Der Kreml und seine Medien bestreiten vehement jegliche Einmischung bei der französischen Präsidentschaftswahl. Dennoch sind die französischen Geheimdienste ernsthaft alarmiert. Einem Bericht von Le Canard enchaîné zufolge ist im Élysée Palast ein Treffen des Verteidigungsrats zur Diskussion von Abwehrmaßnahmen geplant.
Russland wird definitiv in den französischen Wahlkampf eingreifen, ist man überzeugt. Das habe ähnliche Gründe wie 2014 bei der Europawahl, erläutert die Expertenseite. Russland verfolge mit der Unterstützung euroskeptischer und russlandfreundlicher Kandidaten mehrere Ziele: die EU zu destabilisieren und für sich selbst eine Aufhebung der Sanktionen zu beschleunigen. Das russlandfreundliche Netz spanne sich daher über ganz Europa, auch zur AfD in Deutschland oder der FPÖ in Österreich.
Putin wolle eine Botschaft an die Welt schicken, dass Russland den Ausgang der französischen Wahlen beeinflussen kann. Das könnte eine weitere Geldspritze an den Front National (FN) implizieren: Man könne sich finanzielle Hilfe aus Moskau an Le Pen in den kommenden Wochen durchaus vorstellen, so Insidermeinungen. Die Frage ist nur, ob man davon erfährt …
Ein Millionenkredit wurde bereits gewährt im EU-Wahlkampf 2014, als die französischen Banken dem FN Kredite verweigerten
Die rechtslastige Partei war schon lange vor dem Kredit russlandfreundlich, das zeigt nicht nur Marine Le Pens immer wieder offen bekundete Bewunderung für Wladimir Putin. Sie spricht sich für ein Ende der EU-Sanktionen aus, der Austritt aus der EU und die Annäherung an Russland sind klare außenpolitische Ziele. Le Pen und Parteikollegen besuchen seit 2012 mehrmals im Jahr Moskau und die Krim und werden dort von ranghohen Politikern empfangen. Zum FN-Parteitag in Lyon 2014 kommt als Ehrengast Andrej Isajew, Vize-Sprecher der Duma. Auch in Paris werden die Verbindungen gepflegt: Marine Le Pens Nichte, die Parlamentsabgeordnete Marion Maréchal-Le Pen, besucht regelmäßig die russische Botschaft (Süddeutsche Zeitung).
Im Präsidentschaftswahlkampf 2017 wiederholt sich das Spiel, wieder sucht der FN nach einer Finanzierungsmöglichkeit. Le Pen wird den Umfragen zufolge mit etwa 25 Prozent zumindest den ersten Durchgang der Wahl gewinnen. In Frankreich werden die Wahlkampfkosten für Kandidaten, die mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen bekommen, zurückerstattet. Die Rückzahlung eines Kredits dürfte also kein Problem sein. Dennoch findet sich keine Bank, weder in Frankreich noch im Ausland. „Das Misstrauen der etablierten Financiers hat weniger ideologische Gründe, sondern vielmehr mit dem Finanzgebaren der Partei zu tun, das immer wieder an der Grenze zur Illegalität ist“, wird vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg bestätigt.
Auch der weitere französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron ist nach Angaben seiner Partei „En Marche“ ins Visier der russischen Medien geraten. Demnach würden staatlich kontrollierte Einrichtungen falsche Berichte über den europafreundlichen Politiker verbreiten, um Stimmung gegen ihn zu machen, sagte Generalsekretär Ferrand.
Außerdem gebe es Hunderte, vielleicht gar Tausende Angriffe auf das Computersystem des Wahlkampfteams, die von Russland aus gesteuert würden. Man nimmt an, Macron sei Ziel Moskaus, da er für ein geeintes und starkes Europa stehe, das auch Russland die Stirn bieten könne. Macron ist Umfragen zufolge für die Wahl im Mai Favorit.
Ferrand kritisierte den Sender Russia Today und die Agentur Sputnik, die beinahe täglich Falschmeldungen verbreiteten, die andere Medien wiederum aufgreifen. Er appellierte an die Behörden, gegen jeglichen Einfluss von außen vorzugehen. Er verwies aber auch auf die USA, wo Geheimdienste von einer gezielten Einflussnahme Russlands zugunsten Donald Trumps berichteten. Russland hingegen hat diese Vorwürfe zurückgewiesen.
Es wird wohl zu einer Stichwahl kommen. In jener würde Macron – den Erhebungen zufolge – deutlich gewinnen. Le Pen hat sich für bessere Beziehungen zu Russland ausgesprochen. Selbst Fillon – sollte er in die Stichwahl kommen – werden zurzeit bessere Chancen als Le Pen eingeräumt.
Aber der FOCUS schreibt: „Einen Le-Pen-Sieg definitiv zu verneinen, ist Wunschdenken.“ Vor fünf oder zehn Jahren war das noch anders. Le Pen hat die Entdiabolisierung der Front National vorangetrieben. Und Brexit sowie Trump-Sieg haben gezeigt, dass Umfragen irren können und alles möglich ist.
Es ist erschreckend, wie verwundbar unsere Werte, wie unter anderen Demokratie und Freiheit, geworden sind. Wie schnell geraten sie ins Strudeln. Demokratie begann einmal als Macht des Volkes. Wie mächtig ist dieses noch, wenn der Sieger bereits zu Beginn der Wahlen – pekuniär und durch „alternative Fakten“ bedingt – feststeht?! Quo vadimus, in Zeiten, in welchen Institute wie die Europäische Union und die NATO zu bröckeln beginnen?
Es ist ernsthaft an der Zeit, sich Gedanken zu machen …