75 Jahre ist es her: 1948 wurde der Staat Israel gegründet – als sicherer Hafen für Jüdinnen und Juden aus aller Welt. Seither hat das Land einen dynamischen Wandel erlebt und ist zu einer wirtschaftlich und militärisch starken Macht im Nahen Osten geworden. Und dennoch ist es ein Land voller Spannungen und Konflikte, auf das die
Weltgemeinschaft immer wieder besorgt blickt. Israel hat eine äußerst bewegte Geschichte, die nicht zuletzt von Kriegen und gesellschaftlichen bzw. religiösen Konflikten gekennzeichnet ist. Natürlich reicht die Geschichte des heutigen Staates Israel deutlich weiter zurück in die Vergangenheit. Vor mehr als 3000 Jahren war das Gebiet des heutigen Israel ein Teil des jüdischen Reiches. Die Ansiedlung israelitischer Volksstämme in Palästina und den
umgebenden Regionen ist für die Zeit seit etwa 1250 v. Chr. datiert. Aus dem Jahr 1208 v. Chr. stammt die Inschrift der Merenptah-Stele. Sie ist das älteste Dokument mit dem Namen „Israel“ (lpb-bw.de). Die Einnahme der kanaanitischen Stadtstaaten durch israelitische Nomaden, die den historischen Kern der Landnahmeberichte
bilden, erfolgte um 1100 v. Chr. Tausend Jahre später eroberten die Römer das Gebiet und vertrieben die Juden nach Aufständen in den Jahren 66 bis 74 n. Chr. Diese flohen hauptsächlich in verschiedene Gebiete Europas.
Vor 75 Jahren wurde nach Beschluss der UN-Vollversammlung der jüdische Staat offiziell gegründet. Nach der Verfolgung während des Nationalsozialismus sollten die Juden in einem eigenen Staat in Frieden leben können. Wenige Stunden nach der Staatsgründung mussten die neuen Staatsbürger bereits ihr Land gegen die sechs
umliegenden arabischen Nationen verteidigen, denn sie waren eingefallen, um diesen Staat und sein Volk zu vernichten. Bis heute ging keine kriegerische Auseinandersetzung für Israel verloren, was von vielen Menschen als Bewahrung durch Gottes Macht verstanden wird, denn die Juden sind nach biblischer Überlieferung das Volk Gottes. Heute, 2023, geht es in Israel um viel. Der Erhalt der grundsätzlichen Werte einer liberalen Demokratie steht auf der Kippe. Einige Minister wünschen sich einen theokratischen Torastaat herbei, andere wiegeln gegen die LGBTQ-Gemeinde auf, und wieder andere wollen eine ganze arabische Stadt auslöschen. Manche
Regierungsparteien möchten am liebsten das gesamte Westjordanland annektieren. Wie sich aber bei etwa der Hälfte der arabischen Bevölkerung zwischen Mittelmeer und Jordan ein jüdischer und demokratischer Staat umsetzen lässt, hat noch niemand beantworten können. Eine Demokratie lässt sich nicht nur daran messen, dass alle paar Monate oder Jahre Wahlen abgehalten werden, sondern dass auch den Minderheiten, zu denen übrigens
auch die über 20 Prozent arabischen Bürger Israels gehören, gleiche Rechte zustehen und universal verbindliche Werte der Demokratie gewahrt werden. Die Ernsthaftigkeit der Lage in Israel kann nicht überschätzt werden. Dass Israel tief gespalten ist, ist nichts Neues. Dass es bedroht ist, auch nicht. Aber noch nie stand das Land so nah vor einem inneren Bruch wie heute. In Israel tobt ein Machtkampf zwischen der alten zionistischen und eher säkularen
Elite der Aschkenasim und dem zweiten Israel der Mizrachim, den Nachfahren der 800.000 Juden, die seit 1948 aus den arabischen Staaten und dem Iran vertrieben wurden. In Israel mussten sie sich wirtschaftlich und sozial hinten anstellen, doch inzwischen bilden sie die Bevölkerungsmehrheit. Sie wollen ein jüdischeres Israel (Markus
Springer, sonntagsblatt.de, 01.04.2023).

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