Männer sehen sich neuerdings als Verlierer: im Leben wie im Job.

Vielleicht braucht es, bevor man über Mann und Männlichkeit reden kann, ein paar Fakten. Die Arbeitslosenquote zum Beispiel: Die liegt bei Männern seit einigen Jahren höher als bei Frauen. Oder die Selbstmordrate: In Deutschland nehmen sich dreimal so viele Männer das Leben wie Frauen. In Deutschland, in Großbritannien, in den USA. Als Beleg für die gesellschaftliche Marginalisierung des Mannes, seine schwindende Bedeutung, seinen Rollenverlust als Krone der Schöpfung. Aber vor allem für die sogenannte Hecession, für die wirtschaftliche Rezession, die Männer besonders hart trifft, weil die einst von ihnen dominierte Industriearbeit in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr weggebrochen ist.

Der Mann – das belegen die Zahlen – ist in der Krise. Sie macht ihn zum Extremisten, zum Fanatiker, Gewalttäter, vielleicht sogar zum Terroristen, mindestens aber zum Trump-Wähler. Der Mann ist ein gesellschaftlicher Problemfall. Und wie so oft, wenn es Probleme gibt, muss jemand schuld sein. Idealfall: Nicht ich selbst! Conclusio: Der Mann ist jetzt Opfer. Von Globalisierung, Feminismus und der bösen Welt da draußen.

Einer US-Studie zufolge fühlen sich mehr männliche Millennials, Männer zwischen 18 und 34, im Arbeitsleben wegen ihres Geschlechts diskriminiert als Frauen. Männer sagen, ihre Aufstiegschancen seien beschränkt, weil Frauen bevorzugt würden. Eine gefühlte Wahrheit gutsituierter White-Collar-Jungs? Tatsache ist: Der Gender Pay Gap, die finanzielle Geschlechterungleichheit, ist jetzt gerade größer als noch vor acht Jahren. Ihn zu schließen könnte noch bis zum Jahr 2186 dauern (Jahresbericht World Economic Forum). Unter den hundert reichsten Menschen auf dem Globus befinden sich gerade mal zehn Frauen. In den Vorständen deutscher Dax-Unternehmen sitzen 45 Frauen insgesamt 630 Männern gegenüber.

Reden wir über die Kluft zwischen Realität und Selbstwahrnehmung? Fakt ist: Es gibt Bereiche, in denen Männer tatsächlich zurückfallen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts musste die Arbeiterklasse in den führenden Industrienationen, die zu großen Teilen aus Männern bestand, harte Schläge hinnehmen. In der globalisierten, kapitalistischen Welt wanderten Jobs und Unternehmen dorthin ab, wo sich der Profit maximieren ließ. Die einheimische Industrie starb ab. Der Beginn vom Ende der Montanindustrie und der Anfang einer service- und dienstleistungsorientierten Gesellschaft.

Dieser Wandel macht Männern bis heute zu schaffen. 2014 belegte eine US-amerikanische Studie, dass Männer in den vergangenen Jahrzehnten deutlich schlechter mit dem Verlust ihres Jobs umgehen konnten als Frauen. Viel häufiger vom Verschwinden sogenannter mittelqualifizierter Jobs betroffen, schaffte es die große Mehrheit der Frauen, ihre Qualifikationen auszuweiten und in einen besser bezahlten Job aufzusteigen. Die Mehrheit der Männer im selben Segment rutschte in geringqualifizierte Jobs ab.

Eine seltsame Dualität: Während die männliche Arbeiterklasse verschwindet und Männer auch in der Zahl der Universitätsabsolventen hinter die Frauen zurückfallen, sammeln sich Reichtum und wirtschaftlicher Erfolg in den Händen weniger Personen – vor allem in den Händen von Männern. Männer stehen ganz oben, aber sie stehen auch ganz unten. Die berüchtigte gesellschaftliche Schere: Ist die Krise des Mannes am Ende also eine Klassenfrage? Sind es die Fliehkräfte eines Systems, das die Schwachen schwächt und die Starken stärkt? Streiten wir eigentlich gar nicht über die eingebildeten und realen Ängste von Büromännern und Arbeitern, sondern über Kapitalismus? Um den Kampf der Besitzenden gegen die Besitzlosen?

Jobs, die das Bild des „harten Kerls“ stärken, werden heutzutage in unserer Gesellschaft immer weniger, fallen teilweise ganz weg. Hindert den Mann vielleicht das Bild des Mannes auf seinem Weg zu einem zufriedenen Leben? Der Fortschritt unserer Gesellschaft führt nunmal dazu, dass die Jobs der Zukunft auf Dienstleistungen und sozialen Interaktionen basieren – wofür andere, sogenannte „weichere“ Fähigkeiten wichtiger sind als Muskelkraft und Durchsetzungsvermögen. Weshalb diese Jobs eher dem Klischee, das sich die Gesellschaft von der Rolle der Frau gemacht hat, entsprechen – nicht dem Männerbild.

Die Frauen haben es – über die Suffragettenbewegung und über die Emanzipationsbewegung der 1960er Jahre – geschafft, in der modernen Welt anzukommen. Das kindererziehende „Heimchen am Herd“ gibt es schon lange nicht mehr. Kurzum: die Damenwelt hat sich emanzipiert, Anpassungsfähigkeit an die modernen Umstände gezeigt. Die Herren werden das Gleiche tun müssen: ihre Rolle in der modernen Gesellschaft finden! Der hart schuftende „Cowboy im Trägershirt“ hat ausgedient. Nur mit Blick für die Zukunft – und nicht zurück – wird man(n) seinen Weg finden.

Und, nicht zuletzt: Wenn sich die Geschlechter auf Augenhöhe gegenüberstehen, kann niemand mehr „runterfallen“.

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