Der Pakt

Am 23. August jährte sich zum 80. Mal der Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes. Um freie Hand beim Einfall in Polen zu haben, hatte Hitler 1939 einen Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion geschlossen, zu dem auch Geheimprotokolle gehörten. In ihnen einigte er sich mit Stalin auf die Abgrenzung der Interessengebiete. Polen wurde zwischen beiden Ländern aufgeteilt, die Sowjetunion bekam freie Hand in Bessarabien, Finnland und im Baltikum. Moskau bekam zusätzlich einen Teil Rumäniens zugesprochen. Am 17. September 1939 – gut zwei Wochen nach dem deutschen Überfall auf Polen – marschierten auch sowjetische Truppen in Polen ein. Sie besetzten 52 Prozent des polnischen Territoriums mit einer Bevölkerung von mehr als 13 Millionen Menschen. 240.000 polnische Soldaten wurden gefangengenommen, etwa 20.000 polnische Offiziere, Polizisten und Intellektuelle später in sowjetischen Lagern erschossen. 330.000 Menschen wurden nach Sibirien oder Zentralasien deportiert.

Um die Angst seiner Generäle vor einem neuen Zweifrontenkrieg einzudämmen, begnügte er sich mit West- und Zentralpolen (die NS-Deutschland auch ohne die Verträge mit dem sowjetischen Erzfeind in der Folge des Angriffskriegs gegen Polen gewonnen hätte), während die Sowjetunion auf einen Schlag – und ohne nennenswerte Verluste – mehrere Grenzen des Zarenreiches von 1914 wiederherstellen konnte, stellenweise sogar darüber hinaus griff. Russland unter dem Namen Sowjetunion war 1939/40 wieder in Ostmitteleuropa angekommen (nzz.ch, 14.11.2014).

In den baltischen Staaten hat sich der 23. August als Symbol der sowjetischen Okkupation 1940/41 und 1944 bis 1991 gehalten. Für Litauen gilt das mit Einschränkung: Bevor die Sowjetunion im Sommer 1940 den Nachbarstaat zerstörte, schenkte sie ihm das ehemals polnische Vilnius samt Umgebung. Die heutige polnische Ostgrenze war komplett, von Norden bis Süden eine Folge des Hitler-Stalin-Paktes. Im Rückblick dürfte es 1989 zu den größten Verdiensten Polens gehört haben, dass es diese Frage nie aufgeworfen hat – und damit dem Auszug der Ukrainer, Weißrussen und Litauer aus der Sowjetunion eine stillschweigende Rückendeckung garantierte.

Zwar hatte es einige Westmächte gegeben, darunter die USA, welche die gewaltsame Gebietserweiterung Stalins nie anerkannt haben. De facto aber wollte niemand an der sowjetischen Oberherrschaft an der Ostsee rütteln. Das war spätestens 1956 auch im nun sowjetischen Baltikum verstanden worden. Seither begann eine Zeit, in der man sich unter den Bedingungen der Fremdherrschaft einrichtete.

Der 23. August 1989 ist den Balten deshalb in sehr guter Erinnerung: An die zwei Millionen Menschen bildeten damals eine mehr als 600 Kilometer lange Kette von Vilnius über Riga nach Tallinn, damals alle noch Teil der Sowjetunion. Sie standen an den Straßen und sangen für die Freiheit, so wie die von Moskau verbotene alte Hymne „Gott segne Lettland“. Als „Baltischer Weg“ ist das Ereignis in die Geschichte eingegangen.

Nach dem Untergang des Nazi-Reiches behielt Stalin die Beute, die er sich 1939 im Einverständnis mit Hitler angeeignet hatte. In der Bundesrepublik war im Laufe der Jahrzehnte jedoch das Bewusstsein dafür geschwunden, wie weit der Pakt der Diktatoren bis in die Gegenwart hineinwirkte.

Das hatte anfangs noch anders ausgesehen. In den frühen, vom Antikommunismus geprägten Jahren der Bundesrepublik, galt der Hitler-Stalin-Pakt als exemplarischer Beleg für die Deckungsgleichheit der beiden nur scheinbar antagonistischen totalitären Systeme.

Das Wort vom Kommunismus als „rotlackiertem Faschismus“ (welt.de) stammt von Kurt Schumacher, dem ersten Nachkriegs-SPD-Vorsitzenden und KZ-Überlebenden.

Seit Mitte der 1960er-Jahre vollzog sich in dieser Hinsicht jedoch ein Paradigmenwechsel. Mit der Entspannungspolitik und unter dem Einfluss der linken Studentenbewegung, die später zur „68er-Bewegung“ verklärt wurde, geriet die Totalitarismustheorie in Verruf. Sie wurde bezichtigt, der deutschen Schuldverdrängung ein wohlklingendes Alibi verschafft zu haben.

An der unterschiedlichen Wahrnehmung des 23. August im Westen und im Osten Europas lässt sich exemplarisch ablesen, wie weit die verschiedenen historischen Gedächtnisse der Europäer noch immer voneinander entfernt sind.

Die Auswirkungen dieser fortbestehenden Teilung der Erinnerung auf den schwierigen Einigungsprozess Europas dürfen nicht unterschätzt werden.

Dass die Sklaverei untrennbar mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Kolonien und später der Vereinigten Staaten verbunden war, ist für viele Bürger unstrittig, doch die unbequemsten Fragen betreffen das 20. Jahrhundert und die Gegenwart, in der weiße Privilegien weiterwirken.

Erstmals seit dem Ende des Bürgerkriegs wird derzeit in den USA breit über Reparationszahlungen für die Opfer von Sklaverei und Rassismus diskutiert. Die Frage birgt viel Sprengkraft, dennoch ist sie für die Demokraten ein Wahlkampfthema.

Es war der Beginn der Sklaverei, von der auf dem Höhepunkt rund vier Millionen Afrikaner und Afroamerikaner betroffen waren und um deren Fortbestand die junge Republik einen blutigen Bürgerkrieg führte. Die New York Times widmete dem Datum das Projekt „1619“ (nytimes.com), das in einer Serie von Artikeln die unterschiedlichsten Aspekte der Sklaverei beleuchtet. Ziel der Initiative ist nicht weniger, als die Geschichte der USA neu zu deuten – mit 1619 als eigentlichem Startpunkt. Dieser Tage ist es exakt 400 Jahre her, dass ein Schiff an der Küste der Kolonie Virginia landete – mit mehr als 20 Afrikanern an Bord, die den Kolonisten als Sklaven verkauft wurden.

Unternehmen, die vom Sklavenhandel profitierten, sollen nun zur Rechenschaft gezogen werden.

Wie weit die wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem Menschenhandel gingen, zeigt sich wie folgt: Die Aetna-Versicherung versicherte das Eigentum der Sklavenhändler, die Sklaven, gegen Verwundung und Tod, aber nur im Umfang von zwei Drittel ihres Wertes. Die Fleet Bank, die Vorgängerin der heutigen „Providence Bank“, war in den Handel mit Sklaven verwickelt, indem sie die Schiffe finanzierte, mit denen Sklaven transportiert wurden. Die Eisenbahngesellschaft CSX lieh von Sklavenhaltern gegen gute Bezahlung Sklaven aus, die durch das gesamte Land Eisenbahntrassen verlegen mussten. Es handelt sich um Industriebetriebe aus Branchen wie Transport, Banken, Versicherungen, Baumwolle, Tabak und Reis (deutschlandfunk.de, 22.08.2002).

Lässt sich dieses angerichtete Unrecht ausgleichen? Die Frage einer Entschädigung ist keineswegs neu. Gegen Ende des Bürgerkriegs 1865 erließ der Unions-General William Sherman auf den Vorschlag von Vertretern der befreiten Schwarzen die „Special Field Order No. 15“, wonach Zehntausende von ehemaligen Sklaven 40 Morgen Land je Familie erhalten sollten.

Präsident Abraham Lincoln unterzeichnete ein entsprechendes Gesetz, doch er wurde kurz darauf von einem weißen Rassisten ermordet. Sein Nachfolger Andrew Johnson rückte von dem Vorhaben ab, und bereits Ende 1865 wurden Schwarze wieder von dem ihnen zugeteilten Land vertrieben.

Wie viel kosten 400 Jahre Sklaverei? Mehr als 150 Jahre lang war Reparation ein politisches Randthema in den USA. Ein unbequemes Thema.

Der Oberste US-Gerichtshof lehnte mehrere Klagen für den Ausgleich unbezahlter Sklavenarbeit ab, die erste vor über hundert Jahren. Die letzte 1995 (deutschlandfunkkultur.de). Die Richter bezeichneten Geldverteilung aufgrund von Rassenzugehörigkeit als verfassungswidrig. Doch die USA haben schon Reparationen gezahlt, an andere Bevölkerungsgruppen.

1980 sprach das Oberste Gericht neun Stämmen der Sioux Ansprüche zu: 102 Millionen Dollar als Ausgleich für Land, das ihnen versprochen worden war und trotzdem abgenommen wurde. Unter Präsident Ronald Reagan bekamen US-Bürger japanischer Herkunft, die während des Zweiten Weltkriegs interniert waren, eine Entschädigung: 20.000 Dollar pro Person.

Gegen Ende des Jahrzehnts drängt das Thema zurück auf die politische Tagesordnung. Kritiker merken an, dass die Umsetzung kompliziert wäre. Sollten zum Beispiel nur nachgewiesene Nachfahren von Sklaven Geld erhalten? Wie viel Geld wäre das? Würden auch reiche Afroamerikaner etwas erhalten? Und wieso sollten Nachfahren von Einwanderern, die nach 1865 kamen, dafür bezahlen?

Den US-Demokraten geht es um die Stimmen der Afroamerikaner in der Präsidentschaftswahl. Die Taktik ist jedoch nicht ohne Risiko, denn während laut einer aktuellen Umfrage drei Viertel der Afroamerikaner für direkte Zahlungen an Nachkommen von Sklaven sind, lehnen insgesamt 67 Prozent (sueddeutsche.de, 30.04.2019) der Bevölkerung dies ab.

Die Zustimmung hat allerdings deutlich zugenommen auf 29 Prozent gegenüber nur 14 Prozent im Jahr 2002.

Wie so oft gilt es bei Themen dieser Art, nun doch den ersten Schritt gemacht zu haben …

1969, was für ein Jahr. Das Jahr mit dem Sommer, der nie zu Ende ging … und doch ist es jetzt schon 50 Jahre her.

Peter Fonda starb vor einigen Tagen im Alter von 79 Jahren. Eine weitere Ikone verlässt die Bühne.

Ohne „Easy Rider“, 1969 gedreht und augenblicklich Kult geworden, wäre Peter Fonda vermutlich in Vergessenheit geraten. Er hatte damals bereits in etlichen Filmen gespielt, darunter „Der Trip“, die Geschichte einer LSD-Erfahrung, und „The Wild Angels“ von Roger Corman, in dem er eine Horde Rocker anführt. Unmittelbar nach „Easy Rider“ drehte er mit sich selbst in der Hauptrolle den Western „Der weite Ritt“, und wenn man Peter Fonda anhand dieser Figuren ein Charakterprofil geben wollte, dann hätte es etwas zu tun mit der Suche nach Freiheit und dem Scheitern daran.

Der uramerikanische Topos vom „last good place“, den es zu finden gilt, erhielt in diesen Filmen eine neue Form. Diese gründete in der Epoche zwischen Vietnamkrieg und Hippies, Studentenrevolte und Bürgerrechtsbewegung – und Fonda gab ihr ein Gesicht: kantig, mit stechendem Blick, abgeklärt, dennoch offen für Drogen aller Art. Zugleich verkörperte er die Bewegung des New Hollywood, die sich jenseits kommerzieller Konventionen mit Spaß am Experiment und teils raffinierten Bild- und Erzähltechniken auf die aktuellen Zeitströme einließ. Die späten Sechziger waren die Zeit, in der sich das amerikanische Kino mit dem Schlachtruf „Think young“ neu erfand.

Das New Yorker Woodstock-Festival war der Höhepunkt im „Sommer der Liebe“ 1969. Halbnackte Hippies, behangen mit Blumenkränzen, feierten ihr Woodstock-Festival. Es wurde damit zum Symbol für Gewaltfreiheit und freie Liebe! „Make love, not war“ – das war das Motto damals, gegen den Vietnamkrieg und die Konsumkultur. Die Veranstaltung startete am 15. August 1969 und entwickelte sich zur Mega-Wahnsinns-Partie – sie endete am frühen Morgen des 18. August. Von überall kamen junge und junggebliebene Menschen, um sich dem musikalischen Spektakel und der Liebe „hinzugeben“. Insgesamt präsentierten sich 32 Bands und Solisten an drei Tagen vor rund 400.000 „Blumenkindern“. Das Gelände erwies sich dann auch noch als viel zu klein, da die Besucherzahlen zuvor unterschätzt wurden. Ursprünglich stand hinter der Idee „Woodstock“ der Wunsch, mit den Einnahmen das Aufnahmestudio des jungen Musikproduzenten Michael Lang zu finanzieren. Dieses befand sich in Woodstock – und gegen Ende der 1960er lebten hier viele Sänger und Stars wie „The Band“ – Tim Hardin und viele andere mehr. Bis 1969 waren die Musik, die Frisuren und die lässigen, farbenfrohen Klamotten der Aufbegehrenden längst in den Alltag weiter Kreise der Bevölkerung eingesickert. Auf den Bildern, die die Ankunft der Festivalgäste dokumentieren, sind die neugierigen Dorfbewohner am Straßenrand nicht viel anders gekleidet als die Besucher.

Zusätzliche Schärfe hatte die jugendliche Rebellion bekommen, als die USA begannen, Rekruten für den Vietnamkrieg einzuziehen, und damit den männlichen Teil der Jugend dem Gefühl aussetzten, jederzeit zum gemeinsamen Sterben und Töten einberufen werden zu können.

1968, ein Jahr zuvor, hatten die politischen Morde an dem Prediger und Bürgerrechtler Martin Luther King und dem liberalen Präsidentschaftsbewerber Robert Kennedy den letzten Glauben an einen Wandel zum Besseren durch eine gewandelte Politik zerstört.

Ja, und einen Monat zuvor, am 16. Juli 1969, war es soweit: Apollo 11 brach zur ersten Mondlandung auf – und am 20. Juli landete die Mondfähre Eagle mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond, während Michael Collins in der Apollo-Kapsel den Mond umkreiste. Am 21. Juli setzte dann Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond.

Es war eine Zeit des Umbruchs, der inneren Freiheit. Eine Epoche, aus der wir in heutigen Tagen vielleicht etwas lernen können.

Aber man darf die Wahrheit nicht verklären: es wirkt fast so, als ob das Phänomen Woodstock sich als eine Art unumgänglicher Höhepunkt der Umstände seiner Zeit selbst ins Dasein gerufen hätte. Die Realität liegt aber Welten davon entfernt.

Was bleibt ist, dass 1969, insbesondere Woodstock, abgesehen von seinem Stellenwert in der Kulturgeschichte, vor allem eine „Gemeinschaft hinterlassen hat, die die Welt durch Musik ändern möchte“ (Darlene Fedun, Direktorin des Bethel Woods Center, dw.com).

Historiker fühlen sich an das Jahr 1212 erinnert. Damals wollten politisch beseelte Kinder ebenfalls mit allerlei Seefahrer-Spektakel die Welt retten, predigten inbrünstig für Armut wie für Gott und brachen ins Heilige Land auf. Ihr Anführer hieß Nikolaus, minderjährig wie Greta und ebenso charismatisch, er trug ein Kreuzzeichen aus Schiffstauen bei sich. Auch ihm flogen die Herzen der damaligen Zeit zu. Er versprach Kindern, die sich um ihn geschart hatten, ein Wunder: Das Meer würde sich in Genua teilen und so würden sie trockenen Fußes nach Jerusalem gelangen. Es kam anders, der friedliche Kinderkreuzzug scheiterte, doch die Faszination vor dem Kind als moralischem Mahner blieb im europäischen Unterbewusstsein für Jahrhunderte erhalten.

Auch Gretas Segeljachtfahrt wird vielfach kritisch kommentiert, weil es sich um eine der teuersten Rennjachten der Welt handelt, weil ihr „Team Malizia“ aus Monaco stammt, aus einem Steuerparadies, weil das Schiff einem ominösen Stuttgarter Immobilienmillionär gehört, weil man Greta unnötig in atlantische Sturmgefahren begibt. Eine Sprecherin des Teams sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Reise könnte für Thunberg je nach Wetterverhältnissen recht unruhig werden und ergänzt lakonisch: „Aber Greta ist ein mutiges Mädchen, sie wird das locker hinkriegen“ (n-tv.de).

Thunberg hatte medienwirksam angekündigt, möglichst unter völliger Vermeidung von CO2 zum Klimagipfel nach New York zu reisen. Skipper Boris Herrmann hatte daraufhin angeboten, Thunberg mit der Rennyacht seines Teams über den Atlantik zu segeln. Anschließend rührte das „Team Malizia“ die Werbetrommel und profitierte vom globalen Medienrummel um Thunberg. Waren Herrmann und seine Yacht zuvor nur in der Seglerszene bekannt, schaffte er es nun weltweit in die Abendnachrichten.

Das Rennboot mit roten Tragflügeln und einem Rumpf aus Carbon ist nur auf Geschwindigkeit getrimmt. Carbon ist besonders geeignet, wenn ein Fahrzeug leicht sein soll. Allerdings ist seine Kohlendioxid-Bilanz umstritten, weil Fasern und Kunststoff in der Regel aus Erdöl hergestellt werden und bei der Produktion viel Energie benötigt wird. Aber kurz vor der Abfahrt ist das kein Thema.

Über den Atlantik reist die Aktivistin, um unter anderem am UN-Klimagipfel in New York im September sowie an der alljährlichen Weltklimakonferenz in Chile im Dezember teilzunehmen. Thunberg geht es darum, den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen rapide zu senken, damit der Anstieg der globalen Erdtemperatur im Idealfall noch auf unter 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann. Bis heute hat sich die Temperatur bereits um rund ein Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erhöht. Die Welt müsse auf die Erkenntnisse der Forschung hören und im Kampf gegen die Klimakrise handeln, fordert Thunberg (augsburger-allgemeine.de).

Es wird jedoch Kritik an dem Segeltörn der Klimaaktivistin laut: er sei weniger klimafreundlich, als es den Anschein macht. Denn nach der Ankunft in New York werde die Jacht von etwa fünf Seglern wieder zurück nach Europa gebracht. Diese müssten dafür zunächst in die USA fliegen. Auch Thunbergs Skipper werde die Rückreise aus den USA mit dem Flugzeug antreten. Der Segeltörn löse also sechs Flugreisen über den Atlantik aus – wären Thunberg und ihr Vater geflogen, wären es weniger gewesen. Der Emissionsrechner der Organisation Atmosfair berechne für einen Flug von New York nach Hamburg einen Ausstoß von rund 1.800 Kilogramm Kohlendioxid (faz.net).

Nach Ansicht des Forschers Volker Lilienthal – Professor für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg – sei Greta Thunberg kein Selbstläufer, sondern müsse immer neu mit Aktionen befeuert werden. Man brauche etwas, damit die Journalisten auch immer wieder drauf springen. Greenpeace wähle seine Aktionen ja nicht nur danach aus, ob die wirklich etwas für die Umwelt tun, sondern auch danach, ob diese für die Medien attraktiv seien.
Greta sei für die Medien eine ähnliche Ikone wie der indische Nationalheld Mahatma Gandhi oder der deutsche Studentenführer Rudi Dutschke, so der Hamburger Professor (dpa, tagesspiegel.de). Berichterstattung funktioniere immer über Personalisierung. Wenn in Personen gesellschaftlich virulente Themen gerännen, wenn sie glaubwürdig und attraktiv medienstark verkörpert würden, dann stiegen Medien ein.

Allerdings nimmt Teenager Greta in einer Hinsicht eine Sonderrolle ein: Sie ist insofern geschichtlich neu, als es noch nie ein Kind gab, das eine Tendenz so deutlich verkörperte.

Nichts sei so dauerhaft wie ein Provisorium, lautet ein Zitat, das dem amerikanischen Schriftsteller Henry Miller zugeschrieben wird. Der sogenannte Solidaritätszuschlag, den deutsche Steuerzahler zu bezahlen haben, wurde 1991 zunächst für ein Jahr eingeführt. Neben den finanziellen Lasten der Wiedervereinigung sollte die Abgabe nicht zuletzt auch den ersten Irakkrieg finanzieren, an dem sich Deutschland zwar nicht militärisch beteiligte, für den es aber doch bezahlte. 1995 wurde aus dem Provisorium endgültig eine längerfristige Einrichtung. Seither zahlen Arbeitnehmer und Unternehmen 5,5 Prozent der Einkommens- beziehungsweise Körperschaftssteuer – zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit, wie es heißt.

Im vergangenen Jahr brachte der „Soli“ dem Staat fast 19 Milliarden Euro ein; gegenüber 2003 ist dies ein Anstieg von knapp 9 Milliarden. Würde Finanzminister Scholz’ Vorschlag umgesetzt, dürften immer noch Einnahmen von etwa 9 Milliarden bleiben. Für die Regierung wäre der Plan des Finanzministers attraktiv, könnte sie doch eine große Mehrheit der Steuerzahler spürbar entlasten, dabei aber einen verhältnismäßig großen Teil der derzeitigen Einnahmen weiterhin kassieren. Der Soli-Zuschlag beträgt 5,5 Prozent der Körperschaft- oder Einkommensteuer. Neben Arbeitnehmern zahlen auch Gewerbetreibende wie zum Beispiel selbstständige Handwerker die Abgabe.

Für 90 Prozent der heutigen Soli-Zahler soll die Abgabe komplett wegfallen. 3,5 Prozent von ihnen – die Topverdiener – sollen ihn in der vollen Höhe von 5,5 Prozent der Körperschaft- oder Einkommensteuer zahlen. Für alle dazwischen soll der Steuersatz schrittweise ansteigen. Damit würden 96,5 Prozent aller Steuerzahler (stern.de) besser gestellt als heute.

Es kommt nicht oft vor, dass der Staat sich von liebgewonnenen Einnahmequellen trennt – obwohl er das hin und wieder durchaus tun sollte, vor allem, wenn der ursprüngliche Zweck für eine Steuer oder Abgabe entfallen ist. Der Soli ist ein Paradebeispiel für einen solchen Fall. Erhoben wird er seit 1995, er sollte die Kosten der Wiedervereinigung finanzieren. Inzwischen ist das Verhältnis der Soli-Einnahmen zu den Mitteln, die für den Aufbau Ost verwendet wurden, aber in ein groteskes Missverhältnis geraten. Der Solidaritätszuschlag ist nichts weiter als eine weitere Einnahmequelle für den Bund. Insofern ist es lobenswert, dass Scholz den Zuschlag zumindest teilweise abschaffen will.

Bleibt die Sache mit den bröckelnden Brücken und den Funklöchern. Existieren die, weil nicht genug Geld da war? Nach einem Jahrzehnt Wirtschaftsboom und immer neuen Steuerrekorden? Da kommt man ins Grübeln.

Kurz gesagt: der Aufschwung wurde nicht klug genug genutzt. Es wurde zu wenig investiert und zu viel konsumiert. Die Investitionsvorhaben waren nicht langfristig genug konzipiert, um die Unternehmen zum nachhaltigen Kapazitätsaufbau zu bewegen. Sozialwohnungen wurden aufgegeben, die Grunderwerbsteuer zu Lasten der Häuslebauer erhöht und das Liegenlassen von Grundstücken durch Spekulanten nicht bestraft. Die Autoindustrie wurde geschont, die Bahn vernachlässigt. Viele Gemeinden sind immer noch überschuldet und können deshalb nicht investieren, Lehrer werden im Sommer entlassen, der Netzausbau hinkt hinterher, eine effiziente Bepreisung von CO2 gibt es nicht, stattdessen viele teure Einzelmaßnahmen für mehr Klimaschutz. Milliarden sind dagegen in die Mütterrente geflossen, in die Rente mit 63 und nun, ganz neu, in die Haltelinien für die Rentenversicherung.

Einen Großteil der Einnahmen verwendet der Staat längst für andere Zwecke – und will das auch weiterhin tun.

Das Prinzip ist nicht neu, aber dennoch falsch: Von einmal erschlossenen Einnahmequellen trennt sich der Fiskus oft auch dann nicht, wenn sich ihre Begründung überholt hat. Doch genau mit dieser Art von Querfinanzierung müsste eine klimafreundliche Steuerreform eigentlich Schluss machen.

FDP-Chef Christian Lindner droht mit einer Verfassungsklage: Sollte Scholz nicht ein konkreten Plan für einen vollständigen Abbau des Solis aufzeigen, „werden Tausende Steuerzahler und die FDP bis Karlsruhe klagen“ (handelsblatt.com).

Aus der Luft gegriffen sind die Drohungen nicht. Lindner beruft sich auf ein Gutachten, das der frühere Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier im Auftrag seiner Partei angefertigt hat.

Nach dessen Ansicht war der Soli für Ausnahmesituationen vorgesehen und daher vorübergehender Natur.

Unter dem rechtspopulistischen Präsidenten Bolsonaro hat sich die Zerstörung des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes massiv beschleunigt. Bolsonaro hatte große Flächen für die Landwirtschaft freigegeben und das Budget für Klimaschutz fast vollständig gestrichen. Auch stellt er den Schutz von Waldgebieten als Lebensraum und Kulturerbe der indigenen Bevölkerung infrage. Die gerodeten Flächen werden vor allem für den Anbau von Soja und für die Rinderzucht verwendet.

Seit Bolsonaro in Brasilienan der Macht ist, wird dort immer mehr Wald abgeholzt. Jüngste Satellitenaufnahmen der Brasilianischen Raumfahrtbehörde zeigen, dass im Juni 60 Prozent mehr Regenwald gerodet wurden als im gleichen Monat des Vorjahres (cnn.com unter Berufung auf staatliches Weltraumforschungsinstitut INPE).

„Sie können das Geld sinnvoll verwenden. Brasilien braucht es nicht“: Mit diesen Worten hat Bolsonaro auf den möglichen Wegfall von Fördergeld für den Umweltschutz aus Deutschland reagiert. Das Umweltministerium hatte zuvor erklärt, wegen der zunehmenden Rodung im Amazonasgebiet die Unterstützung zum Schutz von Wäldern und Artenvielfalt in Brasilien zu beenden (SPON). Man rege eine Überprüfung der weiteren Zusammenarbeit mit Brasilien im Amazonasfonds an. In diesen Fonds hat die Bundesregierung bisher 55 Millionen Euro einbezahlt, zuständig ist das Entwicklungsministerium.

Bezogen auf das gesamte erste Halbjahr 2019, erreicht die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes den höchsten Wert seit drei Jahren.

Umweltschützer auf der ganzen Welt leben gefährlicher denn je. Aktivisten, Anwälte, Journalisten und vor allem indigene Menschen riskieren täglich ihr Leben, wenn sie Land und Natur gegen Ausbeutung verteidigen. Wissenschaftler der University of Queensland analysierten unter anderem Daten der Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ (faz.net), die seit 1993 Verbindungen zwischen natürlichen Ressourcen, Konflikten und Korruption erfasst. In der Zeitschrift „Nature Sustainability“ berichten die Autoren der Studie um Nathalie Butt, dass zwischen den Jahren 2002 und 2017 mehr als 1.500 Menschen bei dem Versuch, die Umwelt zu schützen, starben. Diese Zahl ist fast halb so groß wie die der gefallenen amerikanischen Soldaten im Irak und Afghanistan in dieser Zeit.

Brasilien gilt als ein Schlüsselland im Kampf gegen eine unkontrollierte Erderwärmung – wegen des Regenwaldes, der viele Treibhausgase aufnehmen und speichern kann. Zwar bekennt sich Bolsonaro aus Angst vor Auswirkungen auf den wichtigen Agrarexport bisher zum Pariser Klimaabkommen, das für Brasilien ein Zurückfahren der illegalen Abholzung auf null bis 2030 vorsieht, zudem wird eine Wiederaufforstungsoffensive gefordert.

Aber in der Realität passiert das Gegenteil (tagesspiegel.de). Und ausgerechnet durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur, zudem Brasilien gehört, könnte die Abholzung sich weiter verstärken – denn Brasilien will damit mehr Fleisch und Soja nach Europa exportieren.

Die Zusammenarbeit mit den USA steht hingegen: Präsident Donald Trump verkündete erst am Dienstag ein neues Handelsabkommen mit Brasilien und stufte das Land offiziell als wichtigen Verbündeten außerhalb der Nato ein, um den Export hochentwickelter Waffen zu erleichtern.

Wer das Klima retten will, der braucht ohne den Amazonas gar nicht erst anzufangen. Der Regenwald bindet gigantische Mengen von Kohlenstoff. Studien zufolge sind es 90 bis 140 Milliarden Tonnen, manche gehen gar von 200 Milliarden Tonnen aus. Zum Vergleich: In deutschen Wäldern sind gerade einmal 1,1 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Für die Rettung des Weltklimas braucht es mehr Wälder, nicht weniger, das hat kürzlich erst eine Untersuchung der ETH Zürich nahegelegt. Mit massiver Aufforstung, heißt es da, könne die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden.

Seit Januar schwingt der Bolsonaro die Axt. Trotz vorhandener internationaler Gelder aus Europa genehmigte Brasilien seither kein einziges Schutzprojekt mehr. An seinem ersten Tag als Präsident schob Bolsonaro per Dekret dem Landwirtschaftsministerium die Verantwortung für die Grenzen indigener Schutzgebiete zu. Der Gerichtsstreit darüber dauert an.

Die Signale an die illegalen Holzfäller sind eindeutig: Bei uns könnt ihr machen, was ihr wollt!

Hey Bruder,

hast Du jemals die Geburt

einer Quelle beobachtet?!

Wenn die Erde aufbricht

und das klare Wasser emporsteigt?!

Du fragst nach Kunst?

Die Inder sagen,

das Rauschen der Blätter

in den Baumkronen

sei das erste Gedicht,

das Plätschern des Flusses

der erste Gesang.

Die Sonne spiegelt sich

im Wasser, ein Funkeln,

wie tausend Diamanten.

Lege sie nachts

auf den schwarzen Samt

der Wasseroberfläche.

Du wirst reich sein!

Wassermassen still, warten,

bis ihre Zeit gekommen.

Sie stürzen sich in den Strom,

der alles mitreißt.

Hüte Dich vor der Masse,

sage es nur den Weisen,

sie werden verstehen.

Der Wasserfall,

kannst Du ihn hören?!

Das Spiel der Elemente,

die Luft lädt zum Tanze.

Der Sturz in die Tiefe,

der Lauf der Dinge,

niemand hält ihn auf.

Die Ruhe des Meeres

ist tückisch, glaube mir!

Vergiss die Tempestaden nicht,

in Bergen kehren wir zurück

zum Strand, um dort

tosend zu brechen.

Urgewalten …

Die Sonne wird brennen,

Wasser wird aufsteigen,

um herabzuregnen,

in der Erde zu versickern.

Wenn diese bricht,

kommt es wieder heraus,

sucht seinen Weg.

Die EU wird uns einen super Deal geben, es wird uns hinterher besser gehen. Eben das war die Natur des populistischen Kreuzzugs, genannt Brexit: Lügen, Verführung, Muskelspiele. Das rächt sich nun.

Weil das Kalkül nicht aufging, droht Premier Boris Johnson mit No Deal. Dass der Crash am 31. Oktober kommt, wird immer wahrscheinlicher, und die Rhetorik, mit der die neue Tory-Regierung das Land überzieht, wird immer martialischer und orwellhafter. Letzte Woche tagte gar das „Kriegskabinett“, das den vertragslosen EU-Ausstieg vorbereiten soll.

Die Wirtschaftsministerin lud Unternehmer, die den Brexit „begrüßen“ sollen, zu einem „optimistischen“ Gespräch. Der Finanzminister gab Milliarden Pfund für die Vorbereitungen frei, mit denen, unter anderem, die „größte Informationskampagne seit dem Krieg“ (dpa) finanziert werden soll. Ein Not-Haushalt im Herbst wird nicht ausgeschlossen.

Der neue britische Premierminister Johnson will die EU Ende Oktober verlassen – notfalls auch ohne Scheidungsabkommen. Das dürfte die Wirtschaft schwer belasten. Das Pfund fiel zuletzt schon auf den niedrigsten Stand seit 30 Monaten. Im britischen Parlament gab es bislang keine Mehrheit für einen No-Deal-Brexit. Einige Parlamentarier aus Johnsons konservativer Partei haben signalisiert, im Zweifel gegen den Premierminister zu stimmen, um einen Chaos-Brexit zu verhindern.

Die EU-Kommission hat den ausgehandelten Austrittsvertrag mit Großbritannien als „bestmöglichen“ (reuters.com) Deal bezeichnet und Nachverhandlungen ausgeschlossen.

Ein Brexit ohne Deal dürfte die britische Wirtschaft schwer belasten, hätte angesichts der engen Wirtschaftsbeziehungen zu dem bisherigen EU-Land aber auch Auswirkungen auf den Kontinent. Wohl aus diesem Grund hatte das britische Parlament einen No-Deal-Brexit abgelehnt.

Boris Johnson trommelt mit allen Mitteln für einen EU-Austritt ohne Vertrag. Doch die Kampagne geht nach hinten los. Vielen Briten wird jetzt erst bewusst, was der Brexit sie wirklich kostet.

Denn zusammen mit den blumigen Versprechen für eine gloriose Zukunft und der kriegerischen Sprache werden, wiewohl ungewollt, Informationen mitgeliefert, die das Bild vom „easy peasy“ (sueddeutsche.de) Brexit plötzlich trüben.

Farmer in Wales, die 2016 die „Kontrolle zurück haben“ wollten, wie der Slogan der Leave-Kampagne lautete, werden nervös. Zum ersten Mal realisieren die Schafzüchter, dass ihnen ein riesiger Markt wegbrechen, dafür aber hohe Zölle ins Haus stehen könnten. Zum ersten Mal wird den Bauern klar, dass die Subventionen vermutlich nicht, oder nur kurzfristig, von London übernommen werden. Sie lernen: Es geht um ihr Geld, um Existenzen.

Plötzlich wird im Königreich diskutiert, wie hoch der Preis wäre, wenn es zum äußersten käme. Bisher war das eine vage Möglichkeit, jetzt wird es realer. Und die Angst wächst.

Es war der Traum, Großbritannien zu alter Größe zurückzuführen, genährt von der Erinnerung an die vermeintlich guten Zeiten, als die Kolonialmacht die halbe Welt beherrschte. Und mit dem Slogan von „Global Britain“ (welt.de), das an die Stelle der Mitgliedschaft in der EU folgen sollte, appellierten viele konservative Politiker genau an diese Sehnsucht.

Der Traum ist geplatzt. Jetzt kommt der Knaller: In diesem Jahr wird die indische Volkswirtschaft aller Voraussicht nach die britische abhängen – ausgerechnet eine einstige Kolonie überrundet damit die frühere Kolonialmacht, die damit in der Liste der größten Volkswirtschaften einen weiteren Platz absteigt (focus.de). Das wirft ein Licht auf die wahren Kräfteverhältnisse in der Welt, eine Welt, in der Großbritannien allein um seinen Platz kämpfen muss.

In Wales, Nordirland und Schottland wächst der Widerstand gegen den Bexit. In Schottland wurde bereits vor einiger Zeit der Satz geprägt, schlimmer als aus Brüssel regiert zu werden sei aus London.

Wird die Queen nach einem harten Brexit einen Teil ihrer Untertanen verlieren, weil die Schotten, Nordiren oder Waliser unabhängige Staaten anstreben? Diese Frage ist im Moment schwer zu beantworten.

„Die Mehrheiten für diese Entwicklung sind am Horizont noch nicht sichtbar, aber nach einem harten Brexit ist sicherlich alles im Fluss. Die Dynamik wächst“ (Katy Hayward, Soziologin an der Queen’s University in Belfast/Nordirland gegenüber dem Sender France 24).