Für die Ablösung der historisch begründeten Staatsleistungen, die sich jährlich auf rund 600 Millionen Euro belaufen, will die Ampel-Koalition im Bund einen gesetzlichen Rahmen schaffen. Abgelöst werden müssten die Staatsleistungen von den einzelnen Ländern, die Kirchen stehen dem offen gegenüber. Was sind Staatsleistungen?
Staatsleistungen gehen auf die Enteignung kirchlicher Güter im Zug der Reformation und durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 zurück. Damals verpflichteten sich die Landesherren, die Besoldung und Versorgung kirchlicher Würdenträger sicherzustellen. Diese hatten durch die Enteignungen Einnahmen verloren, mit denen sie die Ausgaben zuvor selbst trugen. Die Pflicht gilt im Grundsatz bis heute. Derzeit fließen pro Jahr insgesamt rund 600 Millionen Euro aus den Länderhaushalten – ausgenommen Hamburg und Bremen – an die evangelischen und katholischen Landeskirchen und Bistümer. Rund 60 Prozent erhalten die evangelischen Kirchen. Die Höhe ist sehr unterschiedlich: Im Saarland wird weniger als eine Million Euro veranschlagt, in Nordrhein-Westfalen für beide Kirchen zusammen etwas mehr als 23 Millionen Euro, in Bayern über 90 Millionen Euro (kirche-und-leben.de, 02.04.2023). Der Auftrag zur Ablösung der Zahlungen war schon in der Weimarer
Reichsverfassung von 1919 festgeschrieben. 1949 wurde er ins Grundgesetz übernommen. Grundsätze hierfür muss die Bundesebene festlegen. 2021 brachten die damaligen Oppositionsparteien einen Gesetzesentwurf ein, der eine einmalige Ablösesumme vom 18,6-fachen Wert der jährlichen Zahlungen vorsah – also bei 590 Millionen Euro im Jahr knapp 11 Milliarden Euro. Der Entwurf bekam jedoch im Parlament nicht ausreichend Unterstützung. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP vereinbarten anschließend Ende 2021 in ihrem Koalitionsvertrag, „im
Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“ zu schaffen und dazu ein „Grundsätzegesetz“ zu verabschieden. Anfang 2023 fanden erste Gespräche zwischen Bundesinnenministerium, Kirchen und Ländern statt, im Laufe des Jahres sollen die Bedingungen für eine grundsätzliche Regelung ausgehandelt werden. Die Verhandlungen über die konkrete Höhe der Ablösesummen müssten danach die Länder führen, weil sie die Zahlungen leisten und das Gegenüber der Kirchen in den entsprechenden Staatsverträgen sind. Zu vereinbaren sind dabei drei Dinge: der Spielraum für die Höhe der
Entschädigungssumme, die Verhandlungszeit, die Kirche und Länder dafür bekommen, und die Zeit, in der die Summe dann abbezahlt sein muss. Wenn es nach einem Rechtswissenschaftler der Humanistischen Union ginge, haben Kirchen bereits mehr als genug bekommen. „Die 20-jährige Übergangspflicht, wie sie FDP, Grüne und Linke vorgeschlagen hatten, sollte aber verkürzt werden. Denn diese würde bedeuten, dass die Kirchen 24 Milliarden Euro zusätzlich bekämen“, sagt er. Eine Ablösesumme sollte es ihm nach überhaupt nicht geben (Johann-Albrecht Haupt, taz.de, 08.02.2022).