Das wusste man schon vorher. Doch die Art und Weise, wie Donald Trump per Tweet alles zunichte machte, was vorher mühsam ausgehandelt worden war, ist in der Geschichte der modernen Diplomatie ohne Beispiel.
Seit 42 Jahren gibt es die G7, der Club stammt also aus einer Zeit, in der die Welt noch anders aussah. Seit 42 Jahren trifft man sich einmal im Jahr. Die Gipfel wurden immer größer und trotz ihres informellen Charakters zum geopolitischen Instrument. Der Preis dafür war, dass sie in den vergangenen Jahren nur unter massiven Sicherheitsvorkehrungen an möglichst abgelegenen Orten stattfinden konnten. Im besten Fall lieferte man schöne Bilder, aber kaum konkrete Ergebnisse. Gleichzeitig hat sich mit den G20-Treffen ein Format etabliert, das den heutigen Kräfteverhältnissen auf der Welt besser gerecht wird.
Wie man angesichts dieser Schwächen einen Gipfel perfekt für seine Zwecke instrumentalisieren kann, hat der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi als Gastgeber vorgemacht. Er verlegte den Gipfel 2009 ins Erdbebengebiet der zerstörten Stadt L’Aquila. Doch im Rückblick wirkt selbst dieses Treffen wie ein Relikt aus einer besseren Zeit, als die alte Weltordnung noch halbwegs intakt war. Der US-Präsident hieß damals Barack Obama, auch Russland war dabei und selbst einer wie Berlusconi hielt sich gelegentlich an die Regeln der Diplomatie.
Trump hingegen hat den Multilateralismus, der die vergangenen Jahrzehnte westlicher Politik geprägt hat, aufgekündigt. Seine Alleingänge im Handelsstreit oder beim Iran-Abkommen waren nur Vorboten der größtmöglichen Brüskierung seiner Verbündeten, die er hat folgen lassen.
Es geht dabei nicht nur um Stilfragen. Die alten Regeln, so das klare Signal, gelten nicht mehr. Das ist umso gefährlicher, als die Welt heute bevölkert ist mit verdrehten Populisten vom Schlage Trumps. Nicht nur autoritäre Regime und die USA, auch die europäischen Demokratien sind dafür anfällig geworden. Die starken Männer heißen Donald Trump, Wladimir Putin oder Kim Jong Un, und es ist kein Zufall, dass Trump das Gespräch mit ihnen wichtiger ist als die Runde der G7 mit ihren Debatten.
In den gestrigen US-Talkshows verteidigten Trumps Berater den Präsidenten. Man erklärte, Trump habe dem kanadischen Premierminister Trudeau einen Gefallen getan, indem er zum G7-Gipfel gekommen sei. Er sei sogar bereit gewesen, das sozialistische Kommuniqué zu unterschreiben. Dann sei der kanadische Regierungschef Trump jedoch in den Rücken gefallen. Wirtschaftsberater sagen, Trump vermute, dass Trudeau ihn vor dem Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Un politisch schwächen wollte.
Der US-Präsident kritisierte explizit Deutschland, das zu wenig in die Sicherheit der Verbündeten investiere. Das Land zahle ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Richtung NATO, während die USA vier Prozent von einer weit größeren Wirtschaftsleistung zahlten, twitterte Trump. Man beschütze Europa (was gut sei) zu großen finanziellen Kosten, und dann werde man beim Handel auf unfaire Weise geschröpft, so Trump.
Bundeskanzlerin Merkel entgegnete hierzu, auch die EU werde Gegenmaßnahmen gegen die US-Zölle ergreifen: „Wir lassen uns nicht eins ums andere Mal über den Tisch ziehen. Wir handeln dann auch“, sagte sie. Die EU werde sich dabei aber an die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) halten. Ein Ende der G7-Gipfel sieht Merkel nach dem Eklat durch Trump jedoch ebenso wenig gekommen wie das Ende der transatlantischen Beziehungen (tagesschau.de).
Trump hat aus seiner Abneigung gegen die auf Zusammenarbeit und Regeln gegründete Nachkriegsordnung nie ein Geheimnis gemacht. Beim G7-Gipfel in Kanada rieb er es allen noch einmal unter die Nase. Er fand nettere Worte für Putin und Kim als für Trudeau und Merkel. Für Europa geht es ums Eingemachte. Mehr noch als für Kanada stehen die Sicherheit und der Wohlstand des europäischen Kontinents auf dem Spiel.
Wer vor Trump die Hacken zusammenschlägt, wird nur noch mehr gedemütigt. Der US-Präsident kennt nur das Prinzip Unterwerfung. Auf der anderen Seite ist gerade die deutsche Export-Wirtschaft auf die Vereinigten Staaten angewiesen.
Blindes Zurückschlagen verbietet sich darum. Es hilft nichts: Wenn sich der Gipfel-Rauch verzogen hat, muss weiter verhandelt werden.