein, mit den Konsequenzen des Brexits umzugehen und sich den Herausforderungen zu stellen“ (n-tv.de).

Die 35 schottischen Abgeordneten im britischen Unterhaus waren eigentlich keine großen Freunde des ausgehandelten Deals mit der EU. Großes Unbehagen bereitete ihnen auch die Backstop-Lösung, da man befürchtet das Nordirland durch die Regelung immer noch direkten Zugang zu der EU hätte und somit attraktiver für Investitionen wäre als das eigene Land. Da in Schottland allerdings die Fischerei von großer Bedeutung ist, wollte das Land eine ähnliche Regelung wie Norwegen, welche keine direkten Zugangsmöglichkeiten für die EU beinhaltet. Aus diesem Grund ist der Vorstoß etwas überraschend, da Schottland im Falle eines Verbleibs in der EU Zugeständnisse wohl machen müsste.

Der Vorstoß der schottische Regierungschefin Sturgeon kommt etwas überraschend und würde wohl wieder ein Stück mehr Chaos in die ganze Sache bringen. Erst der Austritt mit Großbritannien aus der EU, sofern es das Unterhaus diesmal schafft, den Zeitplan einzuhalten und dann ein oder zwei Jahre später tritt Schottland dann aus dem Vereinten Königreich aus und wieder in die EU ein. Damit würden neue Probleme an den Grenzen auftreten. Selbst mit einem tatsächlichen Brexit dürfte der „Hickhack“ auf der Insel damit wohl noch nicht beendet sein (onvista.de).

Jetzt muss Theresa May also nicht nur ihren Vertrag durch das britische Unterhaus bekommen, sie muss auch die Schotten wieder auf ihren Kurs einschwören.

Leichter wird es jetzt bestimmt nicht!