Er ist als Feiertag völlig aus den Köpfen verschwunden, der ehemalige Tag der Deutschen Einheit. Wohl eine Generationenfrage …
Welcher Geschichtslehrer kennt heute noch die Köpfe der damaligen Revolution? Am 17. Juni 1953 protestieren rund eine Million Menschen in Ost-Berlin und in der DDR weitgehend friedlich gegen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Sie äußern ihre Unzufriedenheit über wachsende soziale Probleme, Bevormundung
und Repression. Die SED-Führung ist überfordert von den Demonstrationen, die Sowjetunion reagiert mit Härte: Sie verhängt den Ausnahmezustand. Mit massivem Einsatz von Militär, Volkspolizei und Staatssicherheit wird der Aufstand des 17. Juni niedergeschlagen. Die Ursachen des Volksaufstands in der DDR gehen auf die II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 zurück, auf der Walter Ulbricht den planmäßigen Aufbau des Sozialismus“ verkündet. Dessen Umsetzung führt zu einer schweren Ernährungskrise, zum Absinken des Lebensstandards und zum Rückgang der industriellen Produktion. Viele Menschen flüchten in den Westen. Die tief greifende wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Krise der DDR ist unübersehbar. Der Tod Stalins im März 1953
nährt Hoffnungen auf Verbesserungen. Doch die SED-Führung reagiert im Mai 1953 mit der Erhöhung der Arbeitsnormen um 10,3 Prozent, während die Löhne gleich bleiben. Der Juniaufstand war die erste Massenerhebung im Herrschaftsbereich der Sowjetunion nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Er leitete eine Kette von Erhebungen und Aufständen (Ungarn und Polen 1956, Tschechoslowakei 1968, Polen 1980) ein, die in die erfolgreichen Aufstände und den Sturz der kommunistischen Herrschaftssysteme in Europa 1989/90 einmündete.
Die Gewerkschaft versuchte, die Arbeitenden davon zu überzeugen, dass an eine Rücknahme der Normen nicht zu denken sei. Damit war für die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter das Maß voll. Da die Baustellen Tore während der Versammlung verschlossen worden waren, befürchteten die Arbeitenden, verhaftet zu werden. Um ihnen zu Hilfe zu kommen, legten Arbeiterinnen und Arbeiter von Nachbarbaustellen an der Stalinallee die Arbeit nieder, zogen vor das Tor des Krankenhauses Friedrichshain, brachen es auf und forderten ihre Kolleginnen und Kollegen auf, sich an der Demonstration zu beteiligen. Die DDR kämpfte seit ihrer Gründung mit innenpolitischen Problemen. Die hohen Reparationszahlungen an die Sowjetunion belasteten ihre wirtschaftliche Entwicklung. Um dem entgegenzuwirken, beschloss die SED auf ihrer zweiten Parteikonferenz im Juli 1952 den Aufbau des Sozialismus nach sowjetischem Vorbild: Parallel wurde die Abschottung der DDR vom Westen Deutschlands vorangetrieben. Die Bevölkerung litt im Vergleich zur Bundesrepublik unter Versorgungsengpässen und Lebensmittelrationierungen, da die Regierung den Wiederaufbau des Militärs und der Schwerindustrie der Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie vorzog. Allein im Jahr 1952 verließen 182.000 Ostdeutsche die DDR, 1953 waren es bis Ende Mai knapp 186.000. Der DDR-Wirtschaft mangelte es an Arbeitskräften. Die SED-Führung reagierte auf diese ökonomische Krise am 28. Mai 1953 mit besagtem Beschluss zur Erhöhung der ArbeitsnormenGünter Schliepdieck, Hardy Firl und Günter Kröber, nur um einige Namen zu nennen. Sie wurden verhaftet, in Schauprozessen verurteilt. Angestiftet durch den Hauptschuldigen: den Klassenfeind!

Schon letztes Jahr im November hieß es, dass es innere Unruhen und Konflikte im Kreml gibt. Ein russischer Geheimdienstagent prognostizierte einen „unvermeidlichen Bürgerkrieg“ und dass Russland bald „in den Abgrund des Terrors hinabsteigen wird“, da die russischen Bürger des Krieges langsam überdrüssig würden. „Chaos,
Bürgerkrieg, Kollaps – ja, das liegt alles noch vor uns, ist aber schon wesentlich näher gerückt – jetzt im Juni. Es ist wohl unvermeidlich. In Russland gibt es kein Modell für einen „einfachen Machtwechsel“ (focus.de)Das war vor über hundert Jahren schon einmal so, zu Zeiten des Zaren. Wiederholt sich die Geschichte? Nach der Oktoberrevolution 1917 folgte ein grausamer Bürgerkrieg. Er wurde vor allem zwischen der Roten und Weißen Armee geführt. Die Bolschewiken waren in der Oktoberrevolution unter der Führung von Lenin an die Macht gekommen. Von ihnen war die Rote Armee aufgebaut worden. Die Gegner von Sowjetrussland und der Bolschewiken stellten eine Weiße Armee dagegen. Diese wurde aber nicht einheitlich geführt, sondern bestand aus
verschiedenen Gruppierungen mit unterschiedlichen Vorstellungen. Gemeinsam war ihnen, dass sie für einen demokratischen Prozess waren und gegen die Verstaatlichung des Eigentums. Schlechte Organisation führte jedoch 1921 zur Niederlage der Weißen Armee, obwohl sie vom Ausland (z. B. von den USA und Großbritannien) unterstützt wurde. Im Bürgerkrieg verloren acht Millionen Menschen ihr Leben. Keine guten Aussichten für heute, auch wenn man nicht sklavisch an die Wiederholung der Geschichte glauben darf und soll. In Russland lehnt sich Söldnerchef Jewgeni Prigoschin gegen die Militärführung auf. Im Westen des Landes kämpfen russische Anti-Putin-Milizen gegen russische Soldaten. Dass sich Städte und Regionen selbst bewaffnen, ist in Russland nicht neu, so u.a. Girkin. Das geschah schon zuvor im letzten Jahrhundert. Hunderte Selbstverteidigungseinheiten und Gangs hätten gegeneinander und mit Staaten gekämpft, die während des Kriegs entstanden waren und wieder verschwanden. Kann sich das wiederholenDie Macht im Kreml ist neu zu vergeben, Putin hat versagt …
Wird es mit einem Machtwechsel ein neues Russland geben?! Es darf bezweifelt werden. Die Crux der Sowjets und jetzt der Russen war schon immer, dass aus zweiter oder dritter Reihe akquiriert wurde für die Staatsführung. Die älteren Herren haben alee die gleiche Ausbildung, mit die gleiche Gehirnwäsche.
Nawalny wäre eine Chance für Russland. Richtig daran glauben kann man jedoch nicht …

Nach dem Urteil gegen Lina E. wegen linksextremistischer Gewalttaten ist es in Leipzig erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz, über der Stadt kreisten Hubschrauber, an mehreren Orten im Stadtteil Connewitz brannten Barrikaden.
Schon am Samstagnachmittag hatte es Krawalle gegeben. Bis zum späten Abend wurden fünf Haftbefehle erlassen, den Männern im Alter zwischen 20 und 32 Jahren wird Landfriedensbruch vorgeworfen. Ein Tabu ist das der Gewaltanwendung. Jemandem mit einem Hammer die Schädelknochen zu zertrümmern, weil einem dessen mutmaßliche politische Radikalität missfällt, ist eine für die meisten Menschen abstoßende Vorstellung. Wer einmal in den Genuss eines Selbstverteidigungskurses gekommen ist, weiss, dass es schon einigermaßen schwerfällt, mit der nackten, verhältnismäßig weichen Hand in ein fremdes, verhältnismäßig weiches Gesicht zu schlagen. Es fühlt sich komisch an, es widerstrebt. Doch nicht so in der linksextremen Szene. Das zeigt der Fall Lina E. und der seltsame Applaus für linksextreme Attacken. Gewalt ist offensichtlich okay – wenn sie die Guten verüben und es die Bösen trifft. Es gibt nicht nur eine Ursache hierfür, sondern multiple. Eine davon ist wohl: viele Menschen sind verunsichert, haben Sorgen, ich nenne es Kontrollverlust, wegen Veränderungen, die in der Welt passieren – Stichwort Globalisierung, Digitalisierung, aber auch die Migration, wo sich viele Leute bedroht fühlen, und dann suchen sie sich irgendwelche Sündenböcke bei zunehmenden Frustrationen. Die Anonymität des Internets. Wir wissen, dass die Sprache im Internet viel aggressiver ist, unpersönlicher ist als die Face-to-Face-Interaktion.
Einen weiteren Punkt stellt der Wertewandel dar, die Nachwirkungen dessen von den sogenannten Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu den Selbstverwirklichungswerten. Das missverstehen viele, dass sie sagen, ich möchte mich selbst verwirklichen, ich habe alle Freiheiten, dass sie das verwechseln mit Freizügigkeiten. Krankhaft in unserer Gesellschaft ist nicht zuletzt ein zunehmender NarzissmusStreng nach dem Motto: „Ich lasse mich nicht einschränken, jetzt komme ich, ich habe Vorrang!“. Diese Phänomene haben über Jahrzehnte vor sich hingeköchelt. Jetzt sind sie da, gar. Es wird nicht reichen, einerseits nur zur Aufklärung aufzurufen und andererseits nach dem starken Staat zu schreien. Wir brauchen auch Geduld. Das Gewaltproblem in unserer Gesellschaft lässt sich nicht von heute auf morgen lösen. Demokratie muss täglich erkämpft werden. Wollen wir etwas ändern, müssen wir jetzt und hier anfangen.

Wenn die Natur gewollt hätte, dass wir alle gleich sind, hätte sie uns so geschaffen. Wenn es in einer steinzeitlichen Gruppe Menschen gibt, die sich mehr für die Jagd interessieren, andere eher ruhig sind und mehr beobachten und nachdenken, wieder andere neugierig sind und vieles sammeln, dann führt das zu einer Arbeitsteilung, bei der sich jede und jeder auf das konzentriert, was sie oder er besonders gut kann. Es wird Tätigkeiten geben, die unerlässlich sind und von jedem ausgeführt werden, und solche, die nur von wenigen beherrscht werden. Wir sind so, wie wir sind, weil dies optimal für die Arterhaltung war. Und dazu gehört, dass die Evolution uns hat unterschiedlich werden lassen, damit wir einander ergänzen können. So gesehen, hat die Natur die Arbeitsteilung erfunden, nicht der Mensch. Alles intelligent aufgezogen! Zufall der Natur, göttlicher Wille oder per Meteorit auf die Erde gefallen? Alles möglich, aber sind wir realistisch: wo steckt im angeblich toten Universum die Fähigkeit, uns Leben einzuhauchen, intelligentes Leben … ?! Die Bewegung desIntelligenten Designs“ geht davon aus, dass Naturprozesse, wie sie die biologische Evolutionstheorie voraussetzt, keine Innovationen bzw. neue „Designs“ von Lebewesen hervorbringen können. Dafür sei eine „geistige Verursachung“ nötig, also eine über- oder außer-natürliche Intelligenz, die lenkend in die Evolution eingreift. Die Tatsache, dass in der Intelligent-Design-Bewegung nicht von einem Gott oder einem Schöpfer, sondern immer nur von einem Intelligenten Designer die Rede ist, zeigt, dass es der Bewegung daran gelegen ist, nicht mit Kreationismus gleichgesetzt zu werden, der letztlich – von wenigen Bundesstaaten in den USA einmal abgesehen – sich nicht erfolgreich in der Schule durchsetzen konnte. Gleichwohl steht hinter diesem Intelligenten Designer das Konzept eines reduktionistisch verstandenen christlichen Schöpfer-Gottes, der eine große Nähe zu einer Gott-als-Lückenbüßer Konzeption aufweist (ekd.de, 06.08.2007)Naturwissenschaftlich lässt sich das Institut des „Schöpfers“ nicht beweisen. Aus
diesem Grund wird es abgelehnt …. Man müsse den „Schöpfer“ durch Nichtwissen ersetzen. Zunächst ein starkes Argument! Restzweifel bleiben aber …
Die Evolutionstheorie ist durch eine Fülle experimenteller Funde gefestigt. Doch auch sie könnte sich eines Tages als unzureichend oder falsch erweisen. Ein oft geäußerter Einwand gegen die Evolutionstheorie lautet, dass das Auftreten von komplexen morphologischen Strukturen oder genetischer Information unter den Annahmen der Evolutionstheorie äußerst unwahrscheinlich wäre. Daraus wird der Schluss gezogen, dass die Evolutionstheorie falsch ist und anstelle dessen eine übernatürliche Intelligenz in den Evolutionsprozess eingegriffen oder ihn von Anfang an so eingerichtet haben muss, dass er auf ein Ziel gerichtet verläuft. Derartige wahrscheinlichkeitstheoretische Argumente finden sich in vielen Varianten; z.B. wird zu zeigen versucht, dass der gesamte Ausgang der Evolution extrem unwahrscheinlich ist, oder dass ein bestimmtes Evolutionsprodukt (ein Protein oder eine genetische Information) kaum auf natürliche und zufallsbedingte Weise einstehen konnte
(ualberta.ca)Solche Argumente wurden wiederum schon von traditionellen Kreationisten hervorgebrachtSei es, wie es sei …; Einfach zum Nachdenken! Schöne Pfingsten!

Greenwashing bedeutet, dass Unternehmen nach außen hin nachhaltig wirken wollen, ohne die dafür notwendige Arbeit tatsächlich geleistet zu haben. Die angeblich ökologische Natur der Produkte wird dabei vorgetäuscht, um mehr Kund/-innen anzulocken. Ohne eine nachvollziehbare Transparenz ist es allerdings schwer, den Siegeln oder Etiketten zu glauben. In den letzten Jahren boomt der Markt förmlich mit Nachfrage nach Fairtrade, Bio oder nachhaltigen Produkten. Das bezieht sich auf viele Bereiche der Industrie: von der Textilbranche bis hin zu
Lebensmitteln. Der verantwortungsvolle Konsum ist immer wichtiger geworden und somit auch die Angebote von entsprechenden Waren. Beim Greenwashing missbrauchen Unternehmen den Begriff der Nachhaltigkeit zu ihren Gunsten. Was vermitteln die NachhaltigkeitsetikettenDen Eindruck, dass Konsumieren keinen Schaden verursacht, dass die Herstellung von Lebensmitteln, Textilien oder Möbeln in einem Einklang mit der Umwelt steht
und, dass Einkaufen – ob notwendig oder nicht – sogar eine gute Sache ist. Die einen schenken den lauten Werbespots sowie den auffälligen Etiketten Glauben, die anderen hinterfragen die Label kritisch. Dabei sind vor allem die Argumente und Bedenken der Kritiker interessant. Konsumenten, die hingegen bejahend den Kopf schütteln, motivieren weder Hersteller noch Unternehmen zu einer Besserung. Der Begriff Greenwashing genießt erst seit Kurzem eine steigende Popularität, obwohl er bereits in den 1970er Jahren bekannt wurde. Er entstand aus dem Bewusstsein der Konsumenten: Sie schenkten der Umwelt mehr Beachtung. Aufgrund der steigenden Ressourcenknappheit sowie der regelmäßigen Umweltkatastrophen stieg nicht nur das Bewusstsein für die Umwelt, sondern auch der Wunsch, diese zu retten. Infolgedessen verdrängte die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten den Bedarf nach umweltschädlichen Erzeugnissen. Doch der Schrei nach plastikfreien Verpackungen, nachhaltig angebauten sowie glyphosatfreien Lebensmitteln wird zunehmend lauter.
Ist das denn nicht eine positive Entwicklung? Eine, von der Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichermaßen profitieren? Konsumenten stellen darüber hinaus ihre hohe Zahlungsbereitschaft unter Beweis, indem sie bereitwillig die höheren Preise für nachhaltige Erzeugnisse in Kauf nehmen. Was tun gegen Greenwashing?
Genauer hinschauen und nachfragen.
Verlässliche Siegel checken, Bogen um dubiose Siegel machen.
Inhaltsstoffe bei Greenwashing-Verdacht nachschlagen (polarstern-energie.de, 10.05.2023)Das ist zu schaffen! Langsam, aber mühsam ernährt sich das Eichhörnchen …

Für die Ablösung der historisch begründeten Staatsleistungen, die sich jährlich auf rund 600 Millionen Euro belaufen, will die Ampel-Koalition im Bund einen gesetzlichen Rahmen schaffen. Abgelöst werden müssten die Staatsleistungen von den einzelnen Ländern, die Kirchen stehen dem offen gegenüber. Was sind Staatsleistungen?
Staatsleistungen gehen auf die Enteignung kirchlicher Güter im Zug der Reformation und durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 zurück. Damals verpflichteten sich die Landesherren, die Besoldung und Versorgung kirchlicher Würdenträger sicherzustellen. Diese hatten durch die Enteignungen Einnahmen verloren, mit denen sie die Ausgaben zuvor selbst trugen. Die Pflicht gilt im Grundsatz bis heute. Derzeit fließen pro Jahr insgesamt rund 600 Millionen Euro aus den Länderhaushalten – ausgenommen Hamburg und Bremen – an die evangelischen und katholischen Landeskirchen und Bistümer. Rund 60 Prozent erhalten die evangelischen Kirchen. Die Höhe ist sehr unterschiedlich: Im Saarland wird weniger als eine Million Euro veranschlagt, in Nordrhein-Westfalen für beide Kirchen zusammen etwas mehr als 23 Millionen Euro, in Bayern über 90 Millionen Euro (kirche-und-leben.de, 02.04.2023)Der Auftrag zur Ablösung der Zahlungen war schon in der Weimarer
Reichsverfassung von 1919 festgeschrieben. 1949 wurde er ins Grundgesetz übernommen. Grundsätze hierfür muss die Bundesebene festlegen. 2021 brachten die damaligen Oppositionsparteien einen Gesetzesentwurf ein, der eine einmalige Ablösesumme vom 18,6-fachen Wert der jährlichen Zahlungen vorsah – also bei 590 Millionen Euro im Jahr knapp 11 Milliarden Euro. Der Entwurf bekam jedoch im Parlament nicht ausreichend Unterstützung. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP vereinbarten anschließend Ende 2021 in ihrem Koalitionsvertrag, im
Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen zu schaffen und dazu ein Grundsätzegesetz zu verabschieden. Anfang 2023 fanden erste Gespräche zwischen Bundesinnenministerium, Kirchen und Ländern statt, im Laufe des Jahres sollen die Bedingungen für eine grundsätzliche Regelung ausgehandelt werden. Die Verhandlungen über die konkrete Höhe der Ablösesummen müssten danach die Länder führen, weil sie die Zahlungen leisten und das Gegenüber der Kirchen in den entsprechenden Staatsverträgen sind. Zu vereinbaren sind dabei drei Dinge: der Spielraum für die Höhe der
Entschädigungssumme, die Verhandlungszeit, die Kirche und Länder dafür bekommen, und die Zeit, in der die Summe dann abbezahlt sein muss. Wenn es nach einem Rechtswissenschaftler der Humanistischen Union ginge, haben Kirchen bereits mehr als genug bekommen. „Die 20-jährige Übergangspflicht, wie sie FDP, Grüne und Linke vorgeschlagen hatten, sollte aber verkürzt werden. Denn diese würde bedeuten, dass die Kirchen 24 Milliarden Euro zusätzlich bekämen“, sagt er. Eine Ablösesumme sollte es ihm nach überhaupt nicht geben (Johann-Albrecht Haupttaz.de, 08.02.2022).

Der heutige Tag könnte historisch werden, zumindest aus Sicht der türkischen Opposition. Angetreten ist ein Bündnis aus sechs Parteien, das kaum mehr eint als das gemeinsame Ziel: Recep Tayyip Erdogan von der Spitze des Landes zu verdrängen. Bereits das macht deutlich, was es in der Türkei braucht, um den langen Mann, wie
ihn seine Anhänger nennen, abzulösen. Raus aus der Autokratie, hin zu mehr Demokratie? So wie einst unter Mustafa Kemal, hin zu einem säkularen modernen Staat? Wie sieht es nach rund hundert Jahren aus?
Ein Ausblick: Die Türkei ist ein Staat voller Gegensätze, die nicht zuletzt der einzigartigen Geografie des Landes geschuldet sind: Ganz im Westen liegt die moderne wirtschaftlich starke Mega-Metropole Istanbul auf europäischem Gebiet, während das gebirgige Südostanatolien sehr traditionell und landwirtschaftlich geprägt ist. Die Hauptstadt ist AnkaraSchon vor über einer Million Jahren siedelten frühe Menschen wie der Homo erectus
und der Neandertaler auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Ab etwa 1600 v. Chr. entstanden die ersten modernen Zivilisationen wie das Reich der Hethiter in Zentralanatolien. Griechen siedelten vor allem entlang der Küste der Ägäis, unter anderem in Halikarnassos (dem heutigen Bodrum) und in Milet. Auch das legendäre Troja befand sich auf türkischem Boden. Im 19. Jahrhundert verlor das Osmanische Reich nach und nach Serbien, Rumänien,
Griechenland und Bulgarien, die sich unabhängig erklärten. Weitere Territorien gingen in den Balkankriegen 1912 und 1913 verloren und die Osmanen wurden bis in die Grenzen der heutigen Türkei abgedrängt. Im Ersten Weltkrieg schloss sich die Türkei dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn an und bezahlte mit hohen
Verlusten. 1923 wird Ankara offiziell zur neuen Hauptstadt gekürt und die Türkische Republik wird am 29. Oktober 1923 ausgerufen. Mit dem Vertrag von Lausanne (1923) gelingt es Mustafa Kemal die Beschlüsse des Vertrags von Sèvres zu widerrufen und zu ersetzen. Es handelt sich dabei um eine doppelte Errungenschaft, da nicht nur die
Anliegen der Türkei, wie die Bewahrung des Staatsgebietes, umgesetzt werden, sondern zugleich die internationale Staatengemeinschaft die neue türkische Regierung anerkennt und somit der Herrschaft Mustafa Kemals nichts mehr im Wege steht. Frauen mit Kopftuch und Imame, die frühmorgens ihre Gebete anstimmen? Davon hält Mustafa Kemal nicht viel. Sämtliche Spuren des Islams werden weitestgehend aus staatlichen Angelegenheiten bereinigt: Die Entwicklung der Republik ist eine Erfolgsgeschichte: Die heutige Türkei ist ein aktiver außenpolitischer Gestalter in der Weltpolitik und – bis vor kurzem –eine starke Volkswirtschaft. Man muss aber auch die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen hinter der Geschichte – das ideologisch geprägte Justizsystem, die Macht des Militärs, die Verfolgung von Schriftstellern und die
Debatte um Religion und Säkularismus beachten. Die heutige Wahl wird zeigen, wohin die Reise geht …

75 Jahre ist es her: 1948 wurde der Staat Israel gegründet – als sicherer Hafen für Jüdinnen und Juden aus aller Welt. Seither hat das Land einen dynamischen Wandel erlebt und ist zu einer wirtschaftlich und militärisch starken Macht im Nahen Osten geworden. Und dennoch ist es ein Land voller Spannungen und Konflikte, auf das die
Weltgemeinschaft immer wieder besorgt blickt. Israel hat eine äußerst bewegte Geschichte, die nicht zuletzt von Kriegen und gesellschaftlichen bzw. religiösen Konflikten gekennzeichnet ist. Natürlich reicht die Geschichte des heutigen Staates Israel deutlich weiter zurück in die Vergangenheit. Vor mehr als 3000 Jahren war das Gebiet des heutigen Israel ein Teil des jüdischen Reiches. Die Ansiedlung israelitischer Volksstämme in Palästina und den
umgebenden Regionen ist für die Zeit seit etwa 1250 v. Chr. datiert. Aus dem Jahr 1208 v. Chr. stammt die Inschrift der Merenptah-Stele. Sie ist das älteste Dokument mit dem Namen „Israel“ (lpb-bw.de). Die Einnahme der kanaanitischen Stadtstaaten durch israelitische Nomaden, die den historischen Kern der Landnahmeberichte
bilden, erfolgte um 1100 v. Chr. Tausend Jahre später eroberten die Römer das Gebiet und vertrieben die Juden nach Aufständen in den Jahren 66 bis 74 n. Chr. Diese flohen hauptsächlich in verschiedene Gebiete Europas.
Vor 75 Jahren wurde nach Beschluss der UN-Vollversammlung der jüdische Staat offiziell gegründet. Nach der Verfolgung während des Nationalsozialismus sollten die Juden in einem eigenen Staat in Frieden leben können. Wenige Stunden nach der Staatsgründung mussten die neuen Staatsbürger bereits ihr Land gegen die sechs
umliegenden arabischen Nationen verteidigen, denn sie waren eingefallen, um diesen Staat und sein Volk zu vernichten. Bis heute ging keine kriegerische Auseinandersetzung für Israel verloren, was von vielen Menschen als Bewahrung durch Gottes Macht verstanden wird, denn die Juden sind nach biblischer Überlieferung das Volk Gottes. Heute, 2023, geht es in Israel um viel. Der Erhalt der grundsätzlichen Werte einer liberalen Demokratie steht auf der Kippe. Einige Minister wünschen sich einen theokratischen Torastaat herbei, andere wiegeln gegen die LGBTQ-Gemeinde auf, und wieder andere wollen eine ganze arabische Stadt auslöschen. Manche
Regierungsparteien möchten am liebsten das gesamte Westjordanland annektieren. Wie sich aber bei etwa der Hälfte der arabischen Bevölkerung zwischen Mittelmeer und Jordan ein jüdischer und demokratischer Staat umsetzen lässt, hat noch niemand beantworten können. Eine Demokratie lässt sich nicht nur daran messen, dass alle paar Monate oder Jahre Wahlen abgehalten werden, sondern dass auch den Minderheiten, zu denen übrigens
auch die über 20 Prozent arabischen Bürger Israels gehören, gleiche Rechte zustehen und universal verbindliche Werte der Demokratie gewahrt werden. Die Ernsthaftigkeit der Lage in Israel kann nicht überschätzt werden. Dass Israel tief gespalten ist, ist nichts Neues. Dass es bedroht ist, auch nicht. Aber noch nie stand das Land so nah vor einem inneren Bruch wie heute. In Israel tobt ein Machtkampf zwischen der alten zionistischen und eher säkularen
Elite der Aschkenasim und dem zweiten Israel der Mizrachim, den Nachfahren der 800.000 Juden, die seit 1948 aus den arabischen Staaten und dem Iran vertrieben wurden. In Israel mussten sie sich wirtschaftlich und sozial hinten anstellen, doch inzwischen bilden sie die Bevölkerungsmehrheit. Sie wollen ein jüdischeres Israel (Markus
Springer, sonntagsblatt.de, 01.04.2023).